Es war der erste Tag in Ed Holms neuem Job. Er ahnte nicht,
daß es gleichzeitig auch sein letzter sein würde. Und überhaupt -
der letzte Tag in seinem Leben.
Ed Holm war ab sofort Wachtmann im Giants-Stadion. Dem
American-Football-Eldorado in Rutherford, New Jersey. An diesem
Morgen lag noch leichter Bodennebel über dem weiten grünen Platz
und den Rängen.
»Es ist ganz einfach«, erklärte Paul Clark, der die Uniform
der Security Guards schon fünf Jahre lang trug. »Wir kontrollieren
hauptsächlich während der Spiele. Es kommt selten vor, daß einer
Ärger macht. Ein viel größeres Problem als die Fans sind die
verdammten Graffiti-Sprüher. Die dringen hier bei Nacht und Nebel
ein. Wenn du einen von ihnen erwischt, dann…«
Ed Holm würde nie erfahren, was sein erfahrener Kollege ihm
noch mitteilen wofite. Denn in diesem Moment wurde ein Würgedraht
über den Kopf des älteren Security Guards geworfen!
Wie Schatten waren die Killer scheinbar aus dem Nichts
aufgetaucht. Sie waren zu viert. Und sie ließen den beiden Männern
in Grün nicht die geringste Chance.
Instinktiv griff Paul Clark an seine Kehle, während der Würger
hinter ihm die Schlinge mit unerbittlicher Kraft und Präzision
immer weiter zudrehte. Verzweifelt riß der Wachmann seinen Mund
auf. Versuchte Atem zu schöpfen. Seine Augen quollen hervor,
während seine Arme und Beine unkontrolliert zu zucken
begannen.
Doch der Mörder kannte keine Gnade. Es war Clark unmöglich,
den Draht von seinem Kehlkopf zu streifen.
Entsetzt fuhr Ed Holm auf. Er reagierte viel zu spät. Aber
auch er hatte die Killer nicht kommen sehen. Sie mußten sich
angeschlichen haben. Als er und Clark bei ihrem Rundgang einen
Augenblick Pause gemacht hatten, waren sie von hinten gekommen.
Lautlos und schnell. Wie man es von Profis erwarten konnte.
Der neue Wachmann griff hastig nach seinem Smith & Wesson
Kaliber 357 Magnun. Eine Waffe, die auch von Polizei und FBI
eingesetzt wird. Und sich daher auch bei vielen ›Hilfssheriffs‹
großer Beliebtheit erfreut.
Ed Holm kam nicht mehr dazu, sie einzusetzen. Drei
großkalibrige Geschosse hieben in seine Brust.
Es gab nur ganz leise Geräusche. So, als ob luftgefüllte
Papiertüten zum Platzen gebracht würden.
Die Patronen stammten aus einer deutschen
Walther-CP-88-Pistole mit Schalldämpfer.
Aber das sah der Mann in der grünen Uniform nicht mehr. Er war
tot, bevor er auch nur den Mörder sehen konnte, der ihn soeben
feige erschossen hatte.
Inzwischen hatten seine Komplizen auch Paul Clark endgültig
erledigt. Die beiden Wachtmänner lagen tot auf dem Boden. Mitten
auf den Rängen des riesigen Stadions. Es war um diese frühe
Morgenstunde noch menschenleer.
Doch der Anführer der Attentäter wußte, daß das nicht lange so
bleiben würde. Schon bald würden die Putzkolonnen anrücken. Die
Gärtner und Techniker. Und natürlich die Spieler der New York
Giants. Zum Morgentraining.
Der Chef der Killer hieß Jack Lund. Ein Schakal in
Menschengestalt, dem ein Menschenleben nichts bedeutete: Der mit
der präzisen Tödlichkeit einer Zeitbombe funktionierte.
Er sah auf seine Armbanduhr. Wie seine Kumpane war er in einen
dunkelgrauen Anzug mit weißem Hemd und dezentem Schlips gekleidet.
Niemand hätte ihn für einen Berufsverbrecher gehalten.
Er steckte seine Walther wieder in die Gürtelhalfter und
machte eine kurze, herrische Kopfbewegung. Mit langen Schritten
eilte er hinunter in die Mannschaftsunterkünfte. Seine Komplizen
folgten ihm wie Schatten des Todes.
***
»Rate mal, was ich habe!«
Mein Freund und Kollege Milo Tucker war außer sich vor
Begeisterung. Er strahlte wie ein Lebkuchenpferd, als ich ihn an
diesem Morgen an unserer gewohnten Ecke abholte.
Doch diesmal fuhren wir nicht direkt zu unserem gemeinsamen
Arbeitsplatz, dem FBI-Gebäude an der Federal Plaza in Manhattan. Es
ging vielmehr direkt zum Jonathan F. Kennedy Airport. Doch das
wußte Milo noch nicht.
»Was du hast?« fragte ich, während mein Freund und Kollege die
Beifahrertür meines roten Sportwagens schloß und sich anschnallte.
