Tod im Staub - Brian W. Aldiss - E-Book

Tod im Staub E-Book

Brian W. Aldiss

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Beschreibung

Die Erde in der nahen Zukunft ist zu einer Albtraumwelt geworden: Ausgelaugt und abgewirtschaftet, von Insektiziden und Pestiziden vergiftet, bietet sie der sich explosionsartig vermehrenden Weltbevölkerung keinen Lebensraum mehr. Die meisten ihrer über zwanzig Milliarden Bewohner sind unterernährt und von Krankheiten gezeichnet. Allmächtige Farmer geben den Ton an. Die afrikanischen Länder – einst Spielball fremder Wirtschafts- und Konzerninteressen – treiben nun selbst Großmachtpolitik reinsten Wassers, während die früheren Industrienationen auf den Status von Entwicklungsländern herabgesunken und ihren Rohstofflieferanten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Kurzum: Die Erde ist eine Welt geworden, deren Bewohner sich fragen müssen, ob ein Ende mit Schrecken nicht besser ist als ein Schrecken ohne Ende ...

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BRIAN W. ALDISS

 

 

 

TOD IM STAUB

 

Roman

 

 

 

 

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Das Buch

Die Erde in der nahen Zukunft ist zu einer Albtraumwelt geworden: Ausgelaugt und abgewirtschaftet, von Insektiziden und Pestiziden vergiftet, bietet sie der sich explosionsartig vermehrenden Weltbevölkerung keinen Lebensraum mehr. Die meisten ihrer über zwanzig Milliarden Bewohner sind unterernährt und von Krankheiten gezeichnet. Allmächtige Farmer geben den Ton an. Die afrikanischen Länder – einst Spielball fremder Wirtschafts- und Konzerninteressen – treiben nun selbst Großmachtpolitik reinsten Wassers, während die früheren Industrienationen auf den Status von Entwicklungsländern herabgesunken und ihren Rohstofflieferanten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Kurzum: Die Erde ist eine Welt geworden, deren Bewohner sich fragen müssen, ob ein Ende mit Schrecken nicht besser ist als ein Schrecken ohne Ende …

 

 

 

 

Der Autor

Brian Wilson Aldiss, OBE, wurde am 18. August 1925 in East Dereham, England, geboren. Nach seiner Ausbildung leistete er ab 1943 seinen Wehrdienst in Indien und Burma, und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieb er bis 1947 auf Sumatra, ehe er nach England zurückkehrte, wo er zunächst als Buchhändler arbeitete. Dort begann er mit dem Schreiben von Kurzgeschichten, anfangs noch unter Pseudonym. Seinen Durchbruch hatte er mit Fahrt ohne Ende, einem Roman über ein Generationenraumschiff. Zu seinen bekanntesten Werken gehören Der lange Nachmittag der Erde, für das er 1962 mit dem Hugo Award ausgezeichnet wurde, und die Helliconia-Saga, mit der er den BSFA, den John W. Campbell Memorial Award und den Kurd Laßwitz Preis gewann. Brian Aldiss starb am 19. August 2017 im Alter von 92 Jahren in Oxford.

 

Erfahren Sie mehr über Brian W. Aldiss und seine Werke auf

www.diezukunft.de

 

 

 

 

 

www.diezukunft.de

 

 

 

Titel der Originalausgabe

 

EARTHWORKS

 

Aus dem Englischen von Evelyn Linke

 

 

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

 

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Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 1965 by Brian W. Aldiss

Copyright © 2020 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: Nele Schütz, München

Satz: Thomas Menne

 

ISBN 978-3-641-25654-8V001

1

 

Der Tote trieb im Wind dahin. Er stolzierte aufrecht auf den Hinterbeinen wie eine dressierte Ziege, genauso wie er es im Leben getan hatte, ganz korrekt, und war weiter außerhalb des Bannkreises von Ideologie, Nationalität, Mühsal und Inspiration, als er es jemals im Leben gewesen war. Ein paar dicke Schmeißfliegen waren bei ihm geblieben, obwohl er schon weit vom Festland entfernt war und über den ruhig wogenden Südatlantik dahinwanderte. Ab und zu wurde die quastenverzierte Borte seiner weißen Seidenhose vom Gischt der Wellen übersprüht.

Er kam von Afrika her und bewegte sich stetig auf mich zu.

Zu den Toten habe ich ein gutes Verhältnis. Weil es unter der Erde keinen Platz mehr für sie gibt, wie es früher der Brauch gewesen war, bewahre ich einige in meinem Gedächtnis auf. Da sind Mercator und der alte Thunderpeck und Jess, der außerhalb meines Schädels als tapfere Legende weiterlebt, und dann natürlich mein lieber March Jordill. In diesem Buch werde ich sie noch einmal begraben.

