0,00 €
Gratis E-Book downloaden und überzeugen wie bequem das Lesen mit Legimi ist.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 168
Vom Verfasser des Legitimen und der Republikaner.
Zweites Bändchen.
Zürich,bei Orell, Füßli und Compagnie.
1834.
Es war ein heiterer, heißer Junimorgen, als ich das Redriver[1]-Dampfschiff betrat. Die Sonne brannte wie ein glühender Hochofen, kein Lüftchen wehte, nur der Strom hauchte erfrischende Kühle aus seinen ungeheuern Wassermassen. Ich blickte noch einmal zurück an das Ufer, wo meine Quasi-Freunde standen, erwiederte ihre Grüße mit einem Hang ye[2], und eilte dann in den Salon.
[1]: Redriver, der rothe Fluß, der sich unter Natchez auf der westlichen Seite in den Missisippi ergießt. Weiter oben bildet er die Gränze zwischen den V. St. und Mexico.
[2]: Hang ye! Häng euch! Hol' euch der Henker!
Noch immer gellten mir die Worte in den Ohren: Wohl denn, laß ihn als Hagestolz vegetiren; ohnedem ist er ein wunderlicher Kauz. Beinahe hätte mir mein Spleen gleich beim Eintritte in das Staatszimmer Händel mit einem meiner Reisegefährten zugezogen, der in der Phrase: gemeine tückische Seelen, die ich wiederholt ausstieß, eine ehrenrührige Anspielung auf seine werthe Person zu hören wähnte. Im Grunde genommen, hatte die pfiffige Bostonerinn so unrecht nicht. Ich war wirklich ein ganzer Narr, achttausend Dollars seit vier Jahren Menschen hingegeben zu haben, die, um sie noch andere vier Jahre zu behalten, mir den hämischsten Streich spielten. Ich hätte aus der Haut fahren mögen. Mein ganzes Wesen zuckte. Ich hatte weder Rast noch Ruhe.
Qu'est ce qu'il y a donc, Monsieur Howard? sprach plötzlich ein etwas bejahrter aber ziemlich respectabel aussehender Mann mich an: Est-ce que vous êtes indisposé? Allons voir du monde.
Ich schaute den sonderbaren Mann mit aufgerissenen Augen an, der so ganz sans façon meine werthe Person in Anspruch zu nehmen beliebte, und war schon willens ihm recht vornehm befremdet den Rücken zu kehren, als er mich bei der Hand nahm, und ganz gemächlich zur Thüre des Damensaales zog. Allons voir, Monsieur Howard.
Mais que voulez-vous donc? fragte ich ziemlich ärgerlich den zudringlichen Menschen.
Faire votre connaissance, erwiederte er artig und lächelnd, indem er die Thür aufthat, und mich so ins Innere des Salons blicken ließ.
Monsieur Howard! redete er zwei Mädchen an, die so eben beschäftigt waren, ein Schock Ananasen und Bananen an den Säulen des Staatszimmers aufzuzuknüpfen, wie sie in Alt-England mit den Söhnen Erins und im Neuen mit Zwiebeln zu thun pflegen. Mes filles, voilà Monsieur Howard votre voisin! Beide kamen auf mich zu, grüßten mich wie einen alten Bekannten, und boten mir, als hätten wir seit Jahren aus einer Schüssel gegessen, von ihren süßen Vorräthen an. Das ist doch sehr zuvorkommend in der That! Ich könnte zehn Jahre bei meinen lieben Landsmänninnen herumreisen, ohne in die Gefahr zu kommen, mir den Magen auf eine so schöne Weise zu verderben. Ich mußte zugreifen, wir setzten uns, und die Mädchen fingen an zu plappern und zu lachen, daß ich, so weh es mir im Herzen that, nicht unterlassen konnte mit einzustimmen. Eine ganz angenehme Stunde war vergangen, und eine zweite und dritte würde gefolgt sein, wenn meine angeborne Virginische steife Etiquette mir diesen Genuß inmitten der fröhlichen Geschöpfe länger gestattet hätte.
