Thriller Spezial Großband 3009 - 3 Romane - Alfred Bekker - E-Book

Thriller Spezial Großband 3009 - 3 Romane E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Thriller Spezial Großband 3009 - 3 Romane (399XE) Dieser Band enthält folgende Krimis: Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und der Asphaltkiller Alfred Bekker: Burmester und der Fenstersturz Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und die Nächte von Paris Ein Privatdetektiv wird in seiner Detektei ermordet. Doch was ist der Grund? War er an etwas Großem dran? Der Privatdetektiv Aldo Burmester erfüllt den letzten Wunsch des ihm unbekannten Kollegen und übernimmt den Fall. Als Burmester die Ermittlung aufnimmt, muss er feststellen, dass ihm bereits jemand zuvorgekommen und er diesem ein Dorn im Auge ist … Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

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Alfred Bekker

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Inhaltsverzeichnis

Thriller Spezial Großband 3009 - 3 Romane

Copyright

Kommissar Jörgensen und der Asphaltkiller

​Burmester und der Fenstersturz

​Commissaire Marquanteur und die Nächte von Marseille

Thriller Spezial Großband 3009 - 3 Romane

von Alfred Bekker

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und der Asphaltkiller

Alfred Bekker: Burmester und der Fenstersturz

Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und die Nächte von Paris

Ein Privatdetektiv wird in seiner Detektei ermordet. Doch was ist der Grund? War er an etwas Großem dran? Der Privatdetektiv Aldo Burmester erfüllt den letzten Wunsch des ihm unbekannten Kollegen und übernimmt den Fall. Als Burmester die Ermittlung aufnimmt, muss er feststellen, dass ihm bereits jemand zuvorgekommen und er diesem ein Dorn im Auge ist …
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /

