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Maja weiß inzwischen, dass Nico, ihr geheimnisvoller zeitreisender Geliebter, jede Chance nutzt, sie treffen zu können. Dabei ist er nicht wählerisch, was die Jahrhunderte betrifft. Als er imnmer wieder auch im 21. Jahrhundert auftaucht, geht es Maja keinesfalls ruhiger an, wie sie behauptet. Stattdessen fiebert sie den seltenen, überaus leidenschaftlichen Begegnungen noch viel sehnsüchtiger entgegen.
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Seitenzahl: 178
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Kurztrip mit Hindernissen
Weihnachtsmarktmarathon
Weihnachtliche Wartburg
Spanner, Spinner, Edelfalter
Nudelsymphonie
Hey kids let’s kotz!
Der Rotbart ist schuld!
Der Ruf der Berge
Auf alten Pfaden
Auf der Hausalm von Villanders
Singende Spatzen und anderes „Geflügel“
Zitronen & Zypressen
Hoch hinaus und tief hinunter
Auf Wiedersehen, Berge!
Seit Maja von jener Reise zurückgekehrt war, wo man sie während eines Zeitsprunges ins Veroneser Mittelalter mit einem Fremden zwangsverheiraten wollte, erklärte sie, nun ihre Recherchen etwas gemächlicher anzugehen.
Nico, ihr geheimnisvoller zeitreisender Geliebter, hatte ihr, als Sigmund, der Münzreiche, einen Mann geschickt, der genau im richtigen Augenblick erschienen war, um sie zu retten. Als sie dann auch noch erfuhr, wie ihre hoch geschätzten Rabenvögel mit Nico kommunizierten, war sie optimistisch, ihn nun öfter treffen zu können. Dass sie ihm nicht gleichgültig war, hatte er ihr in jeder seiner Erscheinungsformen bewiesen. Er würde sie immer und überall finden, egal, in welche Himmelsrichtung sie sich bewegte.
Die nächste Tour, auf der sie ein wenig recherchieren wollte, sollte sie nach Děčín führen, wo sie sich mit deutschen und tschechischen Schriftstellern treffen wollte.
„Morgen früh sattele ich meinen spanischen Schimmel“, gab sie bekannt, worauf die Schmetterlingsgedanken: „Hmm, hmm“, machten.
Sie umkreisten Maja wie eine bunte Wolke. Obwohl es Maja eher als aufgescheuchten Haufen bezeichnete. „Wenn du deinen Seat so nennst, klingt es für uns, als wolltest du wieder im 15. Jahrhundert verschwinden und uns ratlos zurücklassen.“
„Ach was!“, wiegelte Maja ab. „Dieser Flecken Erde war schon zur Bronzezeit besiedelt. Irgendwann im 10. Jahrhundert haben die Přemysliden zum Schutz der Furt durch die Elbe eine Befestigungsanlage aus Holz bauen lassen. Im 13. Jahrhundert hat man die Sache dann etwas haltbarer gemacht, indem man den Holzbau durch eine Burg aus Stein ersetzte. Das Stadtrecht muss Děčín irgendwann im 14. Jahrhundert erhalten haben. Das 15. Jahrhundert interessiert mich dort sicher nicht, weil im 16. Jahrhundert die Blütezeit der Stadt war. Da baute man die Burg zu einem Renaissanceschloss um.“
„Siehst du! Genau das ist es! Du weißt auf Anhieb, wann richtig die Post abging. Das macht uns Angst! Du verschwindest ja in alle Zeiten, ohne dass wir mitkommen können. Wir dürfen dich doch sicher an Psammetich erinnern oder Jaromar?“
Maja schaute die bunten Falter ungläubig an. „Ihr seid aber zart besaitet! Ich will doch nur ein bisschen an der Elbe stehen, auf die wundervollen historischen Gebäude schauen und ein klein wenig träumen.“
„Von Nico?“
„Von wem sonst?“ Maja schob ihr Arbeitsbuch in den Rollkoffer, packte Kamera und Smartphone ein, ehe sie das Navi vorprogrammierte. „Ich fahre Autobahn“, gab sie bekannt. „Die paar Euro für eine Kurzvignette tun mir nicht weh. Übrigens gibt es seit 2002 eine Geothermieanlage in Děčín. Die bekommt ihr Wasser aus 400 Metern Tiefe. Und weil wir gerade bei Wasser sind, die umstrittenen Elbestaustufen interessieren mich auch mehr, als das 15. Jahrhundert.“
„Ich glaube, jetzt ist sie sauer“, murmelte der Schwalbenschwanz.