»Keine Ahnung. Vielleicht eine Verabredung mit Sharon
Dellingston?«
»Besser.« Milo liebte es, mich auf die Folter zu
spannen.
»Nun sag schon.« Ich mußte mich auf den Berufsverkehr
konzentrieren und hatte keinen Sinn für Rätselspiele.
»Eine Karte für das Endspiel um den Super Bowl!«
Ich pfiff durch die Zähne. Das konnte sich wirklich hören
lassen.
Der Super-Bowl-Endkampf ist das größte Ereignis des American
Football. In diesem Jahr würde eine New Yorker Mannschaft in der
Endausscheidung sein. Die New York Giants. Das Spiel würde in
wenigen Tagen ausgetragen werden. Drüben in New Jersey, im
Giants-Stadion. Gegen die Chicago Bears.
Ich beneidete Milo schon ein wenig, obwohl ich kein
fanatischer Football-Kenner bin. Aber es liegt mir eben doch im
Blut. So wie den meisten Amerikanern.
Mein Freund kriegte sich gar nicht wieder ein und weidete sich
an meinem Erstaunen.
»Wie hast du das geschafft?« fragte ich. Die Karten waren
heißbegehrt und meist schon über Monate hinweg ausverkauft.
»Beziehungen!« prahlte Milo. »Erinnerst du dich an Diego,
diesen kleinen V-Mann aus Union City? Durch einen Tip von mir
konnte er sich 'in letzter Minute vor der Rache seiner früheren
Gang retten. Er wollte sich unbedingt revanchieren. Und fragte
mich, womit er mir wirklich eine Freude machen könnte. Nun, da
mußte ich nicht lange überlegen.«
»Ist das nicht fast schon Bestechung?«
»Aber Jeremias!« Tadelnd sah mich mein Freund an. »So ein
V-Mann ist doch fast schon ein Kollege, oder nicht?«
Ich hüllte mich in Schweigen.
Sauer war ich auf Milo nicht. Ich gönnte ihm seine
Giants-Eintrittskarte. Schließlich hatte ich an diesem Morgen auch
noch eine Überraschung für ihn. Es dauerte nicht lange, bis er
mißtrauisch wurde.
»Moment mal, Jesse! Hat dich mein Super-Bowl-Ticket so aus der
Fassung gebracht? Hier geht es nämlich nicht zur Federal Plaza. Das
ist der FDR Drive.« FDR Drive steht für Franklin Delano Roosevelt
Drive. Eine Stadtautobahn, die am East River entlangführt.
»Ich weiß, Partner«, erwiderte ich. »Heute morgen beginnt
unser Dienst nicht im Büro.«
»Sondern?« Nun konnte ich Milo ein wenig schwitzen lassen. »Am
Jonathan F. Kennedy Airport.«
»Und was wollen wir da?«
»Jemanden abholen.«
Mein Partner atmete tief durch. »Okay, Jesse. Tut mir leid,
daß ich dich mit meiner Karte so aufgezogen habe. Aber sagst du mir
nun, was wir heute tun werden?«
»Also gut«, sagte ich grinsend. »Wir empfangen einen gewissen
Kommissar Berger. Ein Kollege aus Germany. Er arbeitet beim BKA in
Wiesbaden.«
»Was war das noch mal schnell?«
»Nicht richtig aufgepaßt beim letzten Lehrgang in Quantico,
Milo? Das BKA ist eine Art deutsches FBI. Und Kommissar Berger
wurde ausgewählt, um unsere Arbeit in der Praxis zu studieren. Er
wird uns also auf unseren Einsätzen begleiten. Fahndung,
Verhaftungen, Verhöre, Zeugenbefragungen. Einfach alles. Eine Woche
FBI-Berufspraxis in New York.«
»Na bravo«, maulte Milo. »Meine Deutschkenntnisse beschränken
sich auf die Wörter ›Sauerkraut‹ und ›Frankfurter‹.«
»Keine Panik, Alter. Herr Berger spricht angeblich fließend
Englisch«, beruhigte ich meinen Freund.
»Wieso erfahre ich erst in letzter Minute' davon, daß wir
Babysitter spielen müssen?« Milo war immer noch alles andere als
begeistert.
»Weil eigentlich Jay Kronburg und Les Morell den deutschen
Kollegen betreuen sollten«, erklärte ich. »Aber die beiden mußten
gestern abend nach Sioux City in Iowa fliegen. Dort wurde
überraschend ein Gerichtstermin festgesetzt. Eine komplizierte
Mafia-Geschichte, bei der sie als Zeugen aussagen müssen. Also hat
Mr. McKee mich heute morgen angerufen und uns den Auftrag
erteilt.«
Milo nickte. Jonathan D. McKee ist als Special Agent in Charge
der verantwortliche Leiter des FBI Field Office New York City. Ein
erfahrener und mutiger Beamter, der bedingungslos hinter seinen
Leuten steht und dem organisierten Verbrechen die Stirn
bietet.