Wir nehmen zusammen unsern Thee hier, Papa, riefen die beiden Mädchen, als ich mich vom Sessel erhob, und wahrlich ich habe Ursache diese Einladung und meinen Glücksstern zu segnen; denn unsere Reisegesellschaft ist nichts weniger als gewählt. Ein sonderbarer Schlag Menschen! Beinahe sollte man glauben, man sei im alten Kentuck. Viehhändler und Metzger von Neworleans, die sich nach den nordwestlichen Counties spediren, halb wilde Jäger und Trappers[3], die von Begierde brennen, recht bald die Steppen jenseits Nacogdoches[4] zu sehen, und da die Indianer zu zivilisiren, oder, besser zu sagen, zu betrügen; Krämer, in und um Alexandria herum angesessen, diese bilden die sogenannte respectable Masse unserer Gesellschaft, und eine derbe Masse ist's, nach der Dicke ihrer Sohlen und behuften Absätze zu schließen. — Das dichte Laubwerk vor uns, ja das ist die Mündung des Red-Rivers! Sie ist halb überwölbt von den ungeheuren Bäumen, die zu beiden Seiten über den Fluß hin hängen. Welch ein Contrast mit dem Missisippi, der hinströmt, breit, gewaltig und finster, das leibhafte Bild eines nordischen Eroberers, der mit seinen stinkenden Horden hervorbricht aus seinen öden Steppen, um eine halbe Welt zu verwüsten, während der Red-River — den wir hochtrabend den Nil von Louisiana mit gerade so viel Fug und Recht nennen, als ein Schuhmacher irgendwo in Massachusets seinen Sohn Alexander Cäsar Napoleon taufte — durchs Gebüsch und die Ebene hinschleicht, wie die verrätherisch lauernde giftige Kupferschlange, — Cocytus sollte er heißen.
[3]: Trapper, ein Biberfänger-Jäger in den Steppen zwischen den Felsenbergen und den Staaten Missouri und den Gebieten Missouri und Arkansas.
[4]: Nacogdoches, der erste mexikanische Ort, auf den man stößt, wenn man Louisiana verläßt.
Da sind wir denn am Eingange des ersten Sumpfes, aus dem dieser vermaledeite rothe Fluß herausströmt. Es ist ein unheimlicher Anblick dieser Sumpf, der, durch den Zusammenfluß des Tensaw, des White und Red-River gebildet, einen ungeheuren Spiegel des üppigsten Grüns dem Auge darbietet, das beim ersten Anblick eine Terra-Firma erscheint, mit Bäumen, von denen Wurzel und grasiger Schlamm in langen Festons herabhängen. Eine ungeheure Wiese, möchte man schwören, bis man allmälig die dunkelgrünen Sumpflilien sich bewegen, und zwischen diesen weißlich-braune häßliche Rachen sich aufthun sieht, die Töne ausstoßen, vor denen der Neuling schaudert. Es sind Hunderte von Alligatoren, die gleich Sechzigpfündern durch die üppig giftige Pflanzenwelt auf ihre Beute hinschießen. Ihre Brunftzeit hat begonnen, und das dumpfe schauerliche Gebrüll, das rings um uns her ertönt, hat wirklich etwas Grauenerregendes. Man glaubt sich im Hauptquartier des Todes, der seine Pfeile in den tausend verschiedenen Fieberarten aussendet.
Boys a head, schallt die Stimme des Capitains.
Wir haben den Sumpf passirt und nähern uns dem Ufer, auf welchem ein schwarzbraunes Paar an einen Holzstoß gelehnt uns erwartete. Wir nehmen Feuerung ein. Mein Auge folgte bewußtlos der Rotte, die sich über die Breter drängte, als ein wildes Lachen und die Worte tallow face an meine Ohren schlugen. So zeitlich schon, dachte ich, und so ganz in meiner Nachbarschaft, und ich schritt über die Bretter ans Ufer hinan. Ja es war wirklich so, und das Opfer stand in dem armen Kaisergardisten leibhaft vor mir. Seine Haut ist bereits durchsichtig, aber es ist dieses eine Durchsichtigkeit, die scheußlich anzusehen ist. Die Farbe weder blaß noch gelb, eine Mischung von Talglicht- und Bronzefarbe, — wir nennen es tallow face, Unschlitt-Gesicht, — um seine Augen glänzt bereits der weiße Ring; die Linse rollt, als wäre sie von einem innerlichen Feinde umher getrieben. Der Neid, so fürchterlich vom alten Naso gezeichnet, ist Kinderspiel gegen diesen Anblick. Und doch scheint und ist er gleichgültig. Monsieur Devigne, rief ich ihm zu, comment s'en vat-il? Der Mann starrte mich an, drückte mir die Hand und murmelte ein très-bien, während die häßliche Negerinn mich am Rocke zupfte, und mir grinsend zuflüsterte: Ah Massa! tallow face soon ague cake[5].