An dem Tag, als dieser neue Tote kam, ging es mir gar nicht gut. Mein Schiff, die Trieste Star, näherte sich ihrem Ziel an der afrikanischen Skelettküste, aber wie es sooft in den letzten Tagen jener langen Reise geschah, fühlten sich die wenigen menschlichen Mitglieder der Schiffsbesatzung wie in einem zähen Sumpf eingeschlossen, und wir waren ganz damit beschäftigt, uns gegenseitig förmlich zu ersticken – durch Freundschaft und Launen, Krankheit und zu enge Vertrautheit. Oh, es ist schon so lange her, und mir kommt es vor, als ob ich in einem dunklen Keller herumtaste, wenn ich die Erinnerungen zu greifen suche.

In meinen Augen hämmerte es schmerzhaft, mein Blick war verschwommen, der Mund trocken, die Zunge pelzig. Ich verspürte keinerlei Mitgefühl, als der Arzt mir sagte, dass Alan Bator wieder mit seiner Allergie in der Koje läge.

»Ich hab' die Allergie von dem so satt, Doktor«, sagte ich, während ich meinen Kopf auf die Hände stützte. »Warum stopfen Sie ihn nicht einfach mit einem Antihistamin voll und schicken ihn wieder an die Arbeit?«

»Ich habe ihm eine reichliche Dosis gegeben, aber ohne Erfolg. Schauen Sie ihn sich selbst an. Er kann sich nicht mehr auf den Beinen halten.«

»Warum müssen solche Krüppel überhaupt zur See fahren? Sie sagten einmal, dass er vielleicht gegen den Salzgehalt der Luft allergisch sei?«

Dr. Thunderpeck breitete die Hände aus. »Das war meine alte Theorie, aber jetzt denke ich an etwas anderes. Ich habe den ernsthaften Verdacht, dass er vielleicht gegen Antihistamine allergisch ist.«

Langsam und schwerfällig stand ich auf. Ich wollte nichts mehr hören. Der Doktor ist eine seltsame und faszinierende Erscheinung; klein, untersetzt und vierschrötig. Obwohl sein Gesicht sehr großflächig ist, scheint darin kein Platz für die einzelnen Teile zu sein; Augenbrauen, Ohrmuscheln, die Augen mit den schweren Tränensäcken, der Mund, die Nase – insbesondere die riesige Knubbelnase – sind übergroß geraten. Und über die wenigen freien Flächen zieht sich eine chronische Akne, die wie der verwitterte Rest eines Wandreliefs an einer alten Tempelmauer wirkt. Jedenfalls hatte ich im Moment genug von ihm, und zwar für den Rest der Reise. Ich nickte ihm kurz zu und ging nach unten.

Da es sowieso Zeit für die Morgeninspektion war und Thunderpeck sich nie beleidigt fühlte, kam er mir schwerfällig nach.

Seine Schritte waren wie das Echo der meinen, während ich das Fallreep zu den Laderäumen im untersten Deck hinunterstieg. Auf jedem Deck blinkten die Kontrolllampen der Überwachungsanlage, und bevor ich weiterging, fragte ich jedes Mal den Robotaufseher ab. Der alte Thunderpeck folgte mir nach wie ein Hund.

»Eigentlich könnten diese Schiffe völlig geräuschlos arbeiten«, sagte er in einem geistesabwesenden Ton, der vermuten ließ, dass er keine Antwort erwartete. »Aber die Konstrukteure dachten, dass sich eine absolute Lautlosigkeit ungünstig auf die Mannschaft auswirken könnte.«

Er bekam keine Antwort.

Wir gingen an den Laderäumen vorbei. Das Klarsignal von Laderaum Nr. 3 war verzögert, was ich mir zur näheren Untersuchung notierte, dann warf ich einen Blick hinein, um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war.

Laderaum Nr. 3 war leer. Für mich war ein leerer Laderaum immer etwas Angenehmes. Es tat mir wohl, den großen freien Raum zu sehen, aber auf Thunderpeck hatte es eine völlig andere Wirkung. Er fühlte sich überaus unbehaglich. Ich war von früher her an weite, freie Flächen und Räume gewöhnt. Der Doktor hatte jedoch nur das Leben in der Stadt gekannt, bevor er die einfache Arbeit auf der Trieste Star übernahm, weil er für das hektische Treiben der Stadt zu alt geworden war. Während der langen Zeit, die ich als Zwangsarbeiter auf dem Land verbringen musste, war mir der Begriff des von Menschenhand geschaffenen freien Raums vertraut geworden. Nicht dass ich mich nach jenen vergifteten Feldern zurückgesehnt hätte – nein, so ein Laderaum war es, der mir gefiel, eine Fläche, die leicht zu übersehen, zu beherrschen und ziemlich sauber war, und über die ich Verfügungsgewalt hatte.

