Trevellian und der Mann mit dem neuen Gesicht: Action Krimi - Pete Hackett - E-Book

Trevellian und der Mann mit dem neuen Gesicht: Action Krimi E-Book

Pete Hackett

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Beschreibung

Krimi von Pete Hackett Der Umfang dieses Buchs entspricht 250 Taschenbuchseiten. Sydney Shuterland muss schnell und endgültig seine Geschäfte in Detroit aufgeben, denn er ist mit seinem illegalen Kinderhandel aufgeflogen. Einer seiner Vertrauten übernimmt unfreiwillig die Rolle als völlig verkohltes Unfallopfer für ihn. Shuterland flüchtet nach New York. Mit einem Freund und einem neuen Gesicht will er hier etwas Neues aufbauen. Aber in New York gibt es Unterweltgrößen, auf die er Rücksicht nehmen muss. Größen, die dem FBI ein Dorn im Auge sind und unter Beobachtung stehen.

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Seitenzahl: 257

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Pete Hackett

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Inhaltsverzeichnis

Trevellian und der Mann mit dem neuen Gesicht: Action Krimi

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Trevellian und der Mann mit dem neuen Gesicht: Action Krimi

Krimi von Pete Hackett

Der Umfang dieses Buchs entspricht 250 Taschenbuchseiten.

Sydney Shuterland muss schnell und endgültig seine Geschäfte in Detroit aufgeben, denn er ist mit seinem illegalen Kinderhandel aufgeflogen. Einer seiner Vertrauten übernimmt unfreiwillig die Rolle als völlig verkohltes Unfallopfer für ihn. Shuterland flüchtet nach New York. Mit einem Freund und einem neuen Gesicht will er hier etwas Neues aufbauen. Aber in New York gibt es Unterweltgrößen, auf die er Rücksicht nehmen muss. Größen, die dem FBI ein Dorn im Auge sind und unter Beobachtung stehen.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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Alles rund um Belletristik!

1

Auf Sydney Shuterlands Schreibtisch schrillte das Telefon. Irgendwie kam es ihm an diesem Tag lauter und durchdringender vor als normal. Es mutete ihn geradezu aggressiv an.

Shuterland war ein mittelgroßer, bulliger Mann. Dichtes, schwarzes Haar bedeckte seinen Kopf. Dunkle, stechende Augen beherrschten sein kantiges Gesicht.

Er war ein Managertyp, eine Erscheinung, die natürliche Autorität und Intelligenz ausstrahlte.

Shuterland legte den Kugelschreiber zur Seite, mit dem er gerade seinen Namen unter einen Liefervertrag setzen wollte, hob ab und sagte seinen Namen in die Muschel.

"Ein Mister Reynolds oder so ähnlich ist am Apparat", hörte er die Stimme seiner Sekretärin, Mrs. Donhardt. "Ich stelle durch, Sir."

Gleich darauf versteinerte Shuterlands Miene. Seine Brauen schoben sich düster zusammen. Am anderen Ende der Leitung erklang eine zeternde Stimme:

"Jetzt habe ich Sie überführt, Shuterland. Ich habe Verbindung mit dem Servico Social in Rio des Janeiro aufgenommen. Die Adoption Juanitos wurde nicht über diese Behörde in die Wege geleitet. Sie haben mich betrogen. Wahrscheinlich handelt es sich bei Juanito nicht mal um ein Waisenkind. Kurz und gut, Shuterland: Ich will mein Geld zurück. Weigern Sie sich, es zurückzuzahlen, gehe ich zur Polizei."

Sydney Shuterland atmete tief durch. Er schluckte trocken. Er wusste, wer der Anrufer war. Ein kaltes Licht begann in seinen Iris zu glimmen.

"Nun beruhigen Sie sich mal, Mr. Reynolds", sprach er betont ruhig, mit kehliger Stimme. "Wahrscheinlich wurden in Brasilien die Adoptionspapiere verschlampt. Das ist nicht auszuschließen. Eine bürokratische Ordnung wie bei uns kennt man dort unten nicht. Da geht es oft drunter und drüber. Wenn ich Ihnen aber versichere, dass bei der Adoption alles mit rechten Dingen zugegangen ist, müssen Sie mir das schon glauben."

"Ihnen glauben?", kam es sarkastisch durch die Leitung. "Einem miesen Kinderhändler! Sie könnten es mir beim Leben Ihrer Mutter schwören, Shuterland. Ich habe Beweise. Junatio ist bei keiner offiziellen Stelle bekannt."

"Das klingt ja gerade so, als würden Sie mir illegale Machenschaften unterstellen. Der Vater des Jungen, Pablo Vasquez, war Diplom-Physiker, die Mutter Ärztin. Die beiden sind bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Juanito landete im San Michele Waisenhaus..."

"In diesem Waisenhaus weiß kein Schwein etwas von Juanito", erklang es wieder erregt durch die Strippe. "Wahrscheinlich haben ihn Ihre Helfershelfer in Rio entführt, Shuterland. Gekidnappt!"

John Reynols atmete einige Male keuchend durch. Ihn würgte die Wut. Dann schnaubte er:

"Die Adoptionspapiere sind gefälscht. Das alles ist ein gottverdammter, großangelegter Schwindel. Sie sind ein niederträchtiger Kinderhändler."

"Verdammt, Reynolds, Sie..."

"Schweigen Sie!", zischte John Reynolds. Schließlich sank seine Stimme herab zu einem heiseren, fanatischen Geflüster. "Ich will mein Geld zurück, Shuterland. Zweihunderttausend Dollar - bis auf den letzten Cent. Sie haben drei Tage Zeit..."

Es klickte in der Leitung.

John Reynolds hatte aufgelegt.

"Reynolds!", rief Shuterland erregt in die Leitung. "Verdammt, Reynolds..."

