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Der Träumer und Visionär Till Eulenspiegel stellt sich oft dumm, ist aber in Wahrheit ein gerissener Spaßvogel welcher seinen Mitmenschen dauernd neue Streiche spielt: Auf seinen Abenteuern schlüpft er in die verschiedensten Rollen vom Gaukler bis zum Magier, getrieben von seinen Träumen und der leidenschaftlichen Suche nach der Wahrheit spielt Eulenspiegel eine Doppelrolle, einerseits ist er der desillusionierte ehemalige Kriegssoldat, auf der anderen Seite ist er der lustige Spaßvogel der auf satirische Art die politischen chaotischen Zustände in Deutschland thematisiert.-
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Seitenzahl: 416
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Gerhart Hauptmann
DES GROSSEN KAMPFFLIEGERS, LANDFAHRERS, GAUKLERS UND MAGIERS ABENTEUER, STREICHE, GAUKELEIEN, GESICHTE UND TRÄUME
Saga
Till Eulenspiegel
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1927, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726956429
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
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Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13, 4 Millionen Euro unterstützt.
Nichts anderes als eine Komödie des Menschengeschlechts ist
dieses ganze, von Versuchung zu Versuchung führende Leben.
AUGUSTIN
zeigt, wie Till Eulenspiegel sich zu Warmbrunn beträgt und das Spiegel-Ärgernis. Alsdann, wie er vom Kriege und von einer Granate träumt, von einem Splitter getroffen, zu sterben vermeint, aber statt dessen erwacht. Schließlich und endlich, was sich am nächtlichen Lagerfeuer zwischen Till, dem Blinden und seiner Mutter und überhaupt ereignet
_________
NUR herein, nur hereinspaziert! meine Herren und Damen!
ohne Furcht, ohne Zagen! der Krieg–Gott sei Dank–ist vorüber!
Gold ist freilich nicht mehr im Lande: das haben die Schweizer,
hat vor allem die Wall Street. Wir aber, wir haben das Nachsehn! –
Der das rief in den wimmelnden Markt, vor der leinenen Bude,
war ein Mann von geschmeidigem Wuchse, er trug die Litewka,
trug die Wickelgamasche, die Erbschaft der feldgrauen Kriegszeit.
Und der Marktschreier schrie wiederum: Nur herein, meine Damen!
Was Sie drinnen bei mir zu sehen bekommen, es lohnt sich,
einem armen, entlaßnen Soldaten sein Gröschlein zu gönnen!
Gerne geb ich’s –beim Hunde! – zurück, wenn Sie irgend enttäuscht sind!
Doch Sie sind nicht enttäuscht, sondern treten heraus aus der Bude,
aus dem Zelt, – es ist Leinwand, die mir an der Marne gedient hat! –
ganz berauscht von der größten, der höchsten Entdeckung der Neuzeit,
wie der Himmel sie mir zum Entgelt, in der Nacht unsres Unglücks,
für den schmählich verlorenen Krieg gradezu ins Gesicht warf.
Was denn ist es? so werden Sie fragen: ein Serum für Starrkrampf,
um den sterbenden Körper des Reichs zu entgiften? Ein Mittel
gegen Kriegspest und Schießruhr? ein Flugzeug, den Mars zu erreichen?
oder aber auch nur ein Haar in der Suppe des Sträflings,
jenem ranzigen Fraß, der dem Michel heut tägliches Brot ist?
Ein zweiköpfiges Kalb mit sechs Beinen vielleicht? Nun, wir kommen
mit der Zoologie meinem Funde bereits etwas näher! –
Also scherzte der Mann, und so trieb er es Stunde um Stunde,
neubegieriges Volk aller Art in die Bude verleitend.
Doch ein Schlachtergeselle mit weichender Stirne und breiten
Kiefern, starkem Gebiß und sehr deutlich erkennbarem Reißzahn:
zornig-blaurot vor Wut, verließ er das Zelt, lief zum Amte
und verklagte den Mann mit der Wickelgamasche: er habe
ihn geprellt um sein Geld, denn die Bude enthalte nur Unfug.
Nun, das wollen wir sehn! sprach der Amtmann und sandte den Sbirren
auf den Markt, um den Fall polizeilich aufs schnellste zu klären. –
Froh, als ob er Besuch von sehnlichst erwarteten Freunden
in dem Sbirren und seinem Begleiter, dem Schlachter, empfange,
trat der Gaukler mit beiden ins Zelt, wo ein Spiegel zu sehn war
und jeweilen natürlich auch der, welcher etwa hineinsah.
Freundchen, dieses, gelinde gesagt, ist ein mäßiger Schalkstreich,
ein erbärmliches Glas, wie es jeder im eigenen Haus hat,
wo du doch, wie die Zeugen erhärten, dich höchlichst vermaßest,
zu den Wundern der Welt, jenen sieben, das achte zu fügen! –
O, das täte mir leid, ich enttäusche nicht gern meine Kundschaft!
spricht der Gaukler darauf zu dem Sbirren, der so ihn gerügt hat.
Doch, beim Hund! mein Geschäft ist solide, wenn auch meine Hände,
wie der Staat mich gelehrt, in den Taschen der Bürger sich füllen,
mäßig nur, nicht wie er, der uns alle nackt auszieht und ausraubt,
ohne nur das Geringste dafür als Entgelt uns zu bieten.
Hier im Spiegel dagegen ist Wahrheit, die seltner als Gold ist! –
Nolens volens aufs Amt, unterm Auflauf des Volkes, geleitet,
fchritt er lachend einher oder pfiff durch die blendenden Zähne.
Beide Hände versenkt in die Taschen, die Mütze im Nacken,
schritt er schlendernderweise fürbaß und in vornehmer Haltung.
Doch schnell fuhr ihm die Hand aus dem Sack und flog Kußhand auf Kußhand,
wo nur immer sein strahlender Blick auf ein liebliches Kind traf.
Nein, Herr Kadi, Sie irren hier sehr! wiederholte er heiter
in der Stube des Ortsgewaltigen, der ihn verhörte.
Irrtum ist es, Herr Amtmann, das heilige Antlitz der Wahrheit
mit dem Stempel Betrug und mich selber zum Lügner zu ftempeln!
Was mein Spiegel dem Kläger gezeigt, wenn er halbwegs für gut fand,
es genau und nicht nur obenhin, dies Geschöpf, zu betrachten,
ist der schreckliche Dämon, den, nach der Vernichtung der Menschheit,
die im Kriege sich selbst verschlang, uns die Hölle zurückließ.
Übermensch nenn ich ihn oder Raubmensch und besser noch: Unmensch.
Unmensch aber, das ist fchon kein Mensch, und in Wahrheit: er ist nicht,
ist vergangen, verschollen, der Mensch, und auf ewig verschwunden.
Dixi! schloß er und lachte behaglich, als ging ihn die Sache
nun nichts weiter mehr an. Danach bat er um Feuer und nahm es,
da es niemand ihm gab, ohne weiteres selbst, die Papyros
ganz gelassen, als wär er allein, mit dem Streichholz entzündend. –
Er ist übergeschnappt! also dachte und sagte der Kadi.
Endlich gab es Papiere von seltsamem Inhalt, es stand da
manches, was die Behörde mit Achtung und Staunen erfüllte.
Es ist gut! sprach der Kadi deshalb: und Sie können nach Haus gehn!-
Mit Erlaubnis, so sagte der Gaukler, der nun sich verbeugte,
eine Kreide ergriff und etwas blitzschnell an die Wand schrieb
Er empfahl sich, und ’Hic fuit Till!’ so entzifferten später
der verwunderte Kadi, der Kläger und wer sonst im Raum war. –
Till, er rollte sein Zelt noch am selbigen Abend zusammen
und belud mit der Leinwand sowie dem Gestänge das kleine,
mit zwei zottigen Pferdchen bespannete Wägelchen, das von
einer runden, vielfältig gebesserten Plane bedeckt war.
