Topografie und Funktion des Bewegungssystems - Michael Schünke - E-Book

Topografie und Funktion des Bewegungssystems E-Book

Michael Schünke

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Beschreibung

<p><strong>Funktionelle Anatomie – die Fusion von Struktur und Bewegung</strong></p><p>Um effektiv mit Patientinnen und Patienten arbeiten zu können, ist es nicht nur elementar, die Anatomie des menschlichen Bewegungsapparats zu kennen. Entscheidend ist auch, zu verstehen, wie die einzelnen anatomischen „Bausteine“ dieses Systems zusammenarbeiten.<br></p><p>Diese funktionelle Anatomie stellt der Autor Michael Schünke in diesem Buch dar. Anhand von Abbildungen aus dem Anatomie-Standardwerk PROMETHEUS zeigt er, welche der Strukturen – Knochen, Muskeln, Ligamente, Gelenkflächen etc. – an unterschiedlichen Bewegungen beteiligt sind und welches die Voraussetzungen dafür sind, dass dieses Zusammenspiel reibungslos funktionieren kann.<br></p><p>Daneben verdeutlichen klinische Beispiele von „Arthrose“ bis „Zehendeformitäten“, welche Störungen es in diesem feinjustierten System geben kann. Einen schnellen Überblick geben Lernboxen, in denen Ursprung, Ansatz und Funktion der einzelnen Muskeln beschrieben werden.</p><p>Neu in dieser 4. Auflage:<br></p><ul><li>detaillierte Angaben zur Gesamtzahl der Knochen des menschlichen Skeletts</li></ul><ul><li>Neue Erkenntnisse zum Aufbau, zur Funktion sowie zur Innervation von Muskelfaszien</li></ul><ul><li>Bauplan des menschlichen Körpers nach topografischen und funktionellen Gesichtspunkten</li></ul>

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EPUB

Seitenzahl: 706

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Topografie und Funktion des Bewegungssystems

Funktionelle Anatomie für Physiotherapeuten

Michael Schünke

4., überarbeitete und ergänzte Auflage

710 Abbildungen

Biografie

Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. Michael Schünke wurde am 23. Juli 1950 in Dippoldiswalde/Sachsen geboren und lebt heute mit seiner Frau, der Biologin Gabriele Schünke, in Kiel-Kronshagen.

Abb. 0.1 Michael Schünke

Studium1974–1978 Fachrichtung Biologie/Diplom (Zoologie, Limnologie und Chemie) an den Universitäten Tübingen und Kiel

1979–1982 Promotion zum Dr. rer. nat. (summa cum laude) an der Mathematisch- Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel (Lehrstuhl für Zoophysiologie)

1983 Fakultätspreis der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel

1983–1989 Fachrichtung Humanmedizin an der Universität Kiel

1987–1989 Promotion zum Dr. med. (magna cum laude) an der Medizinischen Fakultät der Universität Kiel (Anatomisches Institut)

1989–1991 Arzt im Praktikum

1991 Approbation als Arzt

Berufsweg1979–1983 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zoo­logischen Institut/Abt. Zoophysiologie der Universität Kiel

1983–1985 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Anatomischen Institut der Universität Kiel

1985–1991 Hochschulassistent am Anatomischen Institut der Universität Kiel

1991 Venia Legendi für das Fach Anatomie und Ernennung zum Privatdozenten

1991–1992 Oberassistent am Anatomischen Institut der Universität Kiel

1992–1994 Oberassistent am Institut für Anatomie der Medizinischen Universität der Universität Lübeck

1993 Venia Legendi für das Fach Anatomie der Medizinischen Universität Lübeck

1994 Berufung zum Universitätsprofessor am Anatomischen Institut der Universität Kiel

1994–2015 Direktor des Anatomischen Instituts der Universität Kiel

Vorwort zur 4. Auflage

Meine Erfahrung von fast 25 Jahren Lehrtätigkeit an der Lubinus-Schule für Physiotherapie in Kiel (1985–2010) haben dieses Buch von der 1. Auflage an geprägt. Die Vermittlung von komplexen anatomischen und funktionellen Zusammenhängen an begeisterte und wissbegierige Physiotherapie-Studierende ist eine zutiefst befriedigende Tätigkeit, die mir all die Jahre sehr viel Spaß gemacht hat und bei der ich selber viel gelernt habe. Daher blicke mit Stolz und großer Genugtuung auf diese intensive Zeit meiner Lehrtätigkeit zurück und empfinde eine tiefe Dankbarkeit.

Als die 1. Auflage der „Funktionellen Anatomie für Physiotherapeuten“ damals im Jahr 2000 erschien entstanden gerade die ersten fantastischen Prometheus-Abbildungen von Karl Wesker und Markus Voll im Thieme-Verlag. Mittlerweile haben diese beiden großartigen Künstler mehr als 6000 dieser unvergleichlichen Abbildungen gezeichnet, von denen viele seit der 2. Auflage auch in diesem Buch zu finden sind. Die damalige Entscheidung, das Buch mit einem modernen Layout und den brillianten Prometheus-Abbildungen auszustatten verdanke ich Rosi Haarer-Becker und Fritz Koller, zwei von sehr vielen, äußerst motivierten Menschen aus dem Thieme-Verlag, die mein Buch immer mit großem Engagement und Enthusiasmus die ganzen Jahren begleitet haben. Unbedingt erwähnen muss ich in diesem Zusammenhang auch Sabine Bartl und Eva Grünwald sowie Jürgen Lüthje und Manfred Lehnert.

Seit der 3. Auflage habe ich abermals das Glück, zwei sympathische und vor allem sehr kompetente Mitarbeiter des Thieme-Verlages an meiner Seite zu haben, und zwar Joachim Schwarz und Martin Teichmann, deren Mitarbeit ich sehr schätze und bei denen ich mich von ganzem Herzen für die professionelle Begleitung dieser 4. Auflage bedanken möchte.

Die vorliegende Auflage profitiert nicht nur von meiner Autorentätigkeit am Prometheus-Atlas, sondern vor allem von den vielen begeisterten, aber auch kritischen Leser*innen, die das Buch über viele Jahre wohlwollend begleitet haben und durch das Auffinden von Fehlern sowie die Formulierung von sachgerechten Kommentaren viele der nötigen Korrekturen initiierten.

Neu hinzugekommen in der vorliegenden 4. Auflage sind nicht nur detaillierte Angaben zur Gesamtzahl der Knochen eines menschlichen Skeletts und die Erläuterung des Bauplans des menschlichen Körpers unter funktionellen und topografischen Gesichtspunkten, sondern vor allem die vielen neuen Erkenntnisse zum Aufbau, zur Funktion sowie zur Innervation von Muskelfaszien.

Nach aktuellem Forschungsstand (Mense, Thieme 2021) stützen die Faszien nicht nur das muskuloskelettale System, sondern spielen eine wichtige Rolle bei der muskulären Kraftübertragung, bei der Körperwahrnehmung, der Schmerzleitung und selbst bei der Immunabwehr. Man nimmt heute an, dass Verhärtungen, Verklebungen und/oder Verspannungen im Fasziennetz – aufgrund von Fehlhaltungen oder -belastungen – die Befindlichkeit des ganzen Körpers beeinflussen und weitergehende Beschwerden verursachen können. Forscher und Therapeuten gehen daher heute davon aus, dass sich Schmerzen und Beschwerden durch gezielte Manipulation des faszialen Netztes lindern oder sogar komplett beseitigen lassen.

Also, liebe Leserinnen und Leser, die spannenden Reise durch die Welt der Knochen, Gelenke und Muskeln geht weiter und zwar deutlich bunter als vorher.

Kronshagen, im Juli 2023

Michael Schünke

Vorwort zur 1. Auflage

Seil mehr als 15 Jahren unterrichte ich angehende Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten im Fach Anatomie an der Lubinus-Schule für Physiotherapie in Kiel. Neben meiner Lehr- und Forschungstätigkeit am Institut für Anatomie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist der Unterricht an der Lubinus-Schule für mich eine überaus angenehme Erfahrung. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen liegt es sicherlich daran, dass angehende Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, die sich für diesen Beruf entschieden haben, fast ausnahmslos überaus motivierte und engagierte junge Menschen sind. Jeder der unterrichtet weiß, dass diese Eigenschaften Grundvoraussetzungen für eine solide und erfolgreiche Wissensvermittlung sind.

Relativ trockenes anatomisches Wissen zu vermitteln kann nur dann funktionieren, wenn beide Seiten – sowohl Lehrer als auch Schüler – miteinander kooperieren und dadurch wiederum voneinander profitieren. Dies setzt bei den Schülern, neben der Bereitschaft eine schier unendliche Fülle von anatomischen Begriffen, Namen und Funktionen zu bewältigen, vor allem Begeisterungsfähigkeit, Neugier, Wissbegierde und Kritikfähigkeit voraus. Der Lehrer wiederum muss die Schüler begeistern und mitreißen können, aber er muss sein Wissen auch erfolgreich vermitteln können. Unter diesen Voraussetzungen wird die eigene Lehrtätigkeit nie zur Routine, sondern immer wieder zu einer spannenden Reise durch die faszinierende Welt der Anatomie. Wenn diese Mischung stimmt, kann eigentlich nichts mehr schief gehen.

Vielleicht ist es mir gelungen, meine Begeisterung für das Fach Anatomie weiterzugeben. Selten habe ich von Schülerinnen und Schülern soviel Engagement und so viel Lernwilligkeit erfahren, wie in all diesen Jahren meiner Unterrichtstätigkeit an der Lubinus-Schule. Und so möchte ich dieses Buch all jenen widmen, denen ich einen Teil der menschlichen Anatomie nahe gebracht habe und so hoffentlich mit diesem Wissen ein solides Fundament für ihren schönen Beruf geschaffen habe.

Man kann jedoch nur begeistern, wenn man selber motiviert worden ist und deswegen möchte ich es an dieser Stelle auch nicht versäumen, meinem verehrten akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. B. Tillmann zu danken. Seine brillianten Vorlesungen, die Art und Weise seine Zuhörer mitzureißen und die Liebe zu seinem Beruf haben mich vom ersten Tag an beeindruckt und mir stets den Weg gewiesen.

Ein Buch über funktionelle Anatomie zu schreiben ist die eine Sache, ein solches Buch mit geeigneten Abbildungen zu versehen ist die andere. Ich habe das Glück gehabt mit einer überaus kompetenten Zeichnerin, Frau Stephanie Kleinschmidt, über Jahre hinweg stets harmonisch zusammenzuarbeiten. Diese fruchtbare und intensive Kooperation ist die Wiege für die zahlreichen didaktisch hervorragenden Abbildungen in diesem Buch. Frau Kleinschmidt hat meine Wünsche, aber auch ihre eigenen Ideen in einer Art und Weise realisiert, wie man sich es nicht besser hätte wünschen können. Ihr schulde ich daher besonderen Dank! Aber auch Herrn Voll, der die Abbildungen für den Allgemeinen Teil gezeichnet hat, möchte ich gebührend danken, denn er hat es perfekt verstanden seine am Computer entstandenen Abbildungen in das Gesamtbild harmonisch einzufügen.

Viele andere haben ebenfalls ihre unverkennbaren Spuren hinterlassen, allen voran meine liebe Frau Gabi: Sie hat das gesamte Manuskript in eine lesbare und ich denke sehr gut verständliche Form gebracht. Ihre Verlässlichkeit, ihr Engagement, ihre Geduld sowie ihre permanente Unterstützung in den letzten Jahren haben ganz entscheidenden Anteil an dem vorliegenden Buch. Darüber hinaus war sie in der letzten Phase ebenso wie mein Doktorand Herr cand. med. Jakob Fay und mein Mitarbeiter Herr Priv.-Doz. Dr. Dr. Horst Claassen beim Korrekturlesen der Druckfahnen behilflich. Ihnen allen sei dafür herzlich gedankt.

