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Dieser Band enthält folgende Krimis: (399) Alfred Bekker: Der rollende Tod Alfred Bekker: Kahlgeschoren Alfred Bekker: Mörder-Chip Eine Serie von grausamen Prostituiertenmorden stellt die Ermittler vor ein Rätsel. Immer wieder schlägt der geheimnisvolle Killer zu – und die Stadt erstarrt in Angst. Treibt hier ein irrer Serienkiller sein Unwesen – oder steckt Krieg zwischen Zuhältern und Gangsterbossen dahinter? Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
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Seitenzahl: 384
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Thriller Spezial Großband 1015 - 3 Romane
Copyright
DER ROLLENDE TOD
Kahlgeschoren: Thriller
Mörder-Chip
Dieser Band enthält folgende Krimis:
Alfred Bekker: Der rollende Tod
Alfred Bekker: Kahlgeschoren
Alfred Bekker: Mörder-Chip
Eine Serie von grausamen Prostituiertenmorden stellt die Ermittler vor ein Rätsel. Immer wieder schlägt der geheimnisvolle Killer zu – und die Stadt erstarrt in Angst.
Treibt hier ein irrer Serienkiller sein Unwesen – oder steckt Krieg zwischen Zuhältern und Gangsterbossen dahinter?
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author COVER TONY MASERO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Die Mutprobe einer Jugendgang endet in einem Blutbad. Die Gang-Mitglieder geraten an einen Gangster-Boss, der sich sein Portemonnaie partout nicht abnehmen lassen will. Doch das ist nur der Auftakt für eine Serie von blutigen Ereignissen, die New York erschüttern. Ein brutaler Kampf mächtiger Syndikate entbrennt - und die Ermittler folgen der Spur des Todes.
Action Thriller von Alfred Bekker alias Henry Rohmer
Henry Rohmer ist das Pseudonym des bekannten Fantasy- und Jugendbuch-Autors ALFRED BEKKER.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
Cover: Steve Mayer
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© 2015 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
postmaster @ alfredbekker . de
Der Umfang dieses Ebook entspricht 124 Taschenbuchseiten.
17.00 Uhr. Rush Hour im Big Apple. Der Verkehr stand mal wieder auf der Brooklyn Bridge. Die Instandsetzungsarbeiten, die zurzeit an der Brückenkonstruktion durchgeführt wurden, sorgten immer wieder für Staus. Spezialfahrzeuge hielten am Fahrbahnrand. Engpässe waren bei hohem Verkehrsaufkommen vorprogrammiert. Jack Scarlatti klopfte nervös auf dem Lenkrad seines Cabriolets herum. Das dunkelhaarige Girl auf dem Beifahrersitz verdrehte genervt die Augen.
"Du hättest auf mich hören und über Queens fahren sollen", maulte sie. "Ich hab dir doch..." Sie sprach nicht weiter, riss verwundert die Augen auf. Scarlatti war genauso verwirrt. Sieben junge Männer schnellten auf Roller-Skates durch die engen Gassen zwischen den stehenden Fahrzeugen. Ihr Tempo war halsbrecherisch. Sie trugen lange Western-Mäntel, Helme und Sonnenbrillen mit Spiegelgläsern, die einen Großteil des Gesichts verbargen. Der erste von ihnen stoppte, riss eine Automatik hervor und feuerte wild um sich.
Auch die anderen holten ihre Waffen hervor. Automatische Pistolen und eine abgesägte Shot Gun. Einer der Roller-Skates-Fahrer schwenkte eine Handgranate in der Linken.
"Macht die Fenster auf - oder es gibt einen großen Knall!", rief er.
Ein Kerl, auf dessen Helm "Wild Eagle" stand, feuerte mit seiner Automatik durch die Seitenscheibe eines BMW. Zwei Löcher waren im Glas. Die Kugeln steckten irgendwo in den Polstern. Der Fahrer saß schreckensbleich zusammengekauert hinter dem Steuer.
Der Kerl glitt auf seinen Roller-Skates heran und verpasste der durchschossenen Scheibe einen Ellbogencheck. Sie brach auseinander. Mit dem Waffenarm langte er ins Innere, hielt dem BMW-Fahrer die Mündung entgegen.
"Die Brieftasche, du Fettarsch!"
Der BMW-Fahrer griff in die Innentasche seines Tausend-Dollar-Maßanzugs und reichte die Brieftasche hinüber.
Jack Scarlatti beobachtete die Szene mit zusammengekniffenen Augen.
"Verdammte Schweinehunde!", zischte er zwischen den Zähnen hindurch.
Das Girl auf dem Beifahrersitz seines offenen Porsche begann zu wimmern.
"Jack! Unternimm doch was!"
"Halt die Klappe, Evita!"
Einer der Gangster schnellte mit der Waffe in der Hand auf den Sportwagen zu.
Scarlatti griff unter sein Jackett, riss eine Automatik hervor. Er feuerte sofort. Der Roller-Skates-Fahrer bekam einen Kopftreffer, taumelte zurück und schlug gegen das Heck eines Vans.
Evita riss Augen und Mund weit auf.
Das dunkelhaarige Girl schrie hysterisch.
Der Kerl mit der Handgranate zog mit den Zähnen den Auslöser ab. Scarlattis Gesicht verzog sich zur grimmigen Maske. Er schwenkte die Waffe herum und feuerte erneut. Sein Schuss erwischte den Kerl mit der Handgranate in der Brust. Sekundenbruchteile bevor der Roller-Skates-Fahrer die Handgranate in Scarlattis Richtung schleudern konnte, ließ ihn die Wucht des Geschosses zurücktaumeln. Er landete auf dem Kotflügel eines Coupés, rutschte blutüberströmt zu Boden.
Einer seiner Komplizen feuerte fast im selben Moment auf Scarlatti. Ein Ruck ging durch den Körper des Italoamerikaners. Die Kugel erwischte ihn in der Brust, knapp oberhalb des Herzens.
Das Girl auf dem Beifahrersitz schrie.
Im nächsten Moment detonierte die Handgranate.
Scheiben barsten.
Das Coupé wurde buchstäblich auseinander gerissen. Metallteile flogen durch Luft. Der Tank explodierte. Einer der Mantel-Gangster, der zu nahe am Explosionsherd gestanden hatte, wurde von den Flammen erfasst. Die Druckwelle schleuderte ihn wie eine brennende Puppe durch die Luft. Der Körper prallte gegen die Seitenfront eines Container-Trucks. Sein Schrei verstummte.
Der Roller-Skates-Fahrer mit der Shotgun stoppte den Lauf seiner Rollen, wirbelte herum. Für seinen Komplizen konnte er nichts mehr tun. Er starrte auf die lodernden Flammen, dann wandte er sich dem vollkommen unter Schock stehenden Girl auf dem Porsche-Beifahrersitz zu.
Evita saß zitternd da.
Neben ihr die blutüberströmte Leiche von Jack Scarlatti.
Der Maskierte hob die Shot Gun in Höhe ihres Kopfes.
"Gib mir die Brieftasche von deinem Typ!"
Das Girl saß vollkommen konsterniert da. Sie starrte auf einen bestimmten Punkt in Höhe der Schulter, der ihren Blick gefangen nahm. Dort befand sich ein Aufnäher auf dem groben Stoff des Westernmantels. "Fuck U!!" stand darauf.
Evita schluckte.
"Los, verschwinden wir!", rief einer der anderen Maskierten.
Aber der Kerl mit der Shotgun ließ sich davon nicht beeinflussen. Er drückte die Waffe ab, riss sie im letzten Moment in die Luft, sodass das die Schrotladung ins Nichts ging. Die Blondine zuckte zusammen.
"Wird's bald?"
Zitternd griff das Girl dem toten Scarlatti in die Jackettinnentasche und holte die Brieftasche hervor. Der Shotgun-Schütze riss es ihr aus der Hand. Dann setzte er sich in Bewegung, glitt auf seinen Rollen zwischen den Wagen her.
Ein paar Leute, die aus ihren Wagen gestiegen waren, sprangen ihm in letzter Sekunde aus der Bahn.