Sorgfältig sah ich mich um; einmal hatte ich hier unten die Gestalt getroffen, und beim Gedanken daran schlägt mein Herz immer noch schneller; welches Vergnügen bereitet es doch, das Hämmern des eigenen Herzschlags einfach zu ignorieren, besonders an solchen Tagen, an denen man sich nicht allzu krank fühlt.

»Kommen Sie raus, wenn Sie fertig sind«, sagte Thunderpeck vom Laufsteg her. Er litt unter Platzangst; das ist eine der vielen Krankheiten, die man in den entsetzlich überfüllten Städten bekommen kann. Über Thunderpeck lief das Gerücht um – ich habe seinen Wahrheitsgehalt nie nachgeprüft, weil mir die Geschichte soviel Spaß machte –, dass er einmal, als ihm plötzlich bewusst wurde, dass er mitten in einem leeren Laderaum stand, ohnmächtig umgefallen sei.

Als wir später auf dem Laufsteg weitergingen, sagte ich: »Es ist wirklich eine Schande, Doc, dass all diese Laderäume leer sind und das ganze Schiff veraltet ist.« Das war mein üblicher Kommentar, und er gab seine Standardantwort.

»Nun, das bringt eben der Fortschritt mit sich, Knowle.«

Aber ich schweife ab. Fangen wir noch einmal von vorn an. Welch ein Gefängnis können Worte doch sein! Sie füllen das Innere ganz aus, man lebt in ihnen und außerhalb von ihnen, und sie ziehen sich wie Fesselringe rund um das Universum. Wahrscheinlich wurde die Sprache erfunden, dass sie uns eine Hilfe sei. Ich persönlich kann nur sagen, dass ich mich als Gefangener auf dem Land freier fühle. Die schneidende Kälte des Winters. Das Gewicht des Bettzeugs in jenen dunklen Nächten, wenn man alles, was man besaß, am Körper trug oder über und um sich schichtete. Der Gestank der im fahlblauen Morgengrauen kaum sichtbaren Auspuffgase der Traktoren. Es liegt nicht daran, dass die Worte nicht auf all diese Dinge passen, sondern daran, dass sie eine andere, eigene Wirklichkeit ausdrücken, wenn man sie hinschreibt. Aber wer bin ich schon, dass ich das sagen darf?

Das eine will ich doch sagen: In diesem großartigen und schrecklichen Jahr bin ich in diesem Teil der Welt sicherlich der einzige Mensch, der den Versuch macht, irgendeinen Bericht über irgendetwas zu schreiben.

Jetzt begreife ich, weshalb man Dinge wie zum Beispiel das Schreiben und die Zivilisation – damit meine ich die Kultur und die Grenzen, die sie auferlegt – aufgegeben hat: Sie waren zu schwierig.

Ich heiße Knowle Noland; in jener Zeit, an die ich mich zu erinnern und über die ich zu berichten versuche, war ich jung, ohne Frau, krank und Kapitän, wie man es nannte, des 80 000-Tonnen-Frachters Trieste Star, des schönsten Schiffes der Star-Linie. Und heute – mein jetziges Ich, obwohl ich nicht wissen kann, von wem, wo und wann jemals dieser Bericht gelesen wird – bin ich immer noch Noland, hager und mit alterssteifen Gelenken, aber mit ziemlich klarem Verstand, einer liebevollen Frau an meiner Seite, ohne Nachkommen, stolz und voller Misstrauen – letzteres war ich schon auf der Trieste Star. Aber jetzt gibt es dafür gute Gründe, und ich kenne diese Gründe. Ich habe viel erlebt; mögen mir meine Erfahrungen helfen, diese Geschichte zu berichten.

Also, an dem Tag, an dem der Tote kam, gingen Thunderpeck und ich wie üblich durch das Schiff, und vielleicht sollte ich mir gar nicht die Mühe machen, mich genau an das zu erinnern, was wir sprachen. Unsere Unterhaltungen verliefen immer in denselben Bahnen.

»Das bringt eben der Fortschritt mit sich, Knowle«, sagte er. Er sagte das oft, denn er hasste den Fortschritt, und alles, was er sonst noch verabscheute, schrieb er gleichfalls dem Fortschritt zu. Bevor ich erkannt hatte, wie tief verwurzelt diese seine Abneigung war, hatte ich seine Einstellung für sehr vernünftig gehalten; aber jetzt bin ich so weit, dass ich ihn für einen Narren halte. Ich meine, wenn man den Begriff des Fortschritts analysiert, dann ist er doch nur eigentlich das, was Generationen von Menschen sukzessive getan haben und tun; und wie kann man die Schuld für das, was Menschen tun, auf den Fortschritt abwälzen oder auf die Menschheit, wenn man selbst dazu gehört? Damit will ich aber nicht sagen, dass ich die Gesellschaft des Arztes nicht schätzte.