Eine entscheidende Voraussetzung für die Realisierung eines solchen Projektes ist eine gute und produktive Zusammenarbeit mit dem verantwortlichen Verlag. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Georg Thieme Verlags sind über die Jahre hinweg daran beteiligt gewesen. Stellvertretend für alle möchte ich vor allem Frau Rosi Haarer-Becker und Frau Dorothee Richard, aber auch Herrn Rainer Zepf und Herrn Manfred Lehnert erwähnen. Sie haben dieses Buch in all den Jahren professionell und überaus individuell betreut, sind auf alle meine Wünsche stets eingegangen und haben die Freude und manchmal auch die Sorgen des Autors geteilt. Auch ihnen möchte ich von ganzem Herzen danken. An dieser Stelle darf ein Name nicht unerwähnt bleiben: Frau Dr. Gertrud Volkert. Sie hat vor allem in der Anfangsphase die entscheidenden Weichen innerhalb des Verlages gestellt. Ein besonderes Dankeschön geht daher nach Darmstadt!

In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern eine spannende Reise durch die Welt der Knochen, der Gelenke und der Muskeln.

Ihr Michael Schünke

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Biografie

Vorwort zur 4. Auflage

Vorwort zur 1. Auflage

1 Entwicklungsgeschichte des Menschen

1.1 Keimblattentwicklung

1.2 Abkömmlinge der Keimblätter

1.2.1 Ekto-, Meso- und Endoderm

1.2.2 Entwicklung des Nervensystems

1.2.3 Entwicklung von Chorda dorsalis und Somiten

1.2.4 Entwicklung der Wirbelsäule

1.2.5 Entwicklung der Muskulatur

2 Binde- und Stützgewebe

2.1 Herkunft und Vorkommen

2.2 Bauelemente

2.3 Aufgaben

2.4 Spezifische Bindegewebszellen

2.4.1 Mesenchymzellen

2.4.2 Fibroblasten

2.4.3 Myofibroblasten

2.4.4 Retikulumzellen

2.5 Spezifische Stützgewebezellen

2.6 Interzellularsubstanzen

2.6.1 Überblick

2.7 Bindegewebe des Bewegungssystems

2.7.1 Faserarmes Bindegewebe

2.7.2 Faserreiches Bindegewebe

2.8 Stützgewebe

2.8.1 Knorpelgewebe

2.8.2 Knochengewebe

2.8.3 Chordagewebe

2.8.4 Fettgewebe

3 Knochen

3.1 Knöchernes Skelett

3.1.1 Anzahl der Knochen eines erwachsenen menschlichen Skeletts

3.2 Bau eines Röhrenknochens

3.3 Knochenentwicklung (Osteogenese)

3.3.1 Bildung von Geflechtknochen

3.3.2 Bildung von Lamellenknochen

3.3.3 Entwicklung eines Röhrenknochens

3.3.4 Epiphysen- bzw. Wachstumsfuge

3.3.5 Knochenkerne

4 Gelenke

4.1 Gelenkverbindungen

4.1.1 Unechte Gelenke

4.1.2 Echte Gelenke

4.2 Entwicklung echter Gelenke

4.3 Bauprinzip echter Gelenke

4.3.1 Gelenkknorpel

4.3.2 Gelenkkapsel

4.3.3 Gelenkspalt und Gelenkhöhle

4.3.4 Intraartikuläre Strukturen

4.3.5 Intrakapsuläre Bänder und Sehnen

4.4 Allgemeine Gelenkmechanik

4.4.1 Bewegungsausmaß von Gelenken

4.4.2 Kraftübertragung und Gelenkdruck

4.4.3 Stabilisierung von Gelenken

4.4.4 Stabilisierung des Hüftgelenks

4.5 Gelenkformen

4.5.1 Plane Gelenke

4.5.2 Kugelgelenke

4.5.3 Eigelenke

4.5.4 Scharnier- und Rad- oder Zapfengelenke

4.5.5 Sattelgelenke

4.5.6 Amphiarthrosen

4.6 Beweglichkeitsprüfung

4.6.1 Neutral-Null-Methode

4.6.2 Dokumentation nach der Neutral-Null-Methode

5 Muskeln

5.1 Muskelgewebe

5.1.1 Glattes Muskelgewebe

5.1.2 Quergestreiftes Muskelgewebe

5.2 Bauprinzip eines Skelettmuskels

5.2.1 Ursprung und Ansatz

5.2.2 Muskelformen

5.2.3 Muskelbindegewebe

5.2.4 Muskelfasern und Muskelkontraktion

5.2.5 Muskelkraft und -kontraktion

5.2.6 Motorische Einheit

5.2.7 Muskelfasertypen

5.3 Muskelsehnen

5.3.1 Aufbau von Sehnen

5.3.2 Druck- und Zugsehnen

5.3.3 Mechanisches Verhalten von Sehnen

5.4 Muskel-Sehnen-Übergang

5.5 Sehnenansatzzonen

5.5.1 Chondral-apophysäre Ansatzzonen

5.5.2 Periostal-diaphysäre Ansatzzonen

5.6 Hilfseinrichtungen von Muskeln und Sehnen

5.6.1 Faszien

5.6.2 Retinacula

5.6.3 Sehnenscheiden

5.6.4 Schleimbeutel

5.6.5 Sesambeine

5.7 Allgemeine Muskelmechanik

5.7.1 Fiederungswinkel

5.7.2 Muskelfaserquerschnitt und Fiederungswinkel

5.7.3 Hubkraft und Fiederungswinkel

5.7.4 Hubhöhe und Fiederungswinkel

5.7.5 Aktive und passive Muskelinsuffizienz

6 Funktionelle Anpassungsvorgänge

6.1 Funktionelle Anpassung von Knochen

6.1.1 Druck- und Zugspannung

6.1.2 Ausrichtung der Spongiosatrabekel

6.1.3 Zuggurtungsprinzip

6.2 Funktionelle Anpassung von Sehnengewebe

6.3 Funktionelle Anpassung der Skelettmuskulatur

7 Bauplan des menschlichen Körpers; Achsen, Ebenen und Orientierungsbezeichnungen

7.1 Bauplan des menschlichen Körpers

7.2 Körperproportionen

7.2.1 Körperlängen

7.2.2 Körperbreiten

7.2.3 Körpertiefen

7.3 Anatomische Normalstellung, Körperebenen und -achsen

7.3.1 Anatomische Normalstellung

7.3.2 Körperebenen und -achsen

7.4 Lage- und Richtungsbezeichnungen

8 Rumpf

8.1 Überblick

8.2 Rumpfskelett

8.2.1 Wirbelsäule (Columna vertebralis)

8.2.2 Knöcherner Brustkorb (Thorax)

8.3 Rumpfmuskulatur

8.3.1 Überblick

8.3.2 Rückenmuskulatur

8.3.3 Thoraxmuskulatur

8.3.4 Zwerchfell

8.3.5 Bauch-(wand-)muskulatur

8.3.6 Beckenbodenmuskulatur

9 Obere Extremität, Schultergürtel und freie Gliedmaße

9.1 Überblick

9.2 Knochen der oberen Extremität

9.2.1 Schultergürtel

9.2.2 Oberarmknochen

9.2.3 Unterarmknochen

9.2.4 Knochen der Hand

9.3 Schultergürtelgelenke und Schultergelenk

9.3.1 Bewegungsumfang

9.3.2 Gelenke der Schulter

9.3.3 Bewegungen im Schultergelenk

9.4 Muskulatur von Schultergürtel und Schultergelenk

9.4.1 Überblick

9.4.2 Muskeln des Schultergürtels

9.4.3 Muskeln des Schultergelenks

9.5 Oberarm, Ellenbogen und Ellenbogengelenk

9.5.1 Oberarm

9.5.2 Ellenbogen

9.5.3 Ellenbogengelenk

9.6 Muskulatur von Oberarm und Ellenbeuge

9.6.1 Einteilung der Oberarmmuskeln

9.6.2 Systematik der Oberarmmuskulatur

9.7 Unterarm, Hand- und Fingergelenke

9.7.1 Unterarm

9.7.2 Handgelenke

9.7.3 Daumensattelgelenk

9.7.4 Fingergelenke

9.7.5 Bandapparat der Hand

9.8 Muskulatur von Unterarm und Hand

9.8.1 Einteilung

9.8.2 Muskelgruppen am Unterarm

9.8.3 Systematik der Unterarmmuskulatur

9.8.4 Hilfseinrichtungen der Handmuskeln

9.8.5 Kurze Handmuskeln

9.8.6 Systematik der kurzen Handmuskeln

10 Untere Extremität, Beckengürtel und freie Gliedmaße

10.1 Knochen

10.1.1 Beckenknochen

10.1.2 Beckengürtel und -ring

10.1.3 Großes und kleines Becken

10.1.4 Beckenmaße

10.1.5 Beckenmerkmale von Mann und Frau

10.1.6 Oberschenkelknochen

10.1.7 Unterschenkelknochen

10.1.8 Fußknochen

10.2 Gelenke, Bänder und Membranen des Beckenrings

10.2.1 Schambeinfuge

10.2.2 Iliosakralgelenke

10.2.3 Bandapparat

10.2.4 Bewegungen im Iliosakralgelenk

10.2.5 Membrana obturatoria

10.3 Hüftgelenk

10.3.1 Artikulierende Knochen

10.3.2 Gelenkkapsel und Bandapparat

10.3.3 Blutgefäßversorgung des Femurkopfes

10.3.4 Schenkelhalswinkel

10.3.5 Roser-Nélaton-Linie

10.3.6 Antetorsionswinkel

10.3.7 Bewegungen im Hüftgelenk

10.3.8 Hüftgelenk des Kindes

10.4 Achsen des Beines

10.5 Muskulatur von Hüfte, Gesäß und Oberschenkel

10.5.1 Muskelgruppen und -funktionen

10.5.2 Systematik von Hüft- und Gesäßmuskulatur

10.5.3 Systematik der Oberschenkelmuskulatur

10.6 Kniegelenk

10.6.1 Femorotibialgelenk

10.6.2 Femoropatellargelenk

10.6.3 Gelenkkapsel und -höhle

10.6.4 Bandapparat

10.6.5 Menisken

10.6.6 Bewegungen im Kniegelenk

10.7 Unterschenkel und Fuß

10.7.1 Schienbein-Wadenbein-Verbindungen

10.7.2 Oberes Sprunggelenk

10.7.3 Unteres Sprunggelenk

10.7.4 Weitere Fußgelenke

10.7.5 Zehengelenke und Bandapparat der Fußsohle

10.7.6 Bewegungen in den Fuß- und Zehengelenken

10.7.7 Fußwölbungen

10.8 Muskulatur von Unterschenkel und Fuß

10.8.1 Unterschenkelmuskulatur

10.8.2 Faszien, Bänder und Sehnenscheiden des Fußes

10.8.3 Systematik der Unterschenkelmuskulatur

10.8.4 Kurze Fußmuskeln

10.8.5 Systematik der kurzen Fußmuskeln

10.9 Der menschliche Gang

10.9.1 Stand- und Schwungphase

10.9.2 Bewegungsablauf beim Gehen

11 Kopf

11.1 Knöcherner Schädel

11.1.1 Schädelentwicklung

11.1.2 Aufbau der Schädelknochen

11.1.3 Fontanellen

11.1.4 Schädel als Ganzes

11.1.5 Schädeldach

11.1.6 Gesichtsschädel

11.1.7 Schädelbasis

11.2 Kiefergelenk (Art. temporomandibularis)

11.2.1 Entwicklung

11.2.2 Aufbau

11.2.3 Bewegungen im Kiefergelenk

11.3 Kaumuskeln

11.3.1 Einteilung

11.3.2 Systematik der Kaumuskulatur

11.4 Mimische Muskeln

11.4.1 Überblick und Einteilung

11.4.2 Mimische Muskeln des Schädeldaches

11.4.3 Mimische Muskeln der Lidspalte

11.4.4 Mimische Muskeln im Nasenbereich

11.4.5 Mimische Muskeln im Mundbereich

11.4.6 Mimische Muskeln im Ohrbereich

11.4.7 Mimische Muskeln des Halses

12 Hals

12.1 Überblick

12.2 Topografische Begrenzung des Halses

12.3 Oberflächenrelief

12.4 Halsfaszien

12.5 Muskeln des Halses

12.5.1 Einteilung

12.5.2 Systematik der Halsmuskulatur

13 Anhang

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum/Access Code

1 Entwicklungsgeschichte des Menschen

1.1 Keimblattentwicklung

Die befruchtete Eizelle wandert durch den Eileiter in den Uterus (Gebärmutter), wobei sie sich fortlaufend teilt ( ▶ Abb. 1.1). Als Furchungskugel (Morula = 16–32 Zellenstadium) erreicht der Keim die Uterushöhle und entwickelt sich zu einer Keimblase (Blastozyste)) mit äußerer Zellhülle (Trophoblast) und innerer Zellgruppe (Embryoblast) ( ▶ Abb. 1.2). Der Trophoblast bildet im weiteren Verlauf die kindlichen Anteile der Plazenta, aus dem Embryoblast entwickelt sich der Embryo. Die Zellen des Embryoblasten bilden nach vollständiger Implantation in der Uterusschleimhaut am Ende der 2. Woche eine zweiblättrige Keimscheibe, die aus Epiblast und Hypoblast besteht ( ▶ Abb. 1.3). Damit sind Dorsal- und Ventralseite des künftigen Körpers festgelegt.