Mister McKee machte ein ernstes Gesicht. Milo und ich saßen zusammen mit einer Reihe weiterer G-men im Besprechungszimmer unseres Chefs. "Wenn wir Pech haben, dann ist der Tod von Jack Scarlatti nur der Auftakt eines ausgewachsenen Gangsterkrieges", erklärte Mister McKee. Scarlatti und sein Syndikat versuchten zurzeit mit allen Mitteln, die Vorherrschaft der Russen und Ukrainer aus Brooklyn im Bereich der illegalen Müllentsorgung zu brechen. Die Gewinnspannen in diesem Zweig des organisierten Verbrechens überschritten seit Jahren schon die des Drogenhandels bei weitem. Ein unerwünschter Nebeneffekt immer höherer Umweltstandards und knapper werdender Lagerkapazitäten auf den legalen Sondermülldeponien.
Mister McKee wandte sich an Agent Max Carter aus dem Innendienst. "Ich hatte Sie gebeten, für die anwesenden Special Agents ein Dossier über Scarlattis bisherigen Werdegang zusammenzustellen, Max."
"Habe ich auch gemacht. Es wird gerade noch ausgedruckt. Im Wesentlichen lassen sich unsere bisherigen Erkenntnisse folgendermaßen zusammenfassen: Jack Scarlatti übernahm vor drei Jahren die Geschäfte seines Vaters Tony, der außer Landes ging, bevor die Justiz gegen ihn vorgehen konnte. Jetzt sitzt Tony Scarlatti in Marokko und kann davon ausgehen, dass wahrscheinlich auch in den nächsten zwanzig Jahren kein Auslieferungsabkommen zwischen Marokko und den USA abgeschlossen werden wird."
"Und selbst wenn", ergänzte Mister McKee. "Scarlatti senior hat frühzeitig dafür gesorgt, die Gewinne aus seinen illegalen Geschäften ins Ausland zu transferieren. Er wäre reich genug, um in Marokko die Justiz in seinem Sinn zu bestechen."
"Aus diesem sicheren Hafen wird ihn wohl so schnell auch niemand hervorlocken können", war ich überzeugt.
Mister McKee hob die Augenbrauen. "Wer weiß? Sein Sohn Jack Scarlatti wurde jedenfalls gestern am frühen Abend auf der Brooklyn Bridge unter sehr eigenartigen Umständen erschossen, was auch für das alte Familienoberhaupt die Lage ändern könnte. Jeder von Ihnen, der die Lokalnachrichten oder das Frühstücksfernsehen eingeschaltet hatte, wird die Bilder von der Rauchwolke gesehen haben, die Richtung Battery Park zog."
Max Carter projizierte ein Dia an die Wand, das den Tatort nur wenige Minuten nach dem Anschlag zeigte. Ein Hubschrauber der City Police hatte das Foto gemacht. Die Rauchfahne war deutlich zu sehen.
"Die Kollegen der City Police und der Highway Patrol haben gestern Abend noch Dutzende von Zeugen befragt. Einige unserer Agenten waren auch dabei. Danach ergibt sich folgendes Bild: Eine Gruppe von sieben bewaffneten Roller-Skates-Fahrern schnellte zwischen den im Stau stehenden Fahrzeugen her und begann damit, die wehrlosen Insassen auszurauben. Einer von ihnen drohte mit einer Handgranate für ein Inferno zu sorgen..."
"Was ihm ja wohl auch gelungen ist", sagte Clive Caravaggio. Der stellvertretende Special Agent in Charge nippte an seinem Kaffeebecher.
Max Carter kratzte sich am Kinn. "Den Zeugenaussagen nach lief das Ganze nicht so, wie diese Roller-Skates-Gang es wohl geplant hatte. Ein Porschefahrer zog eine Waffe und wehrte sich. Das war Jack Scarlatti. Er lieferte sich mit den Mobstern ein Feuergefecht. Insgesamt drei von ihnen kamen ums Leben. Dabei wurde die Handgranate ausgelöst. Die sterblichen Überreste der drei Roller-Skates-Fahrer sind beim Coroner und ich hoffe, dass wir möglichst bald wissen, um wen es sich handelt. Durch die Explosion, sowie durch die Luft geschleuderte Metallteile kamen außerdem die nach unseren bisherigen Erkenntnissen völlig unbeteiligten Insassen eines Sportcoupés ums Leben. Einige Dutzend Personen erlitten Verletzungen."
"Hatten die Täter es denn wirklich auf Scarlatti abgesehen oder handelte es sich vielleicht doch um einen Raubüberfall?", hakte mein Freund und Kollege Milo Tucker nach.
Max Carter zuckte die Achseln. "Wir wissen es nicht. Nur eins steht fest: Es gibt einige Leute bei der Müllmafia in Brooklyn, denen Scarlattis Tod gut in den Kram passt. Und der alte Scarlatti wird jetzt Blutrache schwören."
"Also können wir uns so oder so in nächster Zeit auf einiges gefasst machen", schloss Mister McKee. "Jack Scarlattis zweiter Mann hier in New York ist ein gewisser Ray Neverio. Gehört zur Familie, ein Großcousin glaube ich. Wir gehen davon aus, dass er die Geschäfte weiter führt."
"Wenn die Hypothese stimmt, dass die Brooklyn-Leute dahinterstecken, dann wird Neverio mit Sicherheit die Nummer Zwei auf der Todesliste sein", stellte Clive Caravaggio fest.
Mister McKee nickte. "Oder die Scarlatti-Familie schlägt zurück und es erwischt einen der Bosse in Brooklyn. Aber wir werden nicht zulassen, dass das passiert. Unter keinen Umständen."
"Für mich sieht das ganze eher aus wie eine dieser Mutproben, wie man sie von den Gangs aus dem Barrio oder der South Bronx kennt", meinte ich. Bei derartigen Mutproben mussten neu aufgenommene Mitglieder Straftaten begehen, die sie an die Gang banden. Es kam auf die Coolness des Auftritts an. Die Neuen mussten sich Respekt innerhalb der Gruppe verschaffen und zeigen, was für tolle Typen sie waren. Die Effektivität stand nicht an erster Stelle. Ihr Geld machten diese Gangs normalerweise im Drogenhandel oder anderen Zweigen des organisierten Verbrechens. Auf jeden Fall gab es einträglichere Möglichkeiten für sie, Geld einzunehmen, als das Auto-Mugging im Stau der Brooklyn Bridge.
Mister McKee nickte. "Normalerweise würde Ihnen jeder hier im Raum sofort zustimmen, Jesse. Aber in diesem Fall heißt das Opfer Jack Scarlatti. Und an so eine Nummer würden sich die üblichen Gangs nicht im Traum herantrauen."
"Sie meinen, dieses Theater mit den Roller-Skates, den langen Mänteln und dem Brieftaschenraub war nur vorgetäuscht?", hakte ich nach.
"Diese Möglichkeit sollten wir nicht ausschließen", fand Mister McKee.
"Immerhin sind Roller-Skates doch auch total out", mischte sich Orry ein. "Heute fährt doch jeder Inliner."
"Die haben allerdings eine viel geringere Stabilität und lassen sich nicht so sicher stoppen", erläuterte Max Carter. "Bei Roller-Skates sind die Rollen jeweils paarweise unter dem Schuh angebracht, bei Inlinern dagegen in einer Reihe."
Clive Caravaggio meldete sich zu Wort. "Wie sind die Kerle eigentlich geflohen?", hakte er nach. "Ich meine, vorausgesetzt, unter diesen Mänteln haben sich keine Girls versteckt!"
Max Carter zoomte die Brooklyn Bridge etwas näher heran. Dann markierte er mit seinem Laserpointer eine ganz bestimmte Stelle. "Sehen Sie hier! Genau dort wartete nach Angaben mehrerer Zeugen ein Mercedes Transporter in entgegengesetzter Fahrtrichtung. Da herrschte nämlich kein Stau! Die Roller-Skates-Gangster kletterten über die Leitplanken und verschwand im Transporter. Glücklicherweise hat sich ein Zeuge bei der City Police gemeldet, der sich die Nummer aufgeschrieben hatte."