Während unseres Gesprächs waren wir über den FDR Drive und die
Williamsburg Bridge nach Brooklyn hinüber gefahren. Inzwischen
hatten wir auch den Van Wyck Expressway hinter uns gebracht und
näherten uns dem gigantischen Flughafengelände.
Ich lenkte den Sportwagen auf einen kleinen bewachten
Parkplatz nahe dem International Arrivals Building. Das Areal beim
Ankunftsgebäude war nur für offizielle Fahrzeuge reserviert.
Nachdem ich dem Parkwächter meinen FBI-Ausweis präsentiert hatte,
öffnete sich auch für uns die Schranke.
Ich sah auf meine Armbanduhr, während wir auf den Terminal der
Lufthansa zueilten. »Der Flug aus Frankfurt muß soeben gelandet
sein.«
»Weißt du, wie Mr. Berger aussieht?« fragte Milo.
Ich zuckte die Schultern. »Der Chef wußte es auch
nicht.«
»Wir sollten uns zu erkennen geben«, schlug Milo vor. »Sonst
fällt der deutsche Kollege hoch einem Flughafenbetrüger in die
Hände.«
Das glaubte ich zwar nicht, aber mein Freund hatte trotzdem
nicht unrecht. Am Kennedy Airport wimmelt es von falschen
Taxifahrern und Leuten, die den Touristen hilfsbereit beim
Gepäcktragen helfen. Nur daß sie ihre Koffer und Taschen dann nie
wieder sehen.
Also zog ich meine FBI-Marke und hängte sie an meine
Brusttasche.
Milo folgte meinem Beispiel. Nun waren wir für jeden deutlich
als G-men zu erkennen.
Unsere Blicke glitten suchend über die Menge der Reisenden,
die soeben dem Zubringerbus des Jumbo Jets aus Frankfurt entstiegen
waren.
Die meisten Ankommenden waren für den durchschnittlichen New
Yorker schon auf drei Meilen gegen den Wind als Touristen zu
erkennen. Kurze Hosen, Kameras vor der Brust.
Ich hatte absolut keine Ahnung, wie ich mir einen deutschen
Kollegen vorstellen sollte. Milo schien es nicht besser zu
gehen.
»Er wird wohl keinen Lodenmantel und Gamsbarthut tragen«,
witzelte mein Freund und Partner. »Schließlich haben wir ja Mitte
Juni. Obwohl - wer weiß, wie kalt es drüben in Old Germany
ist.«
»Nicht so kalt«, behauptete ich. »Sieh dir mal die junge Lady
dort an.«
Unsere Blicke fielen auf eine strohblonde Schönheit mit
aufregend langen Beinen. Die Figur unter ihrem enganliegenden roten
Minikleid war so kurvig wie eine Serpentinenstraße in Italien. Und
die blauen Augen lächelten uns freundlich an.
Sie schwenkte ihre niedliche Stupsnase in unsere Richtung und
kam auf uns zu.
»Was wir für ein Glück haben«, raunte Milo. »Die hält uns
bestimmt für Fremdenführer. Ich hätte nichts dagegen, ihr die Stadt
zu zeigen. Und mein Apartment natürlich.«
Doch er täuschte sich. Das Girl hielt uns nicht für
Fremdenführer.
Sie blieb vor uns stehen und zog einen Ausweis aus ihrer
Umhängetasche. Klappte ihn auf.
Ich kannte das Symbol von FBI-Lehrgängen. Ein Adler. Aber
nicht unser amerikanischer Weißkopfadler, sondern der Bundesadler.
Das Hoheitszeichen von Germany.
»G-men?« fragte die bezaubernde Blonde mit dem kessen Lächeln
in fließendem Englisch. »Ich wette, Sie warten auf mich. Ich bin
Kommissarin Berger. Nicole Berger aus Wiesbaden.«
»Will-Willkommen in New York«, stammelte ich überrascht.
***
Der Plan der Killer funktionierte wie am Schnürchen.
Wochenlang hatten sie die Gewohnheiten der Giants-Spieler
ausgekundschaftet. Sie wußten genau, wer sich wann an welchem Ort
aufhielt.
Deshalb war keiner von ihnen überrascht, als an diesem Morgen
Jay Rodriguez als erster die Umkleidekabine betrat. Jay war ein
harter Brocken. So groß und muskulös wie alle
Footballspieler.
Doch als er einen Totschläger über den Schädel gezogen bekam,
legte er sich trotzdem schlafen. Er war nicht auf einen Angriff
gefaßt gewesen.
Genausowenig wie seine Mannschaftskameraden Harris Montague
oder Sean Smith. Beide kamen noch nicht mal dazu, sich über die
Männer im feinen Zwirn zu wundern, die ihnen in der Kabine
auflauerten.
Die vier Killer arbeiteten wie am Fließband. Zwei von ihnen
bildeten das ›Empfangskomitee‹. Sie schlugen die eintreffenden
Giants-Spieler von hinten nieder.
Ein dritter Mann band die Hände der bewußtlosen Kraftpakete
mit Plastikfesseln und zerrte sie in den Duschraum.
Dasselbe machten sie auch mit dem Trainer Malcolm Shaw, der an
diesem Morgen etwas früher als sonst aufkreuzte.
