Tiermärchen aus Russland - Alexander Gruber - E-Book

Tiermärchen aus Russland E-Book

Alexander Gruber

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Beschreibung

»Iwan Zarensohn sprang über die Mauer in den Garten, sah den goldenen Käfig, darin den Feuervogel leuchten, nahm ihn heraus und wollte gehen …« Die hier versammelten russischen Märchen, ob sie unter Tieren spielen oder Tiere als Helfer handeln lassen, sie sind mit Herz und Verstand erzählt, komisch und derb manchmal, spöttisch oder zart, immer mitfühlend, oft auch mit großem Atem. Und so gewinnen wir einen erstaunlichen Einblick in die viel beschworene, nirgends besser greifbare »russische Seele«. Über hundert Nationalitäten und Ethnien versammelte das Riesenreich der Zaren. Nicht verwunderlich, dass die großen Erzähler Russlands auf diesen Schatz der Überlieferung zurückgegriffen haben. Auch die Komponisten: Rimski-Korsakow vertonte den »Goldenen Hahn« nach Puschkin, Strawinski bezog sich auf das Märchen vom »Feuervogel«. Alexander Gruber hat im 4. Band seiner Reihe »Tiermärchen vieler Völker« 25 aus weit über 600 Märchen ausgesucht und erzählt sie neu.

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Seitenzahl: 196

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Alexander Gruber (Hg.) · Tiermärchen vieler Völker

Tiermärchen vieler Völker

Band 4:Tiermärchen aus Russland

Herausgegeben und neu erzählt von Alexander Gruber

Lieferbar:

Alexander Gruber (Hg.) | Tiermärchen vieler Völker:

Band 1: Tiermärchen der Brüder Grimm

Band 2: Tiermärchen aus der Türkei

Band 3: Tiermärchen aus dem Vorderen Orient

Band 4: Tiermärchen aus Russland

Weitere Bände werden folgen.

Pendragon Verlag

gegründet 1981

www.pendragon.de

Originalausgabe

Veröffentlicht im Pendragon Verlag

Günther Butkus, Bielefeld 2017

© Copyright by Pendragon Verlag 2017

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag und Herstellung: Uta Zeißler

Coverbild: shutterstock /Anastasia Mazeina

ISBN eBook: 978-3-86532-594-5

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Inhalt

Die Füchsin und der Wolf 1 + 2

Die Schnepfe

Die Ente, die goldene Eier legte

Vom Feuervogel und vom grauen Wolf

Zar Bär

Der Adler aus Holz

Das Mädchen als Soldat

Iwanko Bärensohn

Die Linde im Wald

Der goldene Hahn

Mascha und der Bär

Auf des Hechtes Geheiß

Vom Kater, vom Hahn und vom Fuchs

Barsoi, Falke, Ross und Barsch

Was die Nachtigall singt

Einundvierzig Brüder und des Jüngsten Pferd

Die Tiere im Winter

Dümming will heiraten

Junker Kranich und Jungfer Reiherin

Gänse, liebe Vögel!

Von der Tiermilch

Der Kater und der Dummerjan

Der Bauer und der Bär

Die Kröte aus dem Sumpf

Der Wettlauf

Nachwort

Editorische Notiz

Früher war es nicht wie heute; früher, da gab es noch Wunder auf der Welt, ach, was sag ich: die Welt selber war ganz anders, war wunderbar! Heutzutage ist nichts davon übrig. Deshalb erzähl ich Euch ein Märchen von Och, dem Waldkönig, was das für einer war!

Die Füchsin und der Wolf

1

Also einmal sagte der Mann zu seiner Frau, die zusammen in einem Holzhaus lebten: »Frau, back doch Piroggen! Ich geh und hol Fische.« Es war Winter, und er hackte ein Loch ins Eis. Da angelte er, und als er genug Fische gefangen und auf seinem Wagen hatte, machte er sich auf den Heimweg. Er war noch gar nicht lang unterwegs, da sah er ein Füchschen zusammengerollt auf dem Weg liegen. Er stieg ab und ging zu dem Füchschen hin, aber das rührte sich nicht mehr: es war tot. »Das gibt doch ein Geschenk für meine Frau«, überlegte der Mann, hob das Füchschen auf und warf es auf den Wagen hinter sich. Dann fuhr er weiter. Das Füchschen aber war gar nicht tot, sondern nutzte die Zeit, warf einen Fisch nach dem andern vom Wagen herunter, einen nach dem anderen, bis der Wagen leer war, dann sprang es selber ab und machte sich davon.