Die Verbindung war tot.

Sydney Shuterlands Hand mit dem Hörer sank nach unten. Er starrte vor sich hin und hielt den Hörer noch kurze Zeit nachdenklich in der Hand. Seine Wangenmuskulatur vibrierte. Er hatte die Lippen so sehr zusammengepresst, dass sie nur noch einen dünnen, blutleeren Strich bildeten.

Hinter seiner Stirn arbeitete es fieberhaft.

Schließlich legte auch er auf. Er ging zum Fenster und starrte gedankenverloren hinaus. Sein Büro lag im 19. Stockwerk des Büro-Buildings der General Motors Corporation.

Vor seinem Blick lag die Stadt. Man nennt sie die 'Automobilhauptstadt der Welt'. Die Wolken hingen tief und trieben schnell nach Osten. Die hohen Buildings schienen in sie hineinzuragen. Es war regnerisch und windig. Ein Wetter, das nicht dazu angetan war, die Stimmung zu heben.

Das alles registrierte Shuterland nicht.

Wenn Reynolds die Polizei einschaltet, dann kannst du deine Villa am Stadtrand mit einer Gefängniszelle vertauschen, Syd, durchflutete es ihn heiß. Deine Yacht, der Landsitz im Bergland von Mato Grosso - alles futsch. Und wenn du in vielen Jahren wieder herauskommst, stehst du als Bettler auf der Straße. Dafür hast du nicht jahrelang geschuftet wie ein Tier. Das lässt du dir auf keinen Fall nehmen...

Sydney Shuterland entschloss sich von einem Augenblick zum anderen.

Er hatte einen Fehler gemacht, als er trotz des offensichtlichen Argwohns Reynolds das Geschäft abwickelte.

Seine Habgier hatte ihn dazu verleitet.

Es galt, den Fehler auszubügeln.

Mit drei Schritten war er bei seinem Schreibtisch. Er nahm den Hörer ab, wollte schon den Zeigefinger auf eine der Zahlentasten setzen, überlegte es sich aber anders und warf den Hörer wieder auf die Gabel.

Er ging zum Schrank und holte seine Jacke heraus, zog sie an und verließ das Büro. Zu seiner Sekretärin sagte er: "Ich werde heute wohl nicht mehr zurückkommen, Mrs. Donhardt. Hab 'nen Termin ..."

Den Rest verstand Mrs. Donhardt schon nicht mehr, denn Shuterland eilte bereits zur Tür hinaus auf den Korridor. Seine Schritte hallten von den Wänden wider, als er eilig über die Marmorfliesen zum Aufzug schritt.

Mrs. Donhardt klickte auf ihrem Computer Shuterland Terminkalender her, den sie verwaltete. Irritiert stellte sie fest, dass für diesen Nachmittag kein Termin eingetragen war.

Mrs. Donhardt schaute auf die Uhr. Es war 14 Uhr 25. Sie zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich eine kurzfristige Verabredung nach dem Telefonat, das sie eben durchgestellt hatte. Sie versuchte, sich den Namen des Anrufers in Erinnerung zu holen. Reinards, Reinerds, Reynolds...?

Sie wusste es nicht mehr genau.

Und darum verwarf sie es als unwichtig.

Während Mrs. Donhardt sich wieder ihrer Arbeit zuwandte, fuhr Shuterland mit dem Aufzug in die Tiefgarage. Wenig später fädelte er sich mit seiner Limousine in das Verkehrsgewühl der Stadt ein. Es ging nur stockend voran. Er holte sein Handy aus der Jackentasche und klickte eine Nummer her.

Eine männliche Stimme meldete sich.

"Rich", sagte Shuterland, "komm in einer halben Stunde ins 'Andalusia'. Ich hab' Arbeit für dich."

2

John Reynolds und seine Frau Mirinda bewohnten am West Grand Boulevard, in der Nähe des Motown Historical Museums, ein renoviertes Haus aus den 20er Jahren. Es war ein Prachtbau, den sich der schwerreiche Mann vor drei Jahren gekauft hatte. Er konnte mit den Dollars um sich werfen. Sein Gebrauchtwagenhandel in der Livernois Avenue, dem Hauptmarkt der USA für gebrauchte Autos, hatte ihm ein riesiges Vermögen beschert.

Reynolds hatte nur ein einziges Problem: Er war nicht in der Lage, Kinder zu zeugen. Auf einer Geschäftsreise nach Rio de Janeiro hatten er und seine Frau die überfüllten Waisenhäuser erlebt. Es gab die unterschiedlichsten Gründe, aus denen die Kinder in diesen Heimen landeten. Entweder waren sie von ihren Müttern einfach ausgesetzt worden, oder man hatte sie missbraucht und die Behörden hatten sie ihren Familien weggenommen, oder es waren echte Waisen...

Jedenfalls entschloss das Ehepaar sich, eines der Kinder zu adoptieren.

Geschäftliche Beziehungen führten John Reynolds mit Sydney Shuterland zusammen. Shuterland sicherte eine unbürokratische Adoption zu. Alles im Rahmen der bestehenden Konventionen und ausgesprochen legal...

Reynolds hatte der Sache von Anfang an misstraut.

Aber Mirinda war Feuer und Flamme gewesen. Sie ließ nicht locker.

Und so stimmte er zu.

Jetzt bereute er es. Es ging tatsächlich schnell und unbürokratisch. Sie bekamen einen zweijährigen Jungen, die Papiere schienen absolut in Ordnung zu sein.

Reynolds war es zu schnell und zu unbürokratisch gegangen. Und er stellte in Rio bei den Behörden Nachforschungen an, die die Papiere nachweislich der Stempel, die sie trugen, beglaubigt hatten. Sein Misstrauen war stärker als die Angst vor dem Ergebnis seiner Feststellungen.