COVER TONY MASERO

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

Kommissar Jörgensen und der Asphaltkiller

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© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Kommissar Jörgensen und der Asphaltkiller
von Alfred Bekker
1
Mein Name ist Uwe Jörgensen und ich bin in einer Sonderabteilung der Kripo in Hamburg. Mein Kollege ist Kriminalhauptkommissar Roy Müller. Wir sind schon seit einer Ewigkeit ein Team. Manche sagen, nichtmal eine Ehe hält so lange. Naja.
Nebel hing tief über die Außenalster. Roy und ich waren mit dem Sportwagen zu einem Parkplatz an dem Ufer gefahren, um einen Informanten zu treffen. Jetzt warteten wir schon eine Viertelstunde.
Roy blickte auf die Uhr.
»Bernd Maynert lässt sich heute Zeit!«
»Hoffen wir, dass ihm nichts zugestoßen ist!«
»Er ist vorsichtig!«
In diesem Augenblick hörten wir den Motor eines Motorrads aufheulen. Es fuhr die Uferstraße entlang, bremste ab und bog anschließend auf den Parkplatz. Der Fahrer steckte in einer schwarzen Ledermontur. Das Visier war dunkel. Er ließ den Motor seiner Harley noch einmal aufheulen und raste dann auf uns zu. Im letzten Moment bremste er. Der Hinterreifen brach ein wenig aus. Eine deutlich sichtbare Spur zog sich über den Asphalt. Er setzte den Helm ab.
»Hey, was soll das?«, schimpfte Roy, der sicherheitshalber zur Seite gesprungen war. »Wollen Sie mit uns Easy Rider spielen?«
Bernd Maynert strich sich das gelockte, dunkle Haar zurück und grinste breit.
»Wie wär’s denn stattdessen mit Asphaltkiller?«
2
»Von unserer Dienststelle ist es zwar nicht sehr weit, aber der Verkehr mörderisch!«, ereiferte sich Roy. »Wenn Sie glauben, dass wir diese Strecke fahren, um uns irgendwelche Mätzchen gefallen zu lassen, sind Sie schief gewickelt, Herr Maynert!«
Maynert verdrehte die Augen.
»Tut mir leid!«, lenkte er ein. »Ich habe seit zwei Tagen eine neue Maschine und da …«
»Ist das ein Grund, den Verstand auszuschalten?«
»Schon gut, Roy!«, mischte ich mich ein, obwohl ich den Ärger meines Kollegen durchaus teilte. »Ich bin überzeugt davon, dass Herr Maynert uns nicht hierher bestellt hätte, wenn es keine wichtigen Neuigkeiten gäbe.«
»Sehr richtig!«, stimmte Maynert zu. »Ich habe was ganz Großes für Sie. Aber wenn Sie nicht interessiert sind …«
»Wir sind durchaus interessiert«, sagte ich sachlich.
Er grinste.
»Okay! Sie werden Augen machen und ich würde sagen, diesmal ist ein kleiner Bonus drin!«
»Darüber reden wir, wenn wir wissen, worum es geht«, entschied ich.
Bernd Maynert war 38 Jahre alt und Barkeeper in einem Club namens Latin Pop auf St. Pauli. Der Name war Programm, was die Musikauswahl betraf. Mehr oder minder regelmäßig versorgte er uns mit Neuigkeiten aus St. Pauli. Hauptsächlich natürlich über das kriminelle Netzwerk der Rumänen, das dort das Zentrum seiner Aktivitäten hatte.
Maynert hatte uns immer zuverlässig beliefert. Insofern hatten wir keinen Grund, uns über ihn zu beklagen. Allerdings war ihm auch ein Hang zur Wichtigtuerei und Selbstdarstellung eigen, der ihm irgendwann noch einmal das Genick brechen konnte. Die Tatsache, dass er sich eine Harley leisten konnte, sprach dafür, dass er in letzter Zeit irgendwelche krummen Geschäfte nebenher laufen hatte.
»Wir haben lange nichts voneinander gehört, Herr Maynert«, stellte ich fest.
Er zuckte die Schultern.
»War eben nichts zu berichten, Herr Jörgensen.«
»Aber es scheint Ihnen ja gut zu gehen …« Während ich das sagte, deutete ich auf die Harley.
»Man tut, was man kann.«
»So, wie ich das sehe, werden Sie nicht lange Freude an Ihrem heißen Ofen haben«, mischte sich mein Kollege Roy Müller ein. »Bei Ihrer Fahrweise bringen Sie früher oder später sich selbst oder jemand anderen um.«
»Sorry, Herr Müller! Aber ich habe das Ding völlig unter Kontrolle.«
»Warum wollten Sie sich mit uns treffen?«, fragte ich.
»Ich hoffe, Ihre Story ist so gut wie die Ankündigung vorhin«, ergänzte Roy.
»Das mit Easy Rider und Asphaltkiller gerade eben war kein Witz.« Er sah mich an, hob die Augenbrauen und wartete meine Reaktion ab. »Na, klingelt es bei Ihnen? Es geht um den legendären Asphaltkiller …«
Dieser Name war mir durchaus ein Begriff. Es war das Pseudonym eines skrupellosen Lohnkillers, den man für Dutzende von Morden im Umfeld der Drogenbanden verantwortlich machte. Das einzige, was man definitiv über ihn wusste, war, dass es sich um einen exzellenten Motorradfahrer handeln musste. In sämtlichen Mordfällen, die mit ihm in Verbindung gebracht wurden, hatten Motorräder eine Rolle gespielt. Daher auch der Spitzname, den man ihm gegeben hatte. Seit Jahren stand er auf der Fahndungsliste, aber bislang gab es keinen vielversprechenden Ermittlungsansatz.
»Ich weiß aus sicherer Quelle, dass der Asphaltkiller zurzeit in Hamburg ist«, eröffnete Maynert.
»Von wem haben Sie das?«, hakte ich nach.
»Kann ich Ihnen nicht sagen, sonst beträgt meine Lebenserwartung noch eine halbe Stunde oder so.« Er grinste. »Sie kennen das Spiel doch, Herr Jörgensen. Aber wenn Sie die Quelle auch nicht kennen, so müssen Sie doch zugeben, dass ich Ihnen noch nie Mist erzählt habe.«
»Ich nehme an, der Asphaltkiller ist aus beruflichen Gründen hier in Hamburg«, schloss Roy.
»So ist es.«
»Wissen Sie Näheres darüber?«
Maynert nickte.
»Wo denken Sie hin? Er hat angeblich einen Auftrag. Mehr weiß ich nicht. Aber an Ihrer Stelle würde ich diesen Hinweis sehr ernst nehmen. Ich wäre nicht zu Ihnen gekommen, wenn ich das nur für die üblichen Gerüchte halten würde. Was ist mit dem Bonus?«
»Ob wir Ihnen mehr zahlen können, hängt davon ab, ob sich das Ganze wirklich als heiße Spur erweist, Herr Maynert«, schränkte ich ein. »Sie wissen ja, dass sich die Beträge für Informanten in einem engen Rahmen bewegen.«
Er setzte sich den Helm wieder auf. Für ihn schien die Unterhaltung mehr oder weniger beendet zu sein. Ich trat etwas näher an seine Harley heran.
»Einen Moment noch, Herr Maynert.«
Er klappte das Visier hoch.
»Ich muss dringend wieder zurück. Termine – Sie verstehen?«
»Ich dachte, die Arbeitszeit eines Barkeepers im Latin Pop beginnt nicht vor dem frühen Abend«, wandte ich ein.
»Man hat ja auch noch ein Privatleben, Herr Jörgensen.«
»Oder Geschäfte, die nebenbei laufen und es einem Barkeeper ermöglichen, sich eine Harley zu leisten?«
Er lachte.
»Mit Verlaub, aber das geht Sie nichts an. Im Übrigen bin ich einfach nur ein sparsamer Mensch.«
»Natürlich …«
»Das meine ich vollkommen ernst!«
»Wie frisch ist die Information? Das werden Sie mir doch sagen können, ohne Ihre Quelle zu verraten?«
»Ich habe gestern Abend davon erfahren. Meine Quelle erfuhr maximal einen halben Tag früher davon. Und jetzt rechnen Sie mal schön, ob Ihnen das noch frisch genug ist!«
»Wir sprachen ja gerade über Gerüchte.«
»Ja?«
»Man redet davon, dass sich angeblich ein neuer Anbieter auf dem Drogenmarkt etablieren will. Ist da was dran?«
Er zuckte die Achseln.
»Ich habe auch schon davon gehört, Herr Jörgensen. Aber was davon jetzt den Tatsachen entspricht, davon habe ich keine Ahnung. Eigentlich müssten dann die Straßenpreise für Heroin ins Bodenlose fallen, aber das tun sie nicht. Also, wenn eine derartige Aktion geplant ist, kann sie meiner Ansicht nach noch nicht begonnen haben.«
»Verstehe.«