»Das bringt eben der Fortschritt mit sich, Knowle«, sagte er.

Man muss irgendetwas reden, irgendeine Anstrengung machen, um menschlich zu erscheinen, wenn man sich durch die endlosen Gänge eines riesigen, vollautomatisierten Schiffes durcharbeitet, das zwei Jahre lang ohne Aufladen der Brennstoffkammern und technische Überholung auf See bleiben kann und meist auch ist. Wir waren seit neunzehn Monaten unterwegs und liefen die meisten Häfen nur für einen Tag an, um Fracht zu erbetteln.

In den malerischen alten Zeiten waren die Häfen nicht so leistungsfähig gewesen, wie sie es heute sind. Damals hatte es alle möglichen Vorschriften gegeben und menschliche Dockarbeiter mit all ihren seltsamen, fast kultischen Gewerkschaften und ähnlichem, und dazu das umständliche Auftanken und das ganze andere Drum und Dran, das jetzt verschwunden ist; man konnte damals bis zu einer Woche im Hafen liegen, an Land gehen und sich betrinken und all das tun, was Seeleute zu tun pflegten. Ich weiß darüber genau Bescheid, denn im Gegensatz zu Doc und den anderen kann ich lesen. Und heute sind atomgetriebene Frachter kleine, in sich abgeschlossene Welten, die ihrem vorprogrammierten Kurs folgen, und die wenigen Männer, die an Bord gebraucht werden, denken allmählich in denselben festen Gleisen wie Maschinen. – Kein Wunder, dass mich die Migräne immer ärger plagte.

Wir durchquerten den Maschinenraum, und auf dem Weg nach oben warf ich einen Blick in die Mannschaftsquartiere in der Back. Richtig, da lag Alan Bator auf seinem Bett und starrte düster auf die Segeltuchbespannung der Koje über sich. Wir begrüßten uns mit einem Nicken. Alan sah aufgequollen und krank aus; mich packte die Lust, ihn zu seiner prächtigen Vorstellung zu beglückwünschen –, oder einen Schreikrampf zu bekommen. Manchmal zitterte ich vor Nervosität, obwohl ich keineswegs übersensibel war.

Ich ließ den Arzt bei Alan zurück und stieg zum Achterdeck hinauf. Während ich nach oben kletterte, versank meine Umwelt in einem satten Dunkelbraun, durch das seltsame und unbeschreibliche Farbblitze zuckten: Farben, wie man sie in alten keltischen Manuskripten oder in Höhlen eingebettet findet. So bietet das Kranksein ästhetischen Trost; wie oft habe ich an die Worte unseres größten zeitgenössischen Denkers, des Computer-Programmierers Epkre, denken müssen: »Krankheit ist der Beitrag unseres Jahrhunderts zu den positiven Aspekten der Zivilisation.«

Auf dem Achterdeck angekommen, glaubte ich für einen entsetzlichen Moment lang die Gestalt zu sehen. Dann verwandelte sich der Umriss in den teilweise demontierten Rahmen des Autonavigators. Ein Reparaturrobot testete geduldig Schaltung um Schaltung. Er wurde von Abdul Demone beaufsichtigt, der daneben saß und vor den Augen einen Bildfeldzerleger trug. Er schnippte ihn auf die Stirn und nickte mir dann zu.

»Guten Morgen, Kapitän.«

Ein höflicher, schweigsamer kleiner Mann, dieser Abdul. Er war Spastiker und nahm seinen verkrüppelten Fuß nicht von dem kleinen Schemel herunter, während er mit mir sprach.

»Können Sie's wieder in Ordnung bringen?«, fragte ich.

»Es dürfte höchstens zwei Stunden dauern, bis der Autonavigator wieder funktioniert.«

»Hoffentlich haben Sie recht. Wir erreichen die Küste nämlich im Laufe des Nachmittags.«

Wieder überfiel mich ein nervöses Zittern. Auf einem Schiff ist man stärkeren Belastungen ausgesetzt als in der Stadt. In den Städten ist alles so organisiert, dass man sein ganzes Leben lang nicht einmal nachzudenken braucht; das ist natürlich eine wunderbare Sache, denn kranke Menschen wollen nicht von Verantwortungen geplagt werden. Wie oft habe ich mir während einer Reise schon gewünscht, den Autopiloten abzuschalten und das Schiff auf den Klippen auflaufen zu lassen, es zu vernichten, alles zu vernichten!

Auf Deck wehte eine frische Brise. Ich blickte prüfend über die weite, saubere Fläche hinweg, auf der jedoch viele Gegenstände herumlagen und -standen; das Deck wirkte verlassen und irgendwie nackt unter der tropischen Sonne. An der Reling kämpfte Di Skumpsby mit jemandem.