Schließlich hatte er den Beweis: Er war das Opfer einer illegalen Adoption geworden. Er fühlte sich betrogen. Und er stand mit einem Bein im Zuchthaus. Jetzt wollte er sein Geld zurück.

Mirinda gegenüber hatte er verschwiegen, dass Juanito auf gesetzeswidrige Weise zu ihnen gekommen war. Er wollte das Glück, das ihr der kleine Junge bescherte, nicht zerstören. Mirinda liebte das Kind abgöttisch.

Das Ehepaar saß bei einem Glas Wein im feudal eingerichteten Wohnzimmer. Auf dem Tisch lag das Babyphone mit einer Verbindung zum Kinderzimmer, in dem der kleine Juanito selig schlummerte. Die Flimmerkiste von der Größe eines Heimkinos zeigte eine erregende Liebesszene. Das junge Paar auf der Mattscheibe stöhnte und ächzte und John Reynolds schaute scheinbar gebannt zu. In Wirklichkeit nahm er gar nicht wahr, was auf der Mattscheibe abging. Er war mit seinen Gedanken weit, weit weg.

Seine Gattin, eine attraktive Mittdreißigerin, beobachtete ihn von der Seite. "Das macht dich an, wie?", fragte sie ihn plötzlich lächelnd.

Ihre Stimme riss ihn aus der tiefen Versunkenheit. Er sah sie an wie ein Erwachender.

"Unsinn", wehrte er ab und schaute ihr ins gleichmäßig geschnittene, schöne Gesicht. Er war elf Jahre älter als sie. Sie waren seit zehn Jahren verheiratet. Seit zwei Monaten waren sie Eltern eines brasilianischen Jungen...

"Ich sehe es an deinen glänzenden Augen", behauptete sie. "Es erregt dich."

Er lachte etwas verkrampft. "So alt bin ich nun auch wieder nicht, dass ich mir auf diese Art und Weise Appetit holen müsste, um bei dir im Bett nicht kläglich zu versagen."

Wenn sie gewusst hätte, wie es in ihm aussah. Die Sache mit der Adoption beschäftigte ihn unablässig. Die Tatsache, dass er sich wider besseres Wissen von ihr breitschlagen ließ und zu allem ja und Amen sagte, ließ ihn nicht mehr los.

"Das wäre ja das erste Mal", versicherte Mirinda. "Aber bevor dich der Film über die Maßen erregt, könnten wir ja selbst..."

Er winkte ungeduldig ab. Danach war ihm, seit er die Wahrheit herausgefunden hatte, weiß Gott nicht zumute. Er dachte immerzu nur an die Folgen, die ihm - und natürlich auch Mirinda - blühten, wenn der Kinderhandel aufflog.

Was nützte es, dass er Shuterlands Versicherungen Glauben schenkte. Adoptionen waren über amtlich zugelassene Stellen abzuwickeln. Er hatte den unbürokratischen Weg gewählt - den illegalen Weg...

Er sah Mirindas betroffenen Gesichtsausdruck, nachdem er ihr mit seiner schroffen Geste das Wort abgeschnitten hatte.

Er lachte betreten auf, griff nach seinem Glas und trank einen Schluck. "Es hat nichts mit dir zu tun, Darling. Wirklich nicht."

Plötzlich stutzte er. Er drehte sein Gesicht zur Tür. "Hast du das auch gehört?"

"Was?"

"Ein Klirren, als wäre unten eine Scheibe zerbrochen."

"Nein. Du wirst dich getäuscht haben."

"Möglich. Dennoch..." John Reynolds griff nach der Fernbedienung und stellte den Ton des Fernsehers leise. Das Ächzen und Stöhnen des sich im Film abkämpfenden Paares riss schlagartig ab.

John Reynolds lauschte angespannt.

Es war nichts mehr zu hören. Aber es ließ ihm keine Ruhe. Er war sich absolut sicher, das Klirren von Glas vernommen zu haben. John Reynolds stemmte sich aus dem Sessel hoch. "Ich sehe mal nach."

Er ging aus dem Zimmer und spürte Beklemmung. Vor ihm lag ein breiter, geräumiger Korridor. Die vier Lampen an den Wänden brannten. Einige Türen führten in verschiedene Räume. Der Flur endete bei der Treppe ins Untergeschoss. Der dicke Teppich, über den Reynolds schritt, verschluckte das Geräusch seiner Schritte.

Reynolds blickte die Treppe hinunter, die unten in einer Halle endete. Eine riesige Sitzgruppe aus weißem Leder war da um einen Glastisch mit verchromten Beinen gruppiert. An den Wänden standen geschnitzte Möbel im Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Teure Bilder und noch teurere Antiquitäten vervollständigten die Einrichtung.

Auch die Halle war beleuchtet.

Reynolds ließ seinen Blick schweifen. Seine Augen verengten sich, als sie wahrnahmen, dass eine der drei Milchglasscheiben in der Eingangstür zerbrochen war. Scherben lagen auf dem Boden.

Im ersten Moment dachte John Reynolds, dass jemand einen Stein in die Scheibe geworfen hatte. Diesen Gedanken verwarf er aber sofort wieder. Um diese Zeit warfen keine Gassenjungs mit Steinen um sich. Es ging auf Mitternacht zu. Außerdem vermisste er den Stein, der ja irgendwo in der Halle liegen müsste.

Er bekam es plötzlich mit der Angst. Aus einem unerklärlichen Grund kam ihm Sydney Shuterland in den Sinn. Ein Knoten bildete sich in seinem Hals. Sein Blick sprang erneut durch die Halle. Sein Herz schlug schneller, er atmete gepresst.

Die Eingangstür! Er starrte auf das Loch in der Scheibe. Die dicke Sicherungskette war ausgehängt und hing senkrecht nach unten. Der Schlüssel steckte.