"Wenigstens gibt es ab und zu noch so etwas wie Zivilcourage!", raunte Milo mir zu. Manche Leute glauben, Zivilcourage müsse immer bedeuten, dass man den Helden spielt. Oft genug besteht sie aber zum Beispiel nur darin, dass man sich eine Nummer aufschreibt oder sich als Zeuge meldet, anstatt so zu tun, als würde einen das alles nichts angehen.
"Der Transporter wurde einen Tag zuvor genau um 12.38 Uhr als gestohlen gemeldet", fuhr Max Carter fort. "Halter ist ein gewisser Larry Morton. Ihm gehört ein Drugstore in der South Bronx." Carter zeigte ein Bild von Morton, das offensichtlich aus den über das Datenverbundsystem NYSIS stammenden Fahndungsdateien stammte. "Morton ist wegen Versicherungsbetrugs vorbestraft, deswegen haben wir ihn in den Archiven."
Orry Medina meldete sich zu Wort. "Was hat er genau gemacht, Max?"
"Es ging um fingierte Unfälle. Das hat mit der Sache von gestern Abend nichts zu tun."
"Aber wir wissen, dass Morton sich schon auf krumme Touren eingelassen hat", ergänzte ich.
Max nickte. "Diesmal ist auch etwas faul. Er wurde wegen überhöhter Geschwindigkeit auf dem Bruckner Expressway geblitzt - eine halbe Stunde nachdem angeblich sein Wagen gestohlen worden war! Das Foto, das dabei entstand, zeigt eindeutig Morton, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel!"
Mister McKee wandte sich an Milo und mich. "Ich möchte, dass Sie sich diesen Morton mal vornehmen. Möglicherweise hat er was mit der Sache zu tun oder kann uns zumindest wertvolle Hinweise geben."
"In Ordnung, Sir", sagte ich.
Unser Chef wandte sich an Clive Caravaggio. "Nehmen Sie alle unter die Lupe, die irgendwie mit den Scarlattis zusammenhängen, Clive. Aktivieren Sie jeden Informanten in Little Italy, der etwas dazu zu sagen hat!"
"Ich schätze, das Scarlatti-Syndikat gleicht im Moment einem aufgescheuchten Hühnerhaufen", meinte der stellvertretende SAC.
Mister McKee hob die Augenbrauen. "Aber dieser Zustand wird nicht lange anhalten, fürchte ich!"
Eines der Telefone auf dem Schreibtisch unseres Chefs klingelte.
Mister McKee ging an den Apparat, nahm den Hörer ans Ohr.
Eine tiefe Furche zeigte sich auf seinem Gesicht.
Kurze Zeit später legte er wieder auf. "In Brooklyn hat es eine Explosion gegeben. Die Villa von Alex Shkoliov steht in Flammen!"
Shkoliov - der Name war uns allen bekannt. Er galt als starker Mann bei den Ukrainern. Das alte grausame Mafia-Spiel ging also wieder los: Ihr tötet einen von uns, dann töten wir einen von euch...
Milo und ich saßen in einem unscheinbaren silbergrauen Chevy aus dem Fuhrpark der Fahrbereitschaft. Den Sportwagen, den uns das FBI Field Office New York sonst zur Verfügung stellte, war für den Job, der vor uns lag, einfach zu auffällig.
Während unsere Kollegen mit großem Aufgebot zur Villa von Alex Shkoliov auf den Brooklyn Heights fuhren, waren Milo und ich in die entgegensetzte Richtung unterwegs.
Unser Ziel war das Haus Nr. 432 in der 143. Straße.
Das war die Adresse von Larry Morton, dem Besitzer des Van, mit dem die Roller-Skates-Gang geflüchtet war. Auf der First Avenue fuhren wir nach Norden. Der Harlem River ist die Grenze zwischen Manhattan und der Bronx, deren südlicher Teil einen geradezu berüchtigten Ruf genießt.
Einige Gebiete wurden von Gangs und Crackdealern beherrscht. Ganze Straßenzüge verfielen langsam. Die Polizei traute sich in manche Gegenden nur in Stärke einer 10er-Einsatzmannschaft und mit kugelsicherer Weste. Im Norden hingegen hatte die Bronx ein eher bürgerliches Gesicht. Schmucke Alleen mit Einfamilienhäusern prägten Viertel wie Riverdale. Auch die Labors der Scientific Research Division, dem zentralen Erkennungsdienst aller New Yorker Polizeieinheiten, befanden sich in der Bronx. Ein Stadtteil mit zwei Gesichtern, einem schönen und einem sehr hässlichen. Leider hatte letzteres den Ruf der Bronx in aller Welt nachhaltig geprägt. Eine Brücke führte über den Harlem River. Ab hier hieß die First Avenue plötzlich Melrose Avenue. Wie ein gerader Strich durchzog sie die Bronx und trennte unter anderem auch Einflussgebiete verschiedener Drogengangs voneinander. "Weißt du, was ich glaube, Milo?", fragte ich, als wir gerade das Bronx-Ufer des Harlem Rivers erreicht hatten. "Mir ging das die ganze Zeit über nicht aus dem Kopf, als wir in Mister McKees Büro saßen..."
"Wovon sprichst du, Jesse?"
"Davon, dass das meiner Ansicht nach auf keinen Fall ein geplantes Attentat auf Jack Scarlatti war."
"Wie willst du das so sicher ausschließen?"
"Diese Roller-Skates-Gang hat angefangen, den Leuten die Brieftaschen wegzunehmen. Wahrscheinlich sind sie aus purem Zufall auf Scarlatti getroffen."
"Und der hat geglaubt, ein Killerkommando hätte es auf ihn abgesehen. Scarlatti griff zur Waffe und das Drama nahm seinen Lauf."
"Genau. Wenn diese Gangster geahnt hätten, dass ihnen zufällig ein Scarlatti gegenübersitzt, hätten sie um dessen Porsche einen weiten Bogen gemacht, Milo."
"Zufällig?", echote Milo. "Wenn das Opfer Jack Scarlatti heißt, denkt man an alles Mögliche. Nur nicht an Zufall. Dir brauche ich ja nicht zu sagen, wie viele Feinde Scarlatti hatte. Wie Mister McKee schon sagte: Das Ausrauben der Leute kann durchaus Tarnung gewesen sein..."
"Aber dann beantworte mir mal eine Frage, Milo: Wie sollen die Mörder gewusst haben, dass Scarlatti junior sich mit seinem Porsche an einer ganz bestimmten Stelle auf der Brooklyn Bridge befand?"
"Keine Ahnung!"
"Siehst du! Wenn es ein Attentat war, dann müssen diese Roller-Skates-Killer das aber gewusst haben!"
Milo kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Jemand hat einen Peilsender an Scarlattis Porsche angebracht!", fiel ihm eine Lösung ein, an die ich auch schon gedacht hatte.
"Die Kollegen der Scientific Research Division haben nichts dergleichen gefunden, ich habe mir Max' Dossier daraufhin noch einmal durchgelesen."
"Wir haben den abschließenden Untersuchungsbericht der SRD noch nicht", gab Milo zu bedenken.
Ich grinste. "Eins zu null für dich!"
"Was - so schnell gibst du dich geschlagen?"
"Nein, ich habe mich in dieser Frage nur noch nicht endgültig festgelegt, Milo."
Ich bog von der Melrose Avenue ab. Wir fuhren durch trostlose Straßenzüge. Ganze Blocks waren unbewohnt. Nur hin und wieder fanden sich Geschäfte. Immer wieder konnte man vernagelte Fenster sehen. Larry Mortons Drugstore befand sich im Erdgeschoss eines dreistöckigen Brownstone-Hauses. Ich stellte den Chevy am Straßenrand ab. Wir stiegen aus, blickten uns um. Auf der anderen Straßenseite standen ein paar junge Männer in übergroßen Cargo-Hosen und dunklen Wollmützen. Ein Ghetto-Blaster sorgte dafür, dass die Gegend mit Rap-Musik beschallt wurde. Die Kerle blickten misstrauisch zu uns herüber. Wir betraten den Drugstore. Larry Morton stand hinter dem Tresen und nippte an einer übergroßen Kaffeetasse mit der Aufschrift "I love You". Ich erkannte ihn sofort von den Fotos, die wir von ihm hatten. Er war Mitte dreißig, hatte dunkel gelocktes Haar und blaue Augen. Morton blickte auf. Ich hielt ihm meine ID-Card entgegen.