Unter ihr, dieser Plane, verbarg, neben mancherlei Hausrat,
sich der Spiegel, an welchem der Schlachter sich heute geärgert.
Und im Grund des Gefährts saß ein Käuzlein. Es rührte sich wenig.
Gift und Galle: so nannte der fahrende Landschelm die Pferdchen,
der, als lachender Gott, sie regierte und so eines weißen
Pudels Dienste genoß, den, wie manchen der Gilde, man Prinz rief. –
Wohin wenden wir uns, du mein Prinz? rief der Gaukler nun fröhlich.
Hottehü! Einerlei! nur erst fort aus dem Lichte des Jahrmarkts
in die Stille der Nacht, alles weitere wird sich dann finden! –
Und so ruckten die Pferdchen denn an, und in Gang kam das Fuhrwerk,
quietschte finstere Gäßchen entlang über nächtliche Brücken,
bis die weite, still raunende Flur unterm Vollmond sich auftat.–
Langsam mahlten die Räder nun hin auf der einsamen Straße.
Dämmernd, rechts sowie links, lag das lispelnde Feld, in die Ferne
sich vermischend und hoch überkrönt vom Gewölbe der Sterne.
Der Vagant, er entschlief, von der Marktschreierarbeit des Tages
abgemüdet und satt des Gewerbes, zu dem er verdammt war.
Und so saß er, bewacht von dem Pudel, der schließlich ihn anstieß,
so ihn weckend, damit er nicht unter die Räder gerate.
Noch betrunken vom Schlaf, sprach der Schelm die betrüblichen Worte:
Schlafen? ich? bist du toll, guter Prinz? Wer von uns bei Verstand ist,
weiß, wer wacht und wer schläft! Und beredt ist der Schlaf. Seine Sprache
dringt hervor aus den Grüften des Kriegs. Sein gewaltiger Atem
ist ein wehvoller Sturm, der hier Wälder von Kreuzen durchfeget.
Die dort schlafen, die Kameraden, die Ernte des Schnitters
Krieg, mir liegen sie bloß, trotzdem sie mit Erde bedeckt sind!
Pudel, wäre dies Traum, ja, so wären die Toten lebendig,
die geliebten, was aber, was wäre mir lieber als das, Prinz?!
Nein, die Brüder sind tot. Mich verschonte Granate und Giftgas.
Ei, da kommt ja noch eine herüber! bedankt sei der Franzmann!
So! nun schlief ich wohl gerne und ließe mich wecken, bevor sie,
mich zerreißend, krepiert. Es ist aus! und nun schlafe auch ich, Freund! –
Doch nun war Till erst wirklich erwacht und im Nu der Vernichtung,
fuhr empor und erkannte den Traum und war froh, daß es Traum war.
Also lachte er laut: Was denn bin ich? Ein Schlauch voller Narrheit.
Ich krepierte zusammen soeben mit einer Granate
in das Leben recht mitten hinein und die herrlichste Mondnacht!
so weit Till. Und es gähnte vergnüglich und gab ihm die Pfote
Prinz und blickte dann weg, denn er wollte den Herrn nicht beschämen. –
Nun, es war nicht so schlimm, mein Pudel, denn seit ich zurück bin
aus dem lustigsten Krieg, der nur je diese Erde verheert hat,
kau ich wieder, so tages wie nachts, den gewaltigen Weltsturm.
Doch hier machen wir halt, Gift und Galle, mein Magen befiehlt es.
Auch für euch ist gesorgt, und im Mondglast zittern die Schwingeln! –
Schon entstieg er dem Wagen, der Landschelm, und schirrte die Pferdchen
ab. Sie schüttelten sich und begannen mit Wollust zu grasen.
Wenig später erhellte ein knackendes Feuer den Umkreis.–
Gar nicht übel versorgt war Freund Till, wie der Pudel wohl wahrnahm,
für das Biwak im Freien. Es stammte vielleicht aus dem Feldzug
das Gerät, und ein Bratspieß: er hatte wahrscheinlich in Frankreich
seit den Tagen Bayards kalikuttische Hähne geröstet.
Heute diente er Till, der, mit Sorgfalt ihn drehend, dabeistand.
Und Till sang: „Sous les ponts de Paris ...“ oder pfiff es sehr kunstreich,
dieses Lied, das dem „Boche“ in den Tagen des schmerzlichen Rückzugs,
ein Grisettchen, gutmütig und treu, bis zuhaus das Geleit gab.
Waren’s Tränen, was jetzt Tillens Wange beglänzte und, eilig
trocknend, schwand vor den Gluten des Feuers? Vielleicht! Doch wer weiß es?!
O, ich habe geweint, hab geflennt, wie ein Kind, das der Bock stößt,
zu Berlin, als dies Lied von den Wänden der Häuser zurückschlug:
„Sous les ponts de Paris“ bei dem traurigen, schaurigen Einzug.
Ja, da weint ich! Doch jetzt? – Und es fcholl durch die Nacht Tills Gelächter.
Trappeln hört man nun und vereinzelte Laute von Reden:
Ulrich, spricht eine Frau zum erblindeten Sohn, den sie führte:
riechst du Rauch? dort im Wäldchen, ich seh es genau, qualmt ein Feuer!
Hu, was schnauft hier und schnaubt? Wahrhaftig, hier grast ja ein Pferdchen!
Es sind fahrende Leute, Zigeuner, laß schnell uns vorbeigehn! –
Knurrstdu, Prinz? Nun, wasgibtes? zwei harmlose Wandrer, laßgut sein.
Was denn soll dir das Weibchen wohl antun, geschweige der Bursch da?!
Flamme, flackernde, die du mir dienest, du zeigst mir den Ärmsten,
dem, den Weg und die Welt zu erleuchten, du nicht mehr die Kraft hast!
Wie beklag ich, wohltätiger Brand, deine schimmernde Ohnmacht!
He Kam’rad, Kamerad, wie so spät noch, im Rocke des Kaisers,
ftolperst du über Land? – Und es stutzte der Blinde: Wer spricht da? –
Komm und sieh, Freund, und teile mit mir meinen köstlichen Nachtschmaus!–
Wer da? hieß es im Krieg, spricht der Blinde: Parole und Ausweis! –
Nichtsnutz, antwortet Till: die Parole! Mein Ausweis: das Nichtstun!
Doch im Ernste: auch ich war Soldat, ehbevor ich ein Schelm ward.
Jüngst verstarb ich als Held und ward wiedergeboren als Schalksnarr.
Ulenspiegel, so nenn ich mich jetzt, und wer will es mir wehren?!
Welche Mutter mich wiedergebar, und wo etwa dies stattfand,
weiß ich nicht, und es mögen darüber die Weisen sich streiten
und die Städte, gleichwie ob der Herkunft des weiland Homeros!
Sicher ist, daß ich diesmal voran mit dem Steiße zur Welt kam,
in den Wehen der Not, aus dem furchtbaren Bauch der Verzweiflung! –
Drauf der Blinde: Du scheinst bei Humor mir zu sein, trotz der schlechten
Zeit – Glück zu, Kamerad! – und es düftelt bei dir ganz erträglich! –
Ulrich, sagte die Mutter: noch haben wir’s weit bis nach Warmbrunn.
Mitternacht ist nicht fern, und der Mensch ist mir gar nicht geheuer! –
Nicht doch! sagte der Sohn: denn hier komm ich nicht weiter. Ein alter
Kriegsmann, ist er gleich blind, der Kam’rad aus dem Feld macht ihn sehend! –
Damit riß er sich los von der Alten und schlug auf die Erde.
Siehst du?! rief sie und half ihm, von Till unterstützt, auf die Beine.