Maja lachte. „Ganz sicher nicht. Ich bin nur diesmal nicht speziell auf Mittelalter geeicht.“
„Dabei würde ich die Renaissance durchaus als ausgehendes Mittelalter bezeichnen“, warf der Schwalbenschwanz ein.
„Klugscheißer!“, grinste Maja, den Rollkoffer in eine Ecke schiebend.
Nur gut, dass weder Maja noch die Schmetterlingsgedanken ahnten, was sie in den nächsten beiden Tagen erwarten sollte! Maja wäre vor Angst vielleicht gar nicht erst losgefahren!
Es begann damit, dass Maja morgens drei Gleichgesinnte vom Bahnhof abholte, um dann, mit wirklich vollem Auto, schnurstracks nach Děčín zu düsen. Weil sie schon spät dran waren, gab sie Gummi, wo immer die Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben war! Mit fast 180 an der Kolonne in der Kurve kurz vor Siebenlehn vorbei, als der Bordcomputer meldete: Druckabfall im rechten Hinterrad. Also von ganz links nach ganz rechts, um die Abfahrt zu nehmen, weil dort gleich ein Autohof ist. Suchend kreiseln – keine Luftzapfsäule zu sehen! Die Schmetterlinge hatten sich in den Kofferraum verzogen. Maja brauchte nun sicher keine Sprüche. Die Nerven lagen auch so schon blank.
Recht schnell fiel einem Angestellten des Autohofs auf, dass da jemand ein ernstes Problem haben musste. Er kam im Eilschritt heran und dirigierte Maja zur rettenden Luft. Weil es aber ein ungeschriebenes Gesetz ist, dass bei Maja immer irgendwas schief gegen muss, war der Luftschlauch defekt, und er hastete los, um einen anderen zu holen. Damit flutschte die Sache, und Maja bat ihn, gleich noch die anderen Reifen zu kontrollieren. Bezahlung wollte er nicht haben, so gab sie ihm fünf Euro Trinkgeld und folgte der Aufforderung: „Sie können weiterfahren.“
Nun hatte sie aber völlig vergessen, den Fehler zu quittieren, und das Auto zeigte weiter ein Problem an, das gar nicht mehr da war. Entnervt fuhr sie am nächsten Parkplatz noch mal von der Autobahn runter und sagte dem Computer Bescheid, dass er vom nun vorhandenen Druck in den Rädern ausgehen musste.
Jetzt aber los!!! Der Schwalbenschwanz hatte sich hervorgewagt und saß für die restlichen Passagiere unsichtbar, auf dem Innenspiegel.
Ich tu, was ich kann, schmunzelte Maja, ihrem Schimmel bei jeder legalen Möglichkeit kräftig die Sporen geben. So waren sie zwar fast die Letzten, aber immer noch pünktlich, als sie vor dem Hotel Česká Koruna in Děčín endlich auf Parkplatzsuche gingen.
Weil die Zimmer noch nicht frei waren, beschloss die doch recht große Gruppe, eine kurze Erkundungstour in die nähere Umgebung zu machen, wo Maja wundervolle alte Häuser entdeckte, die farbenkräftig ins Auge stachen. Mit einem zufriedenen Lächeln fotografierte sie beinahe jedes einzelne Haus, während sich die anderen, in Gespräche vertieft, immer weiter entfernten.
Die Gedankenfalter wurden nervös. Da hinten kann man nicht mehr sehen, ob sie nach links oder rechts abbiegen.
