Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Krimi von Pete Hackett Der Umfang dieses Buchs entspricht 214 Taschenbuchseiten. Wer lässt Verbrecher, die von der Polizei nicht überführt werden konnten, ermorden? Zurück bleibt jedes Mal ein Bekennerschreiben des Vollstreckers. Wer beauftragt diesen Mann? Der Name The Court taucht auf. Als der Vollstrecker beginnt, auch für das organisierte verbrechen zu arbeiten, kommt es zu einem Interessenkonflikt.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 229
Veröffentlichungsjahr: 2022
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Trevellian und der Sumpf des Verbrechens: Action Krimi
Copyright
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Krimi von Pete Hackett
Der Umfang dieses Buchs entspricht 214 Taschenbuchseiten.
Wer lässt Verbrecher, die von der Polizei nicht überführt werden konnten, ermorden? Zurück bleibt jedes Mal ein Bekennerschreiben des Vollstreckers. Wer beauftragt diesen Mann? Der Name The Court taucht auf. Als der Vollstrecker beginnt, auch für das organisierte verbrechen zu arbeiten, kommt es zu einem Interessenkonflikt.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author/ COVER FIRUZ ASKIN
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Folge auf Facebook:
https://www.facebook.com/alfred.bekker.758/
Folge auf Twitter:
https://twitter.com/BekkerAlfred
Erfahre Neuigkeiten hier:
https://alfred-bekker-autor.business.site/
Zum Blog des Verlags!
Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!
https://cassiopeia.press
Alles rund um Belletristik!
Godard Benton musste anhalten. Die Ampel an der Kreuzung 57. Straße/5. Avenue stand auf Rot. Aus dem Autoradio kam ein Lied von Brian Adams. Ein Love-Song. Benton summte mit. Er war guter Dinge. Auf dem Beifahrersitz stand ein Koffer mit einer Million Dollar. Sein Geld. David Astor hatte ihn ausbezahlt. Seine Einlage waren 500.000 Dollar gewesen. Geld, das er mit Drogen verdient hatte. Innerhalb eines halbes Jahres hatte es sich verdoppelt. Ebenfalls Drogengeschäfte. Allerdings war Benton nur stiller Teilhaber gewesen.
Jetzt hatte er sich von Astor auszahlen lassen. Mit einer Million und dem, was er selbst noch hatte, wollte er sich aus dem Geschäft zurückziehen. Das war immer sein Ziel gewesen. Eine Million – und dann aufhören. Benton gehörte nicht zu der Sorte, die nicht genug bekam.
Das Lied im Radio wechselte. Shania Twain sang Let‘s go Girls. Benton spitzte die Lippen und pfiff mit. Was er pfiff, hatte zwar mit der Melodie des Liedes nicht viel gemein, aber das störte Benton nicht.
Er achtete auch nicht darauf, als neben seinem Chevy ein Ford anhielt. Benton schaute in den Rückspiegel. Im Wagen hinter ihm saß ein hübsches Girl. Jetzt schien es zu bemerken, dass Benton es beobachtete. Ihre Blicke kreuzten sich im Spiegel. Das Mädchen war in der Tat sehr hübsch. Benton lächelte. Das Girl schaute weg. Es hielt scheinbar nichts von einem kleinen Flirt. Bentons Lächeln erlosch. Er drehte den Kopf ein wenig nach links – und blickte in die Mündung einer Pistole. Seine Augen weiteten sich in jähem Begreifen. Er war zu keiner Reaktion fähig. Da stach ihm auch schon die Mündungsflamme entgegen. Vor seinem Blick schien die Welt zu explodieren. Blut spritzte. Dann versank Benton in absoluter Finsternis. Die Mündungsflamme war der letzte Eindruck seines Lebens. Sein Denken riss!
Aus dem Ford sprang der Mann, der geschossen hatte. Die Pistole hatte er im Schulterholster verstaut. Die Ampel stand immer noch auf rot. Benton war über dem Lenkrad zusammengebrochen. Der Mörder rannte zur Beifahrertür des Chevy, riss sie auf und schnappte sich den Koffer mit dem Geld, schleuderte die Tür wieder zu und warf sich auf den Beifahrersitz des Ford. In diesem Moment schaltete die Ampel auf Grün. Der Bursche hinter dem Lenkrad gab Gas.
Der Chevy blieb stehen. Ein Hupkonzert war die Quittung. Der Fahrer des Wagens, der hinter dem Chevy angehalten hatte, sprang wütend heraus und lief nach vorn. Er sah das kleine Loch in der Seitenscheibe und den reglosen Mann über dem Steuer des Chevy. Blut tropfte von seinem Gesicht. Der Himmel des Wagen und die Windschutzscheibe waren mit Blut bespritzt. Der Mann, dem dieses Bild mit schrecklicher Intensität in die Augen sprang, schluckte würgend.