Ich fuhr wie elektrisiert hoch. Es gab niemanden, mit dem er hätte kämpfen können. Außer dem Arzt bestand meine menschliche Besatzung aus drei Leuten – Di, Alan und Abdul. Und ich wusste, dass die anderen unten waren. Wieder durchzuckte mich der Gedanke an die Gestalt; ich fragte mich, ob ich nicht wieder eine Halluzination hätte. Dann beherrschte ich meine Gefühle und ging zu ihm hin, um ihm zu helfen.

Di kämpfte gar nicht. Er versuchte, jemanden über die Reling zu ziehen. Als ich näher heran war, sah ich das Gesicht des Fremden. Er war schwarz und gedunsen, und der Mund klaffte schrecklich.

»Helfen Sie mir, Kapitän, der Kerl ist tot«, rief Di.

Daran konnte kein Zweifel bestehen. Er war gut gekleidet, das sah man, obwohl sein Anzug vom Seewasser durchnässt war. Er stank atemberaubend. Die weißen Seidenhosen klebten eng an seinem Körper. Mein Toter war angekommen; pünktlich, wie es das Schicksal wollte, hatten sich unsere Wege gekreuzt.

»Er kam über das Wasser«, sagte Di. »Ganz aufrecht, und schwankte von einer Seite auf die andere. Als ob er auf den Wellenkämmen spazieren ginge. Ich war zu Tode erschrocken, wirklich!«

Auf dem Rücken des Mannes hing eines dieser neuen Antigrav-Geräte, ein unhandlicher Apparat, fast so groß wie ein Kühlschrank. Da keiner von uns wusste, wie man es ein- oder ausschalten konnte, hatten wir ziemliche Schwierigkeiten, den Mann über die Reling zu ziehen. Endlich hatten wir es geschafft. Irgendetwas – vielleicht eine Möwe – hatte ihm ein Auge ausgepickt. Er schien lautlos und erstarrt in meine Richtung zu schreien, und ich fühlte mich versucht, den Schrei zu erwidern.

»Bringen wir ihn ins Gehäuse von Deckreiniger Nummer zwei«, sagte ich. Solange wir das Gerät nicht abgeschaltet hatten, würde der Leichnam weiterschweben. Damals schien es nur ein glücklicher Zufall zu sein, dass er von der Bordwand der Trieste Star aufgehalten worden war; aber da hatte er noch nicht die Kette des Todes in Gang gesetzt, die er hinter seiner ekelerregenden Erscheinung herzog.

In dem großen Kasten war eine der automatischen Deckreinigungsmaschinen untergebracht, die jeden Morgen in Betrieb gesetzt wurden. Die Maschine stand schimmernd und seelenlos da, als wir unseren Gefährten in den Kasten hineinpferchten. Sobald wir ihn sicher untergebracht hatten, drehte Di sich um, rannte zur Reling und erbrach sich. Ich hingegen ging in meine Kabine und legte mich hin. Ich hatte das Gefühl, dass mein Gehirn hämmerte und pulsierte wie ein Herz.

Es gibt rationale Dinge, die man akzeptieren kann, und andere, bei denen das unmöglich ist. Ich konnte alle Gründe begreifen, aus denen ich auf einem so lausigen und veralteten Schiff wie der Trieste Star war; die Gründe, aus denen ein Toter an Bord gekommen war, vermochte ich nicht zu akzeptieren. Ich läutete nach Dr. Thunderpeck.

»Di hat mir gerade von der Leiche erzählt. Bleiben Sie liegen und entspannen Sie sich, Knowle«, sagte er, als er in meine Kabine kam. Er machte seine kleine schwarze Tasche auf und nahm ein paar Tabletten heraus.

»Ich werde Ihnen ein Beruhigungsmittel geben.«

»Haben Sie auch ein Mittel, mit dem man Tote heilen kann? Es ist schlimm genug, auf diesem elenden Schiff sein zu müssen, aber der Gedanke, dass wir über eine riesige Wasserwüste hinweg von einem Leichnam verfolgt wurden …«

Während ich von Thunderpeck die Tabletten und ein Glas Wasser entgegennahm, sagte er sanft: »Aber es gefällt Ihnen doch auf dem Schiff, Knowle, das dürfen Sie nicht vergessen. Denken Sie daran, was Sie waren, bevor Sie sich den Wanderern anschlossen. Dafür gab es nur eine Strafe – den Tod.«

»Erinnern Sie mich bloß nicht an die Wanderer!« Ich weiß noch genau, dass ich das sagte, und zwar ziemlich oft, denn jedes Mal, wenn ich daran dachte, was ich den Wanderern angetan hatte, fühlte ich mich schuldbewusst.