Auch er kam nicht dazu, um Hilfe zu rufen, bevor bei ihm die
Lichter ausgingen.
Bisher war alles glatt verlaufen. Aber die Bande wartete auf
einen ganz bestimmten Spieler. Auf den Quarterback.
Auf Norris Roach.
Einer der besten Quarterbacks aller Zeiten. Nicht nur bei den
New York Giants, sondern im gesamten American Football.
Jedes Kind kannte seine hochgewachsene Gestalt, die braunen
Locken und den Schnurrbart. Wenn er lachte, sah man die
Grübchen'auf seinen stets etwas unrasierten Wangen.
Und er lachte oft. Jedesmal, wenn er für seine Mannschaft
wieder ein Spiel gewonnen hatte.
Norris Roach führte die New York Giants von Sieg zu
Sieg.
Jetzt kam er die schmale Treppe hinunter.
Doch es .war, als ob er die Gefahr gerochen hätte.
Roach warf sich zur Seite, als der Totschläger auf seinen
Schädel herabsauste. Gleichzeitig keilte seine linke Faust aus und
traf den Attentäter mitten ins Gesicht.
Der Gangster jaulte schmerzerfüllt auf. Die Hände des
hünenhaften Quarterbacks schienen den Durchmesser von
Toilettenbrillen zu haben. Und wo er zulangte, da wuchs kein Gras
mehr.
Doch Roach war nicht nur stark. Er war auch clever. Daher
verstand er, daß man ihn nicht töten wollte. Denn das hätte man
einfacher haben können. Ohne sich in die Reichweite seiner Fäuste
begeben zu müssen.
Er sollte entführt werden. Und dagegen gab es nur ein
Mittel.
Die Flucht.
Der Quarterback wirbelte auf dem Absatz herum. Wenn er auf dem
Spielfeld gewesen wäre, hätte er keine Furcht gekannt. Aber ihm war
klar, daß diese Verbrecher nicht mit fairen Mitteln kämpfen
würden.
Außerdem wußte er nicht, was sie mit seinen Kameraden gemacht
hatten. Daher gab es für ihn nur eine Möglichkeit.
Weglaufen. Und so schnell wie möglich die Cops alarmieren.
Oder den Sicherheitsdienst des Stadions.
Der erste Attentäter hielt sich immer noch seine Nase, die
eine unsanfte Bekanntschaft mit Norris Roach’ Faust gemacht hatte.
Sein Komplize jagte schon hinter dem Quarterback her.
Das bekam ihm schlecht. Der Footballspieler drehte sich halb
auf der Treppe um und keilte nach hinten aus.
Sein durchtrainiertes Bein schlug in den Körper des
Verbrechers wie eine Abbruchbirne in ein marodes Haus.
Der Killer wurde durch die Wucht des Aufpralls förmlich ein
Stück nach oben gerissen. Einen Augenblick schien er in der Luft zu
schweben. Dann fiel er die Treppe hinunter.
Jack Lund erbleichte vor Wut, als er seine Komplizen versagen
sah. Und ihm wurde blitzartig klar, daß er selbst diesen Norris
Roach schnappen mußte. Wenn der'Quarterback entkam, war die ganze
Aktion umsonst gewesen!
»Komm mit!« brüllte Lund seinem vierten Mann zu, der neben ihm
im Umkleideraum auf Befehle wartete.
Die beiden Verbrecher stürzten hinter dem flüchtenden
Footballspieler her.
»He! Was ist hier los?«
Ein weiterer Klubkamerad von Roach wollte gerade die Treppe
hinunterkommen. Frank Fioretto.
Jack Lund zog seine Walther und schoß ihn eiskalt
nieder.
Der Spieler krümmte sich zusammen und fiel an den beiden
Gangstern vorbei die Treppe hinunter.
Lund sah das breite Kreuz des Quarterback gerade in einem
Aufgang verschwinden. In seinem Kopf erschien ein Lageplan des
Giants-Stadions. Der Eingang zu den Umkleideräumen befand sich nahe
bei der ›Teamzone‹, wo die Offense und die Defense im Spiel auf
ihren Einsatz warteten. Es führten verschiedene Wege in Richtung
Hauptausgang. Lund tippte darauf, daß der Footballspieler versuchen
würde, Hilfe zu holen.
Also mußte er ihm den Weg abschneiden.
»Wir teilen uns!« rief er seinem Komplizen zu. »Versuch, ihn
einzuholen. Ich schneide ihm den Weg ab!«
Jack Lund lief die Tribüne hinunter. Er war voll
konzentriert.
Die Entführung des Quarterbacks war seine eigene Idee gewesen.
Für das Syndikat hatte er lange genug gearbeitet. Und für die hatte
er schon ganz andere Jobs durchgeführt.
Doch nun wollte er auf eigene Rechnung Coups durchziehen. Und
die Dollars auch ganz allein einstreichen.
Deshalb mußte er diesen riesigen Fleischbrocken auch unbedingt
in die Finger bekommen!