Meine Güte! Wenn ich den Anschluss verpasse, drehe ich einfach wieder um, lachte Maja. Ich weiß doch, welchen Weg ich gegangen bin und auch, wann es im Hotel Mittagessen gibt. Und wenn ich den Weg nicht mehr finde, dann rufe ich meine Fotos auf und hangele mich von Haus zu Haus zurück, ihr Angsthasen. Außerdem habe ich meine große Klappe mit, und mit der kann ich fragen, wo es entlang geht. Und das sogar auf Tschechisch. Haltet ihr lieber mit Ausschau nach Fotomotiven.
Augenblicke später kamen die anderen wieder zurück. Die Aussicht war wohl nicht so berauschend gewesen. Maja grinste vergnügt, drehte innerlich den Gedanken eine lange Nase und schlenderte mit zurück zum Hotel.
Nach dem Essen wurden endlich die Zimmerschlüssel verteilt. Natürlich auch mit Hindernissen. Majas Name war nicht aufgerufen worden. Nun schaute die Verantwortliche noch einmal auf die Liste und nannte eine Nummer. Nur nutzte das Maja nicht viel. Am Tresen fehlte nämlich ausgerechnet der Schlüssel für diesen Raum. Weil eine Kollegin nicht mit in der Schlange anstand, dachten alle, sie habe Majas Schlüssel erwischt und so bekam Maja den andern. Just in diesem Moment kam die Kollegin und wollte ihren Schlüssel holen! Das sorgte nun für wirklich ratlose Gesichter.
Als Maja endlich ein Zimmer mit passendem Schlüssel zugeteilt bekam, und sie ihren Koffer abstellen wollte, rief ein anderer Schriftsteller von draußen, dass auf dem Parkplatz ein kleines silbernes Auto mit weit offener Beifahrertür stehe und er dortbleiben wolle, bis die Sache geklärt sei.
Also bat Maja die Dame hinterm Tresen, eine Telefonverbindung zum Hausapparat des vermutlichen Besitzers des Autos herzustellen. Sie hatte goldrichtig getippt. Er kam auch sofort herunter und Maja konnte endlich hinauf gehen. Dabei verwechselte sie dann noch die Etage, weil sie ja eine andere Nummer erhalten hatte, und so ließ sich logischerweise die Tür nicht öffnen. Dafür guckte plötzlich eine Dame der Gruppe heraus, um zu schauen, wer sich an ihrem Schloss zu schaffen mache. Erstaunt fragte sie, was los sei.
Maja erstarrte, schaute auf ihr Schlüsselschild ... „Oooops, ich hab mich verflogen. Und tschüss!“ Sie eilte die letzten Stufen hoch, wo sich endlich auch für sie eine Tür öffnete. Schnell das Gepäck abstellen und die Treppe wieder hinunter rennen, geschahen im Bruchteil von Sekunden, weil sie die geplante Erkundungstour zum Schloss keinesfalls verpassen wollte. Neugierig, wie Schreiberlinge nun mal sind, freute sie sich riesig auf diesen Besuch. Ein Mitstreiter der Gruppe führte die Tour und gab interessante historische Daten kund. So auch zur Heilig-Kreuz-Kirche, die nur wenige Wegminuten vom Hotel entfernt war. Die Häuser im Bezirk der Kirche stachen Maja durch frische, kräftige Farben ins Auge. Besonders das Antiquariat in Swimmingpoolblau hatte es Maja angetan. Das Ensemble der Häuser passte perfekt mit der rötlich-beige gefärbten Kirche zusammen.
Natürlich gab es, wie zu vielen Kirchen und Kapellen, eine rührende Gründungsgeschichte aus dem 15. Jahrhundert. Das Holzkreuz, um das es darin ging, soll sich, laut den Chroniken, noch heute in dem Kreuz aus braunem Salzburger Marmor befinden, das den Hauptaltar schmückt. Mit über acht Metern Höhe ist es auch ein wirklich imposantes Kunstwerk.
Besonders beeindruckte Maja die Tatsache, dass die angrenzende Maria-Schnee-Kapelle ursprünglich nicht am jetzigen Standort erbaut worden war. Nach einem der großen Stadtbrände 1749 war sie vom Friedhof an der Wenzelskirche direkt neben die Lange Fahrt, wie man die Auffahrt zum Schloss nennt, umgesetzt worden. Papst Benedikt XIV. verhalf der Kapelle zu Ruhm, weil er hier ein Bild der Heiligen Maria weihte, das direkt aus Rom gespendet worden war.