"Ich bin Special Agent Jesse Trevellian vom FBI Field Office New York und dies ist mein Kollege Milo Tucker. Wir möchten Ihnen ein paar Fragen stellen!"
"Fragen?" Ein Muskel zuckte unruhig unterhalb seines linken Auges. "Was für Fragen?"
"Es geht um Ihren Wagen."
"Den Van?"
"Ja", nickte ich.
"Ich wusste gar nicht, dass sich neuerdings G-men um gestohlene Autos kümmern!"
"Wenn dieser Wagen wenig später bei der Ermordung einer Mafia-Größe als Fluchtfahrzeug der Täter dient - dann ja!"
Morton verschränkte die Arme vor der Brust. "Keine Ahnung, wovon Sie reden!"
"Jack Scarlatti - der Name sagt Ihnen gar nichts? In den Lokalnachrichten gab es kaum ein anderes Thema!"
"Mein Fernseher ist defekt, G-man!"
Milo holte eine Kopie jenes Fotos aus seiner Innentasche, das bei Mortons Geschwindigkeitsübertretung auf dem Bruckner Expressway geschossen worden war. "Dieses Bild wurde zu einem Zeitpunkt geknipst, als Sie Ihren Wagen schon als gestohlen gemeldet hatten."
"Das ist doch Unsinn!"
"Das sind Tatsachen!"
"Tatsache ist auch, dass mein Wagen immer noch verschwunden ist. Wissen Sie eigentlich, was das für mich als Geschäftsmann bedeutet?"
Milo mischte sich ein und sagte: "Ich nehme an, dass man Sie für Ihren Verlust fürstlich entschädigt hat!"
"Was?" Er stierte uns scheinbar verständnislos an. Wir waren uns sicher, dass er ganz genau wusste, worauf wir hinaus wollten.
Ich deutete auf das Foto. "Sie wussten offensichtlich schon im Voraus, dass Ihr Wagen gestohlen wird, Mister Morton. Es gibt zwei Möglichkeiten. Sie können mit uns zur Federal Plaza fahren und sich möglichst schnell um einen Anwalt bemühen..."
"...oder Sie packen aus!", ergänzte Milo.
"Hey, was wollt ihr mir da anhängen, ihr Schweinehunde!", rief Morton.
"Vorsicht!", riet ich ihm. "Ich nehme an, dass jemand Sie mehr oder weniger freundlich gebeten hat, ihm den Van am nächsten Tag zu überlassen. Vielleicht wurden Sie sogar gezwungen. Sie ahnten, dass das mit irgendeiner illegalen Sache zu tun haben würde und meldeten den Van vorsichtshalber als gestohlen. Nur dummerweise brauchten Sie den Wagen noch einmal, bevor die Typen ihn am nächsten Tag abholten..."
"Sie haben eine blühende Fantasie", knurrte Morton zwischen den Zähnen hindurch. Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen. Er ballte die Hände zu Fäusten. Die Muskeln seines breitschultrigen Oberkörpers spannten sich.
"Wem haben Sie den Wagen überlassen?", hakte ich noch einmal nach.
"Ich lasse mich von Ihnen nicht einschüchtern!"
"Na schön, dann reden wir besser an einem anderen Ort weiter."
Morton atmete schwer. "Nein!", schrie er. Er deutete zur Tür. "Wenn Sie mit mir dort hinausgehen und mich abführen..." Er stockte.
"Was ist dann?" hakte ich nach. "Wem haben Sie den Wagen zur Verfügung gestellt?"
"Ich kann es nicht sagen!"
"Sie müssen!"
"Die bringen mich um!"
Morton wirkte weiß wie die Wand.
"Wer?", hakte ich nach. "Na los, raus damit! Dass Sie nicht mit Roller-Skates auf der Brooklyn Bridge unterwegs waren, um Brieftaschen einzusammeln oder einen Angehörigen der Scarlatti-Familie umzubringen, ist mir schon klar..."
Milo beugte sich zu ihm über den Tresen. "Geben Sie uns einen Tipp, wir marschieren dann hier raus und unternehmen erst einmal gar nichts."
Der Mann schluckte.
Wenn wir ihn in Gewahrsam nahmen, dann würden alle in der Gegend denken, dass er ausgesagt hatte. Auch diejenigen, denen seine Angst galt. Das war es, was Morton im Moment fürchtete. Er schloss einen Augenblick lang die Augen. "Okay", brachte er schließlich heraus. "Sie suchen ein paar Leute, die gerne auf Roller-Skates über den Asphalt rasen..."
"Ich sehe, wir verstehen uns!"
"Es gibt hier einen Typ namens Kid Dalbán. Ein Puertoricaner. Keine Ahnung, ob das sein richtiger Name ist. Er dürfte kaum über zwanzig sein, aber die ganze Gegend hier bezahlt an ihn Schutzgeld. Ich auch. Dies ist sein Gebiet... Hier passiert nichts, was nicht seinen Segen hätte!" Morton atmete tief durch.
"Wo finden wir Dalbán?", fragte ich.
Morton lachte heiser. "Er wird Sie finden, wenn Sie sich länger als eine halbe Stunde in dieser Gegend aufhalten."
"Darauf möchte ich nicht unbedingt warten."
"Ich habe Ihnen schon viel zuviel gesagt, G-man! Was glauben Sie, was die mit Leuten machen, die sie für Verräter halten?" Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Morton schien wirklich große Angst zu haben. In gedämpftem Tonfall fuhr er fort: "Es gibt zwei Straßen weiter ein Parkhaus, das nicht mehr in Betrieb ist. Da treffen sich des Öfteren junge Leute. Sie benutzen die Rampen, um halsbrecherische Rennen abzuhalten."
"Auf Roller-Skates!", schloss ich.
"Ja. Es wird natürlich gewettet. Man kann viel Geld dabei gewinnen."
"Und Dálban veranstaltet das Ganze."
Er nickte zögernd. "Genau. Ein Teil dieser verrückten Typen, die da ihren Hals riskieren, sind Dalbáns Leute. Und der Rest träumt wahrscheinlich davon, in seine Gang aufgenommen zu werden. 'Los Santos' nennen die sich - die Heiligen. Wer dazugehört, hat nichts zu befürchten und genug Geld. Die tragen häufig so ein protziges Goldkreuz um den Hals. Im Gegensatz zur katholischen Version hängt allerdings nicht Jesus Christus, sondern ein gehörntes Gerippe daran."
"War Dalbán persönlich hier, um sich Ihren Wagen auszuborgen?", fragte ich.
Er schüttelte den Kopf und lachte rau. "Nein, das wäre unter seiner Würde. Es waren ein paar junge Typen. Ich kenne sie nicht namentlich. "
"Das glaube ich Ihnen nicht. Die Typen stammen doch hier aus der Gegend."
"Verdammt, ich sage Ihnen die Wahrheit!"
"Haben Sie die Jungs nicht gefragt, wer sie schickt?"
"Sollte ich dafür meine Zahnkronen riskieren? Die hätten sich doch sowieso genommen, was sie wollten! Sie sagten einfach: Morgen brauchen wir deinen Wagen, sieh zu, dass er vollgetankt ist oder du ernährst dich die nächsten Monate aus der Schnabeltasse!"
"Verstehe."
Morton schüttelte den Kopf. "Nein, das glaube ich kaum. Und wenn Sie glauben, dass ich irgendetwas von dem, was ich Ihnen erzählt habe, vor Gericht wiederhole, dann sind Sie schief gewickelt. Da lasse ich mich lieber wegen Beihilfe an diesem Anschlag auf der Brooklyn Bridge verknacken."
Ich wechselte mit Milo einen kurzen Blick. Er nickte knapp und sagte: "Wir kommen vielleicht noch einmal wieder, Mister Morton."
"Wenn Sie mich ruinieren wollen: Nur zu!"
"Ein Kollege von uns wird dann mit Ihnen zusammen ein Phantombild dieser Männer erstellen."
"Sie trugen Spiegelbrillen und Mützen. Ich glaube nicht, dass das viel bringt!"
"Abwarten."