Reynolds wurde unvermittelt das Empfinden nicht mehr los, von kalten Augen belauert zu werden. Gänsehaut kroch seinen Rücken hinauf. Er presste die Zähne zusammen.

"Und, John, was Besonderes?"

Er zuckte zusammen, als hätte ihn eine kalte Knochenhand berührt, und staute den Atem.

Es war Mirindas Stimme.

Er stieß die verbrauchte Atemluft aus. Seine Schultern, die sich unwillkürlich gestrafft hatten, sanken nach unten. Langsam zog er sich zurück.

Bei Mirinda angelangt flüsterte er heiser: "Jemand ist im Haus. Ruf die Polizei an, Darling. Ich hole meine Pistole."

Mirindas Gesicht entfärbte sich. Ungläubig starrte sie ihn an. "Ein - ein Einbrecher?"

"Ich weiß es nicht", knirschte er. "Los, ruf das Police Departement an..."

Er schob die erschreckte Mirinda zurück ins Wohnzimmer. In seinem Haus hatte Reynolds in jedem Raum ein Telefon installieren lassen. Außerdem verfügte er über einige Handys.

John Reynolds ging zum Schlafzimmer. Als er die Tür öffnete, flutete vor ihm her das Licht aus dem Korridor in den Raum.

"Die Leitung - sie ist tot!", hörte er Mirinda schrill, fast hysterisch rufen.

Wieder erschreckte ihn ihre Stimme bis in seinen Kern.

"Nimm ein Handy!", erwiderte er mit herausgepresstem Atem.

John Reynolds hatte spätestens jetzt begriffen, dass sie in höchster Gefahr schwebten. Er bewegte sich schnell zum Nachttisch neben seinem Bett. In der Schublade lag die Glock 17. Der kühle Griff in seiner Hand vermittelte ihm ein wenig das Gefühl von Sicherheit. Er kehrte zurück in den Korridor.

Mirinda stand im Türrechteck und knetete ihre zierlichen Hände. Ihre Augen verrieten Panik.

"Die Handys liegen alle unten in der Halle oder in deinem Arbeitszimmer", kam es mit vibrierender Stimme von Mirinda. Sie befand sich im Klammergriff einer unaussprechlichen Angst und war nicht mehr fähig, einen klaren Gedanken zu fassen.

"Verdammt!", knurrte Reynolds. Dann: "Bleib im Wohnzimmer. Ich gehe hinunter."

"Bist du verrückt!", keuchte Mirinda. "Wenn dort unten Einbrecher..." Ihre Stimme versagte. Sie dachte an Juanito und die jähe Sorge um ihn versetzte ihr einen Stich, den sie tief in ihrem Innersten verspürte. "Ich muss zu dem Jungen", entfuhr es ihr, und ehe er sie zurückhalten konnte, rannte sie den Korridor nach vorne und verschwand im vordersten Zimmer auf der rechten Seite.

Juanito fing an, jämmerlich zu weinen, als sie ihn aus dem Bett hob und er erwachte.

John Reynolds überlegte, ob er einfach aus einem der Fenster um Hilfe rufen sollte. Aber die Gegend, in der sein Haus stand, war kein ausgesprochenes Wohngebiet. Und die wenigen Menschen, die hier wohnten, schliefen wahrscheinlich bei geschlossenen Fenstern und heruntergelassenen Jalousien, weil der Regen gegen die Scheiben prasselte und es ziemlich kalt war.

Also versprach er sich von dieser Idee nicht allzu viel.

Er schlich wieder vor zur Treppe und äugte hinunter. Das vage Gefühl der Sicherheit, das ihm die Glock in seiner Faust vermittelt hatte, war wieder wie weggeblasen. Er spürte nur noch tiefsitzende Beklemmung und Furcht.

Das Geschrei des Jungen nervte. John Reynolds Nerven lagen blank.

Auf dem Tisch in der Halle sah er ein Handy. In seiner Jacke, die an der Garderobe neben der Eingangstür hing, steckte ebenfalls eins. Sein Arbeitszimmer mit einem weiteren Handy im Schreibtischschub befand sich unten. Wenn er die Polizei verständigen wollte, musste er hinunter.

Er musste...

John Reynolds setzte zaghaft seinen Fuß auf die oberste Stufe, zog den anderen nach, lauschte und horchte angespannt. All seine Sinne waren aktiviert. Sein Puls raste. Stufe um Stufe stieg er hinunter. Dann war er unten. Er machte einen Schritt. Linkerhand, hinter einer Mauerecke, war die Tür, durch die man in den Keller gelangte. Sie lag im toten Winkel zur Treppe, jetzt aber konnte er sie sehen.

Sie war nur angelehnt.

Er wusste aber genau, dass er sie geschlossen hatte, als er die Flasche Wein für sich und Mirinda heraufgeholt hatte.

Siedend durchfuhr es John Reynolds. Er war wie gelähmt. Und als die Tür jetzt nach innen schwang, drohte sein Herzschlag auszusetzen. Eine jähe Blutleere im Gehirn ließ ihn taumeln. Er sah die Gestalt in der Tür, sah den ausgestreckten Arm und - die Pistole mit dem aufgeschraubten Schalldämpfer.

Es war die letzte Wahrnehmung seines Lebens.

Als die Waffe 'plopp' machte, war er tot. Aus einem kleinen, schwarzen Loch in seiner Stirn sickerte Blut. Er brach haltlos zusammen.

Der Killer betrat die Halle. Ein großer, hagerer Mann mit eingefallenen Wangen und tiefliegenden Augen. Sein gelbliches Gesicht besaß die Physiognomie eines Totenschädels. Ungerührt stieg er über den Leichnam hinweg. Dann stand er am Fuß der Treppe.