»Freu dich, Alte!«, sagte der Mann, als er heimkam. »Ich hab dir einen Pelzkragen mitgebracht.« – »Und? Wo ist er?« – » Na, draußen auf dem Wagen, die Fische und der Kragen.« Die Frau trat aus dem Haus und an den Wagen: weder ein Pelz noch Fische! »O du alter Rettich! Du machst dich lustig über mich, da ist gar nichts!« – »Was?!« – Er sah selber nach. Der Wagen war leer. Da begriff er, dass der Fuchs nicht tot gewesen war und den Wagen leer geräumt hatte. Er ärgerte sich grün und blau, aber da war nichts mehr zu machen. Wenigstens Piroggen aßen er und seine Frau zu Abend.

Die Füchsin aber ging den Weg zurück und fraß einen Fisch nach dem anderen mit gutem Appetit. Da schlich der Wolf herbei: »Hallo, Frau Nachbarin.« – »Schönen guten Abend!« – »Mir auch einen Fisch!« – »Du musst schon selber fischen.« – »Das kann ich nicht, das hab ich nie gelernt!« – »Ich hab’s doch auch gekonnt! Du musst zum Fluss hinunter und deinen Schwanz ins Eisloch stecken, dann hängen sich die Fische von allein dran. Aber bleib möglichst lange sitzen, damit es auch genug sind. Du hast ja doch Hunger.« – »Und ob!«

Der Wolf lief also schnell zum Fluss hinunter und steckte seinen Schwanz in das Loch, das der Mann ins Eis gehackt hatte. Lange saß er, weil er wollte, dass viele Fische anbissen. Die ganze Nacht saß er da, aber als er am Morgen aufstehen wollte, ging es nicht. »Ist das schwer! Da hängen so viele Fische dran«, dachte er, »ich kann sie kaum alle herausziehn.« Und schon sah er: die Frauen kamen zum Fluss, um Wasser zu holen. »Ein Wolf! Ein Wolf!«, schrien sie. »Schlagt ihn! Schlagt ihn tot!« Und sie schlugen auf ihn ein: mit dem Tragholz, mit dem Holzeimer, wie es gerade kam. Der Wolf sprang unter den Prügeln verzweifelt hin und her, bis er sich in der Todesangst den Schwanz abriss und wie ein grauer Blitz ans Ufer fuhr. Fort war er!

»O warte!«, heulte er, als er in Sicherheit war. »Wenn ich dich erwische! Das zahl ich dir heim, Frau Füchsin!«

Die aber hatte sich schon in ein Haus geschlichen, wo die Weiber Pfannkuchen backen wollten, und war mit Schnauze und Kopf aus Versehen zu tief in die Teigschüssel geraten. Ganz verschmiert lief sie davon, um sich sauber zu lecken, da traf sie auf den Wolf. »Ha!«, schrie der. »Hab ich dich! Das war dein guter Rat: Weder Fische hab ich noch meinen Schwanz mehr! Beinah totgeschlagen haben sie mich! Das büßt du mir!« – »Ach, lieber Wolf! Sieh mich nur an! Mich hat’s noch schlimmer getroffen! Bei dir fließt Blut, bei mir aber das Hirn! Ich bin hin!« – »Das ist wahr! Wie willst du weiterkommen, Schwesterchen? Setz dich auf meinen Rücken, ich trage dich.« Das tat sie, war munter und sang leis vor sich hin: »Nichtverprügelt sitzt auf Verprügelt! Nichtverprügelt sitzt auf Verprügelt!« – »Was singst du da, was sagst du denn da?«, fragte der Wolf. – »Ich jammre halt: Verprügelt sitzt auf Verprügelt! So geht es uns.« – »Da hast du wahrhaftig recht, so geht’s uns!«, sagte der Wolf.