Er wollte offenbar ganz einfach nicht mehr sagen. Und das Phantombild würde vermutlich so konkret wie ein abstraktes Kunstwerk ausfallen. Die Mühe konnte man sich wohl sparen.
Wir verließen den Drugstore. Ich war mir noch nicht ganz schlüssig darüber, ob Morton uns mit seiner Aussage wirklich einen guten Tipp gegeben oder uns nur schnell abgespeist hatte. Auf jeden Fall wollten wir uns das Parkhaus mal vornehmen...
"Hey, ich glaube, ich spinne", murmelte Milo.
An unserem Chevy machte sich ein Typ mit Spiegelbrille und Helm zu schaffen. Als er uns sah, glitt er auf seinen Roller-Skates davon. Nach wenigen kraftvollen Bewegungen bekam er ein halsbrecherisches Tempo drauf.
Wir rissen die SIGS heraus.
"Stehen bleiben!", rief Milo.
Aber da war der Kerl schon um die nächste Ecke gebogen.
"Na los, den kaufen wir uns!", meinte Milo. Per Fernbedienung deaktivierte ich die Zentralverriegelung des Chevy. Milo riss die Beifahrertür auf. Ich umrundete die Motorhaube, die Hand glitt zum Türgriff. Milo saß schon im Wagen. Ich zögerte.
"Jesse, bist du festgewachsen oder was ist los?", hörte ich Milos Stimme.
Aber da war noch etwas anderes.
Ein ganz leises Ticken.
Es kam von unten.
"Verdammt raus, Milo! Sofort raus!"
Milo starrte mich an.
Im nächsten Moment zerriss eine Detonation den Wagen. Blechteile wirbelten wie Geschosse durch die Luft. Die Druckwelle ließ die Scheiben von Mortons Drugstore zerbersten.
Die Villa von Alex Shkoliov gab ein Bild ab, wie man es sonst von Fernsehbildern aus Kriegsgebieten gewohnt war.
Als Clive und Orry dort mit einem Aufgebot von zwei Dutzend G-men auftauchten, waren bereits zahlreiche Einsatzfahrzeuge des Fire Service und der City Police vor Ort. Die Explosion hatte einen Brand ausgelöst, der allerdings mittlerweile unter Kontrolle war. Ein Übergreifen der Flammen auf benachbarte Häuser war inzwischen so gut wie ausgeschlossen. Aber in der Villa selbst loderten noch immer die Flammen.
Drei Tote waren inzwischen geborgen worden.
Allerdings waren sie bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
Es würde den Gerichtsmedizinern vorbehalten bleiben, sie zu identifizieren.
Clive Caravaggio sprach zuerst mit George Rowtenburg, dem Einsatzleiter des Fire Service.
"Sorry, aber es wird noch eine ganze Weile dauern, bis Ihre Leute sich im Inneren der Villa umsehen können!", meinte er. "Momentan herrscht dort noch akute Lebensgefahr."
"Ist noch jemand im Haus?", fragte Clive.
"Soweit wir wissen nicht", erklärte Rowtenberg. "Unsere Leute konnten trotz ihrer Ausrüstung bislang nur einen kleinen Teil des Gebäudes betreten."
Clive blickte zu dem brennenden Gebäude hinüber. Beißende Qualmwolken zogen über das für New Yorker Verhältnisse sehr weitläufige Grundstück.
Orry meldete sich zu Wort. "Ich glaube, wir kriegen Besuch!", stellte er fest. Er deutete auf einen kleinen, breitschultrigen Mann mit Halbglatze und energischen Gesichtszügen. Mit einem Gefolge von mehreren kräftig gebauten Kerlen betrat er das Grundstück.
Einer der uniformierten Kollegen der City Police versuchte die Gruppe aufzuhalten.
"Gehen Sie aus dem Weg, Mann! Ich bin Alex Shkoliov! Mir gehört dieses Haus - oder was von ihm übrig geblieben ist." Der untersetzte Mann verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
Clive, Orry und einige weitere G-men gingen auf Shkoliov zu. Clive zog seine ID-Card, hielt sie dem Ukrainer entgegen.
"Ich bin Agent Caravaggio, stellvertretender SAC des FBI Districts New York. Es freut mich, dass Sie wohlauf sind, Mister Shkoliov."
"Ach wirklich? Sie brauchen mir nichts vorzuheucheln, G-man! In Wahrheit haben Sie gehofft, dass ich von den Männern des Fire Service als verkohlte Leiche geborgen werde! Ihr seid doch alle gleich! Ehrliche Geschäftsleute werden von Ihnen mit Ermittlungen überzogen und nach Strich und Faden schikaniert! Aber auf der anderen Seite ist Ihre Behörde nicht in der Lage, für Sicherheit zu sorgen!" Shkoliov streckte den Arm aus und deutete auf die Villa. "Da haben Sie den Beweis! Ich hoffe, Sie verfolgen die Schuldigen genauso hartnäckig, wie Sie es mit unbescholtenen Bürgern tun!"
"Nun mal halblang!", unterbrach Clive Caravaggio den Redefluss des Ukrainers. "Sie können froh sein, dass Sie in einem Staat leben, in dem Verdächtige relativ große Rechte genießen, sonst säßen Sie längst hinter Gittern!"
"Ach! Jetzt wollen Sie mich auch noch beschuldigen! Dabei bin ich um ein Haar das Opfer eines Mordanschlags geworden!" Shkoliov schnappte nach Luft. Er sagte ein paar Worte auf Ukrainisch zu seinen Bodyguards. Einer der breitschultrigen Mobster reichte seinem Boss daraufhin ein daumengroßes Sprühfläschchen.
Shkoliov sprühte sich damit in den Rachen.
Nitro-Spray!, dachte Clive. Er wusste, dass Shkoliov herzkrank war und mehrere Bypass-Operationen hinter sich hatte.
"Was ist Ihrer Meinung nach hier passiert?", fragte Clive in sachlichem Tonfall.
"Ich war in der City unterwegs, als mich einer meiner Leute anrief. Victor Kosteliov. Er sagte, ein Päckchen sei für mich abgegeben worden. Von einem Kurier. Ich habe Vic gesagt, dass er es sofort öffnen soll. Dann habe ich die Explosion durch das Telefon gehört." Shkoliov schluckte. "Ich nehme an, dass Vic nicht mehr am Leben ist. Der arme Kerl. Er war mein Neffe und ich hatte eigentlich gedacht, dass er eines Tages einen Teil meiner Geschäfte weiter führt..."
"Warum war Ihnen dieses Päckchen so wichtig, dass Sie die sofortige Öffnung anordneten?", hakte Clive nach.
"Vic hatte mir durchgegeben, dass es von dem Juwelier Zorovsky abgeschickt worden war. Ich weiß nicht, ob jemand wie Sie das Diamond Dreamland in der Fifths Avenue kennt."
"Ein sehr teurer Laden für handgearbeiteten Schmuck", sagte Clive gelassen.
Shkoliov hob die Augenbrauen. "Sie überraschen mich, G-man! Wie auch immer, Zorovsky gehört das Diamond Dreamland. Ich hatte mir von ihm ein paar Schmuckstücke anfertigen lassen, die ich heute Abend einer Dame zu schenken gedachte. Ich wollte wissen, wie die Stücke geworden sind..."
"Und das konnte dieser Victor Kosteliov für Sie beurteilen?", wunderte sich Clive. "Als was war er bei Ihnen angestellt?"
"Als Majordomus."
Clive wechselte mit Orry einen kurzen Blick. Dann fuhr der stellvertretende SAC fort: "Wir werden von Ihrer Aussage ein Protokoll machen müssen. Möglicherweise werden Sie Ihre Version der Ereignisse eines Tages vor Gericht wiederholen und beeiden müssen. Das ist Ihnen doch klar, oder?"
Shkoliov verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln.
"Ihre Kollegen haben in der Vergangenheit nie versäumt, mich auf meine Rechte hinzuweisen."
"Ich nehme an, Sie möchten mit Ihrem eigenen Wagen zur Federal Plaza fahren..."
"Bin ich verhaftet?"
Clive schüttelte den Kopf. "Nein, wir vernehmen Sie als Zeugen, Mister Shkoliov."