[5]: Tallow face soon ague cake, so viel, als sein Gesicht hat bereits das Aussehen eines Talglichtes — bald wird er den Fieberkuchen haben. Dieser letztere ist eine Anschwellung des Unterleibes wie ein Brodlaib und der unmittelbare Vorbote gänzlicher Auflösung.
Ich stieß das ekelhafte fühllose Wesen unwillig zurück, und wollte eben mit dem armen Franzosen einige Worte sprechen, als die Stimme des Capitains wieder erschallte: All hands on board! Armer Teufel! dachte ich, als ich über die Brücke hinschritt. Die Wüsten Egyptens, die Schlachtfelder Marengos und Waterloos haben dich verschont, damit das Ague-Fieber sein Opfer nicht verliere. Und statt des Bedauerns schallt ein wüstes rohes Lachen vom Verdeck herüber. Beinahe scheint es, als ob sie Freude über seine baldige Auflösung empfanden.
Welch eine Erscheinung ist doch der Mensch! Wäre dieser Elende auf diesen unheimlichen oder einen ähnlichen Pestort von seinen Obern gesandt worden, alles Gold der Erde würde kaum vermocht haben, ihn hier zu halten. Nun aber kam er aus freier Wahl, wahrscheinlich vertrieben aus besserer Gesellschaft durch seine Verbindung mit der Schwarzen, und so fällt er denn seiner Leidenschaft, ein vielleicht nur zu wohl verdientes Opfer. Das Plätzchen, worauf seine Hütte steht, ist nicht einmal sein Eigenthum, aber das kümmert ihn nicht. Er hat einige Morgen Waldes gelichtet, Korn und Tabak hingepflanzt, und diese, mit dem Verkauf des Holzes, fristen sein Leben, und würden ihn wahrscheinlich wohlhabend gemacht haben, wenn diese häßliche Schwarze nicht sein Abzugskanal gewesen wäre. Einige Schritte rückwärts steht seine Hütte, und vor der Thüre wühlen ein paar nackte dunkelbraune Ungeheuer im Schlamm herum. Sie sehen mehr Schweinen, denn menschlichen Wesen ähnlich, aber sie sind gesund und munter, und sie sind es, die die Natur zu Bebauern dieses Landes bestimmt hat. Ihre Aeltern vegetiren ein paar Jahre, bis die ague cake ihren Leiden ein Ende macht. Sie haben sich mühsam eine Hütte gebaut, im Schweiße ihres Angesichtes ein Plätzchen urbar gemacht, ihren Kindern kommt ihre Arbeit zu gut. Geboren in dem giftigen Qualme, gewohnt an die pestilenzialischen Ausdünstungen, sind sie von Mutterleib an gezeitigt und wachsen heran, so wie die Sumpfrose unter giftigen Thieren und Pflanzen, um Kindern und Kindeskindern Leben und Gedeihen zu geben. So entsprang die Bevölkerung Nieder-Louisianas, und so wird sich der Same hier mehren. Der erste ist lange verwittert und vermorscht; er kam von allen Weltgegenden, allen Ländern. Schuldner, Revolutionäre, Verbrecher, Exilirte, und wieder Männer, die ein besseres Schicksal verdienten, alle haben sie hier ihr Grab gefunden; aber gerade in diesen werthlosen Geschöpfen, wie wir sie in unserm Stolze nennen, zeigt die Natur ihre waltende Sorgfalt. Ja, was als der Krebsschaden der Welt betrachtet wird, der Abschaum, die Hefe der civilisirten Gesellschaft, das dient ihr, diese Wildnisse zu bevölkern, und uns — aus dieser Saat vielleicht eine neue Art Heloten zu bilden, und so einen Schaden mit einem ärgern zu verkleistern.