Lund preßte seine schmalen Lippen zusammen. Wenn es der
Quarterback wirklich schaffte, zu entkommen, würden sie in der
Scheiße sitzen.
Doch das Schicksal seiner Komplizen war ihm egal. Er selbst
würde sich schon irgendwie den Weg freischießen. Da kannte er keine
Gnade.
Wie ein Raubtier machte er noch ein paar weite Sätze. Und dann
sah er, daß er sich nicht getäuscht hatte. Seine Abkürzung war die
richtige gewesen.
Der Footballspieler kam einen schmalen Gang zwischen den
Tribünen hindurchgeeilt. Er hatte Jack Lund noch nicht
gesehen.
Das änderte sich im nächsten Moment.
Breitbeinig stellte sich ihm der Gangster in den Weg. Zog
seine Waffe.
Der Quarterback bremste ab. Wollte zurücklaufen.
Doch da tauchte hinter ihm schon Lunds Komplize auf.
Aufbrüllend breitete Norris Roach die Arme aus. Aus seinen
Augen schienen-Funken zu sprühen.
»Komm doch, du Arsch! Ich reiße dich in Stücke!«
»Damit könnten Sie recht haben, Mr. Roach!« gab der Verbrecher
ungerührt zurück.
Und dann schoß er.
Der Quarterback wunderte sich, daß ei keinen Knall
hörte.
Und dann registrierte er zu seinem größten Erstaunen, daß
keine Patrone in seinen Körper eingeschlagen war. Eine Art
Betäubungspfeil steckte in seiner Brust.
Lund hatte nicht die Walther, sondern eine Spezialpistole
gezogen. Eine Waffe, mit der wilde Tiere betäubt werden, die lebend
für den Zoo gefangen werden sollen.
Es dauerte nur Sekunden, bis die Droge ihre Wirkung tat.
Die Muskeln des Kraftmenschen wurden weich wie Pudding. Seine
Knie knickten weg. Und obwohl er bei Bewußtsein blieb, konnte er
nicht verhindern, daß die beiden Verbrecher ihn an Schultern und
Beinen packten und zu einem Van schleppten, der unweit das
Haupteinganges parkte.
Die ganze Aktion hatte vier Minuten gedauert.
***
Milo schien wirklich beeindruckt zu sein von der Kollegin aus
Germany. Er erklärte sich sogar freiwillig bereit, auf dem Notsitz
des Sportwagens Platz zu nehmen, nachdem wir ihren Koffer aus dem
Gepäckkarussell geholt hatten.
Doch auch auf mich machte die blonde Kommissarin Wirkung. Denn
sie sah nicht nur sehr gut aus, sondern schien auch das Herz auf
dem rechten Fleck zu haben.
»Keinen Staatsempfang für mich, okay?« sagte sie zu mir.
»Macht einfach euren normalen Dienstalltag und nehmt mich als
fünftes Rad am Wagen mit. So lerne ich am besten.«
»Du hast sicher Hunger nach dem langen Flug«, meinte Milo
hoffnungsvoll. »Im Waldorf-Astoria…«
»Du hast doch gehört, was Nicole gerade gesagt hat«,
unterbrach ich ihn. »Keine Sonderbehandlung. Also nehmen wir sie
dorthin mit, wo wir normalerweise auch unseren Lunch nehmen
würden.«
In komischer Verzweiflung verzog mein Freund den Mund. »Meinst
du wirklich, daß wir einem europäischen Magen sowas zumuten
können?«
Nicole lachte hell auf. »Man merkt, daß du noch nicht in einer
deutschen Imbißbude warst, Milo. Sonst hättest du nicht so eine
hohe Meinung von unserer Küche.«
Wir fuhren wieder auf dem Van Wyk Expressway durch Brooklyn.
Ruhig floß der Verkehr auf dem sechsspurigen Highway dahin. Die
Kommissarin sah sich erstaunt um.
»Hier gibt es ein Tempolimit auf dem Highway, oder?«
»Selbstverständlich«, erwiderte ich. »Im Staat New York liegt
es bei 65 Meilen. Aber in New Jersey sind es zum Beispiel nur
55.«
»Und das stört die Amerikaner nicht?« wunderte sich
Nicole.
Ich grinste. »Manche schon. Die fliegen dann in deine Heimat
Germany, um mal so richtig rasen zu dürfen. Mieten sich einen
Porsche und brettern los.« Ich wurde wieder ernst. »Nicht alle von
ihnen kommen zurück.«
»Wenn wir schnell fahren wollen, setzen wir einfach das
Blaulicht aufs Dach«, witzelte Milo.
Bevor Nicole oder ich etwas entgegnen konnten, blinkte die
Signallampe am Funkgerät.