Der Ukrainer machte eine wegwerfende Geste. "Sie können sich Ihr ganzes Theater meinetwegen sparen."
"Möchten Sie nicht, dass die Schuldigen an diesem Anschlag auf Ihr Leben gefasst werden?", fragte Clive verwundert.
"Doch, das möchte ich schon. Ich traue Ihnen und dem FBI nur nicht besonders viel zu!"
Das Ticken des Zeitzünders war kaum zu hören.
Milo stieß auf meinen Ruf hin die Tür auf.
Er taumelte hinaus, stürzte auf einen Hauseingang zu. In letzter Sekunde rettete er sich in die Nische.
Ich rannte ebenfalls.
Als die Explosion losbrach, hechtete ich mich zu Boden und rollte mich seitwärts über den Asphalt. Im nächsten Moment befand ich mich unter einem der am Straßenrand parkenden Fahrzeuge. Eine Welle aus Druck und Hitze fegte über mich hinweg. Die Sprengladung, die der Roller-Skates-Gangster unter dem Chevy angebracht hatte, ließ eine gewaltige Flamme aufscheinen. Die Bombe wirkte wie eine Art Zünder, denn im nächsten Moment gab es eine zweite Explosion. Der Tank flog in die Luft. Ich betete dafür, dass nicht weitere Wagen Feuer fingen und explodierten. Aber dazu schien die Sprengladung nicht groß genug gewesen zu sein. Ich rollte mich unter dem parkenden Wagen hervor. Es handelte sich um eine Ford-Limousine, deren Unterboden ziemlich rostzerfressen war.
Auf der anderen Seite des Fords tauchte ich wieder auf. Ich rappelte mich hoch. Während die Flammen loderten, rief ich nach Milo.
"Alles klar, Jesse!", antwortete Milo.
Ich war nahe davor aufzuatmen. Doch da sah ich den roten Punkt an der Brownstone-Mauer auf der Seite von Mortons Drugstore tanzen.
Der Laserpointer eines elektronischen Zielerfassungsgerätes, wie man sie inzwischen als Zubehör zu zahlreichen Gewehren und Pistolen geliefert bekam.
Ich duckte mich.
Der Schuss zischte dicht über mich hinweg, fraß sich ins Mauerwerk und sprengte einen handgroßen Steinbrocken heraus. Ein zweiter Schuss folgte nur Sekundenbruchteile später. Ich zog die SIG, ließ den Blick schweifen.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich ein dreistöckiges Gebäude, das die Form eines Quaders hatte. Im Erdgeschoss hatte sich früher mal ein Supermarkt befunden. Jetzt waren die Fensterfronten mit Spanplatten vernagelt. In einer dieser Platten war ein Loch. Der Lauf eines Gewehrs ragte etwa zwanzig Zentimeter ins Freie. Das Mündungsfeuer blitzte erneut auf.
Ich nahm hinter der Motorhaube des Fords Deckung.
Milo feuerte in Richtung des Unbekannten. Ich schoss gleichzeitig mit meiner SIG. Ein Schrei gellte. Offenbar hatten wir jemanden getroffen. Spanplatten bildeten keinen Schutz gegen Projektile. Die Kugeln meiner SIG vermochten sie mühelos zu durchdringen.
"Gib mir Feuerschutz!", rief ich an Milo gerichtet.
Wir hatten ja keine Ahnung, ob unser Gegner allein operierte.
Milo schoss, was das Zeug hielt.
Ich lief in geduckter Haltung den Bürgersteig entlang. Die parkenden Fahrzeuge boten dabei etwas Deckung. Dann schlug ich einen Bogen, lief über die Straße.
Ich pirschte mich an den ehemaligen Supermarkt heran, presste mich schließlich gegen die Mauer. Es wurde nicht mehr geschossen. Zwischen dem Supermarkt und dem Gebäude zur Linken befand sich die Zufahrt zu einem an der Rückfront gelegenen Parkplatz. Ich spurtete los. An der Ecke stoppte ich, pirschte mich heran und tauchte mit der SIG im Beidhandanschlag aus der Deckung hervor.
Ein einzelner Van befand sich auf dem Parkplatz.
Typ, Baujahr und die ersten Ziffern des Nummernschildes stimmten mit dem überein, was ich mir von Mortons Fahrzeug gemerkt hatte. Es war niemand im Wagen.
Auf der Rückfront des Supermarktes befand sich eine Laderampe für Zulieferer. Daneben eine Tür für den Personalzugang. Sie stand einen Fußbreit offen, flog im nächsten Moment zur Seite.
Ich riss die SIG empor.
Mein Gegenüber trug eine Wollmütze, ziemlich weite Hosen und in der Rechten ein Sturmgewehr, wie es von Scharfschützen der Army benutzt wurde.
"Waffe weg, FBI!", rief ich.
Er erstarrte für eine Sekunde.
Sein graues Fleece-Shirt wies einen ziemlich großen, dunkelroten Fleck auf. Der Kerl hatte offensichtlich eine Kugel abbekommen.
"Hey, Mann, immer cool bleiben!", brachte der junge Mann heraus. Er atmete schwer. Die Wunde machte ihm offenbar zu schaffen.
Ich näherte mich.
"Bist du allein?"
"Scheiße, wenn ich 'ne Antwort gebe, legst du mich um!"
"Ich bin G-man, kein Killer! Leg jetzt verdammt noch einmal die Waffe auf den Boden! Und zwar ganz langsam!"
Er schluckte.
Dann riss er plötzlich sein Sturmgewehr hoch, feuerte einhändig in meine Richtung. Ein ziemlich ungezielter Schuss. Ich warf mich seitwärts, feuerte beinahe im selben Moment. Die Kugel meines Gegners pfiff dicht an mir vorbei.
Ich hatte auf seine Beine gezielt, ihn aber offenbar ebenfalls verfehlt.
Er befand sich nicht mehr in der Tür. Ich rappelte mich auf, pirschte mich an die Tür heran. "Geben Sie auf! Sie kommen da nicht heraus!"
Ich hörte Geräusche aus dem Inneren.
Milo bog inzwischen um die Ecke.
"Alles klar, Jesse?", fragte er.
Ich nickte. "Der Schütze ist da drinnen. Er hat eine Schussverletzung am Oberkörper."
"Ich habe Verstärkung gerufen."
"Die haben wir auch dringend nötig. Ich glaube nämlich nicht, dass wir lange mit dem Kerl allein bleiben werden."
"Holen wir ihn uns!"
Milo nahm die SIG mit beiden Händen. Er stürmte ins Innere des Supermarktes. Die Beleuchtung war ohne Stromversorgung. Da die Fensterfront zur Straße ja mit Spanplatten vernagelt war, herrschte Halbdunkel. Licht fiel nur durch ins Mauerwerk eingelassene Glasbausteine und eine Reihe kleiner Fenster knapp unterhalb der Decke. Leere Regale bildeten ein Labyrinth. Wenn der Kerl es darauf anlegte, konnte er uns hier eine ganze Weile zum Narren halten. Milo deutete auf dunkelrote, frische Flecken auf dem Boden. Blutflecken.
Die Spur führte hinter eine Regalwand.
Milo und ich verständigten uns mit ein paar Zeichen. Wir hatten so viele gemeinsame Einsätze hinter uns, dass wir uns beinahe blind verstanden.
Milo folgte der Spur. Ich schlug einen Bogen.
Wir wollten den Kerl in die Zange nehmen.
Mit seiner Verwundung konnte er ohnehin nicht weit kommen.
Wir bewegten uns lautlos.
Ich bemerkte den Strahl eines Laserpointers, der an der Decke entlang tanzte. Nur Sekunden dauerte das. Unser Gegner hatte einen Fehler gemacht, indem er den Lauf der Waffe in einem zu steilen Winkel angehoben hatte. Das verriet mir jetzt ungefähr seine Position. Milo hatte es bestimmt auch gesehen.
Ich lief in geduckter Haltung, die SIG in der Rechten.
In einer der engen Gassen zwischen Regalwänden stellte ich ihn. Er kauerte am Boden, atmete schwer. Zunächst bemerkte er mich gar nicht. Sein Blick war in die entgegengesetzte Richtung gewandt. Milo tauchte auf, richtete die SIG auf ihn.