»Nur das mit dem Asphaltkiller, das ist ziemlich sicher – und wenn Sie beide Puzzleteile zusammenbringen, dann ergibt das doch ein Bild, das Sinn macht, finde ich.« Er klappte das Visier herunter. »Ich melde mich, wenn ich mehr weiß«, versprach er und brauste mit durchdrehendem Hinterreifen davon. Er drehte das Gas voll auf und raste mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf die Ausfahrt zu. Wenig später fuhr er die Uferstraße zurück in Richtung St. Pauli.
»Man sollte ihm die Fahrerlaubnis wegnehmen!«, meinte Roy. »Der Kerl ist doch gemeingefährlich!«
Ich wandte den Blick in Richtung meines Kollegen und fragte: »Sprichst du jetzt von Maynert oder dem Asphaltkiller?«
Roy machte eine wegwerfende Handbewegung. Wir stiegen in den Sportwagen ein. Schließlich fragte er: »Was hältst du von der Story, die uns Maynert erzählt hat?«, fragte Roy.
»Mehr als ein Tipp war das nicht – aber bislang konnte man sich auf Maynert immer verlassen. Wir tun also gut daran, diesen Hinweis ernst zu nehmen.«
»Ich kann diesen Wichtigtuer nicht leiden!«
»Wenn es stimmt, was er sagt, haben wir in nächster Zeit jede Menge Arbeit, Roy. Auswärtige Kriminelle schicken einen Profi-Killer, der die Konkurrenz aus dem Weg räumen soll. Ich hoffe, dass Maynert sich geirrt hat!«
3
Bernd Maynert jagte mit seiner Harley die Uferstraße entlang. Zurzeit war nur wenig Verkehr.
Die Nebelschwaden über der Außenalster zogen jetzt nach und nach in die Uferzone. Normalerweise konnte man von hier aus die Silhouetten der Hochhäuser von Hamburg City sehen. Aber jetzt war da nichts weiter als eine hellgraue, undurchdringliche Wand.
Und die ersten Schwaden zogen nun auch über die Straße. Die Sichtweite sank innerhalb kurzer Zeit dramatisch.
Maynert drosselte die Geschwindigkeit.
Der Nebel wurde rasch dichter. Bald fuhr er in ein graues Nichts hinein. Selbst die Uferlinie war kaum noch zu erkennen. Die Bäume und Begrenzungspfähle am Straßenrand waren nur noch dunkle, drohende Schatten. Auf dreißig bis vierzig Meter schätzte er die Sichtweite. Ein LKW kam ihm donnernd entgegen. Er war erst in letzter Sekunde zu erkennen und tauchte als düsterer, übermächtiger Schatten aus dem Nebel heraus.
Im Rückspiel sah Bernd Maynert zwei Lichter herannahen. Ein Geländewagen schloss mit ziemlich hoher Geschwindigkeit zu ihm auf, hielt sich dann aber hinter ihm.
Die schlechte Sicht zwang Bernd Maynert dazu, die Geschwindigkeit noch etwas weiter abzusenken. Einfach ins Nichts hineinzurasen war selbst ihm zu riskant, obwohl er ansonsten stets dazu neigte, sich als Fahrer zu viel zuzutrauen.
Der Geländewagen scherte plötzlich auf die Gegenfahrbahn aus, beschleunigte und zog dann wieder nach rechts. Dabei touchierte er die Harley. Maynert verlor die Kontrolle über das Motorrad, brach seitlich aus und geriet von der Fahrbahn.
Ehe er bremsen konnte, knallte die Harley gegen einen der zahlreichen Bäume, die an der dem Ufer abgewandte Seite der Fahrbahn zu finden waren.
Der Geländewagen hielt mit quietschenden Reifen.
Ein Mann stieg aus.
Er trug eine Mütze mit der Aufschrift WINNER. In der Linken schwang er einen Baseballschläger.
Bernd Maynert lag in verrenkter Haltung auf dem Boden. Er stöhnte auf, war aber zu schwer verletzt, um sich aufzurappeln. Der Mann mit der WINNER-Mütze näherte sich. Er verzog das Gesicht, als er Maynert in seiner Blutlache liegen sah. Der Verletzte schaffte es, den Helm vom Kopf zu nehmen. Er keuchte, rang nach Luft und versuchte, die Blutung am Bein stillen.
Dann sah er den Mann mit der WINNER-Mütze auf sich zukommen. Er stierte ihn gläubig an. Maynert hob abwehrend die Hand.
»Nein!«, schrie der Verletzte mit heiserer, schwacher Stimme. Er versuchte die letzten Kräfte zu mobilisieren.
Vergeblich!
Zweimal holte der Mann mit der WINNER-Mütze aus. Ein dumpfes Geräusch entstand, wenn das Holz des Baseballschlägers auftraf.
Danach schwieg Bernd Maynert für immer.
4
Wir fuhren erst zehn Minuten später nach Beendigung unserer Zusammenkunft mit Bernd Maynert zurück in Richtung Bruno-Georges-Platz. Das gehörte zu den Regeln, die wir einzuhalten hatten, wenn wir uns mit Maynert trafen. Er bestand darauf, da er sich ständig verfolgt gefühlt hatte.
Wir nutzten die Zeit, um mit Kriminaldirektor Bock Kontakt aufzunehmen und mit Hilfe des im Sportwagen installierten Rechners eine Online-Verbindung zum Datensystem der Polizei zu schalten. Über dieses landesweit allen Polizeieinheiten zur Verfügung stehende Datenverbundsystem konnten wir uns den aktuellen Stand der Fahndung in Bezug auf den Asphaltkiller ansehen.
Der letzte Mord, der mit ihm in Verbindung gebracht werden konnte, lag drei Jahre zurück und war in Frankfurt an einem abtrünnigen Rocker namens Michael Pachmeister verübt worden.
Der Asphaltkiller hatte aus einem präparierten Motorradlenker mit einem Explosivgeschoss auf den Wagen Pachmeisters gefeuert, der daraufhin explodiert war.
»Es bestand schon die Hoffnung, dass der Asphaltkiller sich aus dem Auftragskiller-Geschäft zurückgezogen hätte«, sagte Kriminaldirektor Bock, unser Chef, über die Freisprechanlage des Sportwagens. »Schließlich dürfte er für seine Morde gut bezahlt worden sein und langsam ausgesorgt haben.«
»Vorausgesetzt, er ist mit seinem Geld auch geschickt umgegangen und hat es richtig investiert«, meinte Roy.
»Jedenfalls werde ich die Kollegen des Innendienstes anweisen, nach Ermittlungsansätzen zu suchen«, erklärte unser Chef. »Schließlich haben wir in diesem Fall vielleicht die Möglichkeit, ein Verbrechen zu verhindern, anstatt wie üblich erst dann tätig zu werden, wenn es bereits geschehen ist. Sehen Sie irgendeine Möglichkeit, an Maynerts Quelle heranzukommen?«
»Wenn wir anfangen, in seinem Umfeld zu ermitteln, gefährden wir ihn«, gab ich zu bedenken.
»Die Fakten stellen sich so dar: Der Asphaltkiller ist eine der ausgebufftesten Tötungsmaschinen, die je im Dienst des organisierten Verbrechens gestanden hat«, sagte Kriminaldirektor Bock. »Wer immer ihn für einen Auftrag gewinnen will, muss in der Lage sein, ein Spitzenhonorar zu zahlen.«
»Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang zu den Gerüchten um ein auswärtiges Drogensyndikat, das seinen Einfluss auf Hamburg ausdehnen will«, glaubte Roy.
»Wir bekommen in der Tat fast täglich Hinweise darauf, dass sich in diese Richtung irgendetwas auf St. Pauli tun wird«, stimmte Kriminaldirektor Bock zu. »Und wenn der von Ihnen skizzierte Zusammenhang tatsächlich besteht, dann müssen wir uns auf blutige Machtkämpfe einstellen.«
Kriminaldirektor Bock unterbrach die Verbindung. Roy und ich sahen uns das vorliegende Datenmaterial über den Asphaltkiller an. Abgesehen von ein paar nicht sehr brauchbaren Zeugenaussagen, gab es kaum Spuren.
»Dieser Mann ist ein Profi durch und durch«, sagte ich, während ich den Sportwagen die Uferstraße entlang lenkte. »Wir müssen uns wohl oder übel darauf einstellen, dass er kaum Fehler machen wird, die uns helfen könnten, ihn in unser Netz laufen zu lassen.«
»Jeder macht Fehler«, widersprach Roy. »Früher oder später jedenfalls.«
»Beim Asphaltkiller warten wir allerdings schon ziemlich lange darauf.«
Der Nebel nahm immer mehr zu, denn auch wir befanden uns noch auf der Uferstraße.
Plötzlich tauchten Warnleuchten aus dem Nebel auf.
