Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Toter Killer Thriller von Alfred Bekker Der Umfang dieses Ebook entspricht 140 Taschenbuchseiten. Ein Auftragsmörder und ein Enthüllungsjournalist werden ermordet in einer Wohnung gefunden. Wer wollte diese beiden Männer tot sehen? Die beiden FBI-Agents Jesse Trevellian und Milo Tucker ermitteln in einem ominösen Fall. Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell. Titelbild: Firuz Askin
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 171
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Toter Killer: Thriller
Alfred Bekker
Published by BEKKERpublishing, 2016.
Title Page
Toter Killer
Copyright
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
Thriller von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Ebook entspricht 140 Taschenbuchseiten.
Ein Auftragsmörder und ein Enthüllungsjournalist werden ermordet in einer Wohnung gefunden. Wer wollte diese beiden Männer tot sehen? Die beiden FBI-Agents Jesse Trevellian und Milo Tucker ermitteln in einem ominösen Fall.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
Titelbild: Firuz Askin
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© 2015 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
Der Umfang dieses Ebook entspricht 126 Taschenbuchseiten.
„Ich habe die Opfer nie gezählt“, sagte der Mann mit den tief liegenden, grauen Augen. „Es müssen über hundert sein.“ Er beugte sich vor und schnipste mit den Fingern. „Es ist so einfach! Man bekommt eine E-Mail mit den Daten und eine Überweisung auf ein Schweizer Bankkonto. Und dann knipst du die Zielperson einfach aus. Wenn der Auftraggeber das will, quälst du das Opfer noch ein bisschen oder wendest eine bestimmte Mordmethode an. Alles im Rahmen des Machbaren natürlich... Es gibt viele, die in der Branche Fuß zu fassen versucht haben. Manche von denen liegen längst selber bei den Fischen im East River.“ Er lächelte und nippte an seinem Cappuccino. „Aber es gibt keinen, der so gut ist wie ich – Jack Fabiano!“
Der Mann, der Fabiano gegenübersaß hatte kurz geschorenes, blondes Haar. Er hieß Brandon Carter und war ein bekannter Enthüllungsjournalist. Er arbeitete sowohl für Boulevardsendungen im Fernsehen, als auch für mehrere Zeitungen und Zeitschriften. Vor allem war er allerdings in den letzten Jahren durch spektakuläre Prominenten-Biographien hervorgetreten, von denen mindestens zwei Titel im Augenblick verschiedene amerikanische und europäische Gerichte beschäftigten, da diejenigen, deren Leben Carter dargestellt hatte, von dem Ergebnis alles andere als begeistert waren.
Man nannte ihn in der Branche respektvoll den „Insider“.
Einer, der jeden kannte, alles wusste und das Gras wachsen hörte. Immer zur Stelle, wenn es irgendwo einen Skandal aufzudecken oder im Keller eines nach außen hin als Saubermann auftretenden Prominenten eine Leiche auszugraben galt – ob nun im wörtlichen oder im tatsächlichen Sinn spielte dabei eine untergeordnete Rolle.
Jack Fabiano trank seinen Cappuccino aus und meinte: „Ich verkaufe Ihnen die Geschichte meines Lebens, Brandon. Den ersten Mord habe ich mit 14 begangen. Da war ein Typ, der mir dumm kam. Ich habe ihm mit einem Schraubenschlüssel den Schädel eingeschlagen und die Leiche anschließend in einen alten Buick gelegt, der in die Schrottpresse sollte. Ich bekam bei diesem ersten Mal noch nicht einmal Geld dafür. War sozusagen eine persönliche Sache, wenn Sie verstehen, was ich meine.“ Fabiano kicherte und knabberte an den Keks herum, der ihm mit dem Cappuccino gereicht worden war, verzog dann das Gesicht und spuckte ihn wieder aus. Die Leute an den Nachbartischen wurden bereits aufmerksam.