Er wollte das Sturmgewehr empor reißen. Aber mit einer Hand war das ziemlich schwierig. Die andere Hand presste der Verletzte auf seine Wunde. Das Blut rann ihm dabei zwischen den Fingern hindurch.
Ich stürzte von hinten auf ihn zu.
Als er mich bemerkte, war es zu spät für ihn.
Ich bog mit der Linken seinen Waffenarm zur Seite.
Ein Schuss löste sich, riss ein faustgroßes Loch in eine der Spanplatten hinein, aus denen die Regalwände bestanden.
Meine SIG setzte ich ihm an die Schläfe.
Er erstarrte.
"Das Spiel ist endgültig aus", stellte ich klar. "Ich bin Special Agent Jesse Trevellian vom FBI Field Office New York. Du bist hiermit verhaftet. Und sobald ich die Hände frei habe, zeige ich dir sogar meine ID-Card."
Er ließ das Sturmgewehr los.
Ich ließ es in Milos Richtung über den Boden rutschen. Mein Kollege nahm es an sich, während ich den Killer mit meinen Handschellen fesselte. Trotz der Verletzung, die der Kerl davongetragen hatte, war das offenbar nötig. Milo hatte das Handy am Ohr und sorgte dafür, dass sich auch eine Rettungseinheit des Emergency Service auf den Weg hier her machte. Die Wunde sah ich mir kurz an. Ein glatter Durchschuss durch den Schulterbereich. Keine unmittelbare Lebensgefahr.
Ich durchsuchte ihn so gut es ging.
In der Knietasche seiner überweiten Cargo-Hosen befand sich ein Führerschein, der längst abgelaufen war. Aber das Foto passte zu dem Mann. Er hieß Allan Tucoma, war gerade einundzwanzig Jahre alt. Außerdem trug er noch ein Prepaid-Handy bei sich. Ich hoffte nur, dass er noch nicht dazu gekommen war, seine Leute zu rufen.
"Du bist ziemlich jung für einen Killer", stellte ich fest.
"Du kannst mich mal!"
"Bevor du noch irgendetwas sagst, solltest du wissen, dass alles, was du von nun an äußerst, vor Gericht gegen dich verwendet werden kann. Außerdem hast du das Recht auf einen Anwalt. Sofern..."
"Scheiß drauf! Das Theater kannst du dir sparen!"
"Um so besser."
Er sah erst Milo und dann mich einige Augenblicke lang an. "Ihr seid wirklich G-men?"
Milo hielt ihm die ID-Card unter die Nase.
"Sieht die vielleicht gefälscht aus?"
Allan Tucoma runzelte die Stirn. "Ich dachte..."
"Was dachtest du?", hakte ich sofort nach.
"Ich dachte, diese Scheiß-Itaker hätten euch geschickt!"
"Wegen der Sache mit Scarlatti?"
Er biss sich auf die Lippe. "Ich sage keinen Ton mehr, bis ich nicht einen Anwalt gesprochen habe!"
"Könnte sein, dass deine Aussage dann viel weniger wert ist!", stellte Milo klar. "Du hast versucht, zwei FBI-Agenten zu ermorden. Das ist ein schweres Verbrechen. Bei dem Prozess, der dir bevorsteht, wirst du das Wohlwollen des Staatsanwaltes dringend brauchen!"
Allan Tucoma lachte heiser. "Ach, ja?" Er verzog schmerzverzerrt das Gesicht.
"Was weißt du über den Mord an Scarlatti?", fragte Milo.
"Einen Dreck weiß ich! Ihr Arschlöcher wollt mir doch nur was anhängen! Das kenne ich schon!"
Milo ließ nicht locker.
"Willst du die Schuld allein auf dich nehmen? Du hast doch nicht aus eigenem Antrieb auf uns geschossen. Wer hat dir gesagt, dass du uns umlegen sollst?"
Ich erhob mich, steckte die SIG ein.
Draußen fuhr ein Wagen vor.
Ich fragte mich, ob das die Kollegen waren. Allerdings hatte ich keine Sirenen gehört. Das machte mich stutzig.
Milo sah mich an.
Er hatte denselben Gedanken.
"Unterhalte dich ruhig noch ein bisschen mit ihm", meinte ich an meinen Kollegen gewandt. "Ich sehe mal nach, was da los ist!"
"Ihr seid schon so gut wie tot, ihr Wichser!", ächzte der Gefangene.
Ich rannte zum Hintereingang.
Ein offener Geländewagen war vorgefahren. Vier mit Sturmgewehren und MPis Bewaffnete saßen darin. Sie trugen Sturmhauben, die nur die Augen freiließen. Ansonsten ähnelten sie in ihrer Kleidung dem jungen Mann, den wir festgenommen hatten.
Einer von ihnen riss sofort seine MPi hoch, feuerte in meine Richtung. Ich zuckte zurück in sichere Deckung. Rings um die Tür wurde die Außenwand derweil mit Einschusslöchern übersät.
Der Geschosshagel verebbte. Ich konnte hören, wie die Maskierten vom Wagen sprangen. Offenbar gingen sie in Stellung.
Ich hoffte, dass in Kürze unsere Kollegen auftauchten, um diesen Alptraum zu beenden.
Einige Augenblicke lang herrschte Stille.
"Hier spricht das FBI!", rief ich. "Wir haben euren Kumpel Allan Tucoma hier bei uns! Er ist verhaftet! Wenn ihr uns angreift, könnte er auch etwas abbekommen. Außerdem befinden sich unsere Leute auf dem Weg hier her! Sie müssten jeden Augenblick eintreffen..."
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
Sie kam in Form einer Gasgranate.
Der eiförmige Gegenstand flog durch die offenstehende Tür, prallte gegen eines der Regale und rollte dann über den Boden. Ein gelbes Gas quoll heraus.
Ich stürzte aus meiner Deckung hervor, um die Gasgranate zurück ins Freie zu kicken.
Aber ein wahrer Geschosshagel ließ mich sofort zurückzucken.
Die Projektile zerfetzten das Regal regelrecht.
Der gelbe Rauch biss in den Augen.
Ich rannte zu Milo und dem Gefangenen.
"Die wollen uns wohl ausräuchern!", meinte mein Freund und Kollege grimmig. Er überprüfte die Ladung des Sturmgewehrs, das wir Allan Tucoma abgenommen hatten. Eigentlich war das gegen jede Vorschrift, denn dieses Gewehr stellte ein wichtiges Beweisstück dar. Aber jetzt ging es für uns erst einmal darum, unsere Haut zu retten.
"Wir müssen hier weg!", stellte ich fest.
Das gelbe Reizgas breitete sich immer weiter aus.
Wir halfen dem Gefangenen auf die Beine. "Deine Freunde scheinen nicht viel Rücksicht auf dich zu nehmen, Allan", sagte Milo.
"Die werden euch Bastarde zur Stecke bringen!", fauchte er.
Wir nahmen Allan in die Mitte, stützten ihn und machten uns auf den Weg.
"Hey wo wollt ihr denn hin?", ächzte Allan. "Vielleicht gibst du uns ja einen kleinen Tipp", erwiderte ich. "Schließlich kennst du dich ja hier besser aus!"
"Leckt mich doch!"
Die Schwaden aus gelbem Reizgas wurden immer dichter, erfüllten bereits einen Großteil des Raums. Und obwohl das Gas uns noch gar nicht richtig erreicht hatte, tränten uns bereits die Augen.
Wir erreichten eine Tür. Sie war verschlossen. Ich nahm die SIG und feuerte. Mein gezielter Schuss ließ das Schloss aufspringen. Milo riss die Tür auf. Ein breiter Korridor lag vor uns. Rechts und links befanden sich Räume, die vermutlich mal als Büros gedient hatten. Die Türen waren ausgehängt. Eine graue Ratte huschte über den Flur.
Wir schlossen die Tür hinter uns so gut es ging und hetzten weiter.
"Ich kann nicht mehr!", keuchte plötzlich der verletzte Gefangene.
Im gleichen Moment wurde die von uns notdürftig geschlossene Tür zu den Verkaufsräumen aufgestoßen.
Ein wuchtiger Tritt ließ sie zur Seite fliegen.