Ich drosselte die Geschwindigkeit und fuhr im Schritttempo weiter. Mehrere Einsatzfahrzeuge der zuständigen Polizei sowie ein Rettungswagen waren zu sehen.
Ein Polizist trat an unsere Seitenscheibe. Ich ließ sie herunter. Der Polizist machte eine Handbewegung.
»Fahren Sie bitte weiter!«
»Was ist hier passiert?«
»Schwerer Motorradunfall. Ist immer dasselbe: Überhöhte Geschwindigkeit im Nebel. Die Kerle überschätzen ihre Fähigkeiten, verlieren die Kontrolle über die Maschine und dann rasen sie frontal gegen den Baum. Aber jetzt fahren Sie bitte weiter! Sonst gibt es hier noch einen Auffahrunfall.«
Ich holte meinen Ausweis hervor.
»Jörgensen, Kriminalpolizei. Handelte es sich bei der verunglückten Maschine zufällig um eine Harley?«
Der Polizist nickte.
»Ja, woher wissen Sie das?«
»Nur eine Vermutung. Aber es könnte sein, dass dies unser Fall ist!«
5
Ich parkte den Wagen am Straßenrand. Wir stiegen aus.
Der polizeibeamte, der den Einsatz leitete hieß Harald Brandt. Harald Brandt war ein breitschultriger Mann mit einem grau melierten Kinnbart und schätzungsweise zwanzig Kilo Übergewicht.
Wir zeigten auch Brandt unsere Ausweise vor. Er schob sich seinen Hut in den Nacken und runzelte die Stirn.
»Ich will Ihnen ja nicht in die Suppe spucken, aber wie kommen Sie darauf, dass das etwas mit Ihren Ermittlungen zu tun hat? Für uns sah das nach einem Routinefall aus!«
»Wir haben uns vor circa fünfzehn Minuten mit einem Harley-Fahrer namens Bernd Maynert auf einem Parkplatz ganz hier in der Nähe getroffen.«
Harald Brandt atmete tief durch und kratzte sich am Kinn.
»Das war auch der Name, der im Führerschein des Verunglückten angegeben war. Der Tote liegt im Krankenwagen. Der Notarzt konnte leider nur noch den Tod feststellen.«
»Die Leiche darf auf keinen Fall abtransportiert werden«, sagte ich bestimmt.
»Sie wollen eine Obduktion durchführen lassen?«
»Falls es nur den geringsten Verdacht eines Fremdverschuldens gibt – ja.«
»Hören Sie, Herr …«
»Jörgensen.«
»Wir sind selbst erst vor kurzem hier eingetroffen und konnten gerade mal die Unfallstelle einigermaßen absichern. Zu weiteren Ermittlungen sind wir noch nicht gekommen.«
»Wir werden unsere eigenen Spurensicherer hierher beordern«, kündigte ich an. »Herr Maynert war ein wichtiger Informant für unsere Abteilung.«
»Sie glauben an einen Mord?«
»Wir müssen diese Möglichkeit jedenfalls ausschließen, bevor wir von einem normalen Verkehrsunfall ausgehen können. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass ein zweites Fahrzeug an dem Unfallgeschehen beteiligt war?«
Brandt zuckte die Schultern. »Sagen wir so: Ausgeschlossen ist das nicht.«
Brandt führte uns zu dem Baum, gegen den Maynert gerast war. Er rief einen seiner Leute herbei, die uns den Führerschein brachten, den er bei sich getragen hatte. Außerdem sein Handy und seine Brieftasche.
»Aber was eine Obduktion angeht, glaube ich, die Mühe können Sie sich sparen. Wenn man frontal gegen einen Baum wie diesen rast, dann kann das die schwersten Verletzungen nach sich ziehen.«
Ich blickte mich um.
»Wie haben Sie von dem Unfall erfahren?«, fragte ich an Brandt gerichtet. »Schließlich waren Sie ziemlich schnell am Ort des Geschehens, wenn ich das richtig nachrechne …«
»War purer Zufall. Wir befanden uns gerade etwa zehn Minuten von hier auf Streife. Da kam der Anruf aus dem Büro. Jemand hatte sich dort gemeldet, der das verunglückte Motorrad am Straßenrand liegen sah.«
»Haben Sie die Personalien dieses Fahrers?«
»Ja.« Er langte zu einem kleinen Block, der aus seiner Jackentasche herausragte und sah darauf nach. »Ein Herr Bodo Matuschewski aus Hamburg-Mitte, von Beruf Handelsvertreter. Er hat hier gewartet, bis wir eintrafen. Ich habe ihn weiterfahren lassen. Vom eigentlichen Unfallgeschehen hat er nichts mitbekommen, und außerdem schien er mir ziemlich fix und fertig zu sein.«
»Dieser Matuschewski hat nicht versucht, Maynert zu helfen, als er ihn gefunden hat?«
Brandt schüttelte den Kopf.
»Er hielt ihn für tot. Wir haben aber trotzdem sicherheitshalber den Notarzt verständigt. Schließlich wollten wir uns nicht auf die Einschätzung eines Laien verlassen. Ich kann Ihnen sagen, da habe ich schon die dollsten Dinger erlebt.«
6
Wir setzten uns telefonisch mit Kriminaldirektor Bock in Verbindung und erstatteten ihm Bericht.
»Bleiben Sie an der Sache dran, bis wirklich ausgeschlossen ist, dass es sich um einen Mord handelt!«, ordnete unser Chef an. »So lange das nicht der Fall ist, betrachten wir den Unfall als Teil des Asphaltkiller-Falls.«
»Ja, Herr Bock«, bestätigte ich.
»Sie haben im Übrigen jetzt alle Freiheiten, im Umfeld von Herr Maynert zu ermitteln – auch was seine mögliche Quelle angeht. Schließlich besteht ja jetzt nicht mehr die Möglichkeit, dass wir ihn in Gefahr bringen.«
Im Verlauf der nächsten zwei Stunden trafen unsere Kollegen Frank Folder und Martin Horster ein. Die beiden Erkennungsdienstler suchten insbesondere nach Spuren eines eventuell vorhandenen zweiten Verkehrsteilnehmers, der an dem Unfallgeschehen beteiligt war.
Bevor der tote Maynert abtransportiert wurde, durchsuchten wir noch einmal gründlich seine Taschen. Dann nahmen wir uns das Handy vor und überprüften mit Hilfe unseres Online-Anschlusses im Sportwagen die im Menü gespeicherten Nummern.
Es waren viele Nummern von Prepaid-Handys darunter, die sich keinem Vertragsnehmer zuordnen ließen und daher gerne benutzt wurden, wenn der Betreffende in jeder Hinsicht anonym bleiben oder sich vor Abhörmaßnahmen durch die Polizei schützen wollte.
Die Nummer, die er zuletzt angerufen hatte, gehörte einem Handy, dessen Vertrag unter dem Namen Rita Clemens abgeschlossen worden war, wie wir schnell über unseren Rechner im Sportwagen ermitteln konnten.
Die Adresse war interessant.
Sie stimmte mit dem Apartment überein, das Maynert in St. Pauli bewohnt hatte.
»Vielleicht seine Freundin«, vermutete Roy.
»Wir sollten uns mit ihr unterhalten – ganz gleich, was jetzt bei dieser Untersuchung herauskommt und ob wir es nun mit einem Verkehrsunfall oder einem Mordanschlag zu tun haben.«
Roy stimmte mir in dieser Hinsicht zu. Aber schon wenig später hatten unsere Erkennungsdienstler herausgefunden, dass es an Maynerts Harley verdächtige Lackspuren gab.
»Wir müssen natürlich genauere Untersuchungen abwarten«, meinte Martin Horster. »Aber es scheint sehr wahrscheinlich zu sein, dass das Motorrad von einem anderen Fahrzeug touchiert wurde und dies die Ursache des Unfalls war.«
»Dann handelt es sich auf jeden Fall um Fahrerflucht«, stellte Roy fest.
»Oder um Mord!«, ergänzte ich. »Vielleicht war Maynert doch nicht vorsichtig genug. Es ist ihm jemand gefolgt, hat beobachtet, wie er sich mit uns traf und später dafür gesorgt, dass ein Informant ausgeschaltet wird.«
»Bis jetzt ist das noch reine Spekulation, Uwe«, gab Martin Horster zu bedenken. »Das einzige, was in diese Richtung weist, ist die Lage der Lackspuren. Sie sind auf der rechten Seite des Motorrads.«
Ich hob die Augenbrauen.
»Das bedeutet, dass der unbekannte Fahrer Maynerts überholt haben oder es zumindest versucht haben muss.«
Brandt schüttelte den Kopf.
»Wer so etwas tut, muss wahnsinnig sein! Sehen Sie sich diese Nebelsuppe an! Wer da überholt, ist doch lebensmüde.«