Abb. 1.1Schematische Darstellung der Entwicklungsvorgänge während der 1. Woche der Frühentwicklung (nach Sadler). 1. Eizelle direkt nach der Ovulation; 2. Befruchtung innerhalb von ca. 12 Stunden; 3. männlicher und weiblicher Vorkern mit anschließender Zygotenbildung; 4. erste Furchungsteilung; 5. 2-Zellen-Stadium, 6. Morulastadium; 7. Eintritt in das Uteruslumen; 8. Blastozyste; 9. Beginn der Implantation.

Sowohl dem Hypoblast als auch dem Epiblast liegt jeweils ein mit Flüssigkeit gefülltes Bläschen auf, der primärer Dottersack und die Amnion- bzw. Fruchtwasserhöhle. Während der Dottersack sich langsam zurückbildet, wächst der Embryo in die vom Amnion gebildete Amnionhöhle hinein.

Abb. 1.2Implantation der Blastozyste in die Uterusschleimhaut am 5./6. Tag post ovulationem (nach Sadler)

Bei einem etwa 16 Tage alten Embryo bilden sich aus dem Epiblasten die drei definitiven Keimblätter Ektoderm, Mesoderm und Endoderm, aus denen sämtliche Strukturen des menschlichen Körpers hervorgehen (z.B. geht die Anlage des Zentralnervensytems und der Sinnesorgane aus dem Ektoderm hervor). Dieser Vorgang wird als Gastrulationbezeichnet ( ▶ Abb. 1.3). In Folge der Gastrulation werden zudem alle Körperachsen festgelegt: ventral-dorsal, kranial-kaudal und links-rechts.

Zu Beginn der Gastrulation bildet sich im kaudalen Bereich des Epiblasten in der Medianlinie eine Zellverdichtung (Primitivstreifen), die sich rostral zu einem Primitivknoten verdichtet. Auf diese Weise ist auch die kraniokaudale Körperachse festgelegt. Der Primitivstreifen vertieft sich zu einer schmalen Rinne, der Primitivrinne ( ▶ Abb. 1.4a u. ▶ Abb. 1.4b). Aus ihr wandern in der Folge Epiblastzellen in die Tiefe und breiten sich flächig zwischen Epi- und Hypoblast aus. Auf diese Weise entsteht das mittlere Keimblatt (Mesoderm). In Richtung des späteren Kopfendes schiebt sich der mesodermale Kopffortsatz (Anlage der Chorda dorsalis) unter den Epiblasten. Lateral breiten sich die Zellen radiär aus und liefern das innere Keimblatt (Endoderm), indem sie den Hypoblasten allmählich völlig verdrängen. Die dorsal verbleibenden Zellen werden zum Ektoderm( ▶ Abb. 1.4a u. ▶ Abb. 1.4b).

Abb. 1.3a–d Bildung der dreiblättrigen Keimscheibe(Gastrulation) am Beginn der 3. Woche p.o. (nach Sadler). a Sagittalschnitt durch eine Embryonalanlage am Ende der 2. Woche. Zwischen Amnionhöhle und Dottersack ist die Keimscheibe ausgespannt. Sie ist noch zweiblättrig. Von außen ist die gesamte Embryonalanlage bereits mit extraembryonalem Mesoderm überzogen, dessen Bildung am hinteren Pol der Keimscheibe beginnt. Die Embryonalanlage ist über den Haftstiel mit der Chorionhöhle verbunden. b Aufsicht auf eine menschliche Keimscheibe zu Beginn der Gastrulation. Mit Beginn der 3. Woche bildet sich im Epiblast zunächst der Primitivstreifen. In ihm entsteht das embryonale Mesoderm und wandert zwischen Epiblast und Hypoblast aus (s. Pfeile, die die Richtungen der Mesoderminvagination andeuten). Kurz darauf wächst aus dem Epiblast auf Höhe des Primitivknotesn, d.h. an der kranialen Spitze des Primitivstreifens, der Chordafortsatz nach kranial, und – diesen flankierend – das definitive Endoderm in radiärer Richtung. Dabei ersetzt das definitive Endoderm nach und nach den Hypoblast. Der Chordafortsatz wird demgegenüber nur vorübergehend in die Hypoblastschicht eingegliedert. Er erstreckt sich in kraniokaudaler Richtung vom Primitivknoten bis zur Oropharyngealmembran (das Amnion ist entfernt).

Abb. 1.3a

Abb. 1.3b

Abb. 1.4Abb. 1.3 (Fortsetzung). c Sagittalschnitt durch die Keimscheibe entlang des Chordafortsatzes. d Transversalschnitt durch die Keimscheibe auf Höhe der Primitivrinne (die Pfeile in c und d zeigen die Richtung der medodermalen Gastrulationsbewegungen).

Abb. 1.4a

Abb. 1.4b

1.2 Abkömmlinge der Keimblätter

1.2.1 Ekto-, Meso- und Endoderm

Aus den 3 Keimblättern, die zu Beginn der Embryonalentwicklung (3. Schwangerschaftswoche) angelegt werden, entwickeln sich die Organanlagen: Das Ektoderm bildet im Wesentlichen die Anlage des zentralen und peripheren Nervensystems. Aus dem Mesoderm entstehen das Skelett, die Skelettmuskulatur, die Kreislauforgane sowie der Harn- und Geschlechtsapparat. Das Endodermschließlich liefert in der weiteren Entwicklung v.a. die epithelialen Anlagen der Verdauungs- und Atemorgane.

1.2.2 Entwicklung des Nervensystems

Im medialen Bereich des Embryos verdickt sich um den 18. Embryonaltag das Ektoderm zur Neuralplatte ( ▶ Abb. 1.5) und bildet die Anlage des Nervensystems (Neuralektoderm). Innerhalb der Neuralplatte entsteht zwischen 2 seitlichen Auffaltungen (Neuralwülste) eine Vertiefung, die Neuralrinne, die sich im weiteren Verlauf zu einem Neuralrohr schließt und in die Tiefe verlagert. Teile der Neuralwülste, die sich nicht an der Bildung des Neuralrohrs beteiligen, werden zu den sog. Neuralleisten. Das Neuralrohr wird zum zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark), während aus den Neuralleisten unter anderem das periphere Nervensystem (z. B. periphere Nerven und Spinalganglien) hervorgeht. Die Phase von der Bildung des Neuralektoderms bis zum Schluss des Neuralrohrs und der Anlage der Neuralleisten bezeichnet man als Neurulation( ▶ Abb. 1.5).

Abb. 1.5a–f Neurulation im Verlauf der menschlichen Frühentwicklung. a–c Ansicht von dorsal, Amnion entfernt; d–f Schematisierte Trasversalschnitte der entsprechenden Stadien auf Höhe der in a–c angegebenen Schnittebenen; Altersangaben p.o. Während der Neurulation trennt sich durch induktive Einflüsse der Chorda dorsalis das Neuroektoderm vom Oberflächenektoderm. a u. d 19 Tage alte Keimscheibe, im Bereich der Neuralplatte entwickelt sich die Neuralrinne. b u. e 20 Tage alte Keimscheibe, die ersten Somiten haben sich gebildet, Neuralrinne beginnt sich zum Neuralrohr zu schließen, der Keim beginnt sich abzufalten. c u. f 22 Tage alter Embryo, beidseits des teilweise geschlossenen und in die Tiefe verlagerten Neuralrohrs sind 8 Somitenpaare zu erkennen. Das Neuralleistenmaterial beginnt auszuwandern und die spätere Körperhöhle (Coelom) bildet sich.

Abb. 1.5a

Abb. 1.5b

Abb. 1.5c

Abb. 1.5d

Abb. 1.5e

Abb. 1.5f

1.2.3 Entwicklung von Chorda dorsalis und Somiten

Im Laufe der Entwicklung wird die mesodermale Anlage des primitiven Achsenorgans, die Chorda dorsalis, durch eine höher differenzierte Konstruktion ersetzt, die aus gegeneinander beweglichen Teilstücken, den Wirbeln und ihren Verbindungen besteht. Die Chorda dorsalis liegt unter der Neuralplatte (Neuralrohr) und charakterisiert den Menschen als Mitglied der Chordaten.

Nur bei niederen Chordatieren (z. B. Amphioxus/Lanzettfischchen) bleibt die Chorda zeitlebens das Achsenskelett des Rumpfes. Bei den Vertebraten ist sie nur in den frühen Entwicklungsstadien vorhanden und hat in dieser Zeit determinierende Bedeutung bei der Neurulation (Induktion der Neuralplattenbildung) und der Wirbelsäulenentwicklung.

Beiderseits der von Neuralrohr und Chorda dorsalis gebildeten Achse liegt das segmental gegliederte paraxiale Mesoderm (Stammplatte, Somiten), das über das intermediäre Mesoderm (Anlagematerial des Urogenitalapparates, Nephrotom) mit dem lateral gelegenen, nichtsegmentierten Seitenplattenmesoderm verbunden ist ( ▶ Abb. 1.5). Das Seitenplattenmesoderm bildet zwei epitheliale Platten (Splanchnopleura oder viszerales Mesoderm und Somatopleura oder parietales Mesoderm), zwischen denen der Spalt des intraembryonalen Zöloms (der späteren Körperhöhle) erscheint. Die Splanchnopleura bildet das viszerale Peritoneum (Bauchfell) sowie die Schichten der Darmwand; die Somatopleura hingegen beteiligt sich am Aufbau der Leibeswand und liefert das parietale Peritoneum ( ▶ Abb. 1.6a).

Bis zum Ende der 5. Entwicklungswoche sind 42–44 paarige mesodermale Somitenanlagen (Ursegemente) angelegt, aus denen unter anderem die Sklerotome, das Ausgangsmaterial der knorpeligen und knöchernen Wirbelsäulenanlage, hervorgehen ( ▶ Abb. 1.6). Zusätzlich differenzieren sich aus den Ursegmenten die ebenfalls segmental angeordneten Dermatome (Anlagematerial für das Unterhautbindegewebe) und Myotome, aus denen sich die quer gestreifte Skelettmuskulatur (Rumpf- und Extremitätenmuskulatur) entwickelt ( ▶ Abb. 1.6).

Abb. 1.6a–e Somitenderivate und Bildung der Spinalnerven in der Embryonalperiode (4.-8. Woche) an schematisierten Querschnitten (nach Drews). a Die Somiten gliedern sich in Dermatom, Myotom und Sklerotom. b Am Ende der 4. Woche wandern die Sklerotomzellen in Richtung Chorda dorsalis und bilden die Anlage der Wirbelsäule. c Das Neuralrohr (Vorstufe von Rückenmark und Gehirn) differenziert sich zur Rückenmarksanlage mit Vorder- und Hinterhörnern. Aus dem Neuralleistenmaterial (erste Anlage des PNS) entwickeln sich z. B. die Spinalganglienzellen mit einem sensiblen zentralen (Radix dorsalis) und einem peripheren Fortsatz. Aus den Vorderhornzellen wachsen die motorischen Neurone aus und bilden die Radix ventralis. Die Myotome gliedern sich in ein dorsal gelegenes Epimer (epaxone Muskulatur) und ein ventral gelegenes Hypomer (hypaxone Muskulatur). d Die dorsalen und ventralen Wurzeln vereinigen sich und bilden jeweils den Spinalnerv, der sich in zwei Hauptäste (Ramus dorsalis und Ramus ventralis) aufteilt. Die epaxone Muskulatur wird vom R. dorsalis, die hypaxone Muskulatur vom R. ventralis versorgt. e Querschnitt auf Höhe der späteren Bauchmuskulatur. Die epaxone Muskulatur wird zur autochthonen Rückenmuskulatur (M. erector spinae); die hypaxone Muskulatur entwickelt sich u. a. zur seitlichen (Mm. obliqui abdominis externus und internus, M. transversus abdominis) und vorderen Bauchmuskulatur (M. rectus abdominis).