Brandon Carter gefiel das überhaupt nicht. „Hören Sie, vielleicht sollten wir uns woanders unterhalten, als ausgerechnet hier?“
„Haben Sie was gegen diese Bar? Ich gebe zu, dass der Cappuccino in einem Coffee Shop um die Ecke besser schmeckt, aber der hat so spät nicht mehr geöffnet. Die Drinks sollen hier dafür umso besser sein, aber ich weiß das nur aus zweiter Hand. Alkohol ist nichts mehr für mich. Das war mal...“
„Ich würde mich einfach gerne ungestört mit Ihnen unterhalten.“
„Ich wollte Sie erstmal kennen lernen, darum habe ich Sie nicht gleich zu mir nach Hause bestellt, Mister Carter. Um ehrlich zu sein, habe ich kaum zu hoffen gewagt, dass Sie überhaupt kommen.“
„Ihre Story interessiert mich, Mister Fabiano.“
„Nennen Sie mich Jack. Wir werden Dinge von mir erfahren, die sich manche Ehepartner nicht erzählen, da sollte man sich wenigstens mit dem Vornamen anreden, finde ich.“
„Wie sind Sie auf mich gekommen, Jack?“
„Ich bin der Beste auf meinem Gebiet. Und deswegen will ich auch den besten Schreiber haben, um mein Leben zu erzählen. Verstehen Sie? Nicht so einen Schmierfink, dessen Geschreibsel niemand zur Kenntnis nimmt, sondern einen, der das Zeug dazu hat, ein Buch auch in die Bestseller-Listen zu katapultieren. Und einer, dem man glaubt, was er schreibt. Der nichts beschönigt, sondern die Dinge beim Namen nennt.“ Er lehnte sich zurück und kicherte. „Damit wir uns nicht missverstehen, Brandon. Ich habe keinen Ihrer unsäglichen Schinken mehr als nur angelesen. Schließlich interessiere ich mich nicht für Hollywoodstars und es ist mir auch ziemlich gleichgültig, ob ein Senator oder ein Minister stürzt, weil Sie seine Schweinereien aufdecken! Ich habe gesehen, dass die Schwarten mit Ihrem Namen drauf stapelweise bei Macy’s herumliegen und offenbar auch gekauft werden. Das ist für mich das Entscheidende. Außerdem haben Sie eine Kolumne bei USA Today. Ich will nämlich, dass es alle wissen. Alle sollen die Wahrheit lesen und ein paar Säcke in Little Italy oder in Wall Street werden jede Seite umschlagen und davor zittern, dass auch ihr Name als Auftraggeber eines Mordes erwähnt wird!“
„Gehen wir besser“, sagte Brandon Carter.
Fabiano erhob sich, legte ein paar Dollars auf den Tisch und meinte: „Sie sind eingeladen, Brandon. Sie mögen mit Ihrem Geschmiere schon einiges verdient haben, aber das kann nicht halb so viel sein, wie ich inzwischen auf der hohen Kante habe.“
„Danke, Jack.“
„Mein Apartment liegt ein paar Häuser weiter. Ich kann Ihnen allerdings leider nichts zu Trinken anbieten.“
„Das macht nichts.“
Brandon Carter war sich inzwischen nicht mehr so ganz sicher, ob er mit diesem Typ nicht vielleicht doch eine Niete gezogen hatte.
Gemeinsam verließen sie das DOLCE VITA, eine Bar in der Elizabeth Street.
Draußen war es dunkel. Es nieselte.
„Können Sie eigentlich beweisen, dass Sie wirklich Jack Fabiano sind?“, fragte Carter.
„Es ist schon seltsam“, erwiderte er. „Da habe ich mich jahrelang bemüht, alle Beweise dafür, dass ich Jack Fabiano bin zu vernichten und jetzt kommt einer daher, der mir nicht glauben, will wer ich bin!“
„So war das nicht gemeint! Aber sie werden verstehen, dass ich nur eine hart recherchierte Story brauchen kann.“
Er lachte heiser.
Und böse.
„So hart recherchierte Storys wie die von diesem Schauspieler, dem sie eine Affäre mit einer Dreizehnjährigen angehängt haben? Ich weiß nicht, ob die 500 000 Dollar, die er von Ihrem Verlag dafür bekommen hat, dass er keine Anklage gegen Sie erhebt, ihn wirklich dafür entschädigt haben, dass man seine TV-Serie absetzte und er seitdem wohl keine neuen Rollen mehr gefunden hat.“
Brandon Carters Gesicht gefror zu einer Maske.
„Woher haben Sie das?“, fragte er scharf.