Ich nahm das Mikrophon. »Trevellian!«
»Hier ist Myma aus der Zentrale. Wo seid ihr gerade,
Jesse?«
»Auf dem Queens-Long Island Expressway Richtung
Manhattan.«
»Es gibt eine Änderung. Anweisung von Mr. McKee. Ihr müßt
sofort zum Giants-Stadion fahren. In Rutherford, New Jersey. Das
ist…«
»Ich weiß, wo das Stadion ist, Linda. Das weiß wohl jeder
amerikanische Junge. Aber Scherz beiseite. Was ist passiert?«
»Kidnapping. Anscheinend ist ein Footballspieler entführt
worden. Es hat auch einige Tote gegeben. Die örtliche Polizei ist
schon vor Ort.«
»Wir übernehmen. Sag dem Chef, daß wir unterwegs sind!« Ich
hakte das Mikro wieder in die Halterung. »Dein Lunch wird also noch
warten müssen, Nicole.«
»Das macht nichts«, erwiderte die Deutsche. »Ich bin ja zum
Lernen hergekommen, nicht zum Essen. Warum bekommt ihr den Fall,
wenn das Stadion in New Jersey liegt? Wäre das kein Fall für die
dortige Polizei? Oder für das FBI Field Office in Newark?«
»Du kennst dich ja gut aus«, lobte Milo.
»Ich habe meine Hausaufgaben gemacht«, meinte die Kommissarin
lachend.
»Angenommen, der Entführte lebt in New York«, erklärte ich.
»Dann ist es eindeutig ein Fall für uns. Das FBI muß so oder so
ermitteln. Denn Kidnapping fällt in unsere Zuständigkeit. Aber
trotzdem werden wir mit dem FBI von Newark Zusammenarbeiten.«
Um von Brooklyn aus nach New Jersey zu gelangen, mußten wir
Manhattan durchqueren. Wir fuhren durch den Holland Tunnel.
»Wieso liegt das Stadion einer New Yorker Mannschaft in New
Jersey?« fragte die Besucherin aus Europa.
Ich zuckte mit den Schultern. »Platzmangel. Ein
Footballstadion kann man ja nicht als Wolkenkratzer bauen.«
Mir waren die bewundernden Blicke nicht entgangen, mit denen
Nicole Berger die riesigen Monumente aus Stahl und Beton bestaunt
hatte, an denen wir soeben vorbeigefahren waren.
»Ich möchte zu gerne einmal ganz oben auf einem Wolkenkratzer
stehen«, schwärmte sie.
»Kein Problem«, ereiferte sich Milo. »Der Blick vom Empire
State Building bei Nacht ist weltweit berühmt. Ich würde
gerne…«
Milo unterbrach sich selbst.
Denn im nächsten Moment mußte ich blitzartig auf die Bremse
steigen, um nicht in einen Auffahrunfall verwickelt zu
werden.
***
Eugen McMillan war einer der reichsten Männer Amerikas.
Er dachte gerade über ein gutes Geschäft miteinem der größten
Autoersatzteilhändler New Yorks nach, als ihn die Hiobsbotschaft
erreichte.
Der Milliardär saß in seinem tennisplatzgroßen Büro in seiner
Villa in Gien Cove. Nördlich von New York, am Long Island Sound.
Eine Gegend, die durch kleine Wälder und große Doggen abgeschirmt
ist von den Problemen der Acht-Millionen-Metropole.
Der reiche Mann hatte sich in seinem maßgefertigen
Schreibtischsessel zurückgelehnt und hörte Radio. Das tat er oft,
um sich besser entspannen zu können. Dann konnte er besser
überlegen. Und fand garantiert einen idiotensicheren Weg, um seine
Geschäftspartner über den Tisch zu ziehen. Eine Disziplin, in der
er ein Meister war.
Umso härter traf ihn die völlig unerwartete
Hiobsbotschaft.
»…Wie soeben gemeldet wurde, haben unbekannte Täter den
Star-Quarterback Norris Roach entführt. Der beliebte Spieler wurde
in den frühen Morgenstunden in der Umkleidekabine des
Giants-Stadions überwältigt. Die Entführer töteten zwei Wachtmänner
und verletzten Roach' Team-Kameraden Frank Fioretto, der…«
Der Milliardär hörte nicht mehr hin.
Die Nachricht traf ihn nicht etwa so schwer, weil er ein
großer Footballfan gewesen wäre. Nein, das Verschwinden von Norris
Roach würde ihn möglicherweise ein kleines Vermögen kosten. Und das
war sogar bitter für einen Mann, der ein großes Vermögen besaß. Und
es täglich anwachsen sehen wollte.
Wutentbrannt hieb er auf den Klingelknopf.
Schon nach Sekunden erschien sein Sekretär Allan Corsby. Ein
junger Mann, der ihm bedingungslos ergeben war.
»Sir?«
»Norris Roach ist entführt worden.« Ungeduldig spielte Eugen
McMillan mit seinem Waterf ord-Füllfederhalter. Seine buschigen
Augenbrauen zogen sich zusammen. Sein Doppelkinn hob und senkte
sich. Stets ein Zeichen für seine anschwellende schlechte Laune,
wie Allan Corsby wußte.
»Gibt es schon Hinweise, Sir?« Der Tonfall, in dem der
Sekretär sprach, ließ nicht erkennen, ob ihn die Neuigkeit berührte
oder nicht. Er war ein eiskalter Knochen.