Ei, die Natur meint es gut, aber unser frostiger, kalkulirender, aristokratischer Geist — aber silentium, und kehren wir zu den Demoiselles zurück, deren Namen ich, so wahr ich lebe, vergessen habe. Doch da kommt mein freundlich zudringlicher Creole selbst, und führt mich den holden Töchterchen zu. Eine derselben lies't den Guillaume Tell, und das andere schäkert mit einem schwarzen Mädchen so familiär, daß es der Mistreß Houston Vapeurs verursacht haben würde.
Sie sind, höre ich, auf ihrer Heimreise vom Ursulinerinnen-Kloster in Neworleans, wo sie ihre Erziehung erhalten haben. Aber wo sie den musternden Feldherrnblick herhaben, dürfte schwer zu errathen sein. Doch nicht von den frommen Schwestern, hoffen wir? Die ältere examinirt mein werthes Ich mit wahren Kenneraugen, gleichsam als wollte sie sich zuerst überzeugen, ob der Versuch sich auch der Mühe lohne. Sie scheint um die Neunzehn herum zu sein, und sich ein wenig zum Embonpoint zu neigen. Es ist wirklich amüsant, die comfortable Manier zu beobachten, mit der sie zuerst sich selbst im gegenüber hängenden Spiegel und dann meine Wenigkeit mißt; ihr Blick gleitet vom Kopf zu den Füßen, der nähern Beaugenscheinigung wegen, und um sich zu überzeugen, ob man auch Stand halten könne. Niemand wünscht bei uns in einem so wichtigen Geschäft hinters Licht geführt zu werden. Doch ich werde boshaft, und ich sollte wirklich meinem guten Gestirne danken, daß es mich unter so liebe Menschen brachte, wirklich liebe Menschen, trotz des argen Kokettirens der Aeltern. Es würde einen ganzen Katalog füllen, alle die Items aufzuzählen, mit denen sie das Damenzimmer vollgepfropft haben. Ein Glück, daß sie alleinige Besitzer, und folglich ausschließende Gewalt in diesem ihrem zeitweiligen Territorium haben. Sonst müßte es Krieg geben. Sie führen eine halbe Briggsladung von Citronen, Orangen, Ananas und Bananen mit sich, und der Alte hat wenigstens drei Dutzend Kisten mit Chambertin, Lafitte und Medoc. Er ist doch kein Weinhändler? Auf alle Fälle zeigt der Mann Geschmack; er ist erhaben über die so gemeinen Stoffe Hollands, Gin und Whisky, bei deren bloßem Anblicke einem schon übel wird. Todes- und Laster-Essenzen sollte man diese grünen und braunen Compositionen nennen, zusammengekocht von spitzbübischen Quacksalbern zur Schande und zum Verderben Bruder Jonathans. Und doch ist dieser Bruder Jonathan von Natur nichts weniger als ein Zecher, ja eher nüchtern und mäßig. Aber diese unglückseligen Söhne und Töchter Erins! — Es thut mir leid, aber ich kann es nicht verhehlen, sie sind die Verführer. Und was das Schlimmste ist, sie wollen auch nicht den guten Rath hören, den ihnen unsere Temperanz-Gesellschaften so salbungsvoll spenden, um sie nüchtern und mäßig zu machen. Nein, sie wollen absolut nicht, noch wollen sie die Zeitungen lesen, die zu gleichem Behufe für zwei Dollars per annum etablirt sind; das heißt zwei Dollars, wenn voraus bezahlt, und drei, wenn am Ende des Jahres — oder gar nicht.