„Mit jemandem, über den ich nicht haarklein informiert bin, würde ich mich gar nicht unterhalten!“
„Hören Sie, Fabiano...“
„Jack, bitte!“
„...wenn Sie mir irgendwie ans Bein pinkeln wollen, dann..“
„Machen Sie nur weiter, Brandon. Es wirkt lustig, wenn ein Weichei wie Sie jemandem wie mir, versucht richtig Angst zu machen!“ Fabiano kicherte, was schließlich in ein heiseres Röcheln überging. Er spuckte aus. Dann fuhr er fort: „Wir sind beide Arschlöcher, Brandon. Also passen wir gut zueinander und es dürfte von daher auch tolles Buch werden. Meinen Sie nicht?“
„Sie sollten mal zu einem Arzt gehen. Das hört sich erbärmlich an mit Ihrer Lunge.“
Jack Fabiano ging darauf nicht weiter ein. Sie gingen weiter. Der feuchte Asphalt glänzte im flackernden Licht der Neonreklamen.
Nach zwanzig Yards brach Brandon Carter das Schweigen.
„Sagen Sie, Jack – Sie rechnen aber schon damit, dass vielleicht ein Staatsanwalt das Buch liest, oder?“
„Seit vierzig Jahren sind mir die Cops nicht auf die Spur gekommen, da werden sie in den letzten Monaten, die ich noch habe, das auch nicht schaffen.“
„Was?“
Brandon Carter blieb stehen.
Jack Fabiano sah ihn mit einem sehr ernsten Blick an.
„Ich habe Krebs, Brandon. Die Ärzte geben mir nicht mehr lange. Vielleicht noch ein paar Monate, wenn es gut geht. Es kann aber auch schneller gehen.“ Er blieb stehen, rang nach Luft und hustete. „Da ist nichts mehr zu machen“, sagte er. „Es gibt Dinge, die kann man sich auch für noch so viel Geld nicht kaufen. Aber bevor ich in die ewigen Jagdgründe gehe oder wohin auch immer, will ich reinen Tisch machen. Verstehen Sie mich jetzt, Brandon? Das ist der Grund dafür, weshalb es mich nicht interessiert, ob das Buch noch irgendeinem Staatsanwalt als Vorlage für seine Anklageschrift dient oder er es als Geständnis wertet. Genauso wenig kümmert es mich, ob mir hinterher meine ehemaligen Geschäftspartner ein paar Bluthunde auf den Hals hetzen. Sie würden mir nur einen Gefallen tun und mein Leiden verkürzen.“
Fabiano stützte sich an einer Laterne und hielt inne. Er schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.
„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, fragte Carter.
„Niemand... kann... mir... helfen“, war die stockende Antwort des Mannes, der von sich behauptete, einer der erfolgreichsten Lohnkiller aller Zeiten zu sein. „Es ist nicht mehr weit.“
„Kommen Sie, ich stütze Sie!“
„Lassen Sie mich los!“
Fabiano schüttelte Carter ab und wankte vorwärts.
Carter folgte ihm.
Keiner von ihnen bemerkte den Schatten, der aus der Bar DOLCE VITA in die Nacht getreten war.
Jack Fabianos Apartment hatte die Adresse 112 Elizabeth Street und lag im vierten Stock eines unscheinbaren Brownstonehauses der unteren Kategorie. Es gab keine Sicherheitselektronik. Aber der Lift funktionierte.
Brandon Carter stellte fest, dass an der Apartmenttür der Name Jay Edgar Fabian stand.
Fabiano suchte den richtigen Schlüssel und schließlich gelang es ihm, die Wohnungstür zu öffnen.
Er trat ein. Carter folgte ihm und schloss die Tür.
„Sie haben den Namen am Türschild gelesen, oder?“
„War nicht zu übersehen, Jack.“
Fabiano lachte auf. „Das ist eine der etwa drei Dutzend Identitäten, die ich in den letzten vierzig Jahren benutzt habe.“ Er grinste schwach. Aber seiner Gesichtsfarbe war anzusehen, dass es ihm nicht besonders gut ging. Die rechte Hand presste er auf die Brust. „Jay Edgar Fabian – ein kleiner Gag, den ich mir erlaubt habe. Verstehen Sie? Klingt wie eine Kreuzung aus Jack Fabiano und J. Edgar Hoover.“
Carter blickte sich um.
Das Apartment war spartanisch eingerichtet. Es gab nichts, was ihm irgendeine persönliche Note gegeben hätte. Kein Bild an der Wand, keine Bücher in den Regalen – nicht einmal eine Zeitschrift, die herumlag.