McMillan machte eine ungeduldige Handbewegung. »Ich bezahle
Sie, damit Sie so etwas herausfinden, Corsby! Ich will wissen, wer
sich Norris Roach geschnappt hat! Ob er überhaupt entführt wurde.
Oder ob das nur ein Täuschungsmanöver von ihm selbst ist!«
»Glauben Sie…?«
»Ich glaube gar nichts, verdammt noch mal! Wenn er wirklich
aus dem Verkehr gezogen wurde, dann will ich die Bastarde tot
sehen, die das getan haben. Kapiert? Und dieser große Affe Roach
muß so schnell wie möglich wieder aufs Spielfeld. Und zwar, ohne
daß ihm vorher auch nur ein einziges Haar aus seinem verdammten
Schnurrbart gekrümmt wurde! Denn wenn er bis zum Super Bowl nicht
wieder auftaucht, ist es möglich, daß das ganze Speiktakel vorerst
abgeblasen wird, und das würde mich verdammt viel Geld
kosten!«
Allan Corsby verbeugte sich. »Ich werde Sie nicht enttäuschen,
Sir.«
Der Sekretär drehte sich auf dem Absatz um und verließ das
große Privatbüro. Er würde auch einen Mord begehen, um den Befehl
seines Herrn zu befolgen. Es wäre nicht zum ersten Mal.
***
Ein kleiner Datsun Cherry vor mir war in einen Buick gerast,
der sich quergestellt hatte.
Mit radierenden Reifen drehte sich mein Sportwagen halb um die
eigene Achse. Dann hatte ich den englischen Sportflitzer zum Stehen
gebracht.
»Verdammt!« fluchte Milo. »Was ist da passiert?«
Einen Moment später konnte er sich diese Frage selbst
beantworten.
Die beiden vorderen Türen des Buicks öffneten sich. Und heraus
stiegen zwei langhaarige Jugendliche mit Ziegenbärten. Man brauchte
nicht bei der Narcotic Squad zu arbeiten, um zu erkennen, daß sie
bis zum Stehkragen voll mit Drogen waren, Milo, Nicole und ich
verließen ebenfalls unseren Wagen. Wir mußten checken, ob in dem
Datsun jemand verletzt war.
Die FBI-Schilder an unseren Jacken stellten aber wohl eine
Provokation für die berauschten Kids dar, denn sie stellten sich
uns in den Weg.
»Will-willst du Ärger, Bulle?« keifte der eine meinen Partner
an.
Milo nahm sich keine Zeit für längere Diskussionen. Hier ging
es um Menschenleben.
Er senkte seinen Kopf, rammte ihn in die Magengrube des
Langhaarigen und rannte ihn einfach über den Haufen.
Der andere schien nicht ganz so weggetreten zu sein wie sein
Kumpel. Er zog ein Schnappmesser aus der Tasche seiner weiten Hose
und ließ es aufklappen.
Ich hatte es gerade noch rechtzeitig gesehen. Milo war schon
ein ganzes Stück vor uns. Er eilte auf die Fahrertür des Datsun
zu.
Und ich kickte dem Messerhelden sein Spielzeug weg.
Unsere Kung-Fubegeisterte Kollegin Annie Franceso hätte es
nicht besser machen können, dachte ich zufrieden.
Doch noch hatte ich den Burschen nicht besiegt.
Er ballte wütend die Fäuste und stürzte sich auf mich. Die
Droge ließ ihn jedes Risiko für seine eigene Gesundheit
unterschätzen.
Ich kannte das. Er warauf Crack. Und fühlte sich wie ein
unbesiegbarer Muskelprotz in einem Fantasyfilm.
Das würde sich schnell ändern, wenn die Entzugserscheinungen
kamen. Und die würden garantiert folgen. Wenn wir ihn erst mal nach
Rikers Island geschafft hatten.
Ich wehrte seine Fausthiebe ab. Ohne Messer war er nur halb so
gefährlich.
Aber er ging völlig rücksichtslos vor. Deshalb mußte ich ihn
so schnell wie möglich kampfunfähig machen. Allein schon, damit ich
Milo helfen konnte, bis eine Ambulanz eintraf.
»Achtung, Jesse!«
Dieser Ruf kam von Nicole Berger.
Ich fuhr herum.
Der zweite Junkie, der von Milo zu Boden geschickt worden war,
hatte sich wieder aufgerappelt. Und wollte mir mit einem
Rasiermesser ein Muster zwischen die Schulterblätter
schneiden.
Jedenfalls fuchtelte er mit der scharfen Waffe herum und stieß
irre Schreie aus. Er war schon zwei Schritte hinter mir.
Doch die deutsche Kommissarin hatte mich nicht nur gewarnt,
sondern griff jetzt selber ein.
Mit einem formvollendeten Judo-Fußfeger brachte sie den Mann
erneut zu Fall. Und bevor er noch mit seinem Messer Unsinn machen
konnte, hatte sie sich wie eine Tigerin auf ihn gestürzt.