Und es lachten die zwei, der Blinde und Till, bis zu Tränen. –
Ja, so liegt die Armee denn im Dreck! rief der Gaukler. Der Blinde:
So erhebt sie sich wiederum fest auf die Beine, hip hurra! –
Till und Ulrich, und Ulrich und Till, beide saßen am Feuer.
Prinz dazwischen beleckte den Sehenden bald, bald den Blinden.
Dieser aß höchst vergnügt und genoß von dem Weine des Gauklers,
ward gesprächig und schien seiner Blindheit sich nicht zu erinnern.
Köstlich, sprach er, ist solch eine Nacht, wenn die Schauer der Stille
mit den wohlichen Strömen der laulichen Luft sich vereinen,
und die Funkengewölke des knisternd verpuffenden Reisigs
gleichsam unter das Weltengewimmel der Sterne sich flüchten!
Und wie bleich das Gebirge sich dehnt in der schummrigen Ferne,
überirdischem Horte gediegenen Silbers vergleichbar
in den nächtlichen Tempeln und Schätzegewölben der Gottheit! –
Du hast recht, Kamerad! sagte Till, und du schilderst sehr richtig,
was du siehst. Deine Augen sind gut! – Und dein Rheinwein ist prächtig!
gab der Blinde zurück: Weiß es Gott, Kamerad, es ist seltsam:
beinah sehe ich mehr als vordem, seit man sagt, daß ich blind sei! –
Jetzt nun fingen sie an von der Kriegszeit zu plauschen. Sie tauschten
aus, was jeder erlebt, und erzählten einander Geschichten.
Über Zion, sprach Till, hing ich, kreisend, im dröhnenden Flugzeug.
Den gewaltigsten Traum, den ich jemals geträumt, träumt ich damals,
von der Größe des Reichs, von der länderumgreifenden Weltmacht
deutscher Art, und dem heil’gen Beruf, der uns damit gesetzt war.
Deutschland träumte in mir, und sein Traum war geharnischt! – das war er! –
eisenschmetternd und Feuer auswerfend und donnernden Rauchdampf!
Und, beim Hunde! nicht fern war das Ziel. Fast mit Händen zu greifen
war, was Gott uns im Blitze gezeigt. Und wir hatten auch Hände,
treue Hände und starke und schnelle genug. Doch es fehlte,
sie zu einen: das Haupt! sie zu lenken: das Haupt! zu vollenden
die erhabne Gewalttat: das Haupt, mit der Macht des Gedankens
unerbittlich zu herrschen befugt! mit dem Steuer des Willens
jede Nacht, jede See, unabirrbaren Laufes, durchbrechend!
Aber lassen wir das! Trink, Freundchen, und füll dir den Wanst an!
Denn was hätten wir weiter zu tun, nun wir rechtlos und arm sind,
ausgebeutelt, entehrt, auf die Straße gejagt und geächtet!–
Was am meisten mir leid tut bei alle dem Unglück, so wieder
nun der Blinde: ist, daß mich der winzige Fehler am Auge–
beide Augen sind leider gestört – noch am Ende verhindert,
mit den andren zu Felde zu ziehn an dem Tag der Vergeltung.
Dieser Tag ist nicht fern, und ich denke, ihn bald zu erleben!–
Was tut Till? – Der Gesell wirft sich hin zu den Füßen des andern,
küßt die staubigen Schuh und beweget zugleich mit der Linken
etwas, das ein Geräusch, wie ein Bündelchen Schellen, hervorbringt.
Danach springt er empor. Stutzend fragte der Blinde: Was machst du?
schwingst du Schellen? weil Schellengeläut, Kamerad, mir ans Ohr schlägt! –
Nein, ich schwinge nicht Schellen, sie klingen von selbst: ich bin Schalksnarr!
Lache nicht, denn mein Los ist vielleicht nicht so übel. Kam’raden,
Offizieren, wie ich, ist es weniger leidlich geraten.
Manches Gräflein und manches Barönchen erzwinget sein Dasein
in dem nächtlichen Höhlenbetriebe, dem Giftschlamm der Weltstadt:
der durch Laster, als Schüttler der andre, der bettelnd herumliegt.
Nun, ich dachte: du wirst Hanswurst in der Hanswurstiade
dieser Welt, drin Europa vor allen sich herrlich hervortut!
Denn ich bin Europäer, mein Uli, und habe den Anspruch,
an bevorzugtem Platz in dem Katzenmusikkorps Europens
mein besondres Talent zur Kakophonie zu bewähren.
Spaß beiseite! im Tohuwabohu des furchtbaren Rückzugs
hab ich etwas erlebt – ich vermag es mir nicht zu erklären:
ward doch – wie, bleibt ein Rätsel! – die Kappe des Fliegers urplötzlich
trächtig, brachte mir Früchte zur Welt und behing sich mit Schellen!
Solches waren die Früchte des Kriegs, und sie hab ich geerntet,
nichts sonst pour le mérite und die blutige Arbeit der Kriegszeit. –
Von der Kappe, mit Schellen besetzt – denn es war eine solche,
die Tills Linke umschloß – riß der Gaukler nun eine der Schellen,
drückte sie in die Rechte des Kriegskameraden und schwieg dann.
Doch es lachte der Blinde und schellte vergnügt mit der Schelle.
Du bist wirklich ein lust’ger Gesell, und ich merke, du hast es
faustdick hinter den Ohren, mein lieber Kam’rad! Auf dein Wohlsein!–
Maienkäfer, braunflüglige Flieger, umbrummten die Zecher.
Einer stieß dem hohlwangigen, lachenden Sprecher ins Antlitz:
Voll Begeisterung stellte ich mich, wie mein Vater mit funfzig
und zwei Brüder, die Weib und Kind in der Heimat verließen.
Ich allein kam davon. Beinah wär es mir lieber, der Vater
lebte, ginge es doch meinem Muttchen dann besser als jetzund,
wo wir Woche um Woche ein Stück unsres Hausrats verkaufen! –
Prächtig! prächtig! rief Till und tat Reisig ins Feuer: Hopp heißa! –
Endlich war, bei den Reden der Männer, die Mutter entschlummert.
Was tat Till? – In der Kniebeuge eben noch hockend am Feuer,
schnellt er, federnd, empor, überhüpfet die Flamme mit Schlußsprung,
wird vom Dunkel geschluckt und taucht wiederum auf in den Lichtkreis,
Mäntel schleppend und Decken und Kissen, das Weibchen zu betten.
Und nun hüllt er sie ein, diese schlafende Mutter – nicht weniger
schmerzensreich, als die Mutter des Heilands-mit kindlicher Sorgfalt.
Diese schläft! spricht er dann bei sich selbst: und so halte das Weltall
seinen Atem denn an! – Er bedeutet auch Uli, zu schweigen.–
Und man schwieg. Doch nun grade, vom Schweigen, erwachte die Mutter.
Redet, sprach sie: und laßt euch nicht stören. Es ruht sich so besser.
Singt und lachet und tut, was ihr mögt, denn dann ist’s mir behaglich.
Eben hab ich von Vater geträumt und von deinen zwei Brüdern.
Alle waren sie hier und leibhaftig ans Feuer getreten,
Kind, als sei ihnen kühl. O, es tat ihnen wohl, sich zu wärmen! –
Und zum anderen Male griff Till in den Wagen, metallisch
klirrt es auf. Eine Mandoline verriet ihr melodisches Dasein.
Sie im Arme, ans Feuer gelagert, begann Till, die Saiten
mit dem Plektrum zu rühren. Da blühte die Stille der Mondnacht,
fremd und süß und seraphisch erregt von verzauberten Klängen.
Was ist das? sprach der Blinde.-Was meinst du? entgegnet der Gaukler. –
Horch doch! Still, Kamerad! oder täuschen die Schauer der Nacht nur?
Doch, bei Gott! mir ins Ohr, aus der Ferne sich nähernd, dringt Marschtakt!