„Ich besitze diese Wohnung seit fünfundzwanzig Jahren“, erklärte Fabiano. „Allerdings habe ich noch nie hier gewohnt.“
„So sieht es hier auch aus.“
Fabiano deutete auf die aus klobigen und für den zur Verfügung stehenden Raum viel zu klobige Sitzgarnitur aus Leder.
„Setzen Sie sich, Brandon.“
„Wie viel Prozent wollen Sie?“, fragte Carter.
„Sie haben mich noch immer nicht verstanden“, erwiderte Fabiano. „Ich will kein Geld. Es geht mir nicht darum, in den letzten Wochen meines Lebens noch einen großen und diesmal legalen Coup zu landen. Mir ist es einfach nur wichtig, dass jemand wie Sie die Wahrheit über mein Leben an die Öffentlichkeit bringt. Das ist alles.“
In diesem Moment wurde die Tür eingetreten. Sie flog zur Seite.
Zwei Männer stürmten in den Raum. Sie waren dunkel gekleidet, trugen Lederjacken und schwarze Rollkragenpullover.
Bewaffnet waren sie mit Automatikpistolen, auf deren Läufe Schalldämpfer aufgeschraubt waren.
Jack Fabiano griff unter seine Jacke. Er schaffte es gerade noch, seine eigene Waffe hervor zu reißen, als bereits ein Ruck durch seinen Körper ging. Eine Kugel traf ihn in Herzhöhe und schleuderte ihn zu Boden.
Erstaunlicherweise lebte er noch.
Er umfasste zitternd seine Pistole, richtete sie auf den größeren der beiden Killer und versuchte abzudrücken. Doch ein zweiter Treffer ging mitten in die Stirn.
Der unbewaffnete Brandon Carter wich zunächst zurück und hob dabei wie in einer instinktiven Abwehrhaltung. Dann trafen ihn insgesamt vier Kugeln. Zuckend sank sein Körper zu Boden und blieb dort in einer seltsam verrenkten Haltung liegen.
In der Elizabeth Street herrschte das pure Chaos, als mein Kollege Milo Tucker und ich dort eintrafen. Die Einsatzfahrzeuge des New York Police Department, des Coroners und der Scientific Research Division, dem zentralen Erkennungsdienst aller New Yorker Polizeieinheiten verengten die Fahrbahn, sodass sich der Verkehr nur zähflüssig daran vorbei schleichen konnte.
Ich hatte den Sportwagen, den uns die Fahrbereitschaft des FBI Field Office New York zur Verfügung stellte in einer Nebenstraße abgestellt und so mussten Milo und ich die letzten fünf Minuten zu Fuß durch den unangenehmen kalten Nieselregen laufen. Ein frischer Wind wehte aus Nordwesten und fegte damit ziemlich exakt durch die Häuserzeilen des wie ein Gitter angelegten Straßennetzes von Manhattan.
Ich schlug den Mantelkragen hoch. Aber als wir das Apartment in der Elizabeth Street erreichten, in dem sich der Tatort befand, klebten mir die Haare bereits feucht am Kopf.
Einem der uniformierten Kollegen, deren Aufgabe es war, Schaulustige auf Distanz zu halten und dafür zu sorgen, dass SRD und Gerichtsmediziner ihren Job machen konnten, zeigte ich meine ID-Card.
„FBI, Agent Jesse Trevellian“, stellte ich mich vor und deutete auf Milo. „Dies ist mein Kollege Agent Milo Tucker.“
„Nehmen Sie das Treppenhaus und gehen Sie in den vierten Stock“, sagte der Officer hilfsbereit. „Den Lift können Sie im Moment nicht benutzen, weil er noch nach Spuren untersucht wird.“
„Danke.“
Wir betraten das Haus und passierten den Flur.
Auf dem Weg zum Treppenhaus kamen wir am Lift vorbei.
Mit der Liftkabine beschäftigte sich ein Kollege von der SRD. Er trug einen weißen Einwegschutzoverall und hatte seine Tasche in die Lifttür gelegt, damit sie sich nicht schließen konnte.
„Vierter Stock, Apartment D 16“, sagte der SRD-Kollege.
Ich kannte ihn flüchtig. Er hieß Brett Sampran.
Im letzten Jahr hatten wir G-men der Reihe nach an einer Fortbildung teilnehmen müssen, in der es um Spurensicherung und die Vermeidung von Spurenvernichtung am Tatort gegangen war. Brett Sampran war der Dozent gewesen und hatte sich zwei Nachmittage lang über das ungeschickte Verhalten von Ermittlungsbeamten sämtlicher Polizeieinheiten am Tatort beschwert.