»Und in der Stadt – da waren Sie auch nicht glücklich, stimmt's?«

»Ich weiß ja, dass Sie recht haben, aber ich habe Ihnen schon ein paar Mal gesagt, dass auf mir ein Fluch lastet. Wie hat mich dieser Kadaver hier gefunden? Erzählen Sie mir bloß nicht, dass es ein Zufall war.«

»Ich erzähle Ihnen überhaupt nichts. Denken Sie selbst darüber nach.« Thunderpeck spielte mir gegenüber gar zu gern den Überlegenen. »Sie wissen ja, was diese neuen Antigrav-Geräte kosten – eine geradezu phantastische Summe. So etwas kann sich nur ein sehr reicher Mann leisten. Bisher wurden erst sehr wenige Exemplare hergestellt, und die sind ausschließlich für Herzkranke bestimmt. Mit einem solchen Gerät kann man erreichen, dass ein siebzig Kilogramm schwerer Mensch nur noch zehn Kilo wiegt. Das erspart dem Herzen viel Mühe. Somit wissen wir bereits, dass unser Freund sowohl reich als auch herzkrank war. Und wo findet man solche Leute häufig? An der Küste, am Meer, weil das für ihre Gesundheit gut ist. Er starb also während eines Spazierganges am Strand – das kommt wirklich manchmal vor, wie Sie zugeben müssen. Der Landwind hat ihn hinausgeweht und zu uns getragen.«

»Aber wir halten Kurs auf die Skelettküste, Doc, wie Sie sich vielleicht erinnern. Dort lebt niemand! Jedenfalls niemand, der seine fünf Sinne beisammen hat!«

»Schon gut, Knowle, Sie wissen sicher besser Bescheid als ich. Jetzt legen Sie sich hin und ruhen sich aus. Sie haben wieder einen akuten Anfall von Verfolgungswahn.«

Als er gegangen war, lag ich in der halbdunklen Kabine und dachte nach. Zuerst über die Trieste Star. Ja, sie war für mich ein Zufluchtsort, und zwar in einem noch stärkeren Maße, als Thunderpeck es wusste. Sie bewegte sich, sie war von der übrigen Welt isoliert, und das behagte mir. Aber die ganze Zeit über wurde sie von Thunderpecks »Fortschritt«, der auf fernen Kontinenten entwickelt wurde, gejagt, und ihre Tage waren gezählt. Als ich vor einem Dutzend Jahren angeheuert hatte, florierten die Häfen und das Frachtgeschäft noch; jetzt war die Situation ganz anders. Dieser mächtige Metallkoloss, fast vollautomatisch und atomgetrieben, mit einer Wasserverdrängung von 81 300 Tonnen, 311,90 Meter lang bei einer größten Schiffsbreite von 42,40 Metern – dieses Superschiff war veraltet. Seine Zeit war vorüber.

So modern die Trieste Star auch war, sie war altmodisch im Vergleich zu den großräumigen Tragflügel-Schiffen oder den schweren, neuen Hovercraft-Frachtern, die fast überall fahren konnten, gleichgültig ob zu Wasser oder zu Land. Ich hasste diese riesigen, metallenen Fladen, die auf einem Luftkissen dahinglitten, und empfand eine ironische Befriedigung bei dem Gedanken, dass auch sie eines Tages überholt sein würden, wenn man die neu erfundenen Antigrav-Gleiter so weit entwickelt hatte, dass sie schwere Lasten wirtschaftlich transportieren konnten.

Die Tragflügel-Schiffe und die Hovercraft-Frachter waren daran schuld, dass wir gezwungen waren, solche armseligen Plätze wie die Skelettküste anzulaufen und dort für einen Kulturerde-Fabrikanten in Liverpool Sand zu laden. Das deckte kaum die Frachtkosten.

Was der Kulturerde-Fabrikant nach dem Löschen mit dem Sand machte, interessierte uns nicht. Ich bin zwar ein intelligenter Mensch und habe mir selbst eine gewisse Bildung beigebracht, aber selbst mir genügte es zu wissen, dass der Sand zu Kulturerde verarbeitet wurde, auf der man Viehfutter anbauen konnte.