Truppen singen! Sie rufen hurra! Sie marschieren gen Frankreich!
Wie gewaltig erhob sich das Volk neunzehnhundertundvierzehn!
Wie ein Mann stand es auf, seinen Herd und sein Land zu verteid’gen! –
Ja, so war’s, sagte Till, und er schlug seine Zither so seltsam,
mächtig bald und bald leis, daß man abwechselnd meinte, man höre
Rossewiehern, Trompeten und brausenden Ruf der Begeistrung,
Kampfestosen und Schreie des Todes in blutiger Feldschlacht.
Und es nahm seine Stimme zu Hilfe der Gaukler: so flocht er
fugenhaft ineinander die heil’gen Gesänge der Kriegszeit:
Wacht am Rhein, von dem Kameraden das Lied, den das Blei traf,
von der Liebe das Lied, welches Deutschland erhebt über alles. –
Jäh indessen riß ab das Getöne mit gellendem Mißlaut,
so als wären mit weinendem Schreie die Saiten zerrissen!
Nicht die Saiten der Zither allein, auch die Saiten der Seele
in der Brust des Gesellen, der, glasigen Blickes, nun still saß.–
Woher kamen die grauen Gestalten so spät in der Nacht noch?
Seltsam war und beinahe gespenstisch die stille Versammlung. –
Warum spielst du nicht weiter? so fragte der Blinde. – Er hatte
nun den Quell des Getönes erkannt. Doch Till sagte: Ich darf nicht.
Nicht allein der Besuch, den die Seherin-Mutter erblickt hat,
ist in Wahrheit nun da, es hat sich auch eine Gesellschaft
eingefunden, die mir, wo ich immer auch bin, auf der Spur ist.
Und sie duldet nicht meine Musik! – Wirklich standen und saßen
um den glimmenden Brand nun halbnackte Soldaten. Gestalten,
schwarz verrußt und zerlumpt oder starrend von lehmigem Unrat.
Und sie sprachen im Chor: Nein, wir dulden, Till, deine Musik nicht! –
Warum gönnt ihr mir nicht diese harmlose Freude? sprach Till drauf.
Einer nun gab zurück: Guter Vetter, du weißt ja doch selber,
daß, so lange du solchergestalt, so verrucht musizierest,
drin im Wagen der Spiegel sich trübt, ja, am Ende kohlschwarz wird.
Wie du weißt, wir sind tot. Unser Vaterland hat uns erschlagen.
Grausam trieb’s mich hinein in den höllischen Sturm der Geschosse,
stolpernd starb ich, ins eigne Geschlinke die Füße verwickelt,
und ich lag zwanzig Tage, verwesend im eigenen Kote,
slank, verderbend die Lüfte so lange mit giftigem Pesthauch!
Als man endlich den irdischen Rest zu bestatten die Zeit fand,
tat man es mit verbundenem Maul, unter Flüchen und Zoten.
Dennoch warf seinen Spaten weit von sich ein Leichenbestatter,
es entehrte zuletzt sein Gespei noch das traurige Opfer,
das sich selbst für den heiligen Boden der Heimat dahinwarf.
Dieses war nun das Ende vom Lied, das auch ich einst gesungen! –
Und sie sprachen im Chor: Nein, wir dulden, Till, deinen Gesang nicht!–
Hörst du wohl, was er murmelt, und was sie im Chor mir verbieten?
also wandte sich Till an den Blinden – doch der sehien entschlummert.
zeigt, was einer Schnitterin mit Till Eulenspiegel begegnet. Ferner, wie Till seinen Spiegel prüft, weil ihm das „Erkenne dich selbst“ durch den Kopf geht. Und wie sein eigenes Bild aus dem Spiegel tritt, als Doppelgänger neben seinem Wägelchen herschreitet und mit ihm disputiert
__________
ALS die Sonne am Morgen heraufkam, stand Till auf den Füßen
und hielt Umschau. Noch schnarchte der Blinde und schlief seine
Heilig ist euer Schlaf, ihr Geplünderten! denkt er. Da locket [Mutter.
unter Erlen ein Bachlauf zum Bade. Bald ist Till am Ufer,
und er singt, von Vergißmeinnichtbläue die Kniee umspület:
We like this game,
this very same,
we all the same
we do!
’s ist ein Arbeitsgesang, den der rudernde Sklave im Lastboot
singt und singt durch den heißesten Tag, sich den Fron zu versüßen.
Ja, wir lieben das Spiel, wir lieben es, immer dasselbe!
Alle tun wir das Gleiche, so grübelt der Gaukler, wir Menschen,
essen, trinken, vermehren uns, lachen und weinen und wandern.
Wir vermessen uns hoch, Kinder Gottes und Herren des Weltalls,
was nicht sonst noch, zu sein – und wir leeren den Leib aus am Wegrand.
Trotzdem! trotzdem! was tut’s, wenn , we like it, this game’und: , we like it!’
lieben es, wie es ist, unser närrisch glückseliges Dasein!
Doch wer stand dort im Felde, den Rock um die Hüften gewulstet,
nackten Fußes, die Wade entblößet bis über das Knierund?
Kaum eräugte der Gaukler das Wild, stand er jenseits des Bachs schon,
eine köstlich bemähnete Schnitterin fröhlich begrüßend.
Grüß dich Gott! rief er ohne Besinnen, du bildschöne Kuhmagd! –
Trotzig hatte geblickt und verdutzt und erstaunt die Errufne.
Endlich dann, als Till schwieg, einen Augenblick nur, um zu prüfen,
inwieweit seine Rede gewirkt, da brach kreischend die Stallmagd
aus und wußte, die Hände gestemmt in die Hüften, vor Lachen
kaum noch aufrecht zu stehn. Ob’s ihn lächerte, lachte doch Till nicht.
Unbeirrt fuhr er fort: Blindes Pack, unter dem du dahinlebst!
Pack sieht immer den Adel nur dort, wo der Dünkel verbrieft ist!
Ich erkenne dich wohl mit der rostroten Mähne als Mantel.
Herrlich blühst du, Barbarin, aus strotzender Kraft deines Ursprungs,
unerkannt und versklavt! Unerkannt und versklavt nur von mir nicht!
Rom hat oft dich gesehen, stolz schreitenden Gangs, im Triumphzug!
Und es stahl deinen Haarschwall die römische Dame und flocht ihn
in die spärlichen Rattenschwänzchen hinein ihres Kahlkopfs!
Längst schon war nicht mehr frei, die er so mit Geschwätz überschüttet,
denn mit blitzschneller Kraft hatte Till sich des Opfers bemächtigt,
wie’s die Schule des Kriegs ihn gelehrt. Und die Dirne war wehrlos.
Kaum empfand sie die Fessel, so warf sie voll Urkraft sich aufwärts,
heiß von Arbeit und wilder von Trotz und voll Wut der Empörung.
Keines wich, und ein Ringen begann. Doch da schrie plötzlich Till auf,
weil der heftige Biß eines Tiers ihm die Schulter verwundet. –
Aber eben damit war der Haß aus dem Spiele gewichen.
Till verstand, daß die Schnitterin selbst ihm nun lachend den Kranz bot.
Und er war nicht der Mann – nein, wahrhaftig nicht! – es zu mißdeuten. –
Es erwachte die Mutter des Blinden. Auch dieser erwachte.
Und sie suchten nach Till, der sie beide so freundlich bewirtet.
Nirgend kann ich ihn sehn, sprach die Frau: der Vagant ist verschwunden!
Und sie warteten einige Zeit, doch vergeblich, er kam nicht.
Gerne hätten sie ihm noch gedankt, doch es drängte die Stunde.
Endlich zeigte der Blinde sich willig zu wandern. Es putzte
ihn die Mutter zurecht, und sie wankten selbander von dannen. –
Nein, sprach Till: liebe Lene, was lange verliegt, das wird ranzig,
und ich bin ein Vagant, ein Verehrer der Wandrung und Wandlung.