„Danke“, sagte Milo.
Wir erreichten das Treppenhaus.
Zwei Leichensäcke wurden an uns vorbei getragen. Wir sahen zu, dass wir in den vierten Stock kamen. In dem Apartment, wo sich die Tat abgespielt hatte, fanden wir den Einsatzleiter, der sich gerade die knappen Ausführungen des Gerichtsmediziners anhörte.
„Die Toten sind vor mindestens sechs Stunden erschossen worden“, sagte Dr. Brent Claus, der im Auftrag des Coroners am Tatort war und den wir bereits von anderen Einsätzen her ganz gut kannten.
Wir stellten uns kurz vor.
„Captain William Mongas, Homicide Squad III, 21. Revier“, stellte sich der Einsatzleiter vor. Er war ein schlaksiger Mann, Mitte dreißig, mit gelocktem, welligem und etwas ungepflegt wirkendem Haar. Unter dem zerschlissenen Army-Parka trug er allerdings einen grauen, dreiteiligen Anzug.
„Homicide Squad III?“, echote ich, „Sie haben also drei Mordkommissionen in Ihrem Revier?“
„Richtig. Wir wurden erst letzte Woche zusammengestellt. Die meisten von uns kommen aus anderen Bereichen.“
Normal waren ein bis zwei Homicide Squads pro Revier.
„Ich dachte, die Mordrate sinkt in New York.“
„Bei uns aber leider nicht“, sagte Mongas. „Auf diese Weise habe ich meine eigene Abteilung bekommen.“
„Na, so hat eben alles sein Gutes“, kommentierte Dr. Brent Claus die letzte Bemerkung unseres Kollegen – aber niemand von uns konnte darüber wirklich lachen.
„Ich nehme an, alles weitere erfahren wir erst im Obduktionsbericht“, meinte Milo.
„Ja“, bestätigte Dr. Claus. „Rechnen Sie nicht zu schnell damit, bei uns ist im Moment der Teufel los und außerdem sind zwei Pathologen wegen Grippe ausgefallen. Da kann es schon mal ein paar Tage länger dauern.“ Er drehte sich zu den Markierungen um, die kennzeichnete, wo die Toten gelegen hatten. „Einer der beiden Männer trug einen Anzug, der in der Lage war, Kugeln aufzufangen. Ich nehme an, dass die chemische Analyse ergeben wird, dass er aus einem dem Kevlar verwandten Material gefertigt war. Es gibt einige wenige Hersteller, die auf diesem Gebiet experimentieren. Der Täter traf den Mann direkt über dem Herzen, aber die Kugel konnte nicht eindringen. Dafür gab es zwei gebrochene Rippen. Erst ein Kopftreffer hat ihn getötet.“
„Danke“, sagte ich.
„Wenn Sie mich dann entschuldigen würden.“
Dr. Claus nahm seine Arztasche und verließ den Raum.
„Ich habe von diesen neuen Kevlar ähnlichen Materialien gehört“, sagte Milo. „Die sollen ein Vermögen kosten.“
„Und es gibt wahrscheinlich nur wenige Schneider, die an den Stoff herankommen und außerdem noch wissen, wie man ihn verarbeitet!“, stellte Captain Mongas fest. „Kommen Sie, ich möchte Ihnen etwas zeigen. Sie können sich hier übrigens frei bewegen, die SRD-Kollegen sind bereits fertig mit diesem Raum. Der Grund dafür, dass wir zu diesem Mordfall das FBI hinzugezogen haben ist zunächst mal ganz formaler Natur. Eines der Opfer – Brandon Carter – ist laut seinem Führerschein in Paterson ansässig und damit Bürger des Staates New Jersey.“
„Ja, das hat unser Chef bereits am Telefon gesagt, als er uns hier beordert hat“, bestätigte ich.
Immer dann, wenn bei einem Verbrechen mehrere Bundesstaaten betroffen waren, fiel der Fall grundsätzlich in die Zuständigkeit des FBI, wobei es aber je nach Sachlage auch sein konnte, dass die Ermittlungen den lokalen Behörden überlassen wurden, wenn das der Staatsanwaltschaft sinnvoll erschien.
In diesem Fall war die Rechtslage sehr eindeutig. Ein Bürger von New Jersey war auf dem Gebiet des Staates New York ermordet worden – und daher waren wir vom FBI zuständig.