Er schaute nach oben. Die Hand mit der Beretta hing schlaff nach unten. Um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen hatte er sich Latexhandschuhe übergezogen.

Oben brüllte sich der Junge, den Mirinda aus dem Schlaf gerissen hatte, die Seele aus dem Leib.

Im Gesicht des Killers zuckte kein Muskel. Langsam, wie ein Mann, der alle Zeit der Welt hatte, stieg er nach oben.

Im Kinderzimmer brannte Licht. Mirinda hatte Juanito an ihre Brust gedrückt und versuchte ihn mit leiser, eindringlicher Stimme zu beruhigen. Sie wandte dem Killer den Rücken zu.

Ohne jede Gemütsregung hob er die Hand mit der Beretta. Als er abdrückte, gab es ein Geräusch, als würde der Korken aus einer Champagnerflasche gezogen. Die Kugel bohrte sich zwischen Mirindas Schulterblätter und warf sie über die Kinderbettstatt. Juanito fiel auf den Boden. Schlagartig verstummte sein Gebrüll. Er zappelte mit Armen und Beinen.

Seelenruhig zielte der Killer auf den Zweijährigen...

3

Als am nächsten Morgen Mirindas Haushälterin kam, fiel ihr natürlich sofort die eingeschlagene Scheibe in der Haustür auf.

Noch dachte sie sich nichts Schlimmes dabei.

Die Haustür ließ sich öffnen. Mrs. Applegate trat ein - und sah den Leichnam des Hausherrn am Fuß der Treppe zum Obergeschoss.

Sie bekam einen Schreikrampf.

Passanten wurden aufmerksam und kamen näher. Einige drängten in die Halle. Ein beherzter Zeitgenosse rief das Detroit Police Departement an.

Zwanzig Minuten später trafen die Cops mit einem halben Dutzend Einsatzfahrzeugen ein. Das Geheul der Sirenen verstummte. Die Lichtbalken auf den Dächern der Policecars warfen blaue und rote Reflexe in die Gegend.

Detective Lieutenant Bob Archer von der Mordkommission Detroit ließ sofort das Haus räumen. Für Mrs. Applegate forderte er einen Polizeipsychologen an.

Weitere Polizeifahrzeuge trafen ein.

In ihrem Schlepptau kamen Zeitungsleute und sogar das Kamerateam eines lokalen Fernsehsenders.

Im Kinderzimmer fand man die Leichen der Frau und des Knaben. Bob Archer, ein Mann, den die lange Erfahrung im Polizeidienst geprägt hatte, drehte es fast den Magen um. Es traf ihn immer wieder bis ins Mark, wenn er vor der Leiche eines ermordeten Kindes stand.

Die Spurensicherung ging ans Werk.

Das Arbeitszimmer John Reynolds war total verwüstet. Offene Ordner lagen auf dem Fußboden, Geschäftspapiere waren überall verstreut.

"Der Täter hat etwas Bestimmtes in den Papieren hier gesucht", stellte Hunter Lyne, Archers Stellvertreter, fest.

Bob Archer nickte. "Denke ich auch. Wenn er es auf Geld abgesehen gehabt hätte, würde er nicht sämtliche Ordner durchwühlt haben. Wir beschlagnahmen alles, was wir an Papieren finden. Auch den Computer. Vielleicht ergibt sich ein Hinweis auf das Motiv für die brutalen Morde."

Die Leichen wurden in Zinksärgen abtransportiert und in die gerichtsmedizinische Abteilung des DPD überführt.

Ein Dutzend Kartons voll Ordner und Hefter wurden in einen Kastenwagen geladen. Dazu der PC aus dem Arbeitszimmer des ermordeten Gebrauchtwagenhändlers.

Als Bob Archer das Haus verließ, trat eine hübsche Frau mit roter Haarmähne und mit einem Mikrofon bewaffnet an ihn heran. Ein Mann mit einer schweren Kamera auf der Schulter folgte ihr wie ein Schatten. Das Gerät summte. Es war eine Direktübertragungskamera und die Bilder, die sie einfing, wurden live im Fernsehen ausgestrahlt.

"Können Sie der Öffentlichkeit erste Erkenntnisse mitteilen, Detective Lieutenant Archer?", fragte die rothaarige Schönheit und hielt Archer das Mikrofon vor das Gesicht.

Archer schaute in die Kamera. Seine Miene drückte aus, was er empfand. "Außer der Erkenntnis, dass in diesem Haus drei brutale Hinrichtungen stattfanden, gibt es nichts zu berichten", erklärte er mit belegter Stimme.

"Was denken Sie", fragte wieder die Reporterin, "war es ein Raubmord, ein Mord aus Rache oder..."

"Ich weiß es nicht, verdammt!", brach es wütend über die Lippen des Polizisten. Er stand noch im Banne des Bildes, das sich ihm im Kinderzimmer geboten hatte. "Jedenfalls scheint hier ein Profi am Werk gewesen zu sein. Ein Killer, der genau drei Kugeln brauchte, um drei Morde zu begehen - Morde, die an Kaltblütigkeit so schnell nicht übertroffen werden dürften."

"Also ein Auftragsmord", rief die Reporterin ins Mikro.

Bob Archer ging an ihr vorbei. Sie folgte ihm. "Was könnte dahinter stecken? John Reynolds war ein bekannter Autohändler. Waren vielleicht illegale Geschäfte im Spiel. Hat möglicherweise eine Autoschiebermafia..."

"Lassen Sie mich in Ruhe, Lady", flehte Archer geradezu. "Ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als ich schon gesagt habe. Wir wissen noch nichts. Lassen Sie uns ermitteln. Und wenn wir soweit sind, dass wir mehr sagen können. Dann wird es sicher eine Pressekonferenz geben. Aber jetzt..."