Niemals aber – das gilt als ein Schwur! – kommst du je aus dem Sinn mir!
Weib, ich könnte dich essen, wahrhaftig, dich fressen vor Liebe,
ganz dich schlingen in mich-allein dieses sag ich als Bild nur.
Ist der Magen doch nicht das Organ, um ein Wunder an Schönheit,
ein unsterbliches, einzuverleiben der sterblichen Seele.
Nicht zwei Blätter sind gleich an ein und derselbigen Linde,
und so ist auch zum einzigsten Male von Anfang der Welt her
eine Frucht, so wie du, Kind, entquollen am Baume des Lebens.
Einmal bist du, warst nie, und du bist auch nie wieder in Zukunft!
Das ist’s, immer und ewig Geliebte, wodurch mich dein Antlitz
über alles Vermögen entzückt und zugleich bitter peinigt!
Schreien möcht ich: O seht dieses rostrote Haar, diesen Nacken!
diese dunkleren Brauen, es sind zwei romanische Bögen,
eine Grade beinahe die Stirn und der Rücken der Nase.
Kommt und seht diese Augen, einmalig, der Nixe! des Meerweibs!
Seht und fühlt diese Schultern und tastet herab diese Arme,
diese Brüste mit schwelgender Hand und mit taumelnden Lippen!
Doch was sag ich: ich würde den morden, der jetzt meinem Rufe
etwa folgte! Ich gönne nicht einmal der Sonne den Anblick!
Den erschlag ich, der sagt, du seist schön! Und blickt einer dich stumpf an,
ihn erschlag ich erst recht: der Verweste verdient zu verwesen!
Einmal nur noch vermähle dich mir, und dann trenn uns für immer das Schicksal
So geschah’s. Und es geigte dazu in den Büschen der Buchfink. – –
Einsam rauschte die Sense nun wiederum draußen im Kleefeld.
Tränen tropften: kein Wasser nun brauchte die Magd für den Wetzstein.
Ja, sie rannen auch innen hinein in die Brust, diese Tränen,
bitter brennend, hinab durch den Hals und hinunter die Brustwand. –
Ob ich zürne? O, nie! denn du nahmst mich ja doch aus dem Grabe.
Und ich nehme ins Dunkel hinunter mit mir deinen Maitag!
Doch mir brennt, o, mir brennt gar so furchtbar das Herz, und ich weiß nicht,
ob es standhält dem Brand, dem unendlichen Kummer der Trennung!
Kurz, wie kurz war der Tag! eben stieg doch im Morgen die Sonne,
nun ist Abend bereits, und es senkt sich die Nacht auf die Feldflur. –
Was tat Till?–Till gelangt an die Stätte des nächtlichen Biwaks,
nahm, eratmend, es wahr, daß die Lagergenossen das Weite
schon gesucht, denn er wollte vor allem mit sich jetzt allein sein.
Ja, es fehlte nicht viel, und ihn störten sogar seine Tiere.
Fort, nur fort! – Und schon standen die Klepper geriemet ans Ortscheit.
Schon begannen sich Reifen und Felgen und Speichen zu rühren:
Dreh dich, Rad! dachte Till: mich beseligt allein schon der Anblick!
Mich gelüstet es nicht mehr, auf Sand, noch auf Felsen zu bauen,
denn ich baue auf nichts: auf dem rollenden Rade des Lebens!
jeder Punkt, der es trägt, schon indem er es trägt, trägt es nicht mehr! –
O, was mähet dort drüben im Klee? Gib doch acht, Prinz! wer ist das?
Mir kommt vor, Prinz, als hätt ich das Mädchen, das drüben den Klee mäht,
irgendwo, Gott weiß wo, wohl im Traume, schon einmal gesehen.
Und er stieß einen Juchzer hervor mit gewaltiger Stimmkraft,
wilde Lust, wildes Weh schien im Schrei des Gesellen verschlungen.
Doch so weit er auch drang und das Echo der Fluren erweckte,
schien der Schnitterin Ohr ihn trotz alledem nicht zu vernehmen. –
Und es rollten die Räder, sie rollten dahin durch die Landschaft,
langsam immer bergan, und recht griesgrämlich zogen die Pferdchen.
Endlich ward dann die Höhe erreicht. Till, der neben dem Wagen
Fuß vor Fuß in Gedanken gesetzt, er stand still und sah rückwärts.
Es entfaltete da sich, unendlicher Weite, die Feldflur.
Und dort war ja ein Kleefeld, an dem sich ein Wässerlein hinzog,
in dem Kleefeld ein Punkt, der sich, gleichmäßig pendelnd, bewegte.
Punkt, was wärest du wohl einem andern von hier aus? Ein Punkt nur!
Mir gewiß bist du mehr! Doch nun sei es genug: so versinke!
Abwärts ging es, den Hügel hinab, der den Punkt nun verdeckte,
im Galopp, denn es stieß in die Pferdchen das hemmlose Fahrzeug.
Tillen schien das willkommen. Leichtfüßig den Wagen begleitend,
schlug er Rad und stieg endlich hinein, ohne daß er ihn anhielt.
Und es kam, da die Fahrt wieder ruhig geworden, dem Gaukler
dieser Einfall: ich habe ja da einen Spiegel im Wagen,
und ich hab es umsonst, jenes Raubtier zu sehn, dessen Anblick
mir zu Warmbrunn so mancher mit klingender Münze bezahlte,
blick ich selbst nur hinein! Ja, ich kann mich im Spiegel verdoppeln.
So gesellt sich zu Tillen ein Till! solches brächte wohl Kurzweil!
Damit griff der Vagant um sich her und ertappte das Spieglein,
hielt es über die Stirn, auf den Rücken gestreckt, und vergnügte
seine Seele damit, sich die ärgsten Grimassen zu schneiden.
Gäucherei ist dein Leben! so schrie er sein Bildnis im Glas an:
Faxenmacher, bluttrunkner Hanswurst, Pickelhering des Luftkriegs!
Geck und Fatzke des Mordes! du Schneidergeselle der Blutschuld!
Damit schleuderte Till das Gerät in die Tiefe des Wagens,
Lagerstroh um sich häufend und drin wie ein Tier sich verkriechend.
Hinterhältig befiel seine schwärzeste Stunde den Gaukler
oft am lichtesten Tag. Und dann konnte es sein, daß der Ekel
an der Welt, an sich selbst, mit der Dreise-Pistole zu tändeln
Tillen zwang, die ihm einmal den Garaus nur deshalb nicht machte,
weil ein Sandkorn den Drücker versetzt und die Kugel im Lauf hielt.
Und er wimmerte, fest in die Plane die Zähne verbissen:
O mein Straßburg, mein Straßburg, mein armes, zerprügeltes Deutschland!
Luder nur noch, lebendigen Leibs, der aasfressenden Tierwelt!
Krähen streiten um dein Geschlinke, von Grenzpfahl zu Grenzpfahl,
oder schlagen sich voll in dem blut’gen Gehäus deiner Rippen!–
Stöhnend warf sich der Narr auf dem Lager herum – dann entschlief er.
Da nun sah er sich selber im Traum, aus dem Spiegel gestiegen,
schreitend neben der Hemme, das klapprige Fuhrwerk bedienend.
Wütend rief er sich zu: O du trauriger Dandy von Fuhrknecht!
trotz des Pour le mérite, der vom Halse dir baumelt: du wirst mir
auch nichts anderes tun, als du gestern mit Deutschland getan hast,
Schinderkärrner: mich selbst und den Karren im Blute ertränken!–
Überhebe dich nicht! Was du sagst, guter Till, tat ein andrer!
Sieh mich an und erkenne dich selbst: denn das ist ja dein Wahlspruch!