Abb. 1.6a

Abb. 1.6b

Abb. 1.6c

Abb. 1.6d

Abb. 1.6e

1.2.4 Entwicklung der Wirbelsäule

Zunächst verlassen am Anfang der 4. Embryonalwoche die Sklerotomzellen die Somitenregion und wandern in Richtung Chorda dorsalis und Rückenmarksanlage (Neuralrohr). Dort bilden sie als mesenchymaler Zellverband die Anlage der späteren Wirbelsäule. Auf diese Weise entsteht eine durchgehende mesenchymale Zellsäule, die durch Intersegmentalgefäße zwischen den ehemaligen Sklerotomgrenzen gegliedert ist ( ▶ Abb. 1.7).

Abb. 1.7a–e Entwicklung der Wirbelsäule (4.-10. Entwicklungswoche). a Schematisierter Transversalschnitt, b-e schematisierte Frontalschnitte (zu den Schnittebenen von b-e s. a). a u. b Die ehemaligen Somiten haben sich in Myotom, Dermatom und Sklerotom differenziert. Die Sklerotomzellen lösen sich am Ende der 4. Woche aus dem Verband, wandern in Richtung Chorda dorsalis aus und bilden einen mesenchymalen Zellverband um die Chorda dorsalis (Anlage der späteren Wirbelsäule).

Abb. 1.7

Abb. 1.8Abb. 1.6 (Fortsetzung). c Benachbarte kraniale und kaudale Sklerotomabschnitte oberhalb und unterhalb der Intersegmentalgefäße verbinden sich und beginnen in der 6. Woche zu verknorpeln. Dadurch wird das Chordamaterial nach oben und unten verdrängt. d Zwischen den Wirbelkörperanlagen entwickeln sich die Bandscheiben mit Nucleus pulposus und Anulus fibrosus. Im Zentrum der Wirbelkörper beginnt die Verknöcherung (8. Woche). e Durch das Verschmelzen von kaudalen und kranialen Sklerotomabschnitten verbinden die segmental angelegten Myotome die Fortsätze von zwei benachbarten Wirbelanlagen und überbrücken dabei die Bandscheiben. Auf diese Weise entstehen die sog. Bewegungssegmente. Der segmentale Spinalnerv verläuft auf Höhe des späteren Zwischenwirbelloches. Die Intersegmentalgefäße werden zu den ernährenden Gefäßen (Vasa nutricia) der Wirbelkörper (10. Woche).

Abb. 1.8a

Abb. 1.8b

Abb. 1.8c

Abb. 1.8d

Im weiteren Verlauf wird die Anlage der Wirbelkörper und der Rippen gebildet, indem sich der kaudale Abschnitt eines jeden Sklerotomsegments mit dem kranialen Abschnitt des folgenden Sklerotoms verbindet ( ▶ Abb. 1.8d). Zwischen den Wirbelkörperanlagen entstehen die Zwischenwirbel- oder Bandscheiben (Disci intervertebrales). Durch die Verschmelzung der kaudalen und kranialen Sklerotomabschnitte zweier benachbarter Sklerotome verbinden die segmentalen Myotome nunmehr die Fortsätze zweier benachbarter Wirbelanlagen und überbrücken dabei die Bandscheiben ( ▶ Abb. 1.8d).

Der Ersatz der mesenchymalen Wirbelanlage durch hyalinen Knorpel beginnt bereits im 2. Embryonalmonat ( ▶ Abb. 1.8a). Durch den konzentrischen Druck der verknorpelnden Wirbelkörper wird die Chorda dorsalis zusammengepresst, wobei das Chordamaterial in Richtung Zwischenwirbelscheibe verdrängt wird. Auf diese Weise verbleibt auf Höhe der Wirbelkörperanlagen zunächst die Hülle der Chorda (sog. Chordascheidenstrang, der in den folgenden Wochen verschwindet), und im Bereich der zukünftigen Bandscheibenzentren entstehen Auftreibungen (Chordasegmente), deren Zellmaterial am Aufbau des späteren Gallertkerns (Nucleus pulposus) beteiligt wird ( ▶ Abb. 1.8d).

Die Knochenbildung beginnt im 3. Schwangerschaftsmonat bzw. am Ende der 8. Woche etwa gleichzeitig im Bereich der Wirbelkörper und der Wirbelbögen.

1.2.5 Entwicklung der Muskulatur

Die Myotomderivate der Somiten stellen segmentale Muskelanlagen dar, aus denen sich nahezu die gesamte quer gestreifte Skelettmuskulatur am Rumpf und an den Extremitäten entwickelt. Am Ende der 6. Entwicklungswoche strecken sich die Myotome in dorsal-ventraler Richtung und lassen eine deutliche Gliederung in einen dorsalen (Epimer oder epaxone Muskulatur) und einen ventralen Anteil (Hypomer oder hypaxone Muskulatur) erkennen ( ▶ Abb. 1.6c– ▶ Abb. 1.6e). Während die epaxonen Muskeln sich zur autochthonen (ortsständigen) Rückenmuskulatur entwickeln und ihre ursprüngliche Lage beibehalten, gehen aus dem Hypomer die ventral-lateralen Bauchwand- und Thoraxmuskeln sowie die Extremitätenmuskeln hervor. Dieser Myotomgliederung entspricht auch die Aufzweigung der Spinalnerven in einen R. dorsalis für die epaxone Muskulatur und einen R. ventralis für die hypaxone Muskulatur.

Die ursprünglich segmentale (metamere) Anordnung der Rumpfmuskulatur geht in der weiteren Entwicklung größtenteils verloren: Während in den tiefen Schichten der autochthonen Rückenmuskulatur (Mm. rotatores) und im Bereich der Thoraxmuskulatur (Interkostalmuskulatur) die segmentale Anordnung der Muskeln erhalten bleibt, verschmelzen die oberflächlichen Anteile der Myotome zu langen segmentübergreifenden Muskelindividuen (Polymerisation), bei denen nur noch die Gefäß- und Nervenversorgung an die ursprüngliche Metamerie erinnert.

2 Binde- und Stützgewebe

2.1 Herkunft und Vorkommen

Das Binde- und Stützgewebe ist neben Epithel-, Muskel- und Nervengewebe eines der 4 Hauptgewebe des menschlichen Körpers. Trotz z.T. sehr unterschiedlicher Erscheinungsformen (z.B. lockeres Bindegewebe, Sehnen, Bänder, Fettgewebe, Knochen und Knorpel) und vielfältiger Aufgaben (z.B. Halte- und Bindefunktion, Wasserhaushalt, Stoffaustausch und Abwehr) gehören die verschiedenen Formen der Binde- und Stützgewebe eng zusammen ( ▶ Tab. 2.1 ). Mit Ausnahme des ▶ Chordagewebes stammen sie entwicklungsgeschichtlich aus dem Mesenchym (mesenchymales Bindegewebe), einem noch nicht differenzierten embryonalen Gewebe des mittleren Keimblattes (Mesoderm).

Tab. 2.1 

Formen der Binde- und Stützgewebe

Bindegewebe

Stützgewebe

Am Aufbau des Bewegungsapparates beteiligtes Bindegewebe

Nicht am Aufbau des Bewegungsapparates beteiligtes Bindegewebe

faserarmes bzw. lockeres (wenige, v.a. kollagene Fasern und viel Grundsubstanz) Bindegewebe: z.B. Stroma von Organen, Umgebung von Gefäßen und Nerven

embryonales bzw. mesenchymales und gallertiges (wasserreich mit feinen Kollagenfasern und einem hohen Anteil an Hyaluronsäure) Bindegewebe: z.B. Nabelschnur, Zahnpulpa

Knorpelgewebe: hyaliner Knorpel, Faserknorpel und elastischer Knorpel

faserreiches bzw. straffes (hoher Anteil an Kollagenfasern und wenig Grundsubstanz) Bindegewebe:

retikuläres (weitmaschiges Netzwerk retikulärer Fasern) Bindegewebe: z.B. lymphatische Organe, Leber, Knochenmark

Knochengewebe: Geflecht- und Lamellenknochen sowie Zahnhartsubstanzen (Schmelz, Dentin und Zement)

geflechtartig (z.B. Sklera des Auges, Organkapseln)

spinozelluläres Bindegewebe (sehr zellreich): z.B. Eierstock, Gebärmutter

Chordagewebe (primär epithelialer Aufbau, Zellen mit flüssigkeitshaltigen großen Vakuolen): embryonales Achsenorgan (Chorda dorsalis)

parallelfaserig (z.B. Sehnen, Bänder)

Fettgewebe: weißes und braunes Fett

elastische Bänder (mehr elastische als kollagene Fasern): z.B. Ligg. flava, Lig. nuchae

Die aufgeführten ▶ Binde- und Stützgewebeformen unterscheiden sich in Menge, Anordnung und Art der Fasern, Zusammensetzung der Grundsubstanz und Vorkommen von Bindegewebszellen.

Das gallertige Bindegewebe der Nabelschnur ähnelt dem unreifen mesenchymalen und wird zusammen mit dem Mesenchym auch als embryonales Bindegewebe bezeichnet. Wie das retikuläre und das spinozelluläre Bindegewebe ist es faserarm und nicht am Aufbau des Bewegungsapparates beteiligt.

Beim ausdifferenzierten, reifen Bindegewebe dominieren faserarme und faserreiche, wobei es sich bei den Fasern v.a. um Kollagenfasern handelt. Stehen die elastischen Fasern im Vordergrund, handelt es sich um faserreiches elastisches Bindegewebe (z.B. elastische Bänder). Eine spezielle Form des faserarmen Bindegewebes, das als Grundgewebe in lymphatischen Organen und im roten Knochenmark vorkommt, ist das retikuläre Bindegewebe, dessen retikuläre Fasern eine besondere Form von Kollagenfasern darstellen. Das spinozelluläre Bindegewebe, ein zellreiches Gewebe aus spezifischen Bindegewebszellen und wenig extrazellulärer Matrix, kommt nur an wenigen Stellen im menschlichen Körper vor ( ▶ Tab. 2.1 )

Als typische Stützgewebe gelten das Knorpel- und Knochengewebe sowie – als hoch spezialisiertes und extrem hartes Knochengewebe – das Zahngewebe mit den Zahnhartsubstanzen Schmelz, Dentin und Zement. Sie enthalten vorwiegend kollagene Fasern und besitzen damit die Zugfestigkeit von Bindegewebsstrukturen. Durch besondere Ausbildung der extrazellulären Matrix beim Knorpel und durch Einlagerung von Kalksalzen beim Knochen wird zusätzlich die Druck- und Formfestigkeit erhöht.

Chordagewebe ist ähnlich gebaut wie das Fettgewebe, der Zellinhalt besteht jedoch nicht aus Fett, sondern aus Flüssigkeit. Bei Wirbeltieren – und damit auch beim Menschen – kommt es in der Chorda dorsalis, dem embryonalen Achsenorgan vor. Die prall gefüllten Chordazellen geben der Chorda eine elastische Festigkeit, ähnlich einem straff aufgeblasenen Schlauch.

2.2 Bauelemente

Während Epithel-, Muskel- und Nervengewebe hauptsächlich aus zelligen Strukturen bestehen, kommen im Binde- und Stützgewebe Zellen und zwischenzellige Substanzen (Interzellularsubstanz oder extrazelluläre Matrix) vor:

Zellen: Sie lassen sich in zwei Gruppen zusammenfassen:

spezifische Binde- und Stützgewebszellen (ortsständige oder fixe Zellen), die extrazelluläre Matrix produzieren, und

aus dem Blut eingewanderte (freie oder mobile) Zellen, die der spezifischen und unspezifischen Abwehr dienen ( ▶ Tab. 2.2 ). Die von den ortsständigen Zellen gebildete extrazelluläre Matrix hat in den verschiedenen Gewebsarten eine für jedes Gewebe charakteristische Zusammensetzung und Struktur.