Er hatte sein Auto erreicht und schwang sich auf den Beifahrersitz. Ehe die Rothaarige eine weitere Frage stellen konnte, schlug er die Tür zu.

Die Reporterin sagte noch etwas, und von ihren sinnlichen Lippen konnte er ablesen, dass es nichts Freundliches war, dann dreht sie ab, um nach einem anderen Opfer Ausschau zu halten.

Die Sensationsgier in den Wohnzimmern wollte befriedigt werden. Die Einschaltquoten mussten stimmen...

Archer griff nach dem Mikrofon des Bordfunkgeräts und hob es vor seinen Mund. "Hunter, hören Sie mich?"

"Yeah", antwortete Hunter Lyne, sein Vertreter, der sich schon einige Minuten vor Archer in einen Dienstwagen gerettet hatte, um den lästigen Fragen der Reporter zu entgehen. "Was gibt's?"

"Wir fahren zum Betrieb Reynolds in die Livernois Avenue und sehen uns dort um. Wir dürfen nichts außer acht lassen."

"Okay."

"Over."

Archer hängte das Mikro in die Halterung und hoffte, dass Presse und Fernsehen nicht mitbekamen, dass sie nicht ins Departement zurückkehrten...

4

Die Ermittlungen ergaben, dass die Eheleute Reynolds in Brasilien einen Jungen adoptiert hatten. Das herauszufinden war nicht schwer. Die Adoptionspapiere allerdings waren spurlos verschwunden.

Die Mordkommission fand auch heraus, dass Reynolds am Tag vor dem Mord von seinem Apparat im Büro in der Livernois Avenue aus unter anderem mit Sydney Shuterland telefoniert hatte.

Natürlich gingen die Männer der Mordkommission sämtlichen Telefongesprächen nach, die Reynolds in den Tagen vor seinem Tod führte.

Die Gesprächsteilnehmer wurden intensiven Verhören unterzogen. Die Spreu wurde sozusagen vom Weizen getrennt.

Archer und sein Stab hatten sich versammelt. Seit der Bluttat war ein Monat vergangen. Sie zogen, nachdem die Verhöre und Ermittlungen abgeschlossen waren, Resümee.

Mosaiksteinchen wurde zu Mosaiksteinchen gefügt. Zuletzt erhob Bob Archer seine Stimme:

"Es dürfte unbestritten sein, Ladys und Gentleman, dass es sich um eine illegale Adoption handelte. Und auf dieser Tatsache basieren die Morde. Wahrscheinlich kam Reynolds dem Vermittler auf die Schliche. Seine Kontoauszüge verraten, dass er etwa vier Monate vor seiner Ermordung von seinem Privatkonto hundertausend Dollar abgehoben hat, zwei Monate später zweitere hunderttausend. Und genau seit dieser Zeit war der Junge bei den Reynolds."

Archer schaute in die Runde. Aller Augen hingen an ihm. Es waren alles Angehörige der Sonderkommission, die in der Mordsache Reynolds gebildet worden war.

Archer fuhr fort: "Wer aber war der Vermittler? Wer hat den Reynolds auf unbürokratische Weise ein Kind besorgt. Woher kam das Kind genau?"

Er hob die Schultern, ließ sie wieder sinken.

"Das sind Fragen, auf die wir noch keine Antwort haben. Der Junge war nicht aus den Staaten. Das steht fest. Er stammt aus Südamerika, Brasilien. Das wissen wir von einem der Autoverkäufer Reynolds. Aus welcher Stadt er kommt, das wissen wir allerdings nicht."

Archers Hand hob sich zu seinem Kinn, Daumen und Zeigefinger strichen über die Kinnwinkel.

"Reynolds hat dem Vermittler entweder gedroht, ihn auffliegen zu lassen, oder er hat ganz einfach nur sein Geld zurückgefordert - oder beides."

Bob Archer atmete tief durch.

"Das war der Grund, weshalb die ganze Familie ausgelöscht wurde. Der Killer hat die - sicherlich gefälschten - Adoptionspapiere aus Reynolds Haus geholt. Auch dürfte feststehen, dass der Killer und der Baby-Vermittler nicht identisch sind. Die Frage ist, wer verbirgt sich hinter dem Vermittler. Entlarven wir ihn, kriegen wir auch den Killer."

"Wir haben einige Verdächtige", gab Hunter Lyne zu verstehen. "Eine Handvoll von all den Leuten, die wir in die Mangel genommen haben, ist übrig geblieben. Ganz oben auf der Liste steht dieser Sydney Shuterland. Der Mann verdient zwar sehr gut, seinen aufwändigen Lebensstil aber kann er sich mit dem Gehalt, das ihm General Motors zahlt, gewiss nicht leisten. Von seiner Sekretärin wissen wir, dass er am Tag vor dem Mord nach Reynolds Anruf überstürzt und mit dem vagen Hinweis auf einen Termin sein Büro verlassen hat. Es war aber kein Termin vermerkt an diesem Nachmittag."

Hunter Lyne verstummte bedeutungsvoll.

"Und er hat im Zusammenhang mit seinem Job gute, um nicht zu sagen hervorragende Kontakte ins Ausland, vor allem auch nach Brasilien", ergänzte Bob Archer.

"Dann sollten wir diesen Sydney Shuterland noch einmal unter die Lupe nehmen", rief einer der Beamten.

"Wenn er der Vermittler ist, dann ist es sicher keine einmalige Sache gewesen", vermutete Bob Archer. "Denn selbst wenn er von Reynolds zweihundertausend Dollar kassiert hat, so reicht dieses Honorar nicht aus, um derart in Saus und Braus zu leben. Möglicherweise ist er sogar der Kopf einer Bande, die den Kinderhandel zu ihrem Haupterwerb gemacht hat."