So begann nun das Bild, das der fiebernde Gaukler im Traum sah,
Spiegelgänger in jedem Betracht, bis zur Narbe des Keilbeins,
die der Schuß eines englischen Fliegers dereinst Till gezeichnet.
Ja, erkenne dich selbst! fährt er fort: Sieh mich an, und du siehst dich!
Ganz so schrittest du hin, auf dem Ohre die Mütze, wie ich jetzt,
und so kannte der Krieg seinen Till, der zum Tode geweihte
Jüngling ihn, eh der furchtbarste Sturz ihn zur Erde hinabriß.
Falke Till! Adler Till! männermordender, sieghafter Luftaar,
da war einer ... – Genug! keuchte Till, weil die Brust ihm zerquetscht ward
von unsinniger Last des Gewissens: Schweig stille! Kein Wort mehr!
Willst du zählen, erst eins und dann zwei und dann zehn und dann fünfzig,
und mir sagen, ich hätte der Jünglinge fünfzig ermordet?
Nein, du lügst! und ich kenne dich nicht, und du bist nicht, der ich bin!
Larifari! so lachte der andre und klopfte die Shagpipe
an der Runge des Wagens sich aus: Ich bin Du! ich bin Du, Till!
Gabst du etwa dein Leben nicht preis, eh du’s anderen wegnahmst?
Bis kein Scheißkerl, mein Till! allzu jämmerlich ist mir der Anblick,
wenn der Adler, der Aar, der Beherrscher der Lüfte, der stolze
Massentöter des Himmels gerupft und verzappelnd im Dreck piepst!
Sei kein Gauch! Und benässe dir nicht deine Hose mit Feigheit!
Schlaf dich aus, wenn es anders nicht geht! aber nimm deinen Strohsack
vorher, klopfe ihn rein, denn er steckt voller Wanzen und Läuse,
die das Haupt dir bekriechen und Herz dir und Nieren bepissen!
Du siehst aus, Till, schon jetzt, als wärst du dem leidigen Satan
aus dem Hintern gefallen! Trink Wein oder Schnaps, bis das Glas heult!
doch gehabe dich nicht wie die Köchin des Pfarrers im Kindbett!
Halt! rief Till, ’s ist genug! Und ein Anfall von Lachen befiel ihn.
Hab Erbarmen! und reize mir nicht bis zu Krämpfen das Zwerchfell!
Schweig! ich sage dir: schweig! Und Till lachte im Traum, bis er aufsprang.
Und den anderen Till aus dem Spiegel, den wandernden, suchend,
rieb er, immer noch lachend und lachend, den Schlaf aus den Augen.
Doch das freche Gespenst seiner selbst war auf einmal verschwunden.
enthält das Erlebnis mit dem Angler, ein kleines Zwischenspiel, das der Pudel Prinz bestreitet, zuletzt etwas, das einen jungen Wehrmann betrifft
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DAFÜR sah er – es hielt sein Gehäuse am Rand eines Fischteichs–
einen angelnden Mann. Er war nackt, es verhüllte ein Schurz nur
seine Scham. Und schon fuhr auch die Rute der Angel nach oben
und ein silbriger Fisch, den der Fischer gelassen beiseit tat.
Danach sagte er dann voller Ruhe zu Till: Warum lacht Ihr?
Till besann sich. Dann rief er: Es geht mir, wie einst Zarathustra.
Dieser lachte bei seiner Geburt. Und dasselbige Übel
fiel mich an um dieselbige Zeit, und ich hab es behalten.
Doch verzeiht, ich verfuhr mich, mein Herr, und ich bin ohne Absicht
in dies Parkland gedrungen, auf welche Art, könnt ich nicht sagen!
Auf vier Rädern! wie sonst?! Fällt schon niemals ein Meister vom Himmel,
dann erst recht nicht ein Panjegeschirre mit Pferdchen und Lehrling!
so der Angler. Und Till: Kamerad, was Ihr sagt, hat viel für sich.
Lehrling bin ich, ich würde es sein, wenn man nämlich es sein kann,
in der Kunst, eine Pille so groß wie ein Nilpferd zu schlucken!
O, die hab ich geschluckt! Woher weißt du denn, daß ich Soldat war?
spricht der andre: Der Rock König Wilhelms war schließlich kein Bauch-
Das ist wahr, spricht der Gaukler: allein im verwichenen Kriege [schurz!
wurde schließlich ein jeder Soldat, ob es Kind oder Greis war,
Krüppel oder was sonst, und es laufen entlaßne Soldaten,
Schwartenhälse wie ich, auf den Straßen herum zu Millionen,
in die alte Montur noch gezwängt oder nackend, wie du bist!
Nun, sie mögen Gott danken! versetzte der andre: so sind sie
immerhin doch erlöst von dem seelenvernichtenden Blutfron!
Sieh doch an! sagte Till: fast vermöcht ich zu glauben, ein weißer
Rabe säße vor mir, und er spräche in menschlicher Sprache,
zu der Zeit, wo der Mensch sich verriet und zum reißenden Tier ward.
Bist du, Freund, weder Fisch noch auch Vogel? so fragte der andre:
Und was ist dein Geschäft auf den Trümmern des Landes? das Nichtstun?
Die Vermutung trifft zu! lachte Till: ich bekenne mit Freimut,
Müßiggänger zu sein! Ja, ein Tagedieb bin ich, ein Nichtsnutz,
arbeitsscheu aus dem Doppelbeschlusse des Hauptes und Herzens.
Faulheit grenzt an den Schlaf. Und wer schläft, heißt’s, vermeidet die Sünde.
Hab ich also das Laster der Faulheit, es wuchs aus der Tugend,
denn es ist doch wohl Tugend die Sorge, in Schuld zu geraten!
Seufzend sagte der Fischer: Sie kommt viel zu spät, deine Faulheit,
außerdem ist sie billig jetzund. Damals sollten wir faul sein,
als es hieß, das Gewehr zu ergreifen, zu rennen im Sturmlauf,
die Geschütze zu lösen, die Mördergranate zu schleudern:
solche Faulheit erforderte Mut und das Opfer des Lebens!
Weißer Rabe! sprach wieder der Gaukler: Wie wär’s? eine Freistatt
gibt’s, die einz’ge für dich, und sie wäre bei mir drin im Wagen. –
Danke, Freund, eine andere gibt’s, diese heißt: Salvaterre.
Und ich lebe bereits auf der Burg als ein neuer Amfortas!
Was ich sage, begreifst du wohl kaum, denn du siehst zu vergnügt aus,
kennst nicht Schuld, noch die Last, welche nächtens die Seele mir abdrückt!
Ich war Seemann, ich war Kapitän, und ich führte ein Kriegsschiff ...
Wolltest du mir gestatten, mein bester Gevatter, sprach Till da,
hielt ich gerne hier Rast, kochte ab und verzehrte mein Mittag.
Solches ist mir ein wicht’ges Geschäft, und ich pflege bedächtig
auszuwählen den Ort. Und, beim Hund! grade dieser behagt mir!
War je Krieg? Dieser See, dieser einsame Spiegel des Himmels
hat den furchtbaren Rachen der Gorgo wohl niemals gespiegelt!
Und die allseits von Wipfeln getragene Woge des Laubes,
die, smaragdener Fülle, zu ihm von den Hügeln herabrauscht,
tönet nur vom Geschmetter des Finken, vom Rufe des Pirols,
nicht vom Fluche des Eisens! Den wälderumhülleten Umkreis
Salvaterres – ich kenne den Namen aus Märchen der Kindheit!–
krönet gleichsam die Burg Montsalwatsch! O Magnat, sei gesegnet,
der dies herrliche Burgschloß besitzt und den Krater der Tiefe,
diese Schale aus grünem Smaragd: so dem Grale nicht ungleich!
Hast du etwas zu sagen, Gevatter, in diesem Bereiche?