Inzwischen entspannten sich auch die Gedankenfalter etwas. Das 18. Jahrhundert war für Maja sicher nicht die richtige Zeit, um sich mit Nico zu treffen.
Maja war inzwischen die Stufen zur Langen Fahrt hinaufgestiegen und schaute sich um. Die mehrere Meter hohen zugemauerten Rundbögen erinnerten sie auf den ersten Blick eher an den fluchtsicheren Weg zu einem Gefängnis, als an die Straße zu einem Schloss. Was sie nun noch neugieriger auf dieses machte. Dass es Durchgänge nach links und rechts zu wundervollen Gärten gab, bemerkte sie erst, als sie die jeweiligen Pforten erreichte. Sogar Pfaue liefen hier umher. Die sahen nur etwas gerupft aus, weil ihnen fast komplett die langen Schwanzfedern fehlten. Irgendwie passte das zur Herbststimmung, denn auch die Bäume begannen, sich umzufärben und ihren Blätterschmuck abzuwerfen.
Auch ein stolzer Pfau muss hin und wieder Federn lassen, witzelten die Schmetterlinge.
Maja schmunzelte, ihr wollt doch nur, dass ich jetzt eure schillernden Flügel in höchsten Tönen lobe.
Und, machst du es?
Nö. Maja stützte sich auf die Mauer der Brücke, die direkt zum Eingang führte. Auf dem Wiesengrund zur nächsten Überbrückung entdeckte sie ein riesiges Herz, das man entweder beim Mähen stehengelassen hatte oder das aus anderen Grünpflanzen angelegt worden war. Von ihrem Standpunkt aus, konnte sie das nicht genau erkennen.
Die Gedankenfalter erspähten es zur gleichen Zeit. Oha, jetzt wird sie gleich wieder träumen.
Maja nickte kaum merklich. Sie tut es schon.
Der Blick von der anderen Seite der Brücke fiel auf weniger Schönes. Da standen die abgewirtschafteten Gebäude, welche in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts als Kaserne der sowjetischen Armee genutzt worden waren.
„Na ja, auch das ist Geschichte“, seufzte Maja, sich endlich dem ersten Tordurchgang zuwendend.
Sie hatte ihn noch nicht einmal ganz passiert, als die Gedankenfalter zusammenschreckten.
War ja fast klar gewesen, stöhnten sie.
Maja konnte sich ein amüsiertes Grinsen nicht verkneifen. Sie waren unvermutet und ungeplant direkt im Mittelalter gelandet, denn einige Geharnischte hielten soeben Turnierspiele mit Kindern ab. Zwar passten die Ritter in keiner Weise zum barocken Stil des Schlosses, aber in Anbetracht der Tatsache, dass hier einst die stolze gotische Přemyslidenburg gestanden hatte, sah man gern darüber hinweg.
Die Falter beruhigten sich rasch, als Maja nicht einmal stehen blieb. Sie wollte lieber den Innenhof erkunden, der von einem wundervollen alten Baum dominiert wird. Auch die imposanten Türen, Wappen und Skulpturen interessierten sie mehr, als Schwerter und Rüstungen.
Nun wollte die kleine Wandergruppe noch schnell einen Kaffee trinken und etwas essen, ehe sie den Rückweg zum Hotel antreten musste, um sich für das Abendprogramm vorzubereiten. Zwar sind nicht alle Völker so hektisch wie das Deutsche, aber die merkwürdige Organisation der Arbeitsabläufe in der kleinen Wirtschaft wäre glatt eine Kurzgeschichte wert gewesen. Kaffee und Cappuccino waren schon kalt, bevor man es endlich geschafft hatte, sie vom Tresen zu den Tischen draußen zu bringen. Wäre Maja mit dem Tablett noch schneller gelaufen, hätte die Oberfläche vielleicht sogar eine Eisschicht angesetzt, wie die Gedankenschmetterlinge wispernd lästerten.