»Wenn der Unbekannte Maynerts Harley von hinten erwischt hätte, würde man annehmen, dass er ihn im Nebel übersehen hat – aber nicht, wenn der Zusammenstoß ganz offensichtlich von der Seite stattfand«, erklärte Martin Horster.
»Der Unbekannte könnte überholt haben und dann plötzlich auf Gegenverkehr gestoßen sein, der ihn zwang, sofort wieder auf die linke Fahrbahn zurückzuziehen«, sagte Roy.
»Wir werden die Straße auf Bremsspuren, Reifenprofilen und so weiter untersuchen müssen«, kündigte Martin an.
»Dann sollten wir uns auch noch einmal die Umgebung des Parkplatzes genauer ansehen, auf dem wir uns mit Maynert getroffen haben«, schlug ich vor. »Wenn es nur ein Unfall mit Fahrerflucht war, werden wir dort kaum etwas finden. Aber wenn es sich um geplanten Mord handelt, dann wird der Täter uns dort wahrscheinlich vorher beobachtet haben.«
7
Für Roy und mich gab es zunächst am Tatort nichts mehr zu tun. So fuhren wir die paar Kilometer zurück zu dem Parkplatz, auf dem das kurze Treffen mit Maynert stattgefunden hatte. Wir stiegen aus.
»Wo könnte sich jemand postiert haben, um uns zu beobachten?«, fragte ich.
Roy deutete mit ausgestrecktem Arm zur Böschung, die die Uferstraße begrenzte. Dort waren einige Sträucher, hinter denen sich jemand hätte verbergen können.
»Versetz dich mal in die Lage eines potentiellen Verfolgers! Er hat gesehen, dass Maynert auf den Parkplatz abbog. Also wird er seinen Wagen irgendwo in der Nähe abgestellt haben, ist dann zu Fuß bis zur Böschung gegangen und hat uns beobachtet.«
»Sehen wir einfach mal nach, Roy!«
Wir stiegen die Böschung empor und sahen uns an den Stellen um, die uns als geeignete Beobachtungsposten erschienen. An einer Stelle waren Gras und Sträucher niedergetreten. Ein Indiz für die Anwesenheit eines Menschen – mehr aber auch nicht. Hundert Meter entfernt gab es an der dem Meeresufer abgewandten Straßenseite eine Stelle am Straßenrand, wo zweifellos ein Wagen für einige Zeit abgestellt worden war. Wir fanden einen Reifenabdruck und telefonierten mit unseren Erkennungsdienstlern, damit die Spur gesichert werden konnte.
Ich hatte Frank Folder am Apparat.
»Wir haben hier inzwischen auch ein paar Reifenspuren gefunden«, berichtete er mir. »Die Hypothese, dass Maynert abgedrängt wurde, scheint sich zu erhärten. Es gibt noch ein weiteres interessantes Detail.«
»Und das wäre?«
»Es gibt Anzeichen dafür, dass der Unbekannte keineswegs einfach davongefahren ist. Er hat auf jeden Fall stark abgebremst und sich vielleicht sogar angesehen, was er angerichtet hat. Aber Genaueres können wir wahrscheinlich frühestens morgen sagen, wenn wir alle Erkenntnisse ausgewertet haben. Im Moment suchen wir noch nach Fußspuren. Der Täter könnte ausgestiegen sein und sich erst dann zur Fahrerflucht entschlossen haben, als er merkte, dass er einen Menschen auf dem Gewissen hatte.«
8
Es war später Nachmittag, als wir den Parkplatz verließen und Maynerts Wohnung in St. Pauli aufsuchten. Sie lag im dritten Stock eines Hauses der mittleren bis unteren Kategorie. Zwar gab es einen funktionierenden Fahrstuhl, aber dafür so gut wie keine Sicherheitsvorkehrungen. Nur im Eingangsbereich befand sich eine Überwachungskamera, wobei ich mich fragte, wer sich deren Bilder überhaupt ansah. Von einem privaten Sicherheitsdienst war nämlich weit und breit nichts zu sehen.
Wir klingelten an der Wohnungstür und eine junge Frau mit seidigem, bis über die Schultern fallendem, schwarzem Haar und dunklem Teint öffnetet uns.
»Uwe Jörgensen, Kriminalpolizei«, stellte ich mich vor und zeigte ihr meinen Dienstausweis. Anschließend deutete ich auf Roy. »Dies ist mein Kollege Müller. Ich nehme an, Sie sind Rita Clemens?«
»Ja«, nickte etwas irritiert. »Woher kennen Sie meinen Namen und was wollen Sie hier?«
»Es geht um Herr Bernd Maynert.«
»Bernd ist nicht hier. Was wollen Sie denn von ihm?«
Es gibt Dinge in unserem Beruf, die niemals zur Routine werden. Dazu gehört es auch, die Nachricht vom Tod eines nahen Angehörigen oder Freundes zu überbringen.
»Er ist heute mit seinem Motorrad verunglückt«, eröffnete ich. »Leider konnte man nichts mehr für ihn tun.«
»Nein«, flüsterte die junge Frau. Sie schüttelte den Kopf. »Das ist nicht wahr!«
»Leider doch, Frau Clemens«, erwiderte ich.
Tränen glitzerten in ihren Augen. Sie barg das Gesicht in ihren Händen und unterdrückte ein Schluchzen.
»Ich weiß, dass es schwer für Sie sein muss, mit dieser Nachricht konfrontiert zu werden«, begann ich vorsichtig nach einer kurzen Pause das Gespräch wieder aufzunehmen. »Dennoch muss ich Ihnen ein paar Fragen stellen.«
Sie schluckte und antwortete zunächst nicht. Ihr Blick wirkte glasig.
»Vielleicht können wir dazu zu Ihnen hereinkommen«, schlug Roy vor.
Sie nickte geistesabwesend.
»Kommen Sie«, murmelte sie tonlos und führte uns in das Wohnzimmer. Sie ließ sich in einen der Sessel fallen. Dann blickte Rita Clemens auf. »Wieso interessiert sich die Kriminalpolizei für einen Verkehrsunfall?«, fragte sie. »Da stimmt doch etwas nicht!«
»Sie haben recht«, bestätigte ich. »Es besteht der Verdacht, dass ein Fahrzeug Herr Maynert mit seiner Maschine von der Straße abgedrängt hat, so dass er frontal gegen einen Baum raste.«
»Ein Fahrerflüchtiger? So ein Schwein!«
»Wir haben Anhaltspunkte dafür, dass Herr Maynert von der Fahrbahn gedrängt wurde.«
»Was?« Sie sah mich fassungslos an. Dann schüttelte sie stumm den Kopf. »Wer tut denn so etwas?«, murmelte sie leise vor sich hin.
»Ich will Sie nicht beunruhigen, aber wir ziehen auch die Möglichkeit in Erwägung, dass dieser Unfall vorsätzlich verursacht wurde.«
»Mord?«, flüsterte sie.
»Herr Maynert starb, kurz nachdem er sich mit uns getroffen hatte«, eröffnete ich. »Wusste Sie, dass er als Informant für uns tätig war?«
Sie sah mich völlig entgeistert an und schüttelte den Kopf.
»Nein, ich hatte keine Ahnung.«
»Das ist auch der Grund dafür, dass wir in dieser Sache ermitteln. Es kann natürlich Zufall sein, dass ein Kriminalpolizei-Informant kurz nach einem Treffen mit uns ermordet wurde. Aber genauso gut besteht die Möglichkeit, dass man mit ihm abgerechnet hat.«
Roy mischte sich jetzt in das Gespräch ein.
»Sie wohnten doch hier zusammen, nicht wahr?«
»Ja«, nickte sie.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn wir uns etwas umsehen? Wir würden auch einen Durchsuchungsbefehl bekommen, da bin ich mir sicher. Nur würde das unsere Ermittlungen unnötig aufhalten – und ich denke, Sie sind auch daran interessiert, dass der Mörder Ihres Freundes gefasst wird!«
Noch befand sich dieser Fall in einer Grauzone. In einem Mordfall war die Durchsuchung der Wohnung des Opfers Routine, aber noch war dies offiziell keine Morduntersuchung.
Sie erhob sich wieder und verschränkte die Arme vor der Brust. Anschließend wanderte ihr Blick zwischen ihr und Roy zweimal hin und her. Sie nicke schließlich.
»Tun Sie Ihre Pflicht!«, sagte sie, an Roy gerichtet. »Aber bringen Sie nicht zu viel durcheinander.« Rita Clemens drehte ihr Gesicht in meine Richtung und musterte mich prüfend. »Ich möchte wissen, was los ist! Jede Einzelheit! Ich habe das Gefühl, dass Sie mir das meiste verschweigen – aus welchem Grund auch immer!«
»Ist Ihnen in letzter Zeit irgendetwas Ungewöhnliches an Bernd Maynert aufgefallen?«, fragte ich.