„Inzwischen ist noch ein weiteres Moment hinzugekommen, dass den Fall noch eindeutiger in Ihren Zuständigkeitsbereich verlagert, Agent Trevellian.“ Mongas deutete auf einen in Cellophan eingewickelten Führerschein. Er war blutverschmiert. „Sehen Sie sich das genau an!“
„Das ist ja ein richtig antikes Stück!“, stellte Milo fest.
„Gut achtunddreißig Jahre alt“, sagte Mongas. „Der Führerschein wurde auf den Namen Jack Fabiano ausgestellt, geboren in Cleveland Ohio, aufgewachsen in der Brooklyn – und zwar zu einer Zeit, als dieser Stadtteil noch italienisch geprägt war. Als wir zu dem Namen eine Abfrage über NYSIS gestellt haben, bekamen wir ein dickes Dossier auf den Rechner.“
„Der Jack Fabiano?“, fragte ich.
Ich konnte es kaum glauben. Jack Fabiano war eine Legende. Von zwanzig Auftragsmorden glaubten wir zu wissen, dass sie auf sein Konto gingen. Aber im Laufe der Jahre war er immer geschickter geworden und hatte es verstanden, vollkommen unterzutauchen. Manche hielten ihn für ein Phantom, mit dem Gangsterbosse sich gegenseitig Angst machten.
„Es besteht kaum ein Zweifel“, sagte Mongas.
„Die Frage ist, weshalb Jack Fabiano einen Führerschein bei sich hatte, der längst nicht mehr gültig ist und außerdem seine wahre Identität verriet?“
„Ich habe das über mein Laptop überprüft“, erklärte Mongas. „Dieses Dokument ist der einzige Führerschein, der jemals auf den Namen Jack Fabiano ausgestellt wurde. Noch vor Ablauf der Gültigkeit ist er offenbar untergetaucht und hat andere Identitäten angenommen. Diese Wohnung zum Beispiel besaß er unter dem Namen Jay Edgar Fabian.“
„Der Mann hatte Humor“, stellte ich fest.
Dadurch, dass es sich bei einem der Opfer um einen der erfolgreichsten Lohnkiller aller Zeiten handelte, der Dutzendweise Menschen im Auftrag der Syndikate oder jedes anderen Auftraggebers, der bereit war, dafür entsprechend zu zahlen, umgebracht hatte, ließ einen deutlichen Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen erkennen, was wiederum eindeutig in das Aufgabengebiet des FBI fiel.
Ob Fabiano in den letzten Jahren überhaupt noch aktiv gewesen war, entzog sich bisher unserer Kenntnis. Möglicherweise ließen sich durch unsere Ermittlungen ein paar alte, bislang ungeklärte Fälle endlich lösen.
Aber das Ganze hatte natürlich auch eine beunruhigende Komponente.
Wir konnten nur hoffen, dass nicht irgendeine Fehde unter den Syndikaten den Hintergrund für den Tod Fabianos bildete und wir am Anfang eines Gangsterkriegs standen.
Dass Fabiano sich mit einem Mann wie Brandon Carter getroffen hatte, dem selbsternannten Insider, der in Fernsehshows die schmutzigen Geheimnisse Prominenter enthüllte und anschließend mit den dazugehörigen Begleitbüchern Millionen verdiente, passte irgendwie aber nicht so recht in dieses Szenario. Mir war eine seiner Sendungen noch im Gedächtnis. Er hatte Latexhandschuhe getragen, sie in die Kamera gehalten und zum Fernsehpublikum gesagt: „Nichts ist zu schmutzig für Brandon Carter!“
„Carter hat übrigens auch ein paar Stories über das organisierte Verbrechen gemacht!“, stellte Mongas fest. „Über Näheres werden Sie sich wohl bei seinem Verlag oder seinem Management unterhalten müssen. Sehen Sie sich einfach seine Homepage an, da steht alles drauf, was für Sie wichtig sein könnte. Ich hatte lediglich Zeit genug, um sie zu überfliegen.“
Zusammen mit Captain William Mongas rekonstruierten wir den vermutlichen Ablauf des Geschehens.
Die Toten waren am Morgen von dem Bewohner des Nachbarapartments bemerkt worden, weil die Tür einen Spalt breit offen gestanden hatte.
Von den Schüssen war nichts zu hören gewesen.
Offenbar hatten die Täter Schalldämpfer benutzt.