Auf dem Weg zum Hotel nahm sich Maja die Zeit, auch noch den barocken Rosengarten zu besichtigen und sich eine Gedenkmünze für ihre Sammlung zu kaufen. Ein kleiner Abstecher zur Elbbrücke war ebenfalls drin, um wenigstens einen kurzen Blick auf das romantische Restaurant am anderen Ufer zu werfen, das 1905 in Art eines Schlösschens erbaut wurde, und hoch auf dem Gipfel der Schäferwand thront.
Jetzt mit Nico da oben sitzen, einen richtig heißen Cappuccino trinken und ... Weiter kam Maja nicht, weil sie der Schwalbenschwanz ziemlich rüde unterbrach.
Wie wäre es, wenn du deine Keulen schwingst und zum Hotel galoppierst?
Maja zuckte zusammen, schaute auf die Uhr und leistete der Aufforderung folge. Es war wirklich schon allerhöchste Zeit, für Abendbrot und Abendprogramm.
Nach einer kurzweiligen, abwechslungsreichen Veranstaltung saßen alle noch bis nach Mitternacht zusammen, schwatzten, tranken Wein und schmiedeten Pläne.
Dass es schon eine ganze Weile heftig regnete, merkte Maja erst, als sie in ihrem Zimmer angekommen war. Die Tropfen prasselten auf die metallenen Fensterbänke und erzeugten einen unbeschreiblichen Lärm. Trotz allem war Maja um vier Uhr hellwach, wie jeden Tag. Sie spähte aus dem Fenster, ob ihr Auto noch da sei. Am Nachmittag war nämlich eine finstere Gestalt um alle deutschen Autos geschlichen und hatte die Nummernschilder fotografiert. Maja hatte daraufhin ihr Handy gezückt und ihrerseits den Mann fotografiert, als er in ihre Richtung zur Hoteltür schaute. Er hatte es bemerkt, was ja auch ihre Absicht gewesen war, und war schnellen Schrittes in einer Nebenstraße verschwunden.
Maja zog sich an und schlenderte vorsichtshalber zum Parkplatz, um sich zu vergewissern, ob beide Nummernschilder noch vorhanden waren und dem Auto auch sonst nichts fehlte.
Du kannst doch nun wirklich nicht immer Pech haben, versuchten die Gedanken, Maja zu beruhigen.
Die winkte ab. Noch sind wir nicht zu Hause.
Da ahnte sie noch nicht einmal annähernd, wie unschön sich die Fahrt bis Dresden gestalten sollte. Maja war mit ihren Kollegen am Anfang völlig allein auf der Autobahn unterwegs. Kurz nach der Grenze tauchte ein schwarzer Kleintransporter mit jungen Männern auf. Der zog, trotz Geschwindigkeitsbegrenzung auf 130 km/h, an ihnen vorbei, um sich genau vor Majas Auto zu setzen, sie böse auszubremsen und nur noch 110 zu fahren. Maja versuchte, zu überholen, er, sie abzudrängen.
„Ich hasse solche Idiotenspiele! Erst recht mit vollbesetztem Auto!“, gab Maja bekannt und hielt Ausschau nach einer Möglichkeit, die Spinner mitsamt Transporter loszuwerden, denn die fuhren nun noch langsamer.
Endlich näherte sich von hinten ein Pulk Autos. Weit genug weg, um gefahrlos ein Manöver zu eigenen Gunsten zu machen. Sie bremste also direkt auf rund 60 km/h herunter, zog mit Warnblinken für die anderen hinter dem Schwarzen nach rechts und war den Vollidioten tatsächlich los, der sofort das gleiche miese Spiel mit einem anderen Opfer trieb, dem er im Dresdener Tunnel sogar die Abfahrt verbarrikadierte. Leider waren alle in Majas Auto mit ängstlichem Betrachten der Gesamtsituation beschäftigt gewesen, als auf die Nummer zu achten oder sie gar zu fotografieren. Fest stand: Solche Leute, wie der Fahrer des Transporters, gehörten von der Straße genommen!