»Nein. Über seine Informantentätigkeit hat er nie mit mir darüber gesprochen. Allerdings …«
»Was?«, hakte ich nach.
»Im Nachhinein wird mir jetzt einiges klarer.«
»Was denn zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, wie er sich mit dem Geld, das er als Barkeeper verdiente, plötzlich eine Harley leisten konnte …« Sie schluchzte. »Er bekam Geld von Ihnen, damit er die Gäste des Latin Pop aushorcht - oder wie darf ich das verstehen?«
»So viel bekommen Informanten nicht für ihre Dienste«, widersprach ich. »Die Harley ist ganz sicher ausschließlich den Geschäften zu verdanken, die Bernd Maynert so nebenher laufen hatte. Wissen Sie etwas Genaueres darüber?«
Sie hob das Kinn und schien abzuwägen, ob sie mit mir darüber sprechen sollte.
Roy ging unterdessen ins Schlafzimmer und anschließend in einen weiteren Raum in der Wohnung.
»Frau Clemens, was wissen Sie über die Personen, mit denen Bernd Maynert Geschäfte machte?«, fragte ich inzwischen.
»Gar nichts.«
Ich befragte sie eingehend nach den Lebensumständen, die die beiden geteilt hatten. Rita Clemens gab an, in einem Coffee Shop in der Nähe zu jobben und hin und wieder im Latin Pop als Gogo-Tänzerin auszuhelfen. »Dort habe ich Bernd auch kennen gelernt.«
»Wissen Sie etwas über die Geschäfte, die er neben seiner Tätigkeit als Barkeeper so laufen hatte?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf.
»Er hat mich nie einbezogen.«
»Aber Sie werden doch Ihre Vermutungen gehabt haben. Nun kommen Sie schon! Bernd können Sie damit nicht mehr schaden – aber falls er ermordet wurde, könnten wir vielleicht durch einen Hinweis von Ihnen sein Mörder fangen.«
Sie biss sich auf die Unterlippe, war erneut einem Schluchzen sehr nahe und nickte stumm. Ich begann mich zu fragen, wieviel Sinn diese Vernehmung noch hatte.
Rita Clemens konnte den Tod Ihres Freundes offenbar nicht verwinden.
»Er sagte mir, dass seine Geschäfte sehr gut gingen«, berichtete sie mit tonloser Stimme. »Wir wollten uns eine bessere Wohnung suchen und die Zukunftsaussichten sahen blendend aus. Jedenfalls habe ich das gedacht.«
»Hat er gedealt?«, fragte ich.
»Nein! Wie können Sie so etwas behaupten?«
»Weil es nahe liegt. In welcher Branche käme man ansonsten so schnell zu Geld?«
»Wer sagt denn, dass Bernd schnell zu Geld gekommen ist? Er hat eisern gespart! Eine Harley zu besitzen, war der Traum seines Lebens, seit er ein Junge war. Und jetzt hatte er das Geld eben zusammen - was ist dabei?«
»Haben Sie schon mal den Begriff Asphaltkiller gehört?«
Ein Ruck ging durch ihren Körper. Energisch schüttelte sie den Kopf.
»Keine Ahnung, was das sein soll!«, behauptete sie. »Ein Computerspiel vielleicht?«
Roy kam inzwischen aus dem Nachbarraum zurück.
»Ich habe hier ein Telefonregister, das ich beschlagnahmen werde«, kündigte er an.
Ich beugte mich vor.
»Asphaltkiller ist die Bezeichnung für einen professionellen Lohnkiller, von dem Bernd Maynert zu wissen glaubte, dass er in Hamburg sei und einen Auftrag angenommen habe.«
Sie schüttelte energisch den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Wie kommen Sie darauf, dass ich von diesen Dingen etwas wüsste? Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass Bernd mich nie in seine Geschäfte einbezogen hat. Warum glauben Sie mir nicht? Fragen Sie besser seine Kumpel, mit denen er herumhing. Ich kann Ihnen gerne Namen und Adressen geben.«
»Aber gerne!«
»Allerdings finde ich es unmöglich, dass Sie ihn mit irgendwelchen Geschichten von Lohnkillern in Verbindung bringen. Bernd hat immer nur seine Arbeit gemacht. Und zwar gut!«
»Das ist durchaus möglich, Frau Clemens. Aber wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.«
Ich war überzeugt, dass sie mehr wusste.
Sie wich meinem Blick aus.
Ich reichte ihr meine Karte.
»Wenn Sie es sich doch noch anders überlegen oder Ihnen etwas einfällt, das wichtig sein könnte, dann rufen Sie mich bitte an.«
Sie antwortete darauf nicht, steckte meine Karte zwar weg, würdigte sie aber keines Blickes.
»Danke«, sagte sie tonlos.
»Die Leute, mit denen Ihr Freund zu tun hatte, verstehen keinen Spaß«, versuchte ich ihr klar zu machen. »Sie könnten auch in Gefahr sein, bedenken Sie das!«
»Ich bin in St. Pauli aufgewachsen. Da lernt man auf sich selbst aufzupassen!«
Ich wollte noch etwas erwidern, aber Roy schüttelte den Kopf, so als wollte er mir signalisieren, dass es keinen Sinn hatte, Rita Clemens zu überzeugen. Noch nicht.
9
Am nächsten Morgen fanden wir uns zur Besprechung im Büro von Kriminaldirektor Bock ein. Mandy, die Sekretärin unseres Chefs, versorgte uns mit ihrem vorzüglichen Kaffee.
Außer Roy und mir nahmen noch die Kollegen Stefan Czerwinski und Ollie Medina, sowie die Kollegen Tobias Kronburg und Ludger Mathies teil.
Max Warter aus der Fahndungsabteilung des Innendienstes gab uns einen Überblick über den Stand der Fahndung nach dem Asphaltkiller.
»Wir wissen, dass dieser Mann das Motorrad als Verkehrsmittel bevorzugt«, erklärte er. »Außerdem wissen wir, dass er eine Vorliebe für Explosiv-Geschosse hat, die mit Hilfe speziell umgerüsteter Handfeuerwaffen abgefeuert werden. In mindestens einem Fall benutzte er Abschussvorrichtungen, die in den Lenker seines Motorrades integriert waren.« Max Warter betätigte den Beamer seines Laptops und projizierte damit ein Foto an die Wand. Es war die recht grobkörnige Aufnahme von einem Motorradfahrer. Einzelheiten waren darauf nicht zu erkennen.
»Diese Aufnahme entstand in einem Parkhaus in Berlin durch eine Überwachungskamera. Sie sehen, dass man nicht viel darauf erkennt. Immerhin können wir Rückschlüsse auf die Körpergröße des Asphaltkillers schließen. Er muss um die ein Meter achtzig sein.«
»Ein Merkmal, dass er leider mit knapp der Hälfte der männlichen Bevölkerung über 18 Jahre teilt!«, warf Stefan Czerwinski ein.
Max zoomte das Lenkrad näher heran. Mit dem Laserpointer markierte er ein Rohr, das auf den ersten Blick wie ein Teil des Lenkrades wirkte.
»Die Experten aus der Zentrale halten dies für die Abschussvorrichtung. Diese Aufnahme ist vier Jahre alt und entstand kurz nachdem der Asphaltkiller Jennifer Gärtner, eine Staatsanwältin, samt ihren Personenschützern ermordete, als sie in ihren Wagen steigen wollte. Die abgeschossene Brandgranate war mit einem napalmähnlichen Stoff bestückt und verwandelte einen Teil des Parkhauses in eine Feuerhölle. Da gab es kein Entkommen.«
»Der Asphaltkiller scheint es bedenkenlos in Kauf zu nehmen, wenn Unbeteiligte getroffen werden«, stellte Kriminaldirektor Bock fest.
»Ich frage mich, wie man mit einem Motorradlenker zielen kann«, wandte unser Kollege Medina ein.
Max nickte.
»Du sprichst ein Problem an, dass auch die Experten in Berlin schon beschäftigt hat«, erklärte Max Warter. »Wir nehmen an, dass die Abschussvorrichtung mit einem elektronischen Helmdisplay verbunden ist und der Schütze auf diese Weise sehr treffsicher agieren kann. Im Übrigen hat der Täter durchaus ganz gewöhnliche Morde mit einer Schalldämpferwaffe begangen. In einem Fall benutzte er sogar eine Drahtschlinge. In dieser Hinsicht scheint er nicht festgelegt zu sein – genauso wenig wie er wahrscheinlich immer wieder ANDERE Maschinen benutzte. Nur in einem blieb er sich treu.«
»Und das wäre?«, fragte Kriminaldirektor Bock.