2

An einem hellen Wintertag trafen sich Füchsin und Wolf. »Lass uns Häuser bauen!«, sagte sie. »Du hilfst mir, ich helfe dir, dann sind wir rascher fertig und haben’s schneller warm.« – »Ja, gute Idee!« – »Ich bau ein Haus aus Schindeln. Such mir doch glattes Holz. Du baust dir ein Haus aus Eis, da siehst du leicht hinaus!« Sie gingen an die Arbeit, und der Wolf schaffte wacker. Die Häuser waren bald fertig: das Haus aus Schindeln für Frau Füchsin, das Haus aus Eis für den grauen zottigen Wolf. Darin wohnten sie vergnügt, aber als der Frühling kam, schmolz das Haus des Wolfs und wurde zu Wasser. »Oha!«, sagte da der Wolf. »Du hast mich wieder hinters Licht geführt! Komm heraus, denn jetzt fress ich dich! Ich hab genug von dir und Hunger hab ich auch!« – »Herr Nachbar, hungrig bin ich genauso wie du. Lass uns losen, wer wen fressen soll!« – »Pah, meinetwegen!« – »Also, hier ist eine Grube, ziemlich tief. Wenn du darüber springen kannst, kannst du mich fressen. Wenn aber nicht, dann fress ich dich!« – »Soll mir recht sein«, sagte der Wolf und sprang. Zu kurz: er fiel in die Grube. »Ha!«, sagte die Füchsin. »Jetzt kannst du da sitzen.« Und damit ging sie davon.

Die Schnepfe

Da war einmal ein Ehepaar, das hatte drei Söhne. Zwei waren klug, der Dritte ein Dummkopf. Die beiden Klugen gingen arbeiten, bestellten die Felder und säten auf dem einen Erbsen an. Als die reiften, schickten sie den Dummkopf hinaus, damit er den Acker bewachte. Der Dümming flocht sich ein Hüttchen aus Stroh, das da noch herumlag, und hielt Wache. Eine Schnepfe flog herbei und pickte die Erbsen auf, aber der Dümming nahm es in Acht, schlich heran und fing die Schnepfe. Den Hals wollte er ihr umdrehen, aber da fing sie an zu sprechen und sagte: »Iwanuschka, mein Lieber, dreh mir doch nicht den Hals um, ich kann dir noch von Nutzen sein.« – »Ach, und wie willst du das anfangen?« – »Du komm zu mir, und ich geb dir ein Tischtuch.« – »Wozu? Ich hab selber eins.« – »Aber so eins doch nicht! Zu dem brauchst du nur zu sagen:

»Tüchlein, Tüchlein, roll dich auf!

Breit’ dich aus und stell was drauf!

Schnell!

Schaff Essen und Getränk zur Stell!«

Dann macht es das. Mehr brauchst du gar nicht tun, dann hast du zu essen und zu trinken.« – »Gut!«, sagte Iwan. Er ließ die Schnepfe frei, und die flog davon.

Anderntags wollte er zu ihr und das versprochene Tüchlein holen, also machte er sich auf den Weg. Querfeldein ging er und geriet auf eine Pferdeweide. Hirten waren da, die die Pferde hüteten, und er fragte: »Hirten, he! Ihr Pferdehirten! Wo wohnt denn hier die Schnepfe?« – »Da musst du weiter gehen. Frag da, wo sie die Kühe hüten. Die können’s dir sagen.« Er ging also weiter, bis er zu der Weide kam, wo die Kuhhirten die Kühe weideten, und fragte: »Hirten, he! Ihr Rinderhirten! Wo wohnt denn hier die Schnepfe?« – »Geh nur weiter! Wo man die Schweine hütet, kann man es dir sagen.« Er ging also weiter, bis er auf eine Schweineherde stieß. Da fragte er: »Hirten, he! Ihr Schweinehirten! Wo wohnt denn hier die Schnepfe?« – »Geh nur weiter! Wo man die Lämmer hütet, kann man es dir sagen.« Also ging er weiter und stieß auf eine Herde hüpfender wolliger Lämmer. Da fragte er: »Hirten, he! Ihr Lämmerhirten! Wo wohnt denn hier die Schnepfe?« – »Geh! Geh weiter! Wo man die Gänse hütet, kann man es dir sagen.« Er ging weiter und kam zu einer Herde schnatternder, zischender Gänse und fragte: »Hirten, he! Ihr Gänsehirten! Wo wohnt denn hier die Schnepfe?« – »Musst weiter gehen! Wo man die Enten hütet, kann man es dir sagen.« Das war nicht weit. Er ging hin und fragte: »Hirten, he! Ihr Entenhirten! Wo wohnt denn hier die Schnepfe?« – »Da drüben! Geh da drüben hin, wo die weißen Häuser stehn. Das Haus mit den roten Säulen, da wohnt die Schnepfe!«