Dass dieser Vorfall mit dem auf dem Parkplatz zusammenhing, wollte Maja nicht annehmen, es sei denn, der Fremde mit dem Handy hätte vorher beobachtet, zu welchem Auto sie ging. Dazu passte dann aber nicht, dass die Bande im Transporter ihr Mütchen schließlich an einem anderen kühlten. Aber wer weiß schon, was solche kranken Hirne noch ausbrüten.
„Hast dich tapfer geschlagen“, lobten die Falter, als Maja nachmittags zu Hause das Auto ausräumte. „Aber, ehrlich gesagt, hätten wir diesmal einen Zeitsprung als Aufreger des Tages vorgezogen.“
„Na, fragt mal, wer noch!“ Maja strich sanft mit der Hand übers Heck ihres strahlend weißen Seat. „Aber mein Schimmel gehorcht ja aufs Wort, und das, obwohl ich ihn erst seit vier Wochen habe. Feuertaufe bestanden, würde ich sagen.“
„Trinken wir darauf ein Glas Wein?“, fragten die Schmetterlingsgedanken.
„Machen wir!“, versprach Maja und begann sofort, ihre Notizen zu ordnen, was die Falter mit äußerster Sorge beobachteten. Nach wirklich ruhiger Kugel schieben, sah das ganz und gar nicht aus, zumal sie gleich wieder die Baustile der fotografierten Häuser aus dem Kirchenbezirk mit allem bisher Gesehenen verglich und lauthals verkündete: „In Goslar, Wernigerode und Quedlinburg soll es ähnlich schön sein!“
„Sie hat soll gesagt“, jammerte ein Trauerfalter, worauf der Schwalbenschwanz erwiderte: „Da müssen wir uns schon mal ernsthaft mit dem Gedanken anfreunden. Denn mit soll gibt sie sich nicht zufrieden.“
„Eben drum!“, murmelte der Trauerfalter mit weinerlicher Stimme.
Da war Maja auch schon dabei, Reisekataloge zu wälzen, und wurde auch noch zu 100 Prozent fündig!
Die Schmetterlingsgedanken hockten auf Majas Schultern, um sehen zu können, was sie alles anklickte.
„Na, da haben wir doch genau das, was der Arzt verordnet hat!“, lachte Maja, während die Falter die Köpfe hängen ließen, weil es im Dezember ganz sicher nicht sonderlich warm sein werde. Sie hassten es, wenn Maja stundenlang in klirrender Kälte durch die Gegend zog. Zudem waren sie irritiert, weil Majas Lieblingsreisebüro tatsächlich einen zusammenhängenden Trip in alle drei Städte anbot.
Als Maja schließlich erklärte, dass so die Zeit reiche, an einem anderen Wochenende den mittelalterlichen Weihnachtsmarkt auf der Wartburg noch einmal zu besuchen, fielen die Falter vor Schreck fast tot um. Denn dort lauerte das Portal ins 15. Jahrhundert!
An einem Samstag im Dezember trabte Maja also wieder einmal mit ihrem Rollkoffer zum Busbahnhof, wo auch der Zustieg zum Reisebus erfolgen sollte. Das Hallo war groß, als im nächsten Taxi zwei Mitreisende erschienen, mit denen sie schon einmal auf großer Tour, nach Italien, Monaco und Frankreich, gewesen war. Nämlich auf genau jener, als sie den Admiral Oberto Doria das erste Mal getroffen hatte, mit dem ihre abenteuerlichen Zeitsprünge begannen.
Die Gedankenfalter erstarrten also weniger vor Kälte, als viel mehr vor Schreck. Auch hatten sie soeben die beiden Rabenkrähen entdeckt, die hinter Maja auf einem Rasenstreifen saßen und ganz genau beobachteten, was sich am Haltepunkt abspielte. Es war für die intelligenten Vögel keine Frage von Stunden, Nico zu unterrichten, dass und wohin sich Maja auf dem Weg befand. Bei den Schmetterlingsgedanken herrschte Alarmstufe rot.