Sage mir, ob ein fahrender Narr, ein Hans Dampf und die Seinen,
der hier rastet, nicht etwa mit Prügeln und Hunden verjagt wird!?
Jedermann steht hier jegliches frei, der mit billigem Anspruch
dem Besitzstand sich naht, welcher mein und doch wieder nicht mein ist.
Nach dem Recht und Gesetze bekenn ich mich Herr dieser Landschaft.
Doch in Wahrheit, ich bin nur Verwalter, ich bin nur Amfortas.
Was zum Schein ich besitze: in Wahrheit besitzt es der Heiland.
Meine Pflüger und Mähder, Verwalter und Schäfer sind meine
Brüder. Aber ich bin der geringste von allen. Ich teile
täglich mit dem Gesinde das Mahl. Und der Fisch, den ich angle,
wird, in Stücke zerschnitten, in eben der Schüssel heut schwimmen,
die dem Löffel des Knechts und des Herren, der Magd und der Herrin
gleichermaßen schlichthin und durchaus ohne Vorrang sich darreicht!
Was tat Till? Der Gesell warf sich hin zu den Füßen des andern.
Danach sprang er empor. Und es fragte der Angler: Was machst du?
Schwingst du Schellen? weil Schellengeläut, Kamerad, mir ans Ohr dringt!
Nein, ich schwinge nicht Schellen, sie klingen von selbst: ich bin Schalksnarr!
Dies gesprochen, schon sammelt er Reisig und schichtet es auf, Till,
rammet gablig hinein in die Erde vier eiserne Stäbe,
legt darüber den Spieß und bereitet mit Sorgfalt das Mahl vor.
Und er plauderte fort etwa so bei der lustigen Arbeit:
Dank, erlauchtester Hüter des Gral, edler Angler Amfortas,
der die heilige Schüssel des Joseph von Arimathia
wiederfand, voll des heiligen Bluts: das Gefäß der Gemeinschaft,
und zu heiliger Kommunion an die Menschen zurückgab!
Seit man Gott, den dreieinigen Gott hierzulande beraubte,
aus den Türmen der Kirchen die Glocken ihm stahl und sie umschmolz,
in die scheußlichen Höllenmaschinen des Kriegs sie verwandelnd,
traf mich nicht ein so seliger Klang aus dem Herzen des Mitleids!
Doch ich denke, wir trinken ein Gläschen und lassen’s uns wohl sein!
So, mit plötzlicher Wendung vom leidlichen Ernste zum Leichtsinn,
tat der Bursch einen Sprung, und sogleich war das Feuer entzündet.
Und der Angelnde sagte zu Till wiederum: Warum lachst du?
Bist du ernst, so sei ernst! Bist du spaßhaft, so bleibe auch spaßhaft!
Doch vermische nicht Possen und heiligste Dinge, verstehst du?
Da verlangst du, Kam’rad, sagte Till, was vor allem mir schwer fällt!
Denn ich leide seit meiner Geburt an dem erblichen Übel,
daß die Galle mein Zwerchfell durchsetzt und ihm Krämpfe verursacht!
Das mag sein! Man verhöhnet trotz alledem nicht seinen Gastfreund!–
Nein, beim Hunde! du irrst, spricht der Gaukler, ich würde dich küssen,
meine Liebe dir voll zu erweisen und meine Bewundrung,
hätte Judas den Herrn mit dem Kusse dereinst nicht verraten!
Ach, du hältst das für Aufschneiderei? gibt zur Antwort der Angler:
anders ist es bei mir, und bereits seit dem Tag von Damaskus,
den ich noch auf dem eisernen Rumpf meines Schlachtschiffs erlebte.
Saulus! hörte ich da, mich erweckend, die Stimme des Heilands,
warum stellst du mir nach und verfolgst mich mit wütender Mordlust?
Mach ein Ende! und schlägt man dir flugs auch das Haupt von den Schultern!
Glaub es nun oder nicht: damals hißt ich die Flagge der Freiheit,
und nun sinn ich darauf, meine Güter gerecht zu verteilen!
Du bist klug! sagte Till: du ersparst ja den Leuten das Plündern!
Und, Geliebter, frohlockte er nun: danach gibst du gewiß auch
deinem Bruder, dem Pracher, sofern er schön bittet, sein Anteil,
diesen Karpfen, nur diesen! er tilgt jeden weiteren Anspruch!
Ausgeweidet ward eilig der Fisch, und fchon schwamm er im Kessel.
Das ist gut! Allewetter! du scheinst mir ein richtiger Schnapphahn!
sprach der Angler mit Ernst – oder streifte den Mund ihm ein Lächeln?
Weißbrot, Butter und was nicht noch alles. Mich wundert es wirklich,
daß du alle die Konterbande so furchtlos hier auskramst!–
Die Kombüse blieb leidlich erhalten im Wrack meines Lebens,
du bemerkst es mit Recht. Dieser Umstand, beim Hunde! ist wichtig,
denn man wird von der Mutter ja nicht mit dem Freßsack geboren!
Oder ist er wohl mehr als ein Docht, wenn der Mensch auf die Welt
Funze! heißt es: besorge dein Öl, oder werde zu Asche [kommt?!
augenblicks! solches gab der Vagante dem Angler zur Antwort.
Keinem schenkt man das Leben, so fährt er dann fort: es erobern
täglich, stündlich, ist Menschenberuf. Dazu gibt man ihm Zähne,
Fäuste, Krallen und Hamsterbegierde. Das ist’s, was er mitbringt.
Von dem Bettel des Lebens allein wird der Mensch nicht ein Jahr alt,
um ihn lauert der Tod, von der Meute des Hungers bedienet.
Siehst du nicht, ihre drielenden Mäuler aufs Feuer gerichtet,
diese schnappenden Wölfe ringsum, denen Aas aus dem Hals keucht?
Iß und lache dem Pack in die Schnauze, so kneift es den Schwanz ein!
Trink und lache! und trinke noch einmal, und trinke noch zweimal!
Stopfe Bissen auf Bissen ins Maul, ob die Meute auch aufheult:
so nur hältst du den Tod und den Teufel dir gründlich vom Leibe!
Da erhob sich der Angler und sprach: Freund, du redest nicht übel!
warf die Rute beiseite und legte die Hand an die Stirne:
Beinah ist es, als wüßtest du mehr, und du kämest im Auftrag
irgendeiner verborgenen Macht, mich das Gruseln zu lehren.
Keinem schenkt man das Leben, so sagst du. Du nennst einen Bettel
es und scheinst mir zu raten, mit Krallen es, Fäusten und Zähnen
zu verteid’gen trotzdem, alldieweil schon der Tod es belaure.
Rachen zauberst du um mich von Wölfen, die drielen und schnappen.
Übel macht mir bereits der Verwesungsgeruch ihres Anhauchs!
Lach dem Pack in die Schnauze! befiehl du ... Doch seltsam: was kommt dort?
Ja, was war das? Ein Mann des Gesetzes, gespornt und gestiefelt,
pickelhaubengeziert und gleichwie aus dem Boden gezaubert.
Dieser winkte und fragte den Gaukler nach seinen Papieren.
Er erhielt sie. Doch als der Beamte mit Sorgfalt sie durchsah,
rief der Angler ihn an so ins Mittel sich schlagend: Der Fremde
ist mein Gast und auf meinem Gebiet, und so gebt Euch zufrieden!
Zu Befehl! und ganz wohl, gnäd’ger Herr, die Papiere sind richtig,
gibt der Wachtmann zurück. Und es blitzten die Strahlen der Sonne,
augenschmerzend, zurück aus den Reihen der messingnen Knöpfe
seines Rockes. Er schweigt, und er zögert, bevor er so fortfährt:
Wenn ich störe, es täte mir leid. Doch mein Auftrag ist dienstlich.
Und ich muß, Herr Baron, Euch ersuchen, aufs Schloß mir zu folgen!