Extrazelluläre Matrix: Sie besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten: Fasern (kollagene und elastische) und Grundsubstanz.

Tab. 2.2 

Bauelemente der Binde- und Stützgewebe

Spezifische Binde- und Stützgewebszellen

Interzellularsubstanz (extrazelluläre Matrix)

Ortsständige (fixe) Zellen

Aus dem Blut eingewanderte (freie oder mobile) Zellen

Binde- und Stützgewebsfasern

Grundsubstanz

Mesenchymzellen (=Stammzelle)

Gewebsmakrophagen

kollagene Fasern

Glykosaminoglykane

Fibroblasten

Mastzellen

elastische Fasern

Proteoglykane

Fibrozyten

Lymphozyten

Glykoproteine

Myofibroblasten

Plasmazellen

anorganisches Material (z. B. Kalziumsalze)

Retikulumzellen

Granulozyten

Chondroblasten

Osteoklasten

Chondrozyten

Chondroklasten

Osteoblasten

Osteozyten

Fettzellen (Adipozyten)

2.3 Aufgaben

Binde- und Stützgewebe haben innerhalb des Bewegungsapparates in erster Linie mechanische Funktionen. Sie dienen der Aufnahme und Übertragung von Kräften. Ihre mechanische Qualität hängt ab von Zusammensetzung, Menge und Anordnung der in der Extrazellulärmatrix enthaltenen Bestandteile sowie von Art und Größe der mechanischen Beanspruchung.

Die Zusammensetzung der extrazellulären Matrix entspricht somit den mechanischen Erfordernissen des Bewegungsapparates. So weisen beispielsweise Sehnen und Bänder eine hohe Zugfestigkeit, Gelenkknorpelzellen eine große Druckfestigkeit und Knochen eine hohe Formfestigkeit auf.

Außer an mechanischen Funktionen beteiligen sich die Binde- und Stützgewebe an folgenden Aufgaben:

Aufbau von Organen und Leitungsbahnen sowie deren Einbau in die Umgebung,

Beteiligung am Stoffwechselgeschehen durch Speicherung von Wasser, energiereichen Substanzen und Mineralien,

Stofftransport zwischen Blutgefäßen und Organen („Transitstrecke“ für die Verteilung von Nährstoffen und den Abtransport von Ausscheidungsstoffen),

Bildung von Granulationsgewebe im Rahmen der Wundheilung.

Die freien Bindegewebszellen (z. B. Makrophagen, Granulozyten und Lymphozyten) spielen eine wichtige Rolle bei der körpereigenen Abwehr.

2.4 Spezifische Bindegewebszellen

Im Binde- und Stützgewebe kommen ortsständige (fixe) und freie (mobile) Zellen vor. Während die ortsansässigen Binde- und Stützgewebszellen zwischenzellige Substanzen (Bindegewebsfasern und Grundsubstanz) produzieren, gelangen die freien Zellen aus dem Blut in das Binde- und Stützgewebe. Im Bindegewebe werden sie auch als mobile Zellen bezeichnet, da sie ihren Aufenthaltsort dort ändern können. Die mobilen Zellen übernehmen Aufgaben innerhalb des unspezifischen und spezifischen Abwehrsystems.

Die spezifische Zelle des embryonalen Bindegewebes ist die Mesenchymzelle, eine pluripotente Stamm- oder Vorläuferzelle, aus der sich im Weiteren die spezifischen Zellen des erwachsenen Binde- und Stützgewebes (z. B. Fibroblast, Chondroblast, Osteoblast, Fettzelle) sowie andere Zellarten (z. B. glatte Muskelzellen) entwickeln.

2.4.1 Mesenchymzellen

Mesenchymzellen sind Stammzellen, aus denen durch Differenzierung zahlreiche Gewebe und Organe hervorgehen. Auch ausdifferenzierte Gewebe enthalten häufig Zellen mit einer mesenchymalen Potenz, aus denen sich bei Bedarf (Umbau- und Reparationsvorgänge in Binde- und Stützgeweben) differenzierte Bindegewebszellen entwickeln.

Mesenchymzellen sind kleine, sternförmige Zellen mit mehreren unterschiedlich langen Fortsätzen. Sie verbinden benachbarte Zellen untereinander durch Zellkontakte ( ▶ Abb. 2.1). Auf diese Weise bilden sie ein dreidimensionales Maschenwerk, dessen Interzellularräume mit einer flüssigen extrazellulären Matrix ausgefüllt sind. Charakteristisch sind ein großer, euchromatischer Zellkern und ein organellenarmes basophiles Zytoplasma. Die Basophilie beruht auf großen Mengen an freien Ribosomen (Proteinsynthese für Zellwachstum). Mesenchymzellen haben einen hohen Mitoseindex, sind amöboid beweglich und besitzen die Fähigkeit zur Phagozytose. Zu Beginn der Organogenese lagern sie sich in dichten Zellverbänden zusammen und bilden ▶ Blasteme.

Abb. 2.1a u. b Mesenchymales Gewebe. a Übersicht; b bei stärkerer Vergrößerung (nach Kristic).

2.4.2 Fibroblasten

Fibroblasten sind Bindegewebszellen im engeren Sinne, die v.a. im adulten faserarmen und faserreichen Bindegewebe vorkommen. Es handelt sich um teilungsfähige Zellen, die sowohl kollagene als auch elastische Fasern sowie alle Komponenten der Grundsubstanz bilden können ( ▶ Abb. 2.2). Fibroblasten mit stark verminderter Syntheseleistung (Erhaltungsumsatz) werden Fibrozyten genannt. Beide Ausdrücke werden jedoch häufig synonym gebraucht, zumal ein Fibrozyt nach entsprechender Stimulierung (z. B. bei Wundheilungen) jederzeit wieder fibroblastische Aktivität erlangen kann.

Abb. 2.2Fibroblast und die von ihm gebildeten Bestandteile der Extrazellulärmatrix (nach Kristic).

In ihrem Aussehen ähneln sie den fortsatzreichen Mesenchymzellen, haben jedoch meist längliche Kerne und einen schmalen Zytoplasmasaum. In faserdichten Bindegeweben erscheinen die Fibroblasten durch umgebende Kollagenfaserbündel stark abgeflacht und eingeengt.

2.4.3 Myofibroblasten

Myofibroblasten sind Bindegewebszellen, die eine Zwischenstellung zwischen Fibroblasten und glatten Muskelzellen einnehmen. Hierbei handelt es sich um spindelförmige Zellen mit langen Fortsätzen und myofibrillenähnliche Fasern (Aktin- und Myosinfilamente) im Zytoplasma. Mit ihren kontraktilen Eigenschaften und der teilweisen Ausbildung einer Basallamina ähneln sie glatten Muskelzellen. Zusammen mit umgebenden elastischen Bindegewebsfasern bilden die Myofibroblasten kontraktil elastische Systeme.

2.4.4 Retikulumzellen

Retikulumzellen sind sternförmige Zellen mit schlanken Fortsätzen, über die sie untereinander in Verbindung stehen. Mit den von ihnen gebildeten netzartig angeordneten Retikulumfasern bilden sie das Grundgerüst der lymphatischen Organe und des roten Knochenmarks, wobei die Maschenräume mit freien Zellen (Zellen der Abwehr bzw. Blutbildung) angefüllt sind.

2.5 Spezifische Stützgewebezellen

Die spezifischen Zellen des ▶ Stützgewebes, wie Chondroblasten, Chondrozyten, Osteoblasten, Osteozyten und Fettzellen (Adipozyten) sind hoch differenzierte Bindegewebszellen, deren Funktion in Zusammenhang mit dem Knorpel-, Knochen- und Fettgewebe besprochen wird. Chondroklasten und Osteoklasten werden aufgrund ihrer Herkunft zu den aus dem Blut eingewanderten Zellen gezählt, da ihre Vorläuferzellen Blutmonozyten darstellen. Sie stehen im Dienste der Knorpel- und Knochenresorption und sind an ▶ Umbauvorgängen beteiligt.

2.6 Interzellularsubstanzen

2.6.1 Überblick

Innerhalb der Interzellularsubstanzen bzw. der Extrazellulärmatrix werden Fasern (kollagene, retikuläre und elastische) und Grundsubstanz (Glykosaminoglykane, Proteoglykane und Glykoproteine) unterschieden. Durch Menge, Art und Aufbau der Fasern ebenso wie durch die Art der Grundsubstanz und ihrer Einlagerungen unterscheiden sich Bindegewebe, Knorpel und Knochen.

2.6.1.1 Fasern

Nach ihrem physikalischen und chemischen Verhalten sowie nach ihrer Struktur sind lichtmikroskopisch 3 Arten von Bindegewebsfasern zu erkennen:

Kollagenfasern

retikuläre Fasern bzw. Retikulinfasern

elastische Fasern

Im Bindegewebe werden die Ausgangssubstanzen (Prokollagen und Tropoelastin) aller 3 Fasertypen bevorzugt von Fibroblasten gebildet ( ▶ Abb. 2.2). Retikulinfasern entstehen zusätzlich mithilfe von Retikulumzellen. Zur Bildung kollagener Fasern sind auch Chondroblasten, Osteoblasten und glatte Muskelzellen befähigt.

Kollagenfasern

Kollagen gehört zu den Faserproteinen, die in allen vielzelligen Organismen vorkommen, und macht beim Menschen etwa ein Viertel des Gesamtproteins aus. Es ist das wichtigste Strukturprotein und wesentlicher Faserbestandteil v.a. der Binde- und Stützgewebe. Kollagen kommt in fast allen Organen vor, wobei die Grundstruktur modifiziert wird, um den spezifischen Bedürfnissen der einzelnen Gewebe bzw. Organe Rechnung zu tragen. Kollagen, das in frischem, unfixierten Zustand eine weiße Färbung besitzt, ist in Wasser nahezu unlöslich, beim Kochen wird es jedoch zu flüssiger Gelatine denaturiert. Beim Erkalten entsteht eine klebrige Lösung (gr. collagen = Leim bildend).

Sie besteht aus 3 Polypeptidketten (α-Ketten), die jeweils aus etwa 1.000 Aminosäuren zusammengesetzt sind (v.a. Glycin, Prolin, Hydroxyprolin und – lysin). Die 3 α-Ketten sind untereinander gewunden, so dass ein etwa 300 nm langes und 1,5 nm dickes Kollagenmolekül in Form einer rechtsdrehenden Schraube (Tripelhelix) entsteht ( ▶ Abb. 2.3).

Bislang konnten etwa 20 unterschiedliche α-Ketten (α1, α2, α3 etc.) nachgewiesen werden, wobei jede einzelne von einem bestimmten Gen codiert wird. Durch Kombination verschiedener α-Ketten zu dreisträngigen Kollagenmolekülen entstehen unterschiedliche Kollagentypen, von denen bis heute weit über 20 unterschiedliche Typen nachgewiesen wurden (Kollagen Typ I, II, III, IV, etc.).

Abb. 2.3Aufbau einer Kollagenfaser (nach Rauber-Kopsch).

Das am häufigsten vorkommende Kollagen, das Kollagen vom Typ I (90 % des gesamten Kollagens), besteht z.B. aus 2 α1-Ketten und einer α2-Kette. Es kommt u.a. vor in Sehnen, Knochen, Dentin, Haut, Faserknorpel und Blutgefäßen. Andere Kollagentypen, wie der Typ II, haben 3 gleiche α1-Ketten. Typ-II-Kollagen kommt v.a. im hyalinen und elastischen Knorpel, im Faserknorpel, im Nucleus pulposus der Bandscheiben und im Glaskörper des Auges vor. Die Retikulinfasern bestehen aus Kollagen vom Typ III und gehören chemisch gesehen ebenfalls zur großen Kollagenfamilie.

Kollagensynthese

Das Kollagenmolekül wird als Vorstufe in Form des Prokollagens aus der Zelle in den Extrazellulärraum ausgeschleust. Dort werden anschließend durch spezielle Enzyme (Prokollagen-Peptidasen) die Enden der Prokollagene (Propeptide) abgespalten und es entstehen Tropokollagene. Diese Abspaltung ermöglicht eine parallele Zusammenlagerung der einzelnen Tropokollagene zu Kollagenfibrillen, die eine charakteristische periodische Querstreifung aufweisen. Ursache dieser Querstreifung ist die überlappende Anordnung der Tripelhelices, so dass sie jeweils um ein Viertel ihrer Länge gegenüber dem seitlichen Nachbarmolekül versetzt sind.