Aber es ist nicht artig so herumzuwandern, und die lieblichen Demoiselles allein zu lassen. Wir haben denn beschlossen, unsern Thee en famille zu nehmen. Monsieur Menou jedoch hält sich zu seinem Chambertin. Und ich gedenke beide zu versuchen. Sie, ich meine die Demoiselles, sind wirklich ganz nette Geschöpfe, so heiter, so lebendig; ihre Zungenfertigkeit ist ganz einzig, und ihr naives Geplapper möchte einen Misanthropen zum Lachen bringen. Aber es gibt Momente, wo man nun einmal trübegelaunt sein muß, Momente, wo das Gemüth von einer Windstille niedergedrückt ist, einer Windstille, so lähmend und entnervend wie die, welche im heißen August nach einem westindischen Orkane eintritt. Das Bischen Vernunft, umhergetrieben und gelähmt im vorhergegangenen Sturme, ist erschöpft, der Körper selbst hat seine Kraft verloren, und die Ruhe, die eintritt, ist die unleidentlichste Pause, ein ekelhafter Stillstand. Jedes Objekt berührt dann unsere Sinne unangenehm, und unser Verstand erliegt hülflos wie das Schiff, das, auf seine Beamsends von den riesig anschwellenden Wellen geworfen, sich nur allmälig oder gar nicht zur Thätigkeit aufrichtet. Ich war just in dieser Lage. Nie hatte mich oder vielmehr meine Eigenliebe Schlag auf Schlag so getroffen — erstens diese tolle Liebe, dann die erlauschte Entdeckung der Falschheit meines besten Freundes. — Wir hatten uns seit unserer frühen Kindheit gekannt und geliebt. Unsere Herzen und Börsen, und letzteres will viel bei uns sagen, waren sich wechselseitig offen. Die Verschiedenheit unserer Charaktere bestand bloß in gewissen leichten Schattirungen, in der Hauptsache stimmten wir wie zwei Uhren überein, die in ihren Sekundenschlägen abweichen, aber im Ausschlage zusammentreffen. Und nun —! Eine halbe Stunde mit dieser verführerischen Eva — und Freundschaft und alles ist dahin. — Und, was das schönste ist, wäre ich guter Narr mit meinen achttausend Dollars nicht ein Deus ex machina erschienen, so wäre Mistreß Richard noch zu dato Miß Bowstring genannt. Ich konnte es nicht mehr aushalten; ich mußte hinaus ins Freie. Die Nacht ist sternenhell; bloß der Fluß ist mit einem schmalen Nebelstreifen überhangen. Die hohlen Schläge der Dampfmaschine scheinen aus weiter Ferne herüberzuprallen; es ist das Gebrülle der Alligatoren; zwischen diesen die Klagetöne der Whippoorwill. Kein einziges Licht am Ufer, aber Milliarden von Feuerkäfern, die über die Cypressen und Papaws ein magisches Helldunkel verbreiten. Zuweilen streifen wir so nahe am Ufer hin, daß die Zweige der Bäume rasselnd an unserm Bote zusammenbrechen. Morgen denn um diese Zeit werde ich in meinem Tusculum ruhen, für heute wollen wir mit unserm winzigen Staatsbettchen vorlieb nehmen. So eben kommt der Capitain mir anzuzeigen, daß endlich unsere lärmenden Reisecompagnons zur Ruhe befördert sind. Die Uhr schlägt zwölf.
Ja diese Nacht! diese Träume! Es war mir, als ob alle Drangsalen meiner frühen Jugend sich über mich hingelagert, und in einem Vampyre vereinigt meine Geistes- und Körperkraft erdrückt, und ausgesogen hätten. Und so schwer wurde die Last, daß ich ausrief im Schlafe, und beinahe die ganze Gesellschaft in Schrecken versetzte. Ich hatte ihn wirklich abgeschüttelt den Vampyr, und ich fühlte mich erleichtert. Ich bin herzlich froh, denn sollte dieser liebenswürdige Spleen noch vierundzwanzig Stunden länger gedauert haben — wahrlich, ich hätte allen Umgang mit Menschen aufgeben mögen. Wohl denn, ein frischer Windzug hat sich erhoben, und der wird die an einander schlagenden Segel schon wieder füllen. Das bon jour! des Creolen lautet jedoch ziemlich trocken und prüfend. Es schien, als wollte er in meiner Miene lesen, ob seine Höflichkeit nicht wieder mit einer unartigen Steifheit vergolten werden dürfte. Wohl, ich will mir Mühe geben, die üblen Eindrücke zu vertilgen. Es sind gute Menschen diese Creolen, nicht allzu gescheidt, immer sind sie mir aber lieber als die pfiffigen Yankees, trotz ihrer närrischen Tanzlust, die sie selbst nicht bei ihrer ersten Ansiedelung verläugnen konnten. Es muß toll genug ausgesehen haben, wie sie so in ihren Wolldecken umher trabten und französische Menuets aufführten. — Doch, es ist zwölf Uhr, der Auszugsdampf läßt sich hören, das Schiff nimmt wieder Feuerung ein.