»Der Hunger der Welt drückt sich in den mannigfachsten Formen aus«, sagte March Jordill einmal zu mir. Wir sortierten gerade Lumpen. Es war Abend; ich erinnere mich noch an das Dämmerlicht. Er redete mit mir wie mit einem Gleichgestellten. »Sogar die Religion hat sich dem Hunger unterordnen müssen, wie alles andere; man kann das mit der Vergangenheit vergleichen, als die unterbevölkerten Länder der westlichen Welt, die alles in Fülle hatten, ihr Denken dem Begriff des Überflusses unterordneten. Wir haben das heute erkannt, aber damals war man sich dessen nicht bewusst.«

Sand! Es war eine noble Aufgabe, Sand um die Welt zu transportieren. March Jordill, ein großer Philosoph und Lumpensammler, hätte meinen Aufstieg vom Lumpensortierer zum Sandtransporteur zu würdigen gewusst. Ein Sandkorn hätte vielleicht sein Interesse geweckt. Der Sand, den wir von der Skelettküste holten, bestand hauptsächlich aus Quarzsand, vermischt mit Gips und Steinsalz, und enthielt Spuren seltener Minerale, wie Turmalin- und Thoriumverbindungen, deren Gewinnung sich allerdings nicht lohnte. Es ist nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass nicht die ganze Welt aus Sand besteht. – Jetzt komme ich beim Schreiben allmählich besser in Schwung. Man braucht sich nur an alles zu erinnern, einige Dinge auszulassen und muss nur darauf achten, dass die Proportionen stimmen.

Vielleicht sollte ich nicht auslassen, was ein bekannter öffentlicher Redner einmal über den Hunger gesagt hat: »Unser Hunger ist unsere Zivilisation. Aus ihm haben wir Kraft und Schönheit gewonnen.« Ich war damals neun Jahre alt, als ich diese Worte hörte, und soeben aus dem Waisenhaus entlassen worden. Hammer und ich standen ganz hinten in der Menge. Als Hammer hörte, was der Mann sagte, blickte er auf seinen von der Sprue aufgeblähten Bauch, lachte, versetzte mir einen Schlag und rannte weg.

Die ganze Vergangenheit steht wieder auf, wenn man so dasitzt und nachdenkt. Ich erinnere mich – ja, ich fühle förmlich das schäbige Lager unter dem Tisch, das Hammer und ich uns teilten. Wenn ich die Spur jedes Gedankens zurückverfolgen würde, welch ein Labyrinth würde dieser Bericht werden!

Während ich auf all die leisen Schiffsgeräusche lauschte und die Farben betrachtete, die in der Dunkelheit meines Schädels aufleuchteten, kreisten meine Gedanken ständig um den komplizierten Prozess der Kulturerde-Herstellung, eine der Wissenschaften, über die wir in den Steinwüsten der Städte soviel hörten. Erde – Schmutz – schlimme Tage als Landarbeiter auf einer Farm – das schwere Bettzeug, das Gashaus – das karge Land. Arbeit unter der allmächtigen Befehlsgewalt der Farmer. Noch immer hatte ich Albträume über den Farmer – er verfolgte mich fast so hartnäckig wie die Gestalt!

 

Farmer, Farmer friss die Erde,

Sarg ist Wiege, Sarg ist Bett,

schick uns Pest, schick uns Brot,

bist der Schöpfer aller Not.

 

Nicht nur der Farmer, sondern auch der Mann, den ich verriet, als ich heimlich die Farm verließ – oder richtiger: entführt wurde –, um ein Wanderer zu werden. Aber darauf komme ich noch zurück. Immer wieder glitten meine Gedanken in jene Zeiten zurück – manchmal in klaren Momenten, manchmal wenn Albträume und die Wahnvorstellungen meiner Krankheit mich peinigten.

Wie unter einem Zwang stand ich auf und schlüpfte in die Segeltuchschuhe. Füße, Schuh, Bein, das Gestell der Koje, der Boden, Schatten verwoben sich vor meinem Auge zu einem seltsamen Muster. Was war das für ein Geruch? Manchmal schienen es Zwiebeln zu sein, manchmal Veilchen. Mir kam der Geruch wie eine Erinnerung an eine ferne Vergangenheit vor.

Außerhalb der Kabine war die Szenerie wie immer: Pappdeck, Plastikozean. Die Sonne leuchtete zu grell darauf, wie überstarke Atelierscheinwerfer auf eine Filmszene. Alarmiert sagte ich zu mir selbst:

»Ich bin schon wieder dicht davor. Jetzt weiß ich, dass das Ganze eine Illusion ist. Es existiert gar nicht, und ich bin irgendwo anders – ich bin überhaupt nicht auf einem Schiff. Man merkt ja, dass es nur Kulissen sind! Die Schiffsbewegung stimmt nicht, und ein paar Schatten fallen falsch. Es muss doch eine bessere Welt als diese hier geben! Ganz langsam arbeite ich mich zur Wirklichkeit durch. Und in der Seekiste Nr. 2 … Ist es dort, wo die Wahrheit liegt?«

Ich hatte vergessen, was in Kasten Nr. 2 lag oder stand. Niemand war auf dem Deck, niemand wanderte auf dem Meer. Ich ging zu dem Kasten hin und machte ihn auf.