Der Zusammenhalt der einzelnen Tropokollagene wird durch intramolekulare Querbrücken (Quervernetzung) sichergestellt. Die lichtmikroskopisch sichtbaren Kollagenfasern (Dicke 1–20 μm) entstehen durch Zusammenlagerung unterschiedlich vieler Kollagenfibrillen (Durchmesser einer Kollagenfibrille: 30–200 nm; ▶ Abb. 2.3).

Eigenschaften von Kollagenfasern

Kollagenfasern sind um etwa 5 % dehnbar und aufgrund ihres leicht gewellten Verlaufs um etwa 3 % verlängerbar. Sie leisten einer Deformation der Gewebe Widerstand und orientieren sich dementsprechend stets in Richtung der Zugkräfte. Hierbei nehmen sie Zugspannungen auf (Zugfestigkeit). Werden sie über längere Zeit entlastet (herabgesetzte Zugbelastung), so verkürzen sie sich (z. B. Schrumpfung der Gelenkkapsel bei Ruhigstellung), bei erhöhter Dehnung werden sie länger und können überdehnt werden (Hypermobilität von Gelenken). Kollagenfasern haben eine hohe Reißfestigkeit (50–100 N/mm2) und können sich unter erhöhter Beanspruchung funktionell anpassen (Zunahme von Kollagen in Sehnen und Bändern).

Retikulinfasern

Retikuläre Fasern enthalten ebenfalls Kollagen als chemischen Bestandteil ( ▶ Abb. 2.2). Sie sind hauptsächlich aus Kollagen vom Typ III aufgebaut und bilden zarte, netzartig verzweigte Fasern (Durchmesser 0,5–2 µm). Die Fasern können lichtmikroskopisch durch Imprägnation mit Silbersalzen dargestellt werden. Aufgrund ihrer selektiven Anfärbbarkeit mit Silbersalzen werden sie auch als argyrophile Fasern bezeichnet (gr. argyros = Silber) und erscheinen schwarz gefärbt.

Retikulinfasern bilden in vielen Organen (z. B. lymphatische Organe, Knochenmark, Leber, Niere, Drüsen) fein vernetzte dreidimensionale Stützgerüste im Parenchym, dem spezifischen Gewebeanteil der Organe. Sie sind so angeordnet, dass sie Volumenschwankungen der eingelagerten oder umhüllenden Strukturen in begrenztem Maße zulassen (z. B. Fettgewebe). Diese mechanischen Funktionen werden bei der Beteiligung der Retikulinfasern am Aufbau des Muskelgewebes (Endomysium), des Nervengewebes (Endoneurium), der Blutgefäße (Adventitia) und der Basalmembranen besonders deutlich.

Elastische Fasern

Elastische Fasern bilden typischerweise Netze und sind im Gegensatz zu Kollagenfibrillen verzweigt ( ▶ Abb. 2.2 und ▶ Abb. 2.5). Die Hauptkomponenten elastischer Fasern sind das gummiartige Protein Elastin, dessen Aminosäurezusammensetzung der von Kollagen ähnelt (v.a. Glycin und Prolin; Hydroxyprolin und – lysin fehlen fast vollständig), und elastische Mikrofibrillen. Elastische Netze erscheinen im lichtmikroskopischen Bild homogen mit variablem Durchmesser (0,5–5 μm) und lassen keinen Aufbau aus kleineren Einheiten erkennen. Sie entstehen aus 10 nm dicken elastischen Mikrofibrillen, die sich unter Einbau von Elastingranula zu dickeren Fasersträngen vernetzen. Beide Komponenten (Elastin und elastische Mikrofibrillen) werden v.a. von Fibroblasten und glatten Muskelzellen gebildet.

Elastische Fasern können auf das Mehrfache ihrer Ausgangslänge gedehnt werden (100–150 %) und sich schnell wieder auf ihre ursprüngliche Länge verkürzen sobald die Spannung nachlässt. Übersteigt die Zugbelastung mehr als etwa 300 N/mm2, zerreißen die Fasern. Sie finden sich v.a. in Geweben, bei denen leichte Dehnbarkeit und periodische Verformbarkeit funktionell wichtig sind. Große Mengen an elastischen Fasern kommen beispielsweise in Arterienwänden, speziell in der herznahen Aorta vor (Windkesselfunktion). Außerdem treten sie im lockeren Bindegewebe, in Bändern (z. B. Ligg. flava = gelbe Bänder) und Sehnen, im elastischen Knorpel (z. B. Ohrmuschel) sowie in der Haut und in zahlreichen Organen (z. B. Lunge) auf. Größere Mengen an elastischem Material verleihen dem Gewebe eine charakteristische gelbe Farbe (Ligg. flava zwischen den Wirbelbögen benachbarter Wirbel).

2.6.1.2 Grundsubstanz

Außer den Fasern enthält die Extrazellulärmatrix noch die Grundsubstanz (= nichtfaserige zwischenzellige Substanz), die hauptsächlich von den spezifischen Bindegewebszellen gebildet wird und in unterschiedlicher Menge und Zusammensetzung vorkommt. Die wesentlichen Bestandteile sind:

interstitielle Flüssigkeit und unterschiedliche Makromoleküle

Glykosaminoglykane

Proteoglykane

Glykoproteine

Die Makromoleküle sind überwiegend negativ geladen (Polyanionen) und können daher Wasser und andere Kationen reversibel binden.

Abb. 2.4Aufbau eines Proteoglykanaggregates am Beispiel des Aggrekan (nach Koolman und Röhm). Proteoglykane wie Aggrekan sind sehr große Molekülkomplexe, die aus weit über 100 Glykosaminglykan-Ketten bestehen. Sie sehen aus wie eine Flaschenbürste. Die einzelnen Glykosaminglykan-Moleküle stellen dabei die „Borsten“ dar, die über sog. Verbindungsproteine an einem zentralen Hyaluranatmolekül befestigt sind.

Die unterschiedliche Zusammensetzung der Grundsubstanz verleiht dem Bindegewebe unterschiedliche Konsistenz. Bei zusätzlicher Einlagerung von z. B. Kalziumsalzen kann eine extreme Härte erreicht werden (Knochengewebe).

Interstitielle Flüssigkeit

Das Wasser, d. h. die interstitielle Flüssigkeit steht primär im Dienste metabolischer Vorgänge und dient wasserlöslichen Stoffen als Vehikel zwischen den Blutgefäßen, Zellen und Lymphgefäßen. Die interstitielle Flüssigkeit enthält unter anderem Plasmaproteine, Elektrolyte, Hormone und niedrigmolekulare Substanzen (z. B. einfache Zucker, Aminosäuren). Über sie gelangen Nährstoffe aus dem Blut zu den Zellen und Abbauprodukte aus den Zellen ins Blut bzw. in die Lymphgefäße. Die interstitielle Flüssigkeit dient daher als Transitstrecke beispielsweise der Ernährung der Bindegewebszellen und übt zusätzlich gemeinsam mit den Makromolekülen mechanische Funktionen aus (z. B. ▶ Aufnahme von Druckkräften im Gelenkknorpel).

Glykosaminoglykane

Glykosaminoglykane (GAG) sind unverzweigte, z.T. sehr lange Polysaccharidketten mit mehreren tausend Zuckermolekülen ( ▶ Abb. 2.4). Die Ketten bestehen aus sich wiederholenden Disaccharideinheiten mit jeweils einem Aminozucker (häufig N-Azetylglukosamin oder N-Azetylgalaktosamin) und einer Uronsäure (häufig Glukuronsäure, GlcUA). Mindestens einer der Zucker im Disaccharid besitzt eine negativ geladene Karboxyl- oder Sulfatgruppe. Aufgrund ihrer negativen Ladungen sind Glykosaminoglykane stark sauer (polyanionisch) und binden daher bei physiologischem pH-Wert reversibel Kationen (Ca+, K+, Na+) und v.a. Wasser. Die hohe reversible Wasserbindungskapazität bildet eine wesentliche Grundlage der viskoelastischen Eigenschaften von Binde- und Stützgeweben. Darüber hinaus vermitteln die negativ geladenen Karboxyl- und Sulfatgruppen eine elektrostatische Interaktion mit dem Kollagen. Die wichtigsten Glykosaminoglykane sind:

Hyaluronsäure (Hyaluronat)

Chondroitinsulfat

Keratansulfat

Dermatansulfat

Heparansulfat

Heparin

Hyaluronsäure ist der wichtigste Vertreter der nichtsulfatierten Glykosaminoglykane im Gewebe und kommt besonders reichlich im embryonalen Mesenchym, in der Nabelschnur, im Glaskörper des Auges, in der Haut und im Knorpel vor. Außerdem bildet die Hyaluronsäure einen wichtigen Bestandteil der Gelenkschmiere (Synovia), die beispielsweise die Reibung zwischen artikulierenden Gelenkflächen herabsetzt. Infolge ihrer einfachen Struktur gilt sie als die entwicklungsgeschichtlich älteste Form der Glykosaminoglykane. Die übrigen Glykosaminoglykane sind am Aufbau der Proteoglykane beteiligt.

Proteoglykane

Proteoglykanmoleküle bestehen aus Polysacchariden (etwa 95 %) und Proteinen (5 %). Sie besitzen ein fadenförmiges zentrales Protein (Kernprotein), an das bis zu 200 Seitenketten mit sulfatierten Glykosaminoglykanen geknüpft sind ( ▶ Abb. 2.4).

Am Beispiel des wichtigsten Proteoglykans des Knorpels, dem Aggrekan, soll der Aufbau verdeutlicht werden: Das Kernprotein trägt etwa 100 Seitenketten aus Chondroitinsulfat und 30 Seitenketten aus Keratansulfat, wobei die Chondroitinseitenketten aus etwa 100 Disacchariden und die Keratanseitenketten aus etwa 30 Disaccharideinheiten aufgebaut sind. Über Verbindungsproteine sind die Kernproteine des Aggrekans an Hyaluronsäure gebunden, um auf diese Weise noch höhermolekulare Aggregate bilden zu können.

Glykoproteine

Im Gegensatz zu den Proteoglykanen bestehen die Glykoproteine der extrazellulären Matrix vorwiegend aus Protein und enthalten nur kurze, nichtsulfatierte Kohlenhydratseitenketten. Sie werden zu den Strukturproteinen gezählt und dienen als „Klebeproteine“ hauptsächlich der Verankerung von Zellen in der extrazellulären Matrix (Adhäsionsproteinen). Die Haftung an der Extrazellulärmatrix ist eine wichtige Voraussetzung beispielsweise für die Wanderung der freien Bindegewebszellen. Glykoproteine dienen zudem als Informationsüberträger zwischen Zelle und Extrazellulärmatrix (piezoelektrischer Effekt), z. B. um Differenzierungsprozesse auszulösen. Wichtige Vertreter sind Fibronektin, Laminin, Tenascin, Osteonektin und Chondronektin.

2.7 Bindegewebe des Bewegungssystems

Die folgende Beschreibung konzentriert sich auf die beiden Bindegewebsarten, die einen wesentlichen Anteil am Aufbau des Bewegungsapparates haben:

faserarmes (lockeres) Bindegewebe und

faserreiches (straffes) Bindegewebe.

2.7.1 Faserarmes Bindegewebe

Das faserarme (lockere) Bindegewebe ist die im Organismus am weitesten verbreitete Bindegewebsform. Es begleitet als interstitielles Bindegewebe Nerven und Gefäße in die Organe und verbindet als Stroma die spezifischen Gewebeanteile der Organe, das Parenchym. Es untergliedert die Skelettmuskulatur ( ▶ Epi-, Peri- und Endomysium, ▶ Abb. 5.9a u. ▶ Abb. 5.9b) und die Sehnen ( ▶ Peri-▶ und Paratendineum) und bildet auf diese Weise Blutgefäße und Nerven führende Bindegewebssepten. Schließlich ist es Bestandteil des subsynovialen Bindegewebes der ▶ Gelenkkapseln.