"Die Verdachtsmomente gegen Shuterland sind erdrückend", meinte eine junge Agentin. "Wir sollten ihn verhaften und ausquetschen, bis er singt wie ein Vogel."

Doch Bob Archer schüttelte den Kopf. "Sie vergessen eines, Kollegin", sagte er laut und klar. "Illegaler Kinderhandel fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich des Police Departements. Wir werden den FBI einschalten und ihm die weitere Aufklärung überlassen müssen."

Betroffenes Schweigen herrschte.

"Ich werde die Abgabe vorbereiten", murmelte Hunter Lyne. "Schade", fügte er hinzu. "Nur zu gerne wäre ich dabei gewesen, wenn wir dem Schuft die Maske des Biedermannes vom Gesicht gerissen hätten."

"Ich auch", murmelte Bob Archer, den das Bild des erschossenen Zweijährigen bis in seine Träume verfolgte. Den Mörder stellte er auf die Stufe mit einer reißenden Bestie. Laut, mit rauer, kratziger Stimme, setzte er hinzu: "Leider gibt es Vorschriften, Leute. Und danach sind wir vom Departement draußen aus dieser Nummer."

5

Die G-men vom Field Office Detroit, Gary Boulder und Lane Welsh, wurden mit der Angelegenheit beauftragt.

Die beiden Special Agenten statteten Sydney Shuterland einen Besuch ab. Mrs. Donhardt, die ältliche Tippse im Vorzimmer, meldete die beiden Männer über die Gegensprechanlage bei Shuterland an.

"Sollen hereinkommen", knurrte Shuterland nach einiger Zeit in die Anlage. Es war genau die Zeitspanne, die er brauchte, um seinen Schock zu überwinden.

Zuerst spürte er das grässliche, schwindelerregende Gefühl, die Kontrolle über sich zu verlieren. Doch dann gelang es ihm, sich gewaltsam zur Ruhe zu zwingen.

Er atmete tief durch.

Mrs. Donhardt wies auf die Tür zum Büro ihres Chefs. Gary Boulder bedankte sich.

Die beiden G-men wiesen sich Shuterland gegenüber noch einmal mit ihren ID-Cards aus.

Shuterland saß hinter seinem Schreibtisch und musterte sie mit wachsamer Zurückhaltung. Was hinter seiner Stirn vorging, wie sehr ihm ihr Auftauchen an die Nieren ging, war nicht zu erkennen. Er bot ihnen Plätze an seinem Besuchertisch an. Als die beiden saßen, fragte er:

"Gentleman, was kann ich für Sie tun? Ich nehme an, es geht um die Mordsache Reynolds."

Seine Hände lagen auf der polierten Tischplatte. Als er die Rechte jetzt zurückzog, war dort, wo sie gelegen hatte, ein feuchter Fleck zu erkennen. Shuterland war nervös.

Gary Boulder registrierte es. Er nickte. "So ist es, Mr. Shuterland. Der Fall ist in die Zuständigkeit des FBI übergegangen. Gestatten Sie, dass wir Ihnen im Zusammenhang mit der Angelegenheit noch einige Fragen stellen?"

Boulder war ein überaus höflicher Mann.

Shuterland zog den Mund schief. Er verlieh seiner nagenden Frage Ausdruck: "Weshalb plötzlich das FBI?"

"Es geht um illegale Adoption, um Kinderhandel, Mr. Shuterland. In der Sache Reynolds lässt alles darauf schließen, dass das brutal ermordete Kind auf gesetzeswidrige Art und Weise zu den Reynolds kam."

Sie beobachteten Sydney Shuterland mit Adleraugen und erwarteten irgendeine Reaktion.

Aber Shuterland zeigte nichts, außer einem betont gelangweilten, teilnahmslosen Blick, der von einem der G-men zum anderen wanderte.

"Ich bin zwar schon von der Mordkommission in die Mangel genommen worden", erklärte er etwas unwirsch und genervt. "Aber bitte, fragen Sie. Doch denken Sie daran, G-men, dass meine Zeit begrenzt ist."

"Natürlich, Mr. Shuterland." Lane Welsh hatte das Wort ergriffen. "Also, beginnen wir bei dem Telefonat, das Reynolds mit Ihnen am Tag vor seiner Ermordung führte. Weshalb hat Reynolds Sie angerufen?"

Shuterland lehnte sich zurück und legte die Stirn in Falten. "Auch das habe ich schon zu Protokoll gegeben. Es war geschäftlich, G-man - rein geschäftlich. Ich bin in der Autobranche tätig - er ist in der Autobranche tätig. Ich habe ihm einige gebrauchte Wagen von Angestellten unserer Firma vermittelt. Sogenannte Jahreswagen. Es war ein ziemlich großer Posten und Reynolds verhandelte mit mir wegen eines Preisnachlasses."

"Sind Sie nicht im Auslandsgeschäft von General Motors tätig, Mr. Shuterland?", kam es von Gary Boulder.

"Sicher. Aber mir war es nicht untersagt, im Namen der Firma auch Inlandsgeschäfte zu tätigen. Es ist nachprüfbar, G-men. Ich habe Reynolds vierzig Jahreswagen verkauft."

"Haben Sie ihn dabei über's Ohr gehau'n?", fragte Welsh lächelnd.

"Über's Ohr gehau'n?", echote Shuterland und schaute verstört. "Wie kommen Sie darauf?"

"Nun, Reynolds war ziemlich aufgebracht, als sein Gespräch bei Ihrer Sekretärin ankam. So erzählte es zumindest Mrs. Donhardt den Beamten der Mordkommission."

"Reynolds war ein Choleriker, wenn es um's Geschäft ging", versetzte Shuterland starr grinsend. "Ja, es ging um ein paar Beulen in den Blechkarossen, die ich ihm verschwiegen hatte. Aber wir haben uns geeinigt. Seine Wut auf mich war schnell verraucht."