Er lachte, und es war mehr ein Lachen der Überlegenheit als der Fröhlichkeit. Ich sah genau, wie seine Lippen sich verzogen, wie sie in seelenlosem, schrecklichem Humor erst die Zähne freigaben, dann das Zahnfleisch. Es war – es war der Farmer!

»Noland, Nr. 14 759 180! Sie wussten, dass ich die ganze Zeit an Bord war, stimmt's?«, sagte er. Ich hatte nicht mehr gewusst, dass er so groß war. Ein fröhlicher Mann, so fröhlich, wie es nur brutale Menschen sein können.

»Ich wusste, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.«

»Das ist nicht ganz richtig ausgedrückt, Noland. Es liegt einfach daran, dass Sie nicht wirklich sind; verstehen Sie das?«

Ich trug ein Schiffsmesser im Gürtel; aber wenn ich nicht wirklich war, konnte ich ihn dann überhaupt verwunden?

»Sie sind hergekommen, weil ich Jess verraten habe, nicht wahr?«

»Und wegen all Ihrer anderen Sünden.«

Hinter dem Farmer war nicht die Wand des Kastens, sondern etwas anderes. Meine Augen weigerten sich, das weiterzugeben, was sie sahen. Es war eine Leere, aber sie war seltsam verschwommen und irreal, als ob man sich mit jemandem unterhält und plötzlich merkt, dass man durch das Auge des Gesprächspartners und weiter durch seinen Schädel hindurchblicken kann. Vielleicht war auch er nicht wirklich?

Bei diesem Gedanken warf ich mich nach vorn und zog das Messer. Als wir gegeneinander prallten, stieß ich dem Farmer das Messer in die Rippen. Das müsste wirklich reichen! Aber er lächelte immer noch, lächelte, als wir hinfielen und über den Boden rollten. Die Arme um ihn geschlungen, wie eine innige Umarmung zwischen Leichen. Aber sein Lächeln – nein, die Welt drehte sich rasend –, sein Lächeln stank, und wo die Augen waren … Die absonderliche Klarheit meines Blicks ließ mich in kleine, runde Krater versinken, wo sich Würmer, so schneeweiß und zart geformt, durch ein schmutziges Gewebe wanden. In dieser Sekunde zerriss das Gewebe meines Bewusstseins.

Als es sich langsam wieder zusammenfügte, lag ich auf dem Deck. Bevor ich die Augen öffnen konnte, fühlte ich die Wärme des Bodens unter mir und die Hitze der Sonnenstrahlen auf dem Genick. Mühselig richtete ich mich auf. Neben mir lag, schrecklich in seinem ewigen Schlummer gähnend, der Kadaver, den Di Skumpsby und ich in den Kasten gepfercht hatten, immer noch mit dem Antigrav-Gerät auf dem Rücken. Anscheinend hatte ich bei meinem Angriff, als ich den Farmer vor mir zu sehen glaubte, die Energiezufuhr abgeschaltet. Ich dankte dem Himmel, dass die Wahnvorstellungen so kurz gedauert hatten. Manchmal bleibe ich während einer Migräneattacke stundenlang in jenem Abgrund liegen. Das heißt, ich blieb. Ich war geblieben, bin geblieben … Ich sehe, ich bringe schon die Zeiten durcheinander. Ja, es ist lange her.

Ich blinzelte über die grün angestrichenen Gerätschaften auf Deck und sah Di Skumpsby herankommen. Er stand an der Reling und starrte über das Meer. Vielleicht wartete er darauf, dass sich noch ein Leichnam in seine Arme warf.

Ich ignorierte das Hämmern in meinem Schädel und wandte mich zu dem Ding neben mir. Es sah aus, als ob Thunderpecks Diagnose richtig gewesen wäre: Der Mann war alt und trug an einer dickgeäderten Hand einen dünnen Ring. Er war gut gekleidet. Ich überlegte, wer er wohl gewesen sein mochte, dieses armselige, alte Gestell, das sich ausgerechnet einen Landwind ausgesucht hatte, in den es seinen letzten Seufzer hauchte. Ich wandte den Blick von seinem Gesicht ab, während ich in seine Jacke griff und die Innentasche abtastete. Ich fand eine Brieftasche und ein dünnes Bündel Briefe, von einem Gummiband zusammengehalten.

Ich steckte beides ein.

Unter dem rechten Arm der Leiche sah ich einen roten Schaltknopf, der zu dem Antigrav-Gerät gehörte. Ich schob ihn vorsichtig nach oben. Sofort ertönte ein leises, stetiges Summen, das unter den Schiffsgeräuschen kaum herauszuhören war; gleichzeitig begann der Kadaver sich zu bewegen und aufzurichten. Ich hielt ihn sorgfältig fest, manövrierte ihn in den Kasten zurück und verschloss ihn. Dann ging ich in meine Kabine, um mir die Briefe anzusehen.

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