Das lockere Bindegewebe ist relativ zellreich, wobei die Fibroblasten bzw. die Fibrozyten ein räumliches Netzwerk bilden ( ▶ Abb. 2.5). Kollagene sowie elastische Fasern sind in verschiedenen Richtungen angeordnet, um dem Bindegewebe Festigkeit und Elastizität zu verleihen. Auf diese Weise ermöglicht das lockere Bindegewebe eine freie Verschieblichkeit besonders bei Volumen- und Lageveränderungen. Aufgrund seiner hohen Wasserbindungsfähigkeit dient es zudem als Wasserspeicher. Darüber hinaus hat es große Bedeutung für Abwehr- und Regenerationsvorgänge, da die Zellen der Abwehr (Mastzellen, Makrophagen, Lymphozyten und Granulozyten) größtenteils im lockeren Bindegewebe liegen.

Abb. 2.5Lockeres, faserarmes Bindegewebe.

2.7.2 Faserreiches Bindegewebe

In den faserreichen (straffen) Bindegeweben treten die Zellen in den Hintergrund. Im Vordergrund stehen vor allem kollagene (straffes kollagenfaseriges Bindegewebe), seltener elastische Fasern (elastische Bänder). Beim straffen kollagenfaserigen Bindegewebe werden im Hinblick auf die Anordnung der Kollagenfasern straffes geflechtartiges und straffes parallelfaseriges Bindegewebe unterschieden.

2.7.2.1 Straffes geflechtartiges Bindegewebe

Hier verlaufen die Kollagenfaserbündel in einem dreidimensionalen filzartigen Geflecht, wobei der unterschiedliche Faserverlauf Zugfestigkeit in allen Richtungen gewährleistet ( ▶ Abb. 2.6). Entsprechend diesen Eigenschaften bildet es die bindegewebige Kapsel von Organen, die Faszien von Skelettmuskeln, die sog. Lederhaut (Stratum reticulare der Dermis), die harte Augenhaut (Sklera), die harte Hirnhaut (Dura mater) sowie die Knochen- bzw. Knorpelhaut (Periost, Perichondrium).

Abb. 2.6Straffes geflechtartiges Bindegewebe einer Muskelfaszie.

2.7.2.2 Straffes parallelfaseriges Bindegewebe

Straffes Bindegewebe, das hinsichtlich der Faseranordnung eine Vorzugsrichtung erkennen lässt wird zum parallelfaserigen Bindegewebe gezählt. So richten sich unter dem Einfluss von Zugkräften die Kollagenfasern von Sehnen und Bändern alle in eine Richtung aus und sind damit parallel angeordnet (▶ Abb. 2.7 a-c). Die Bindegewebszellen von Sehnen (Tendinozyten) liegen beispielsweise zwischen den Kollagenfaserbündeln und haben aufgrund ihrer abgeplatteten Zellfortsätze im Querschnitt eine dreieckige oder flügelartige Form (Flügelzellen; zu ▶ Aufbau und Funktion von Sehnen).

Abb. 2.7 a–cStraffes parallelfaseriges Bindegewebe einer Sehne. a Längsschnitt; b Querschnitt. c Räumliche Darstellung.

2.7.2.3 Elastische Bänder

Besteht die Extrazellulärmatrix vorzugsweise aus parallelfaserigen elastischen Fasern, wie z. B. in den Ligg. flava der Wirbelbögen oder im Nackenband (Lig. nuchae), handelt es sich um elastisches Bindegewebe bzw. elastische Bänder. Die elastischen Fasern werden jedoch in ihrem gesamten Verlauf von spiralig verlaufenden Kollagenfibrillen umgeben, über die die elastischen Bänder am Knochen fixiert werden.

2.8 Stützgewebe

2.8.1 Knorpelgewebe

Knorpelgewebe kommt vorwiegend im Skelett und in den Luftwegen vor. Aufgrund seiner physikalischen und chemischen Eigenschaften nimmt es eine Mittelstellung zwischen Binde- und Knochengewebe ein. Es zeichnet sich durch hohe Druckfestigkeit aus, ist viskoelastisch verformbar und besitzt einen hohen Widerstand gegenüber Scherkräften. Kennzeichnend sind die Knorpelzellen (Chondroblasten und Chondrozyten), die mehr oder weniger abgerundet und in kleinen Gruppen (Chondrone) in ihrer Extrazellulärmatrix liegen, ohne miteinander Kontakt zu haben ( ▶ Abb. 2.8a–▶ Abb. 2.8c). Knorpelgewebe ist beim Erwachsenen frei von Blutgefäßen; seine Versorgung mit Nährstoffen erfolgt durch Diffusion entweder von einer gefäßführenden Knorpelhaut (Perichondrium) oder – im Falle des hyalinen Gelenkknorpels – mittels ▶ Konvektion direkt über die ▶ Gelenkflüssigkeit.

Abb. 2.8a–c Knorpelgewebe. a Hyaliner Knorpel (Luftröhre). b Elastischer Knorpel (Ohrmuschel). c Faserknorpel (Bandscheibe).

Abb. 2.8a

Abb. 2.8b

Abb. 2.8c

Je nach Art und Menge der Fasern werden folgende Knorpeltypen unterschieden:

hyaliner Knorpel

Faserknorpel

elastischer Knorpel

2.8.1.1 Hyaliner Knorpel

Während der Embryonalperiode wird beim Menschen ebenso wie bei anderen Wirbeltieren der größte Teil des späteren knöchernen Skeletts knorpelig vorgebildet (Primordialskelett). Beim Heranwachsenden bestehen die Epiphysenfugen (Wachstumsfugen) innerhalb der Röhrenknochen aus hyalinem Knorpel, der erst nach Abschluss des Wachstums durch Knochen ersetzt wird. Beim Erwachsenen überzieht hyaliner Knorpel die Gelenkflächen, bildet den sternalen Teil der Rippen, einen Teil der Nasenscheidewand, das Kehlkopfskelett und die Spangen der Luftröhre sowie der großen Bronchien ( ▶ Abb. 2.8a).

Knorpelwachstum

Hyaliner Knorpel entwickelt sich aus dem Mesenchym. Mit Beginn der Bildung von Extrazellulärmatrix verlieren die Mesenchymzellen, die ursprünglich untereinander in Verbindung stehen, ihre Fortsätze und differenzieren sich zuerst zu rundlichen Vorknorpelzellen. Aus diesen entstehen durch mitotische Zellteilungen in der Folge die kugeligen Chondroblasten. Hierbei bilden sich isogene (= alle Zellen stammen von derselben Vorläuferzelle ab) Knorpelzellgruppen (Chondrone oder Territorien). Mit zunehmender Sekretion von Interzellularsubstanz rücken die einzelnen isogenen Gruppen auseinander und die Chondroblasten differenzieren sich zu Chondrozyten. Die Extrazellulärmatrix zwischen den Territorien wird auch als interterritoriale Matrix bezeichnet. Diese Art des Knorpelwachstums wird interstitielles Wachstum (Wachstum von innen heraus) genannt. Knorpelwachstum kann jedoch auch von außen durch appositionelles Wachstum (Anlagerungswachstum) stattfinden ( ▶ Abb. 2.9a u. ▶ Abb. 2.9b). Hierbei entstehen aus undifferenzierten mesenchymalen Zellen des Perichondriums (Knorpelhaut) zunächst Chondroblasten, die sich im weiteren Verlauf ebenfalls teilen können und Extrazellulärmatrix produzieren.

Abb. 2.9a u. b Interstitielles und appositionelles Knorpelwachstum in einer embryonalen Extremitätenanlage. a Längsschnitt. b Ausschnitt aus a.

Regenerationsfähigkeit des Knorpels

Auch nach Abschluss des Wachstums behalten die innersten Zellen der Knorpelhaut (Stratum cellulare, ▶ Abb. 2.8a) die Fähigkeit, Knorpelzellen zu bilden, während die Außenschicht (Stratum fibrosum, ▶ Abb. 2.8a) überwiegend aus kollagenen Fasern besteht. Auf diese Weise bleibt auch im Erwachsenenalter eine gewisse Regeneration möglich. Die Regenerationsfähigkeit des hyalinen Gelenkknorpels ist jedoch gering, da neuer Knorpel nur von der Knorpelhaut, dem Perichondrium, ausgehend gebildet werden kann. Fehlt diese Knorpelhaut, wie beim hyalinen Gelenkknorpel, kann nach Zerstörung infolge entzündlicher und degenerativer Gelenkerkrankungen (Arthritis bzw. Arthrose) kein funktionsfähiger Knorpel mehr aufgebaut werden ( ▶ Abb. 4.8).

Zusammensetzung des Knorpels

Im gefäß- und nervenfreien ausdifferenzierten hyalinen Knorpelgewebe treten die Chondrozyten gegenüber der Extrazellulärmatrix mengenmäßig zurück, so dass ihr Volumenanteil bei 1–10 % liegt. Hyaliner Knorpel sieht in frischem Zustand bläulich milchig aus und erscheint in dünnen Scheiben transparent. Die Extrazellulärmatrix des hyalinen Knorpels besitzt mit etwa 70 % einen hohen Wassergehalt. Die Trockensubstanz enthält Proteoglykane, Kollagene, Glykoproteine, Lipide und Elektrolyte, wobei Proteoglykane und Typ-II-Kollagen mit jeweils 45 % des Trockengewichts den größten Anteil ausmachen.

Als Hauptproteoglykan des hyalinen Knorpels bildet das Aggrekan ( ▶ Abb. 2.4) zusammen mit der Hyaluronsäure die eigentliche Grundsubstanz des Knorpelgewebes. Aufgrund der hohen negativen Ladungsdichte der Glykosaminoglykanseitenketten (negativ geladene Karboxyl- und Sulfatgruppen des Chondroitin- und Keratansulfats) besitzt das Aggrekan eine hohe reversible Wasserbindungskapazität. Diese erklärt sich durch die partiell positive Ladung des Wassermoleküls als Dipol. Dadurch stoßen sich die mit Wasser beladenen negativen Glykosaminoglykane voneinander ab und bauen einen gewebespezifischen Innendruck auf, der über die zugfeste Verspannung der kollagenen Fasern gehalten wird. Dies erklärt die relativ hohe prallelastische Druckfestigkeit des Knorpels.

Der Anteil der (kollagenen) Fasern ist mit 45 % im hyalinen Knorpel geringer als im Faserknorpel und beim elastischen Knorpel. Die Kollagenfibrillen sind durch die in der Grundsubstanz vorhandenen Glykosaminoglykane (z. B. Chondroitinsulfat)„ maskiert“. Sie sind im lichtmikroskopischen Bild nicht sichtbar, da sich ihre Lichtbrechung bei der geringen Faserdichte nicht von derjenigen der Umgebung unterscheidet.

2.8.1.2 Faserknorpel

Das Vorkommen von Faserknorpel beschränkt sich beim Menschen im Wesentlichen auf die Gelenkzwischenscheiben (Disci und Menisci, ▶ Abb. 2.8c), die Zwischenwirbelscheiben der Wirbelsäule, die Symphyse (Symphysis pubica), den Gelenkknorpel des Kiefer- und Sternoklavikulargelenks sowie auf diejenigen Bereiche, in denen Sehnen oder Bänder auf Druck beansprucht werden (z. B. Drucksehnen, s. ▶ Abb. 6.4a- ▶ Abb. 6.4c).

Der entscheidende Unterschied zum hyalinen Gelenkknorpel besteht in der Menge der Kollagenfasern, die gegenüber der Grundsubstanz im Faserknorpel deutlich vermehrt ist. Dadurch sind die Kollagenfasern nicht maskiert, d. h. die Faserbündel sind bereits mit bloßem Auge sichtbar. Faserknorpel hat große Ähnlichkeit mit straffem Bindegewebe, weshalb er auch Bindegewebsknorpel genannt wird. Die Chondrone bestehen meistens nur aus ein bzw. zwei Zellen und sind parallel zu den Faserbündeln angeordnet. Faserknorpel enthält Kollagen vom Typ I und II, d. h. es gibt fließende Übergänge einerseits zum hyalinen Knorpel, andererseits zum straffen Bindegewebe. Beim Faserknorpel steht die Anpassung an Zugbeanspruchung im Vordergrund. So entsteht beispielsweise bei den Zwischenwirbelscheiben die Spannung durch den hohen Innendruck des ▶ Nucleus pulposus.