Shuterland lachte etwas gekünstelt.

"Und gleich nach dem Gespräch mit Shuterland haben Sie Ihr Büro verlassen, um einen Termin wahrzunehmen" stellte Gary Boulder fest. "Mit wem hatten Sie einen Termin vereinbart?"

"Na, mit wem wohl?", gab sich Shuterland erhaben. "Ich bin zu Reynolds gefahren, um mit ihm das Nähere wegen eines Rabatts für die Pkw's zu besprechen. Es nahm zusammen mit der Hinfahrt fast zwei Stunden in Anspruch..."

"Wie eng sind Ihre Kontakte nach Südamerika - genauer gesagt nach Brasilien?"

"Die geschäftlichen Beziehungen sind ziemlich eng. Das können Sie sich ja denken. General Motors ist ein Weltunternehmen. Und ich bin hier Chef der Exportabteilung..."

"Private Beziehungen zu irgendwelchen Leuten dort unten?"

"Mein Privatleben geht den FBI nichts an!", begehrte Shuterland auf.

"Da sind wir anderer Meinung, Shuterland", versetzte Boulder kühl. "Es geht immerhin darum, ein Kapitalverbrechen aufzuklären. Also antworten Sie."

"Was wollen Sie überhaupt von mir? Denken Sie denn, ich bin in Reynolds Haus eingebrochen und habe die ganze Familie ausgelöscht?"

"Nein", meinte Lane Welsh bedächtig, "das denken wir nun nicht gerade, Mr. Shuterland. Aber als Sie nach dem Gespräch mit Reynolds ziemlich überstürzt ihr Büro verließen, murmelten sie etwas von einem Termin. Ein Termin war aber in Ihrem Terminkalender nicht vermerkt. Weshalb sagten Sie Ihrer Sekretärin nicht, dass sie zu Reynolds fahren?"

"Weil ich meiner Sekretärin keine Rechenschaft schuldig bin", stieß Shuterland zwischen den Zähnen hervor.

Gary Boulder lächelte hintergründig. "Sie verließen das Büro um 14 Uhr 25."

"Das mag sein. Ich hab nicht auf die Uhr gesehen."

"Und Sie haben sich mit Reynolds in seiner Firma getroffen."

"Natürlich. Wo sonst." In Shuterlands Augen blitzte es auf. Er war der Meinung, eine gute Idee zu haben, als er hinzufügte. "Ich weiß ja nicht mal, wo Reynolds wohnt."

"Wie lange sind Sie von hier aus gefahren, um zu Reynolds zu gelangen?"

"Vierzig, fünfundvierzig Minuten etwa."

"Dann können Sie Reynolds kaum noch angetroffen haben, Shuterland. Denn er ist gleich nach dem Gespräch mit Ihnen nach Hause gefahren."

"Unmöglich", behauptete Shuterland und spürte das Schwingen seiner Nerven. Die Feuchtigkeit auf seinen Handflächen verstärkte sich.

Shuterland begann sich mehr und mehr in seinem Netz aus Lügen zu verstricken.

Er konnte die lauernden Blicke der beiden FBI-Agenten kaum noch ertragen. In seinen Eingeweiden rumorte die Angst, überführt zu werden. Er hatte Mühe, das Zittern seiner Hände zu unterdrücken.

"Wir wissen es definitiv, Shuterland", kam es schneidend von Boulder. "Wir haben nämlich die Autoverkäufer Reynolds noch einmal vernommen. Mit einem der Männer hat Reynols sich auch ziemlich ausführlich über das Procedere einer Auslandsadoption unterhalten - das Procedere, wenn alles seinen geregelten Weg geht. Er erzählte dem Mann, dass es oft viele Monate, manchmal ein Jahr und noch länger dauert, bis eine Adoption über die Bühne ist. Es sind zig Papiere auszufüllen, zig Behörden einzuschalten. Unter Umständen sind sogar Reisen in das Land notwendig, aus dem das zu adoptierende Kind stammt. Dabei machte Reynolds auch Andeutungen, dass so etwas viel schneller gehen kann, wenn man nur die richtigen Verbindungen hat."

"Das wird wohl so sein", knurrte Shuterland. "Die Verbindungen und wahrscheinlich genug Geld auf dem Konto."

"Zweihundertausend Dollar zum Beispiel", kam es von Boulder wie aus der Pistole geschossen.

"Wie kommen Sie auf diese Summe?", bellte Shuterlands Organ.

Boulder zuckte nichtssagend mit den Schultern. "Tut nichts zur Sache. - Jedenfalls fiel in dem Gespräch im Zusammenhang mit einer schnellen Adoption Ihr Name, Shuterland."

Sydney Shuterland saß plötzlich kerzengerade auf seinem Stuhl, als hätte er einen Besenstiel verschluckt. Seine Züge entgleisten. Er knallte die flache Hand auf den Tisch.

"Was will man mir in die Schuhe schieben?", herrschte er die G-men an. "Braucht man einen Sündenbock? Soll ich dafür herhalten, nur weil Reynolds einen Tag, bevor er erschossen wurde, mit mir telefonierte? Wissen Sie was, G-men, ich sage von jetzt ab kein Wort mehr. Mein Rechtsanwalt wird mit Ihnen verhandeln - soweit es überhaupt noch etwas zu verhandeln gibt."

"Wir werden sehen", knurrte Boulder unbeeindruckt. "Eine Frage noch, Mr. Shuterland."

Während er sprach, hatte sich Boulder erhoben. Er trat einige Schritte vor und stand vor Shuterland Schreibtisch.

"Fragen Sie meinen Anwalt!", schnaubte Shuterland. "Ich..."