Max wandte den Kopf in Richtung unseres Chefs.
»Er scheint einen sehr rutschfesten Reifentyp mit tiefem Profil zu bevorzugen, der normalerweise bei Motorradrallyes zum Einsatz kommt. Wir konnten bei verschiedenen Morden, die wir dem Asphaltkiller zuschreiben, Reifenprofile dieses Typs sichern. Ich habe bereits veranlasst, dass systematisch nach Personen gesucht wird, die solche Reifen bestellt und gekauft haben.«
»Der Asphaltkiller wird nicht so dumm sein, sich das Zubehör für seine Maschine irgendwo zu besorgen, wo er auffallen könnte«, war Stefan überzeugt.
»Andererseits ist er mit Sicherheit auf technische Unterstützung angewiesen«, gab Max zu bedenken. »Die Herkunft der Explosiv-Munition ist etwas, was möglicherweise am ehesten zu ihm führt. Schließlich braucht er regelmäßig Nachschub und wir vermuten, dass es sich um speziell nach seinen Wünschen angefertigte Spezialmunition handelt. Die Wirkung war bei den bisherigen Mordanschlägen, die wir ihm zur Last legen, sehr unterschiedlich. Mal verwendete er panzerbrechende Projektile, ein anderes Mal Brandgranaten.«
»Offenbar bereitet er sich sehr gründlich vor«, stellte Stefan fest. »Je nach dem, was für einen Job er zu erledigen hat. Aber gerade über die Herkunft der Munition müsste man doch an den Kerl herankommen.«
»Er hat offensichtlich ein Team von Helfern im Hintergrund, auf die er sich absolut verlassen kann«, sagte Max. »Die andere Möglichkeit wäre, dass er selbst technisch außerordentlich vielseitig begabt ist.«
»Für den vielversprechendsten Ansatz, um an den Asphaltkiller heranzukommen, halte ich immer noch Ermittlungen in Maynerts Umfeld«, meinte ich. »Unser Informant muss seine Neuigkeiten ja schließlich irgendwo her haben. Er hätte es auch kaum riskiert, uns etwas anzubieten, was nicht Hand und Fuß hat.«
»Wir haben das Handy inzwischen im Labor untersucht und eine Liste der Personen zusammengestellt, die zu den im Menü gespeicherten Nummern gehören. Außerdem gibt es da noch das Telefonregister, das Uwe und Roy uns mitgebracht haben. Dort finden sich vor allem Nummern von persönlichen Freunden und Bekannten. Einer davon heißt Carlo Bentos und ist dafür bekannt, dass er der Mann fürs Grobe bei Marco Zorner ist!«
Zorner war eine bekannte Größe im Heroin-Handel in Hamburg. Es war durchaus möglich, dass Carlo Bentos der Kanal war, über den Maynert seine Informationen über den Asphaltkiller bekommen hatte.
»Es kommt in letzter Zeit immer wieder der Verdacht auf, dass eine fremde kriminelle Vereinigung die etablierten Drogenanbieter verdrängen will. Vor allem auf dem Heroinmarkt«, berichtete Tobias Kronburg. »Es liegt doch nahe, dass dieses kriminelle Netzwerk einen Super-Lohnkiller engagiert hat, um hier in Hamburg richtig aufzuräumen.«
»Oder jemand wie Zorner streut ganz bewusst solche Gerüchte, um seine Konkurrenz zu verunsichern«, bot Kriminaldirektor Bock eine andere Erklärung. Er wandte sich an Roy und mich. »Sprechen Sie mit diesem Bentos! Was Zorner angeht, werden Sie da kein Glück haben.«
»Weshalb?«, fragte ich.
»Weil Marco Zorner von den Kollegen gestern Abend verhaftet wurde. Staatsanwalt Thornow hat offenbar genug Beweismaterial, um eine Anklage vorbringen zu können. Heute Mittag ist der Haftprüfungstermin. Ich würde mich sehr wundern, wenn Zorner als freier Mann das Gerichtsgebäude verlässt.« Der Kriminaldirektor wandte sich an die anderen. »Die Suche nach dem Asphaltkiller wird eine Sisyphusarbeit werden, dass kann ich Ihnen jetzt schon versprechen. Aber je mehr Merkmale wir über ihn kennen, desto engmaschiger wird das Netz werden, das wir über ihn werfen. Und was wir wissen, ist nicht wenig. Ein Mann mit derart erstaunlichen technischen Fähigkeiten, der darüber hinaus ein exzellenter Motorradfahrer ist, müsste doch zu identifizieren sein.«
Im Anschluss bekam Kommissar Frank Folder das Wort, um die Erkenntnisse über den Unfall zusammenzufassen.
Es klopfte an der Tür. Mit etwas Verspätung traf Dr. Bernd Claus, ein Gerichtsmediziner im Dienst der Polizei, ein. Er hatte noch am Abend die Obduktion durchgeführt. Entsprechend übernächtigt wirkte er jetzt.
Mandy servierte ihm einen dampfenden Becher ihres vorzüglichen Kaffees.
»Die Tatort-Analyse ergab, dass Bernd Maynert von der Fahrbahn abgedrängt wurde«, erklärte Frank Folder. Am Vortag hatte das noch wie eine Möglichkeit geklungen. Jetzt stand es offenbar definitiv fest. »Wir haben entsprechende Reifenspuren gefunden, die dazu passen. Der Bereifung nach handelt es sich höchst wahrscheinlich um einen Geländewagen. Die am Motorrad gefundenen Lackspuren werden noch genauer untersucht, da müssen wir noch abwarteten.« Frank wandte den Blick in meine Richtung. »Das Reifenprofil, das wir in der Nähe eures Treffpunkts gesichert haben, ist übrigens mit dem identisch, das am Unfallort vorhanden war.«
»Das bedeutet, es war keine Fahrerflucht, sondern Mord!«, stellte ich fest.
Frank Folder wollte mir in dieser Einschätzung noch nicht zu hundert Prozent folgen, gab mir im Prinzip aber recht. »Es spricht zumindest jetzt sehr viel dafür, dass jemand Maynert gefolgt ist, das Gespräch mit euch beobachtetet hat und Maynert später von der Straße abdrängte. Wir wissen aber noch mehr! Das Tatfahrzeug hielt am Unfallort an, und es ist sehr wahrscheinlich sogar jemand ausgestiegen. Wir haben einen Schuhabdruck der Größe 44 gefunden. Es handelt sich um den Abdruck eines Cowboy-Stiefels.«
Jetzt meldete sich Dr. Bernd Claus zu Wort: »Das passt haargenau zu den Ergebnissen meiner Obduktion, die ich mir bislang nicht erklären konnte«, berichtete der Gerichtsmediziner.
Kriminaldirektor Bock wandte den Blick in Claus’ Richtung.
»Inwiefern?«
Dr. Claus hob die Augenbrauen.
»Habe ich jetzt bereits das Wort oder ist von Ihrer Seite noch etwas Abschließendes zu bemerken, Herr Folder?«
»Nur zu, ich bin gespannt, was Sie dazu zu sagen haben«, sagte Frank.
Dr. Claus holte eine Mappe aus seiner Aktentasche und legte sie auf den Tisch.
»Dies ist der vorläufige Obduktionsbericht. Herr Maynert erlitt durch den Aufprall seines Motorrads gegen einen Baum schwere Verletzungen. Insbesondere waren beide Beine in Höhe des Oberschenkels gebrochen – Verletzungen, die üblicherweise durch den Lenker hervorgerufen werden. Er hatte außerdem eine stark blutende Wunde am Oberschenkel. Darüber hinaus Prellungen an Brust und Schultern durch den Aufprall. Der Kopf war durch den Helm geschützt, aber der Fahrer erlitt dennoch eine schwere Gehirnerschütterung und ein Schulter-Hals-Trauma.«
»Aber Sie gehen davon aus, dass er noch gelebt hat«, schloss Kriminaldirektor Bock.
Dr. Claus nickte.
»Maynert hat auf jeden Fall noch gelebt. Aber er erhielt mindestens zwei Schläge mit einem stumpfen Gegenstand gegen Oberkörper und Hals. Letzterer war tödlich. Es gibt für mich keinen Zweifel, dass Herr Maynert ermordet wurde!«
10
Die gepanzerte, schneeweiße und überlange Limousine bog von der Wilhelmstraße in den Kurdamm. Rechts befanden sich die Grünanlagen des Wilhelmsburger Inselparks, links eine Front von Apartmenthäusern der besseren Sorte.
Keines von ihnen hatte jedoch mehr als zehn Stockwerke.
Marco Zorner steckte sich seine dicke Havanna in den Mund, während der Wagen gegenüber der der Hausnummer 34 hielt. Hier residierte Zorner. Das Penthouse sowie zwei darunter liegende Stockwerke gehörten ihm. Insgesamt etwas mehr als 350 Quadratmeter, was für Hamburger Verhältnisse schon in die Kategorie unverschämt fiel.