Einer der Kerle stand mit einer MPi im Anschlag da. Seine Sturmhaube hatte er inzwischen offenbar gegen eine Gasmaske ausgetauscht, um nicht von dem eigenen Reizgas kampfunfähig gemacht zu werden. Unsere Gegner verfügten über eine Ausrüstung, bei der so mancher County Sheriff neidisch werden konnte.
Der Kerl feuerte sofort.
Ohne zu zögern.
Und ohne Rücksicht auf Allan Tucoma, den Milo und ich in unserer Mitte hatten.
Ich riss die SIG empor. Annähernd im selben Moment wie Kerl mit der Gasmaske schickte ich meine erste Kugel auf den Weg. Sie traf den Kerl mitten der Brust, ließ ihn zurücktaumeln und der Länge nach zu Boden schlagen. Die Schüsse, die sich noch aus seiner MPi lösten, gingen ins Nichts.
Sein Komplize tauchte für Augenblicke aus dem gelben Nebel auf, der jetzt durch die Tür zu quellen begann.
Ich feuerte mehrmals.
Der Kerl zog sich zurück, nahm Deckung.
Wir hetzten zum Ende des Korridors. Milo und ich schossen dabei in Richtung der Tür, um zu verhindern, dass uns jemand folgte.
Am Ende des Korridors befand sich die stillgelegte Liftanlage. Nach rechts war der Flur zugemauert.
Nach links hatte es den noch immer vorhandenen Hinweisschildern nach einen Ausgang zur Straße gegeben. Ebenfalls zugemauert.
"Verdammt, wir sitzen in der Falle", knurrte Milo. Er postierte sich an der Korridor-Ecke und legte Allan Tucomas Sturmgewehr an.
An der Tür zum Verkaufsraum blitzte Mündungsfeuer auf. Eine MPi knatterte los.
Milo feuerte zurück, bis das Magazin des Sturmgewehrs leergeschossen war. Er zog sich zurück.
Ich hatte inzwischen meine SIG nachgeladen und trat an seine Stelle.
Vorsichtig tauchte ich aus der Deckung hervor, zielte und schoss mehrfach hintereinander.
Die Antwort kam Sekundenbruchteile später in Form eines Bleigewitters. Ich zog mich schleunigst zurück. Die Schüsse unserer Gegner zischten an uns vor, perforierten die Aluminiumtüren der stillgelegten Aufzugsanlage. Aber in die bellenden Schussgeräusche mischte sich noch etwas anderes.
Sirenen!
Offenbar waren die Einsatzfahrzeuge unserer Kollegen im Anmarsch. Milo nahm sein Handy ans Ohr und versuchte Kontakt zu ihnen zu bekommen, was mit einem Umweg über unsere Zentrale an der Federal Plaza auch gelang. In knappen Sätzen berichtete Milo die Lage. Unsere Kollegen sollten den Gasmaskenträgern schließlich nicht ins offene Messer rennen.
Der Geschosshagel verebbte.
Offenbar hatten auch unsere Gegner mitgekriegt, was die Stunde geschlagen hatte.
Sie zogen sich zurück.
Unsere Probleme waren damit noch nicht hundertprozentig gelöst.
Das gelbe Reizgas breitete sich weiter aus. Der Weg durch den Verkaufsraum des Supermarktes war uns abgeschnitten. Und hier bleiben konnten wir nicht, auch wenn die Gaskonzentration noch keine bedenkliche Größenordnung hatte. Aber das konnte schneller eintreten, als uns lieb war.
Der verletzte Allan Tucoma rang jetzt schon nach Luft.
"Verdammt... Ich brauche einen Arzt!", keuchte er.
"Du hättest längst einen, wenn deine Freunde hier nicht aufgetaucht wären", erwiderte ich.
"Scheiße..."
Draußen wurde geschossen. Offenbar waren die Maskierten nicht bereit, sich kampflos zu ergeben.
Ein anderes Geräusch übertönte jedoch alles.
Aus einem der ehemaligen Büroräume drang ein gewaltiger Knall.
Stimmen wurden laut.
"Jesse! Milo! Seid ihr da irgendwo?"
Ich schnellte vor, hielt mir die Nase dabei zu und erreichte den Raum, in dem die Detonation stattgefunden hatte. Mit einer Sprengladung hatten unsere Kollegen einen Teil der Spanplatten beseitigt, die die Fensterfront zum Großteil verdeckt hatte. Die Scheiben waren geborsten.
Ich blickte in die Augen unseres Kollegen Jay Kronburg, der mit seinem 4.57er Magnum-Revolver dastand und mich ebenso überrascht musterte wie ich ihn. Sein Partner Leslie Morell befand sich nur wenige Schritte von ihm entfernt. Zwei uniformierte Officers der City Police waren gerade dabei hereinzuklettern.
Ich steckte die SIG zurück ins Holster.
"Alles klar!", sagte ich.
Die Schussgeräusche verebbten inzwischen.
Agent Leslie Morell griff sich an den Funk-Ohrhörer, über den er mit den anderen, an diesem Einsatz beteiligten Kollegen verbunden war.
"Ich höre gerade, dass zwei Männer verhaftet wurden!"
"Es waren insgesamt vier", erklärte ich. "Einen habe ich leider in Notwehr erschießen müssen."
"Das heißt, dass ein Täter entkommen ist", stellte Milo fest.
"Wir werden die umliegenden Blocks absuchen", versprach Jay Kronburg. "Das Aufgebot, mit dem wir hier angerückt sind, ist groß genug dafür!"
Ray Neverio keuchte. Eine zierliche Asiatin saß rittlings auf ihm. Sie war nackt. Das blauschwarze Haar hing über ihre mittelgroßen, festen Brüste.
Die junge Frau ließ das Becken kreisen.
Neverio atmete schneller.
"Hey, mach dein Haar nach hinten! Ich will deine Brüste sehen!", keuchte er. Dann fiel ihm wieder ein, dass die junge Asiatin kein Englisch verstand. Nicht ein einziges Wort. Darauf achtete Neverio immer. Er ließ sich regelmäßig Girls über einen Zuhälter in Chinatown vermitteln. Yu Lee-Kwan war sein Name. Yu achtete darauf, Neverios Sonderwünsche genau zu erfüllen. Der wichtigste war: Die Girls, mit denen er im Bett herumtobte, durften so wenig wie möglich von dem verstehen, was geredet wurde. Für Neverio war wichtig, dass sie keinerlei Geheimnisse verraten konnten. So kamen eigentlich nur Frauen in Frage, die gerade ins Land gekommen waren. Auf welchen illegalen Wegen auch immer.
Die junge Asiatin sagte etwas in einer Sprache, von der Neverio nicht ein einziges Wort verstand.
"Halt schon den Mund, Baby - und mach weiter!", keuchte er. Die Kleine war wirklich gut.
Schon länger hatte keines der Girls, die Mister Yu ihm geschickt hatte, ihn so begeistert.
"Ja, los! Gib mir den Rest!", keuchte er.
Sie beugte sich zu ihm hinunter. Neverio bemerkte ein kaltes, katzenhaftes Glitzern in ihren Augen.
Ihre Haare kitzelten auf seiner Brust.
Mit den Augenwinkeln sah Ray Neverio den breiten goldenen Ring an ihrer rechten Hand. Es hatte Neverio von Anfang an irritiert, dass sie den Ring am Mittelfinger trug. Plötzlich wusste er den Grund.
Um mehr Kraft zu haben, durchzuckte es Neverio.
Eine Art Nadel klappte aus dem Ring heraus.
Eisiger Schrecken durchfuhr Neverio.
Millimeter bevor das Girl ihm die feine Nadel in den Hals zu stechen vermochte, bekam er ihr Handgelenk zu fassen, bog es zur Seite. Das Girl schrie auf. Neverio stieß sie grob von sich. Der Stoß, den er ihr versetzte, war so kräftig, dass sie vom Bett herunterrutschte.
Mit katzenhafter Geschmeidigkeit rollte sich das nackte Girl auf dem Boden herum und stand nur eine Sekunde später schon wieder auf den Beinen.
Ihr Gesicht war zu einer Grimasse verzogen.
Sie hatte Kampfhaltung eingenommen.
Neverios Puls raste.