Die junge Frau nahm ihn in einen Würgegriff, daß ihm Hören und
Sehen verging. Seine Arme zuckten unkontrolliert, als er seine
gemeine Waffe fallen ließ.
Für einen Moment war ich abgelenkt gewesen. Das nutzte mein
Gegner aus, um mich erneut zu attackieren.
Seine Rechte kam durch meine Deckung und krachte gegen meine
Kinnlade.
Ich stolperte einen Schritt zurück.
Doch dann hatte ich mich sofort wieder gefangen und deckte ihn
mit einem Feuerwerk von rechten und linken Geraden ein.
Schnell zeigte sich, daß der Junkie überhaupt keine Kondition
hatte. Kein Wunder bei seinem Lebensstil.
Schließlich taumelte er erschöpft gegen den Buick, hielt sich
die Hände schützend vor das Gesicht.
Ich brauchte sie ihm nur noch umzudrehen und die Stahlacht um
seine Handgelenke klicken zu lassen.
Dann wandte ich mich der attraktiven Blondine aus Germany
zu.
Sie hatte ihren Gegner inzwischen auf den Bauch gedreht und
seine Hände mit einer Plastikfessel zusammengezurrt.
»Habt ihr die auch?« fragte sie lächelnd. »Ich habe immer ein
paar davon in meiner Handtasche. Auch wenn ich nicht im Dienst bin.
Man kann sie doch immer mal gebrauchen.«
Ich lachte.
Doch dann liefen wir beide zum Datsun, um Milo
beizustehen…
***
Der japanische Kleinwagen hatte die Kollision nicht gut
überstanden. Vorne war er fast wie eine Ziehharmonika
zusammengequetscht. Die rechte Seite war völlig verbeult.
Milo brannte die Zeit unter den Nägeln. Er warf einen Blick
durch das geborstene Seitenfenster des Unfallwagens.
Am Lenkrad hing eine Frau in den Gurten. Sie schien bewußtlos
zu sein. Offenbar war sie die einzige Person in dem Datsun.
Milo versuchte die Fahrertür zu öffnen. Sie klemmte. Aber Milo
bekam durch den Streß unglaubliche Kräfte.
Er stemmte seinen linken Fuß gegen das Blech und zog mit
beiden Händen am Griff. Wie Taue traten die Sehnen an seinem Hals
hervor.
Schließlich schaffte er es, die Tür aufzureißen.
Die Fahrerin hatte kurze rote Haare. Über ihre Stirn floß
Blut.
Milo wußte, daß sie innere Verletzungen haben konnte. Aber er
sah auch das Benzin, das aus dem Datsun auf den Highway sickerte.
Er konnte einfach nicht warten, bis ein Notarzt kam. Jede Sekunde
zählte.
Der G-man betete, daß sich wenigstens der Verschluß des
Sicherheitsgurtes schnell öffnen ließ.
Seine Gebete wurden erhört. Der Gurt klickte auf.
Die Frau stöhnte. War sie vielleicht doch nicht ganz ohne
Bewußtsein?
»Können Sie mich hören?« sagte Milo in ihr Ohr. »Sind Sie
verletzt?«
»…Kopf…«, stöhnte die Fahrerin mit den kurzen roten Haaren.
»…Schmerzen…«
Unter ihren halbgeschlossenen Lidern kamen grüne Pupillen zum
Vorschein. Mit trübem Blick sah sie Milo Tucker an.
Der preßte die Lippen aufeinander. Breitbeinig stand er vor
der Fahrertür und nahm die Frau in den Rettungsgriff. Zum Glück war
sie leicht wie eine Feder.
»Sie können sich gleich ausruhen«, flüsterte Milo ihr sanft
ins Ohr. »Gleich ist alles vorbei.«
Er schritt vorsichtig rückwärts, ganz langsam. Zog die
Verunglückte dabei hinter sich her. Noch einen Yard… noch einen
weiteren… nun waren sie schon fast zehn Yards von den ineinander
verkeilten Autos entfernt.
In diesem Moment flog der Datsun in die Luft!
Durch die Druckwelle der Explosion wurden beide zu Boden
geschleudert.
Doch es passierte ihnen nichts. Noch nicht mal die
herumfliegenden Glassplitter verletzten sie.
Die Rothaarige riß die Augen weit auf, als das Geräusch
verklungen war. Sie sah Milo lange an.
»Mein Schutzengel«, stöhnte sie. Dann fiel sie in
Ohnmacht…
***
Nachdem wir die beiden Junkies der Highway Patrol übergeben
und unsere Aussage gemacht hatten, setzten wir unseren Weg zum
Giants-Stadion fort. Außer ein paar Kratzern hatten wir keine
Verletzungen davongetragen. Unnötig, sie von einem Doc checken zu
lassen.
Ich berichtete Milo von dem beherzten Einsatz unserer
deutschen Kollegin. Nicole Berger winkte bescheiden ab.
»Ich habe zwar den Schwarzen Gürtel im Judo. Aber das ist mehr
mein Hobby…«