Was ist los auf dem Schloß, guter Mann? so erwidert der Angler
und drapieret, nach Art einer Toga, das weiße Frottiertuch
um den Leib. – Ein Besuch! spricht der Wachtmann und zuckt mit den Achseln.
Nun, da fahre doch gleich ...! Ein Besuch unterm Dach meines Schlosses
wünscht den Hausherrn zu sprechen, und statt seiner Rückkehr zu harren
mit gebotenem Anstand, entblödet sich dieser Besuch nicht,
so als wär ich ein bissiger Hund, ohne Maulkorb entlaufen,
Hundefänger nach mir zu versenden, um mich zu sistieren?
Hundefänger? Herr, halten zu Gnaden! das Kreuz erster Klasse
sollte doch wohl genugsam mich schützen vor solcher Verwechslung!
Darf ich mir eine Meinung erlauben, so möchte ich raten,
mir sofort und durchaus ohne Fisimatenten zu folgen!–
Sprechen wollte der Angler, so schien es, doch eine Entschließung,
schnell entstanden, bewog ihn, den Weg nach dem Schlosse zu nehmen.
Ehbevor er mit seiner Bedeckung verschwand, rief er Till zu:
Wart auf mich, guter Mensch, denn ich denke, mit dir noch den Nachtisch
deines Todes-und Teufelsaustreiberbanketts zu genießen–
Und es war, als erwachte das Tal, wie der Schloßherr nun weg war:
Frösche lärmten im Schilf, und es ließ sich die Dommel vernehmen.
Enten pägsten und pagsten, es trug die Gemahlin den Entrich,
den sein kippliges Schifflein nicht hinderte, Freuden der Liebe,
feurig, mit dem Geschick eines Equilibristen zu stehlen. –
Was tat Till?-Wo denn starrte er hin? und was dachte, was sann er?
Hatte Till seine Mahlzeit vergessen, den Kessel, den Bratspieß,
einer anderen Laune zulieb, wie es Narren wohl zustößt?
Trieb er Mantik und zählte die endlosen Rufe des Kuckucks,
um von diesem Propheten zu hören, wieviele Jahrzehnte
ihm, im Lichte der Sonne zu sein, vom Geschicke bestimmt sei?
Dachte er an den Spieß, der die Seite des Heilands geöffnet,
und mit welchem Amfortas, der neue Amfortas, die Wunde
offen hielt in der eigenen Brust, als ein Opfer des Mitleids? –
Stillgestanden! erscholl da ein Ruf.Till vernahm ihn und fühlte,
festen Griffs, eine Hand und in eben dem Nu auf der Schulter.
Und im Nu wiederum stand er aufrecht: Ich stehe. Was gibt’s nun?–
Mit Gewehr und mit Stahlhelm, ein junger Soldat blickt da Till an.
Was ist los? fragte nochmals der Narr: brach denn wiederum Krieg aus?
Das mag sein, wie es will. Doch bewegst du dich hier nicht vom Flecke!
oder aber du kommst nicht zehn Schritt, Menschenskind, bis du hinfällst!
He, was ist denn im Gange?-Dasgeht dich nichts an und auch mich nichts!
Hast du Waffen? Heraus dann damit, denn sonst geht es dir dreckig!
Guter Freund, lacht der Schalksnarr: du könntest mich eher bewegen,
Zwei verwesete Ratten des Nachts in mein Bette zu nehmen,
als ins Wägelchen eins von den Mordinstrumenten der Kriegszeit!
Warum fragst du mich nicht, guter Junge, nach Milchbrei und Weißbrot?
denn du stehst, dein Gesichtchen betrachtet, dem Lutscher des Muttchens
wahrlich näher, als alle dem Zeugs, das nach Eisen und Blut stinkt!
Das ist dummes Gewäsch! sprach der feldgraue Knabe im Stahlhelm.
Und er ging auf Tills Wägelchen zu, um nach Waffen zu suchen.
Plötzlich schwieg da der Kuckuck, und alles ringsum schien auf einmal
anzuhalten den Atem. So steht unbeweglich die tote
Luft, bevor mit gewaltigem Knalle der Blitzstrahl herabzuckt.
Wirklich fällt nun ein Schuß in der Gegend der seltsamen Gralsburg,
die, geheimnisumhüllt, in das rollende Echo herabblickt.
Auch der Wehrmann erschrickt, faßt das Rohr und verharrt in Bereitschaft.
Er verfolgt mit dem spähenden Blicke das Strauchwerk des Waldrands.
Bricht ein Wild dort heraus auf die blühende Böschung, dann weh ihm!
Nein, kein Wild: was ins Lichte nun tritt, es ist wieder der Angler,
nackt wie Adam, bevor er vom Baum der Erkenntnis gegessen.
Doch der Deckung des Waldes verlustig, beginnt er zu sichern.
Flüchtig springt er zurück in den Forst, der ihn aufnimmt und einschluckt.
Was geht vor? Till begreift es noch nicht. Da erscheint auf der Böschung
die Montur von vorhin, und man hört sie befehlen und bitten,
überreden und zur Vernunft den Verschwundnen ermahnen.
Hilfe, Rettung, Kam’rad, denn es geht um mein Leben! Sie haben
Park, Gehöfte und Wohnung umzingelt! hört Till und erblickt den
Angler, welcher, verzweifelten Laufs, mit Geschrei auf ihn zukommt.
Halt! – Jetzt sieht er den jungen Soldaten, die Flinte im Anschlag.
Kehrt!-Er wirft sich herum. Und, als wär ihm der Tod auf den Fersen,
läuft der sinnlose Mann wiederum dorthinauf, wo er herkam.
Steh! sonst schieß ich: zum ersten, zum zweiten, zum dritten! – So steh doch!
Und doch! Steh! schreit jetzt Till, und fast sprengt’s ihm den Hals auseinander.
Steh schon blitzte der Schuß aus dem Rohr, ja, fchon krachte ein zweiter–
dann verstummte die Welt, und man wußte nicht, ob sie noch da war.
An das Wägelchen Tillens gelehnt, stand der junge Soldat jetzt,
seine Nase war weiß und leichenhaft schmutzig sein Antlitz.
Und als wär es ihm übel, so stieß es ihm auf. Aus den Winkeln
seines offenen Munds floß der Speichel. Sein Blick irrte hilflos.
Hoppelpoppel, mein Junge, perlippe, perlappe, was tut das?!
Und es drehte der Narr sich unzählige Mal umeinander:
Kriegst ’n Lob, kleiner Max, und du kommst einen rauf auf der Schulbank!
Endlich aber versagte der Atem dem kreiselnden Hanswurst.
Und er mußte es sehn, was zu sehn er gefürchtet: es hing ein
unbekleideter Mann mit den Händen am Ast einer Buche,
leicht erreichbar vom Boden und nahe dem Stamme. So hing er
schweigend, ohne ein Wort. Doch nun löste, entkräftet, die eine
Hand sich langsam, sie rutschte herab und hing pendelnd zur Erde:
eine aber hielt fest, wie mit eisernem Willen, indes sich
der halb schwebende Rumpf an dem hängenden Arme bewegte,
bis zuletzt dann die blutende Last auf den Moosgrund herabschlug,
dumpfen Lauts, weit umher, wie Till vorkam, das Erdreich erschütternd.
Und es wandte den Sterbenden um, welcher auf dem Gesicht lag,
Till, der Gaukler, nun zu ihm gelangt, wie, das wußte er selbst nicht.
Es ist nichts, Kamerad! rief er laut: Kamerad, nur ein Streifschuß!
Ach, da lächelte schrecklich der andre. Es quollen die Augen
ihm voll Grauen hervor aus den Höhlen, sie bohrten den Blick in
Tillens Auge, als gält’s, ihm unnennbare Dinge zu künden.
Bruder! Bruder! rief Till, und er sah, wie die Lippe des Anglers