Er ging hin zu dem Haus mit den roten Pfeilern, und die Schnepfe kam heraus. Er grüßte sie und sagte: »Gott zum Gruß, Schnepfe! Du hast mir ein Tischtuch versprochen, weißt du noch? Das will ich holen, gib es mir!« Die Schnepfe ging ins Haus, holte das Tischtuch heraus und gab es Iwanuschka. Iwanuschka nahm es und sagte:

»Tüchlein, Tüchlein, roll dich auf!

Breit dich aus und stell was drauf!

Schnell!

Schaff Essen und Getränk zur Stell!«

Es geschah wie versprochen. Da schmauste Iwan mit der Schnepfe, bedankte sich bei ihr, als sie gegessen und getrunken hatten, steckte das Tuch ein und machte sich auf den Heimweg, doch auf dem Weg begegnete ihm die Baba-Jaga. »Iwanuschka, liebes Väterchen! Wie schön, dass wir uns treffen! Komm doch herein zu mir, ich wasche dich und bade dich und gebe dir zu trinken. Danach kannst du bei mir schlafen.« Ja, das gefiel ihm. Er ging hinein zu ihr. Sie nahm ihn ins Bad, wusch ihn und legte ihn zur Ruhe, und als er sich niederlegte, sagte er: »Gib aber Acht, Baba-Jaga, dass du nicht sagst: Büchlein, Tüchlein, roll dich auf! / Breit dich aus und stell was drauf!« Dann schlief er wohlig ein, worauf die Baba-Jaga nur gelauert hatte. Schon klaubte sie aus seinen Kleidern das Tuch der Schnepfe heraus und befahl ihm: »Tüchlein, Tüchlein, roll dich auf! / Breit dich aus und stell was drauf!« Das Tuch tat wie befohlen. Die Baba-Jaga verlangte Essen und Wein. Da erschien, was sie wollte. Also nahm sie das Tuch der Schnepfe an sich und legte dem Dümming ein anderes hin. Der stand am nächsten Morgen vergnügt auf, kleidete sich an, steckte das Tuch ein und ging ebenso vergnügt nach Hause.

Daheim rief er seinen Vater und sagte ihm: »Väterchen, ich will ein Gastmahl geben. Ruf die Brüder, die Schwägerinnen und alle Verwandten herbei!« – »Ja, wie denn, Söhnchen? Wie willst du ein Gastmahl geben?« – »Lass mich nur machen!« Also lud der Vater alle ein, und als sie da waren und um den Tisch saßen, legte Iwanuschka das Tuch auf den Tisch und befahl:

»Tüchlein, Tüchlein, roll dich auf!

Breit dich aus und stell was drauf!

Schnell!

Schaff Essen und Getränk zur Stell!«

Aber nichts geschah. Das Tuch lag da, rollte und breitete sich nicht aus, und weder Essen erschien noch Trinken. Der Dümming war verdutzt und wiederholte:

»Tüchlein, Tüchlein, roll dich auf!

Breit dich aus und stell was drauf!

Schnell!

Schaff Essen und Getränk zur Stell!«

Wieder nichts! Da dachten die Brüder und alle andern, dass er sie veräppeln wollte, packten ihn und warfen ihn zum Haus und zum Hof hinaus.