Monsieur! voilà votre terre, sagte der Creole auf das Ufer und die Holzstöße deutend. Ich blickte durch das Fenster, und wirklich ich finde, der Creole hat Recht. Wir hatten so lange mit den Demoiselles geplaudert, daß Stunden und Meilen wie Augenblicke dahin flogen. Mein Aufseher hatte seit meiner Abwesenheit ein Holzlager für Dampfschiffe errichtet. Wenigstens eine Verbesserung! Und da ist er selbst, der leibliche Mister Bleaks. Der Creole scheint gute Lust zu haben, mich nach Hause zu begleiten. Ich kann es nicht hindern, hoffe jedoch, er wird nicht gar so artig sein. Ich hoffe. Nichts abschreckender als eine derlei Visite, wenn man Jahre lang von Haus und Hof entfernt gewesen; die Laren und Penaten eines Hagestolz sind die sorglosesten aller Götter.
Mister Bleaks! sprach ich, indem ich an ihn herantrat, der in seinem rothen Flanellhemde und Calicot-Inexpressibles und Strohhute sich eben nicht sonderlich um seinen Oberherrn zu kümmern schien, wollt ihr so gut sein, die Gig und Koffer ans Ufer bringen zu lassen?
Ah, Mister Howard! erwiederte der Mann, sind Sie es! hatte Sie nicht so bald vermuthet.
Hoffe doch nicht unwillkommen zu sein? erwiederte ich ein wenig ärgerlich über des Mannes echt pensylvanische Trockenheit.
Sie sind doch nicht allein gekommen? fuhr er in eben dem Tone fort. Sind Sie? frug er mich mit einem Seitenblicke messend. Dachte, Sie würden uns ein Dutzend Blackee's mitbringen; wir brauchen sie.
Est-il permis, Monsieur? fragte nun der Creole, seine Hand in die meinige legend und auf das Haus hinweisend.
Und das Dampfschiff? bemerkte ich in einem Tone, so gedehnt, das einen nur mittelmäßig in der Physiognomik oder Psychologie Bewanderten belehrt haben müßte, daß er wahrlich überflüssig sei.
Oh, das wird warten, erwiederte er lächelnd. Was wollte ich machen? ich mußte die Reise nach meinem Hause mit dem wunderlichen Manne antreten, so schwer es mir auch fiel. Und wahrlich, es fiel mir schwer! Es war ein gräulicher Anblick, ein Gräuel der Verwüstung. Alles sah so hinfällig, so verloren, so verdorben aus, daß mir der Ekel aufstieg. So hatte ichs nicht erwartet. — Von der Einzäunung um den Hausgarten standen bloß einzelne Fragmente; im Garten selbst trieb das liebe Borstenvieh sein Wesen. Und das Haus! Gott sei mir gnädig! Keine Scheibe ganz; alle Fensterrahmen mit alten Hosen und Kitteln und zerrissenen Weiberröcken ausgestopft. Ich konnte keine Orangen- und Citronenlauben erwarten, ich hatte sie nicht gepflanzt; aber dieß! — nein, es war wirklich zu arg.
Jedes Gemälde sollte seine Schattenseite haben, wenn es nicht ein à la Fresco-Gemälde ist; aber hier war Alles Schatten — Nacht. Keine lebendige Seele zu sehen während unserer Tour vom Ufer durch die modernden Riesenstämme, zwischen denen wir uns durchzuwinden hatten. Hier endlich läßt sich etwas Lebendiges sehen. Es ist ein Trio schwarzer Ungethüme, die mit Marius und Sylla sich im Kothe herumbalgen, ein halbes Hemde am Leibe, und schmutzig wie es nur Menschenkinder sein können. Und die Affen, sie starren mich mit ihren rollenden Augen an, und galloppiren dann lachend hinters Haus. Ah! die alte Sibylle! Sie