Zusammen mit Zorner saßen noch mehrere Leibwächter sowie sein Anwalt, ein gewisser Wilm Willemsen, im Wagen.
Willemsen war einer der gewieftesten Strafverteidiger in Hamburg.
Der Wagen hielt.
»Einen Augenblick noch!«, meinte Zorner, der gar nicht daran dachte auszusteigen. »Dies ist zwar angeblich ein freies Land, aber der eigene Wagen ist leider einer der wenigen Orte, an denen man in Hamburg noch unbehelligt eine Zigarre rauchen kann«, dröhnte sein Bass. Er ließ die Zigarre aufglühen und blies Willemsen den Rauch ins Gesicht. »Ich möchte Ihnen gratulieren, Herr Willemsen«, sagte er. »Ich habe - ehrlich gesagt - schon gedacht, bis zum Prozess im Knast residieren zu müssen.«
»Um ehrlich zu sein, hatte ich kaum noch Hoffnung, die Kaution durchzubekommen«, gestand der Anwalt. »Wir haben einen milden Richter an einem günstigen Tag erwischt – aber glauben Sie nicht, dass in der eigentlichen Verhandlung sich auch alles so leicht in Wohlgefallen auflösen wird!«
Zorner schnippste mit den Fingern.
»Wie auch immer, für heute haben wir auf ganzer Linie gesiegt und das ist Ihr Verdienst. Ich zahle Ihnen einen Extra-Bonus und lade Sie außerdem noch zu einer Flasche Champagner ein.«
»Danke, Herr Zorner. Ich wäre allerdings dafür, dass wir uns möglichst schnell treffen, um die weitere Verteidigungsstrategie zu besprechen.«
Zorner grinste.
»Tun Sie einfach, was Sie für richtig halten, Herr Willemsen! Sie scheinen da den richtigen Riecher zu haben, was unsere juristische Strategie angeht.«
»Es kommt vor allem darauf an, zu beweisen, dass die Gegenseite ihre Beweismittel auf gesetzwidrige Weise erlangt hat. Andernfalls werden Sie sich auf sechs bis zwölf Jahre einstellen müssen.«
Zorner seufzte. Sein Blick wirkte nachdenklich.
»Wenn es gar nicht anders geht, machen wir einen Deal und ich zaubere denen jemanden als Kronzeuge auf den Tisch, nach denen sich dieser Herr Thornow die Finger lecken wird!«
Willemsen lehnte sich zurück.
»Darauf würde ich nicht setzen, Herr Zorner. Dieser Staatsanwalt - Thornow - dürfte nicht gut auf Sie zu sprechen sein, nachdem wir die Kautionsverhandlung für uns entschieden haben.«
Zorner zuckte die Schultern.
»Was heißt schon für uns entschieden? Ich musste meinen Pass abgeben, darf Hamburg nicht verlassen und musste fünf Millionen Euro hinterlegen. Na ja, hätte schlimmer kommen können.«
Ihm schmeckte plötzlich die Havanna nicht mehr. Er ließ das Fenster herunter und warf sie einfach hinaus über den Bürgersteig bis zu den ersten Sträuchern des Wilhelmsburger Inselparks.
»Wenigstens in den kleinen Dingen sollten Sie sich bis zum Prozess an die Gesetze halten«, riet Willemsen.
Aber Zorner machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Immer schön locker bleiben! Mein Fahrer bringt Sie zu Ihrer Kanzlei, Herr Willemsen. Ich bin überzeugt davon, dass Ihnen eine Strategie einfallen wird, um mich mit Pauken und Trompeten rauszuhauen!«
»Sie sind ein Optimist, Herr Zorner!«
Zorner grinste breit.
»Sie nicht? Bis zur Hauptverhandlung ist ja auch noch ein bisschen Zeit, da kann man ja vielleicht noch den einen oder anderen Zeugen der Anklage davon überzeugen, dass es besser ist, sich alles noch einmal genau zu überlegen …«
»Davon will ich gar nichts wissen, Herr Zorner.«
»Wie auch immer. Ich rufe Sie an.«
Die Leibwächter stiegen daraufhin aus. Einer öffnete Zorner die Tür. Der große Chef quälte sich aus der Stretchlimousine und rückte seine Krawatte zurecht.
In diesem Moment kam ein Motorrad von der Ziegeleistraße in den Kurdamm eingebogen. Der Motor heulte auf. Das Motorrad bremste kurz in Höhe der Limousine.
Aus dem präparierten Lenker schoss etwas heraus und ehe Zorners Leibwächter etwas unternehmen konnten, explodierte der Wagen und eine Feuersbrunst breitete sich rasend schnell über den Boden aus. Ein zweites und ein drittes Explosivgeschoss folgten, anschließend drehte der Motorradfahrer das Gas voll auf. Das Vorderrad stieg kurz hoch, dann brauste er auf die Wilhelmsstraße zu und bog dort nach links in Richtung A75 ein.
11
Jenseits der A75 änderte die Grünstraße ihren Namen in Rubensstraße. Dort war Carlo Bentos letzte bekannte Adresse. Vor einem halben Jahr war die Bewährung abgelaufen, die er im Zusammenhang mit einer Verurteilung wegen Körperverletzung bekommen hatte. Bis dahin hatte er sich regelmäßig auf dem zuständigen Revier der Polizei und bei seinem Bewährungshelfer melden müssen. Aber seitdem hatten beide nichts mehr von ihm gehört.
Haus Nummer 45 war ein etwas heruntergekommener Bau, der aussah, als wäre er ursprünglich mal als Lagerhaus konzipiert gewesen.
Ich stellte den Sportwagen an den Straßenrand.
An der Tür stellten wir fest, dass an den meisten Klingeln die Namensschilder fehlten. Wahrscheinlich war die Fluktuation der Bewohner so groß, dass es nicht lohnte, die Schilder auf den neuesten Stand zu bringen. Schmierereien verunzierten die Wände.
Der Aufzug funktionierte nicht. Carlo Bentos‘ Wohnung lag im vierten Stock und trug die Nummer 34 D.
Schließlich erreichten wir die Wohnungstür. CAR BEN stand noch auf dem Namensschild. Der Rest der Buchstaben war nur noch als blasse Abdrücke erkennbar. Anstatt einer Klinge schaute einem ein Kabelende entgegen.
Ich klopfte.
»Herr Carlo Bentos? Hier spricht das Kriminalpolizei! Bitte machen Sie die Tür auf!«
Roy und ich traten zur Seite, um nicht getroffen zu werden, falls von der anderen Seite jemand mit seiner Waffe einfach auf die Tür feuerte. Leider kam das hier immer wieder vor und zwar selbst aus relativ nichtigen Anlässen.
Zunächst erfolgte keine Reaktion.
Roy griff bereits zur Dienstwaffe.
»Herr Bentos! Hier spricht die Kriminalpolizei!«, wiederholte ich. »Wenn Sie die Tür nicht aufmachen, sind wir gezwungen, uns gewaltsam Eintritt zu verschaffen!«
»Einen Moment!«, rief eine Männerstimme.
Daraufhin war zu hören, wie jemand die Tür aufschloss.
Ein Mann in den Sechzigern mit schütterem Haar stand vor uns. Er trug eine verblichene Jeans und ein ärmelloses Unterhemd. Tätowierungen waren auf den Oberarmen zu sehen. Vor allem Tiger und Totenköpfe in unterschiedlichen Kombinationen und Größen.
Ich hielt ihm meinen Ausweis unter die Nase. Dass es sich nicht um Bentos handelte, war schon vom Alter her klar. Außerdem hatten wir Fotos von ihm auf dem Computerschirm gesehen.
»Uwe Jörgensen, Kriminalpolizei. Dies ist mein Kollege Roy Müller. Wir suchen Herrn Carlo Bentos.«
»Mein Name ist Javier Bentos, ich bin Carlos Onkel. Was wollen Sie von ihm? Hat er wieder etwas – angestellt?«
»Nein, wir haben nur ein paar Fragen an ihn. Können wir kurz hereinkommen?«
»Kommen Sie! Wenn Sie wollen, mache ich Ihnen einen Milchkaffee.«
»Nein, danke, wir sind gleich wieder weg«, erwiderte ich.
Wir folgten Javier Bentos ins Wohnzimmer. Die Fensterfront war zu einem ziemlich schmuddeligen Hinterhof ausgerichtet, der von heruntergekommenen Bauten eingerahmt wurde. Es gab nur eine schmale Ausfahrt, die gerade reichte, um sie mit einem Fahrzeug zu passieren.
»Carlo ist nicht hier«, sagte Javier Bentos.
»Wann kommt er zurück?«, fragte ich.
»Er wohnt nicht mehr hier.«
»Seit wann?«, fragte Roy.