2.8.1.3 Elastischer Knorpel

Aus elastischem Knorpel bestehen beim Menschen der Kehldeckel (Epiglottis), die kleinen Kehlkopfknorpel, die Ohrmuschel ( ▶ Abb. 2.8b), ein Teil des äußeren Gehörganges sowie die Knorpel in den kleinen Bronchien. Er enthält zusätzlich zu den Strukturen des hyalinen Knorpels elastische Fasernetze, die netzartig um die Chondrone verlaufen und in das angrenzende Perichondrium einstrahlen. Aufgrund seiner elastischen Fasern hat er ein gelbliches Aussehen und ist deutlich biegsamer und elastischer als der hyaline Knorpel. Mineralisation und Knochenbildung treten im elastischen Knorpel nicht auf.

2.8.2 Knochengewebe

Das Knochengewebe ist als Baumaterial des Organs Knochen das Hauptstützgewebe des knöchernen Skeletts. Es ist ein Verband von Knochenzellen (Osteozyten), die allseitig von Extrazellulärmatrix eingeschlossen sind. Daneben kommen Osteoblasten als knochenaufbauende und Osteoklasten als knochenabbauende Zellen an den Rändern des Knochengewebes vor. Das ausdifferenzierte Knochengewebe ist nach dem Zahngewebe die härteste Substanz des menschlichen Körpers. Es hat im Gegensatz zum Knorpelgewebe einen relativ niedrigen Wassergehalt von etwa 20 %. Das Trockengewicht besteht zu etwa 30 % aus organischen (v.a. Typ-I-Kollagen) und zu 70 % aus anorganischen Bestandteilen (v.a. Kalziumphosphat). Die Mineralien sind in der Extrazellulärmatrix in kristalliner Form überwiegend als ▶ Hydroxylapatit eingelagert und verleihen dem Knochen seine große physikalische Härte.

Die Struktur des ausdifferenzierten menschlichen Knochens, des Lamellenknochens, entsteht nicht primär. Zunächst wird in der Embryonalentwicklung – wie auch bei der Knochenbruchheilung ( ▶ Abb. 3.5) – Geflecht- oder Faserknochen gebildet, der einem erhärteten faserreichen Bindegewebe entspricht. Höhere funktionelle Beanspruchung, z. B. durch das Körpergewicht, führt später zu einem Umbau in Lamellenknochen.

Bei der Betrachtung des Knochens als Organ sind an seinem ▶ Aufbau jedoch neben dem eigentlichen Knochengewebe noch viele andere Gewebearten beteiligt, wie z. B. Fettgewebe und Blut bildendes Gewebe in den Knochenmarkräumen, hyaliner Gelenkknorpel an den Gelenkenden und in den Wachstumszonen, straffes Bindegewebe im Bereich der Knochenhaut, Endothel, elastisches Bindegewebe und glatte Muskelzellen in der Wand der Blutgefäße sowie Nervengewebe in den versorgenden Nervenfasern.

2.8.2.1 Aufbau eines Lamellenknochens

Makroskopischer Aufbau

Am Sägeschnitt durch einen Röhrenknochen wird der Aufbau des Knochengewebes innerhalb eines Lamellenknochens besonders deutlich ( ▶ Abb. 2.10– ▶ Abb. 2.10e). Bereits makroskopisch lassen sich 2 verschiedene Bauformen unterscheiden, ein äußerer dichter und kompakter (Substantia compacta oder Kortikalis) und ein innerer spongiöser oder trabekulärer Knochen (Substantia spongiosa).

Abb. 2.10a–e Aufbau eines Lamellenknochens am Beispiel des proximalen Oberschenkelknochens. a Frontaler Sägeschnitt durch den proximalen und distalen Teil des Oberschenkelknochens (Os femoris) eines Erwachsenen (mittlerer Diaphysenbereich als Ganzes erhalten). b Ausschnitt aus a: Schnittpräparat durch die Spongiosa. Der lamellenartige Aufbau der Spongiosatrabekel (Spongiosabälkchen) ist zu erkennen. Die Lamellen liegen wie beim Sperrholz in Form von Platten aufeinander. Da in den Spongiosatrabekeln keine Gefäße verlaufen und die Ernährung per Diffusion aus dem angrenzenden Markraum erfolgt, sind die Trabekel maximal nur ca. 200–300 μm dick. c Ausschnitt aus a: Räumliche Darstellung der Kompakta, in der als Baueinheiten die etwa 1 cm langen gefäßführenden Osteone (Durchmesser 250–350 μm) verlaufen. Die vorzugsweise längs verlaufenden Havers-Kanäle stehen durch die quer verlaufenden Volkmann-Kanäle untereinander sowie mit den Gefäßen des Periosts und des Markraums in Verbindung. d Ausschnitt aus c: Feinbau eines Osteons: Um einen zentral verlaufenden Havers-Kanal sind ca. 5–20 konzentrische Lamellensysteme aus Osteozyten und Extrazellulärmatrix angeordnet. Die Osteone sind untereinander über feine Zytoplasmafortsätze verbunden. e Ausschnitt aus c: Aufbau des Periosts.

Bei der Substantia compacta (Kompakta) handelt es sich um eine dicht gepackte Knochensubstanz, aus der etwa 80 % des gesamten knöchernen Skeletts aufgebaut sind ( ▶ Abb. 2.10c). Die restlichen 20 % der Skelettmasse entfallen auf die Substantia spongiosa (Spongiosa), die nach Art eines Schwammes organisiert ist und ein dreidimensionales Gerüst aus gitterähnlich angeordneten dünneren und dickeren Bälkchen, Stäben und Platten (Spongiosatrabekel) darstellt ( ▶ Abb. 2.10b u. ▶ Abb. 2.11a). Mehr als 60 % der gesamten Knochenoberfläche liegen im Bereich der Spongiosa. Dieser hohe Wert kommt zustande, weil die lockere Spongiosa eine viel größere Oberfläche als die dichte Kompakta bildet.

Während die Kompakta im gesamten äußeren Bereich eines Röhrenknochens vorhanden und im Schaft (Diaphyse) besonders ausgeprägt ist, findet sich die Spongiosa v.a. an den Enden eines Röhrenknochens (Epiphyse). Hierin äußert sich die „Leichtbauweise“ des Lamellenknochens: mit einem Minimum an Material wird ein Maximum an Festigkeit erreicht. In den Hohlräumen zwischen den Spongiosatrabekeln befindet sich das rote, Blut bildende Knochenmark ( ▶ Abb. 2.11a). Gelbes Fettmark ist hingegen besonders im Bereich der Knochenmarkshöhle der Diaphyse ausgebildet ( ▶ Abb. 2.10a). Mit Ausnahme der überknorpelten Gelenkflächen und der ▶ chondral-apophysären Sehnenansatzzonen wird die Kompakta aller Knochen von einer Knochenhaut (Periost) überzogen ( ▶ Abb. 2.11a). Die innere Oberfläche der Knochenkompakta sowie die Gefäßkanäle im Knocheninneren sind ebenso wie die gesamten Spongiosatrabekel vom Endost ausgekleidet ( ▶ Abb. 2.11a).

Abb. 2.11a–c Wachstums- und Umbauvorgänge innerhalb der Spongiosa eines Lamellenknochens. a Räumliche Darstellung des Knochengewebes (Spongiosa). b Ausschnitt aus a: Umbau eines Spongiosatrabekels.

Mikroskopischer Aufbau

Seinen Namen verdankt der Lamellenknochen dem lamellenartigen Aufbau der Substantia compacta und der Spongiosatrabekel. An einem histologischen Transversalschnitt durch die Kompakta wird die Verteilung der Lamellensysteme (Osteone) besonders deutlich ( ▶ Abb. 2.10). Im Zentrum eines etwa 1 cm langen Osteons (Durchmesser 250–350 μm) befindet sich ein Havers-Kanal mit 1–2 Blutgefäßen, einzelnen Nervenfasern sowie begleitendem lockeren Bindegewebe. Um den zentralen Kanal sind die 5–10 μm dicken Lamellen (ca. 5–20) ringförmig angeordnet, wobei die Osteozyten stets zwischen den einzelnen Lamellen liegen und untereinander über zahlreiche feine Zytoplasmafortsätze in Verbindung stehen (Stofftransport) ( ▶ Abb. 2.10c). Auf diese Weise erreichen die Nährstoffe und der Sauerstoff aus dem zentralen Blutgefäß die am weitesten außen liegenden Lamellen, die von benachbarten Strukturen durch eine 1–2 μm breite Kitt- bzw. Zementlinie abgegrenzt sind ( ▶ Abb. 2.10c). Die Kittlinie ist aus kollagenarmer Grundsubstanz aufgebaut und immer stärker mineralisiert als die übrige Extrazellulärmatrix.

Untereinander sowie mit den Gefäßen des Periosts und des Markraumes stehen die vorzugsweise in Längsrichtung des Knochens verlaufenden Havers-Kanäle durch kurze, quer und schräg verlaufende Volkmann-Kanäle in Verbindung. Die Lücken zwischen den Osteonen werden durch Schaltlamellen (Reste älterer Osteone) ausgefüllt. Der äußere, unmittelbar an das Periost angrenzende Bereich der Kompakta wird von der äußeren Generallamelle gebildet, während der zum Markraum grenzende Teil der Substantia compacta von einer inneren Generallamelle umfasst wird ( ▶ Abb. 2.10c).

Innerhalb der lamellär angeordneten mineralisierten Extrazellulärmatrix verlaufen die Kollagenfasern in Schraubentouren um die Achse des Osteons mit jeweils wechselnden Steigungswinkeln in den von innen nach außen aufeinander folgenden Lamellensystemen. Flach und steil verlaufende Kollagenfasern in den einzelnen Osteonen zeigen ein bestimmtes Verteilungsmuster, das von der funktionellen Beanspruchung abhängig ist (flach „gewickelte“ Osteone sind druckfest, steil „gewickelte“ Osteone hingegen zugfest). Durch die spezifische Anordnung der Kollagenfasern und den hohen Gehalt an Mineralsalzen in der Extrazellulärmatrix erhält der Lamellenknochen seine hohe Formfestigkeit ( ▶ Abb. 2.10c).

Die Substantia spongiosa des Knochens ist ebenfalls lamellenartig aufgebaut, wobei die Lamellen jedoch wie beim Sperrholz in Form von Platten aufeinander liegen ( ▶ Abb. 2.11a). Da in den Spongiosatrabekeln keine eigenen Gefäße verlaufen und die Ernährung somit per diffusionem vom angrenzenden Markraum erfolgt, erreichen die Trabekel nur eine Dicke von etwa 200–300 μm. Durch die Ausrichtung der Spongiosabälkchen kann sich der Knochen veränderten Beanspruchungen (z. B. Biegung) funktionell anpassen. Die Biegebeanspruchung führt einerseits zu Zugspannungen und damit zur Ausbildung von Zugtrabekeln, andererseits zu Druckspannungen und zur Ausbildung von Drucktrabekeln ( ▶ Funktionelle Anpassung).

2.8.2.2 Wachstum und Umbau von Knochen

Knochen mit lamellenartig aufgebauter Kompakta und Spongiosa wird zeitlebens umgebaut und kann sich daher sehr gut veränderten statischen Bedingungen anpassen. Hierbei ist die Umbaurate in der Spongiosa etwa dreimal so hoch wie in der Kompakta. Im Wachstumsalter überwiegt der Anbau, nach dem 50. Lebensjahr allmählich der Abbau, wobei altersbedingte hormonelle Umstellungen eine wesentliche Rolle spielen. Durch die Wachstums- und Umbauvorgänge werden alte Lamellensysteme ab- und neue aufgebaut. Der Abbau erfolgt durch spezialisierte, Knochen abbauende Zellen (Osteoklasten), der Aufbau durch Knochen bildende Osteoblasten ( ▶ Abb. 2.11). Die ersten Generationen der durch Umbau aus Geflechtknochen entstandenen Osteone werden als primäre Osteone, die im Umbau befindlichen als Schaltlamellen und die beim Umbau entstandenen als ▶ sekundäre Osteone bezeichnet, die sich von den primären kaum unterscheiden.

Osteoblasten

In wachsendem und im Umbau befindlichem Knochengewebe kommen neben ausdifferenzierten Osteozyten (etwa 700–900 pro mm3