Enttäuscht und wütend ging Iwan wieder den langen Weg zu der Schnepfe und sagte ihr: »Schnepfe, du hast mich betrogen!« – »Nein, hab ich nicht!«, sagte die Schnepfe. »Was ist passiert?« Und Iwanuschka erzählte es ihr. »Ich habe dich nicht betrogen«, sagte sie ihm schließlich, »aber hier hast du ein Pferd.« Und ein Rappe trabte heran. – »Ein Pferd? Was soll ich damit? Ich hab selber eins!«, sagte Iwanuschka. – »Nimm es nur! Wenn du ihm sagst: ›Pferdchen, Pferdchen, wiehere hell!‹, dann wiehert es und lässt Gold aus dem Maul fallen.« Iwanuschka probierte das gleich aus. »Pferdchen, Pferdchen, wiehere hell!«, sagte er. Und der Rappe wieherte und Gold fiel aus seinem Maul, Iwanuschka klaubte es auf und seine ganze Mütze war voll. Da verabschiedete er sich von der Schnepfe, saß auf und ritt den Weg zurück. Aber unterwegs begegnete ihm wieder die Baba-Jaga, die ihn schmeichelnd einlud, die Badestube für ihn einheizte, als er bei ihr eintrat, ihn wusch, badete und trockenrieb, dann aber schlafen legte. »Gib nur Acht«, sagte er ihr noch, »sag nicht: ›Pferdchen, Pferdchen, wiehere hell!‹ zu meinem Rappen.« Und schon schlief er ein. Da lief sie hinaus zu dem Rappen und sagte: »Pferdchen, Pferdchen, wiehere hell!« – schon fing er an zu wiehern, und das Gold fiel ihm in Mengen aus dem Maul. Hat ihr das gefallen? Und ob! Sie holte ihren eigenen Rappen aus dem Stall und tauschte ihn mit dem des Dümmings aus. Als der aufwachte, zog er sich an, sagte. »Ade!«, saß auf und ritt nach Haus.

»Was willst du denn mit dem Pferd?«, fragte sein Vater. »Wir haben doch selber eins.« – »Aber doch so eins nicht! Sag der Schwägerin, sie soll einen Teppich hinlegen.« Und als sie den hingelegt hatte, führte Iwan den Rappen herbei, ließ ihn sich drauf stellen und sagte: »Pferdchen, Pferdchen, wiehere hell!« Aber der Rappe wieherte nicht, noch fiel Gold aus seinem Maul, stattdessen hob er den Schweif und ließ ein paar Äpfel auf den Teppich fallen. – »Der veräppelt uns!«, schrien sie alle und prügelten den Dümming vom Hof.

Wutentbrannt ging er wieder den langen Weg zum Haus der Schnepfe mit den roten Säulen. »Schnepfe!«, schrie er. »Komm heraus! Komm ’raus!« Sie kam, und er schrie: »Du hast mich belogen und betrogen!« – »Nein!«, sagte die Schnepfe, »das hab ich nicht. Aber hier geb ich dir einen Kasten, darin liegt eine Zange. Du brauchst nur zu sagen: ›Zange, Zange, aus dem Kasten!‹, dann –« Iwan wartete nicht ab und rief: »Zange, Zange, aus dem Kasten!«, da fuhr die Zange heraus und fing an, ihn zu zwicken und zu zwacken und gehörig zu piesacken, dass er unter Stöhnen ausrief: »Schnepfe! Ich bitte dich, nimm sie weg!« Und die Schnepfe befahl: »Zange, Platz!« Da fuhr sie wieder in den Kasten. Den nahm Iwanuschka untern Arm, sagte der Schnepfe Ade! und machte sich auf den Heimweg.

Na, wer kam ihm da entgegen? Die Baba-Jaga, die hatte ihn kommen sehen. Sie heizte die Badstube für ihn, wusch ihn und badete ihn und legte ihn schließlich schlafen. Er sagte ihr aber, wohlig müde: »Gib Acht, Baba-Jaga! Sag nicht: ›Zange aus dem Kasten!‹«, und schlief ein. Die muntere Baba-Jaga aber rief: »Zange, Zange, aus dem Kasten!« Und schon fuhr die Zange heraus und fing an, sie zu zwicken, zu zwacken und gehörig zu piesacken. »Auwai! Auwai!«, schrie die Baba-Jaga. »Iwanuschka, Väterchen! Nimm sie weg, nimm sie weg! Ich geb dir auch dein Tuch und deinen Rappen wieder! Nimm sie weg!« – »Also du hast sie mir gestohlen!«, stellte Iwanuschka fest. »Gib sie her!« Unter Jammern und Geschrei holte sie das Tuch hervor und den Rappen aus dem Stall. – »Zange, Platz!«, sagte Iwanuschka, nahm Kasten und Tuch und schwang sich auf den Rappen. So kam er nach Hause.