Die Fahrt in die Harzregion gestaltete sich für Maja kurzweilig, weil sie auf dem Zwischenstopp auch andere Reisende wiedererkannte. Das Wetter war zwar trüb und kalt, aber trocken, obwohl schon seit dem Vortag Schnee angekündigt worden war. Der Bus kam also zügig voran.
Maja betrieb wieder Burgen- und Kirchenschau, beobachtete natürlich, wenn auch eher unbewusst, was die Rabenvögel allerorten trieben. Sie lauschte den Erklärungen der Reiseleiterin und stellte bei Halle fest, dass man den Petersberg noch immer voller Stolz die höchste Erhebung zwischen Harz und Erzgebirge nannte, obwohl es in Polen und Russland mindestens drei Berge gibt, die deutlich höher sind. Na gut, in schnurgerader Linie mochte das vielleicht sogar passen, mit dem Titel, der Höchste zu sein.
Bei den Worten über Heinrich den Vogler, bekam Maja wenig innere Resonanz, worüber sich die Gedankenschmetterlinge sichtlich freuten. Sie saßen auf dem Tischchen an der Rückenlehne des Sitzes vor ihr und bewegten die Flügel im Takt. Es sah aus wie kleine, schillernd bunte Wellen auf einer öligen Pfütze.
Hast du keinen angenehmeren Vergleich gefunden, als eine Ölpfütze, grollte der Schwalbenschwanz.
Hör auf zu maulen, erwiderte Maja. Sonst fällt mir vielleicht doch irgendetwas ein, das ich mit dem Vogler oder seinen Nachkommen zu schaffen habe.
Bei den meisten Gedanken herrschte schlagartig Ruhe, während der Schwalbenschwanz raunte: Na klar, dann wird der Vogler zum Vögler.
Maja grinste sich eins.
Das Grinsen wich einem behaglichen Lächeln, als eine Änderung des Reiseplans bekanntgegeben wurde. Man wolle zuerst Quedlinburg besuchen, weil just an diesem Tag die wundervollen Innenhöfe der mittelalterlichen Häuser zu unzähligen winzigen Weihnachtsmärkten gestaltet und somit für alle zugänglich waren.
Da hat sie doch 1000 Möglichkeiten zu verschwinden, jammerte der Trauerfalter, den Maja mitunter schon als Trauerkloß bezeichnete.
Dort draußen sitzen zwei schöne große, und sicher hungrige, Rabenkrähen, ließ Maja fallen, worauf erneut Totenstille eintrat.
Der kleine Hinweis schien angekommen zu sein, denn in den nächsten Minuten wagte nicht einer der bunten Bande, auch nur einen Flügel zu bewegen.
Am Parkplatz Am Anger hielt der Bus, um alle aussteigen zu lassen. Er musste dann auf den Busparkplatz in Nähe des Bahnhofs verschwinden und durfte erst zur vereinbarten Abfahrtszeit wieder hier erscheinen.
Alle hatten einen Stadtplan bekommen und begaben sich als Gruppe auf den Weg, weil sie ja dasselbe Ziel hatten.
Man nennt Quedlinburg wahrlich nicht ohne Grund die Adventsstadt! Und der Advent in den Höfen ist ein Schauspiel, das man wirklich gesehen haben muss. Mit etwas Schnee wäre das Ganze sicher noch grandioser gewesen. Aber man kann nicht immer alles haben, sagte sich Maja, aus jedem Winkel fotografierend. Sie steckte auch die Nase in fast alle offenen Höfe, ehe sie zum großen Weihnachtsmarkt zurück schlenderte, um ein oberleckeres Honigweinsteak zu essen, das weithin duftend in einem riesigen Kessel vor sich hin köchelte.
Das schadenfrohe Kichern der Gedankenfalter ignorierte sie, als sie sich, weil das eben so sein muss, den Steppmantel mit dem Kochsud bekleckerte. Im gleichen Augenblick hätte sie laut auflachen wollen, denn ein ganzer Schwarm Saatkrähen überquerte den Platz, der die vorwitzigen Falter voller Panik in Majas Tasche abtauchen ließ.
Na? Haben wir jetzt ein schlechtes Gewissen gehabt?
Sie bekam keine Antwort, der Schock saß wohl zu tief.