Als er daheim war, sagte er: »Väterchen, ruf alle Verwandten zusammen. Ich gebe ein Fest!« – »Nichts da!«, sagte sein Vater, »Du wirst uns bloß wieder zum Narren halten.« – »Diesmal nicht, glaub mir!« – »Also gut! Zum allerletzten Mal!« Und die Verwandten wurden alle zusammengerufen. Iwan setzte sich an den Tisch, legte sein Tuch darauf und befahl:

»Tüchlein, Tüchlein, roll dich auf!

Breit dich aus und stell was drauf!

Schnell!

Schaff Essen und Getränk zur Stell!«

Wahrhaftig! Jetzt gab es von allem, was man sich zum Essen und zum Trinken nur wünschen konnte, genug und übergenug. Es wurde getafelt und getrunken, dass es eine Art hatte. Und während das Gelage noch laut und munter fortging, ließ er einen Teppich neben der Tafel ausbreiten, führte den Rappen herein und sagte: »Pferdchen, Pferdchen, wiehere hell!« Und da wieherte der Rappe laut und fröhlich, und das Gold fiel ihm in hellen Haufen aus dem Maul, bis der Teppich hoch bedeckt war. Ja, jetzt war der Vater zufrieden mit Iwanuschka, aber die Brüder, die wurden gelb vor Neid und sagten sich: »Wir wollen ihm alles stehlen.« Sie nahmen das Tischtuch und führten leise, leise den Rappen weg. Doch da sagte Iwanuschka: »He, Brüder, was macht ihr da? Stehlt mir das Tuch, nehmt mir das Ross!« – »Dümming! Sei still!«, schrien sie und gingen mit Prügeln auf ihn los. Da rief er: »Zange, Zange, aus dem Kasten!« Und die Zange fuhr heraus und fing an, die Brüder zu zwicken, zu zwacken und zu piesacken, dass sie schrien: »Iwanuschka! Brüderchen! Nimm sie fort! Nimm sie fort!« Aber Iwan ließ sich Zeit. Schließlich ließ er sich erweichen und sagte: »Zange, Platz!«

Jetzt liegt im Haus ein Fass im Gestell. Mein Märchen ist aus, du lustiger Gesell.

Von der Ente, die goldene Eier legte

Zwei Brüder lebten in einer Stadt. Der eine war wohlha-bend, der andere arm. Der Arme war verheiratet und hatte zwei kleine Söhne. Der Reiche war allein wie der Daumen, und eines Tages kam der Arme zu seinem reichen Bruder, druckste verlegen herum und dann bat er ihn: »Bruder, gib doch meinen Kindern heute zu essen; wir haben nichts mehr, können nicht einkaufen und nichts kochen.« – »Nein, heute kommst du ungelegen«, sagte der Wohlhabende, »heute hab ich Gäste. Kaufleute und Bojaren kommen: das ist kein Umgang für Arme!«

Der arme Bruder wischte sich mühsam die Tränen aus den Augen und ging ans Flussufer, um zu fischen. ›Vielleicht ist Gott gnädig; vielleicht schickt er mir einen Fisch. Dann können meine Kinder doch Fischsuppe essen‹, dachte er. Und als sein Netz schwer wurde, und er es herauszog, war ein Krug darin. Von dem ging ein Glucksen und Wispern aus, da verstand der Arme: »Zieh mich an Land! Zerschlag mich am Ufer! Ich weis dir den Weg!« Und er zog den Krug ans Ufer, wo er ihn zerschlug. Hervor trat ein fremder, fast erwachsener Knabe – nie hätte der Mann gedacht, dass ein Menschenantlitz so schön sein könnte! – und der sagte: »Siehst du dort hinten auf der Wiese die Birke? Fälle sie! In ihren Wurzeln sitzt eine Ente, die nimm! Sie wird dir jeden Tag ein Ei legen, an einem Tag ein goldenes, am andern eins aus Silber.« Und der schöne Knabe verschwand.

Der Mann ging zu der Birke, legte sie um und holte aus dem Wurzelwerk die Ente hervor. Die brachte er heim, und sie legte tatsächlich täglich ein Ei: einen Tag eins aus Gold, am andern eines aus Silber. Die Eier verkaufte er auf dem Markt an Kaufleute, auch an Bojaren, und wurde ein reicher Mann. »Kinder!«, sagte er zu seinen Söhnen. »Betet! Dankt unserem Schöpfer! Er hat uns erhört und hat uns geholfen.«

Aber der reiche Bruder, wie wurde der neidisch und böse! »Jetzt bin ich der Arme und er der Reiche«, sagte er. »Das geht nicht mit rechten Dingen zu.« Und so ging er zum Gericht und klagte den Bruder an.

Der Zar hörte davon und wollte, dass sich der Mann, der so arm gewesen, jetzt aber reich geworden war, vor ihm verantworten sollte. Was, was sollte er machen? Wohin mit der Ente? Seine Jungen waren noch klein, also musste seine Frau auf die Ente Acht geben, und er verschwand. Gut, jetzt ging seine Frau auf den Markt und verkaufte die Eier der Ente für teures Geld. Sie war noch jung und sie sah gut aus, ja, sie war schön, und sie fing eine Liebschaft an mit einem stattlichen, gleichfalls gutaussehenden Herrn, der in sie drang und sie fragte: »Wie seid ihr zu eurem Reichtum gekommen?« – »Der Herrgott hat’s uns gegeben«, sagte sie; aber nein, er wollte es genau wissen: »Sagst du’s mir nicht, dann sehen wir uns nicht mehr, geschweige denn, dass ich dich noch besuche oder gar umarme. Das meine ich ernst!« Und er blieb die beiden nächsten Tage weg.

Sie ließ ihn rufen und erzählte ihm, dass die Ente, die sie hüteten, jeden Tag ein Ei lege, den einen ein goldenes, den anderen eins aus Silber. »Zeig mir die Ente!«, sagte er ihr. »Was ist das für ein Vogel?« Sie brachte sie ihm, und er sah sie ringsum an, oben und unten. Da sah er: auf ihrem Bauch stand geschrieben: ›Wer den Kopf verzehrt, der wird Zar; wer aber das Herz isst, spuckt Gold.‹ Na, solch ein Glück wollte sich der Galan nicht entgehen lassen. »Schlachte die Ente!«, sagte er ihr. »Jetzt geh ich …« – »Jetzt schon? Schon?« – »Morgen komm ich wieder, falls es gebratene Ente gibt.« Damit ging er. Sie überlegte sich Ausflüchte hin und her. Doch am anderen Morgen, nachdem sie die Nacht allein in ihrem Bett verbracht hatte, schlachtete sie die Ente, rupfte sie, schob sie in den Ofen und ging in die Kirche, denn es war Feiertag.

Die beiden Söhne blieben zuhaus, doch hatten sie Hunger, rochen den Bratenduft, sahen nach im Backofen und zogen die Ente heraus. »Hier, Kopf und Hals kann ich doch essen«, sagte der Ältere. »Das vermisst keiner.« – »Und ich dies kleine Stückchen da, das ist eh herausgefallen«, sagte der Jüngere, »das ist bloß das Herz, das mag keiner.« Da kam die Mutter schon aus der Kirche und war voller Erwartung, denn auch der fremde Herr war mit ihr gekommen, und sie setzten sich Beide zum Essen, doch da sah er, als der Braten aufgetragen wurde, dass Kopf und Herz der Ente fehlten. »Wer hat das gegessen?«, fragte er. »Den Kopf und das Herz?« Die beiden Knaben waren sehr kleinlaut, doch gestanden sie, sie hätten, was fehlte, gegessen, sie hätten Hunger gehabt. »Du schlachtest sie, alle Beide!«, zischte der Liebhaber, als er mit der Mutter allein war. »Hör, was ich sage: Du schlachtest sie! Dem Älteren ziehst du das Hirn durch die Nase heraus und brätst es, dem Jüngeren aber schneidest du das Herz aus der Brust und kochst es! Wenn nicht, siehst du mich nicht mehr, das sag ich dir!« Damit verließ er das Haus. ›Nein! Nie und nimmer, das werd ich nicht tun!‹, sagte die Mutter sich, und sagte es jeden Tag eine Woche lang. Dann sandte sie Botschaft an ihren Liebhaber: »Ich tu es! Ich tu es für dich und opfere meine Kinder. Nur komm!« Dann stand sie in der rauchschwarzen Küche und wetzte die Messer, die sie da hatte.