Ich hatte einen Funkpeilsender am Mann. Milo fuhr im Funkpeilwagen mit. Zusätzlich standen wir per Handy miteinander in Verbindung. Der Funkpeilsender war für den Fall gedacht, dass ich – aus welchem Grund auch immer – das Handy nicht benutzen konnte. Der Mercury, der vor mir fuhr, verließ die Second Avenue und fuhr auf der 14. Straße nach Westen. Wir überquerten den Union Square, dann die Park Street und schließlich den Broadway.
Seit mehreren Tagen hatten wir einen Mann namens Roger Sheldon im Visier. Schließlich waren wir uns sicher, dass er die Dealer, die südlich der 57. Straße ihre Drogengeschäfte abwickelten, mit Stoff versorgte.
Wir wollten ihn auf frischer Tat ertappen. Und über ihn wollten wir an den Burschen herankommen, der in Südmanhattan das Drogengeschäft und überhaupt das Verbrechen kontrollierte. Wenn wir Sheldon auf frischer Tat schnappten und er redete, hatten wir ihn – David Astor. Ein Mafioso, der clever genug war, bis jetzt dem Gesetz ein Schnippchen nach dem anderen zu schlagen. Er beschäftigte die besten Anwälte, und es war uns noch nicht einmal gelungen, ihm auch nur einen Verkehrsverstoß nachzuweisen.
David Astor war also unser Mann. Aber wie ich schon sagte: Wir hatten keinen Beweis gegen ihn in Händen. Ohne schlüssigen Beweis aber würden uns seine Anwälte in der Luft zerrissen haben, wenn wir uns auch nur in seine Nähe gewagt hätten.
Aber das sollte sich heute ändern.
Es war dunkel. New York erstrahlte im Meer einiger Millionen Lichter. Die Uhr in meinem Armaturenbrett zeigte 23 Uhr 12 an. Die 14. Straße endete bei der 10. Avenue. Diese vereinigte sich mit der 11. Avenue zur West Street. Jenseits der West Street lagen die Piers der Fire Boat Station. Ein Stück weiter nördlich befanden sich die Chelsea Piers. Sie waren zum sogenannten Sports & Entertainment Complex umfunktioniert worden. Neben Foto- und Filmstudios gibt es Cafés und Restaurants, Inline-Skating-Bahnen, zwei Eisbahnen, einen Fitnessclub und eine vierstöckige Driving Range für extravagante Golfer.
Wie es schien, waren die Piers das Ziel Sheldons.
Ich täuschte mich nicht. Er fuhr auf Pier 57.
Ich stellte den Wagen in der 15. Straße ab und teilte Milo mit, wo ich mich befand. Milo setzte einige Kollegen in Marsch, die dem Funkpeilwagen in einem Van gefolgt waren. Wenig später kamen sie bei mir an. Ich wartete noch, bis auch der Funkpeilwagen in der 15. Straße eingetroffen war. Milo stieg aus.
Gegen Blicke vom Pier schützte uns dichtes Strauchwerk, das das Gelände der Piers von der 11. Avenue und der West Street abgrenzte.
Wir schlichen uns an.
Weit ragte der Betonsteg in den Hudson hinein. An seinen Seiten verrosteten klobige Poller. Aus den Rissen im Beton wucherte Unkraut. Es gab eine alte Lagerhalle und verrostete Schienen, auf denen längst keine Züge mehr fuhren.
Der Mercury stand bei dieser Lagerhalle. Der Fahrer hatte den Motor abgestellt, die Scheinwerfer waren ausgeschaltet. Daneben parkte ein zweiter Pkw. Ein alter Ford. Ich sah insgesamt drei Männer. Deutlich hoben sich ihre Gestalten gegen den helleren Hintergrund ab.
Wir liefen auseinander. Ehe die drei Kerle sich versahen, waren sie eingekreist. »FBI!«, rief ich. »Nehmen Sie die Hände hoch!«
Eine Verwünschung erschallte. Die drei spritzten auseinander. Einer der Kerle begann zu laufen. Die beiden anderen überlegten es sich anders und rissen die Arme in die Höhe. Während zwei meiner Kollegen den Fliehenden verfolgten, entwaffneten Milo und ich die beiden Kerle, die nicht versucht hatten, zu fliehen. Einer von ihnen war Sheldon. Wir durchsuchten die Kleidung der beiden, ihre Fahrzeuge, und – wurden fündig. In dem alten Ford fanden wir etwa ein Kilo portionierten Heroins, in dem Mercury Sheldons stießen wir auf etwa sechs Pfund Stoff, ebenfalls portioniert und sauber abgepackt.
»Das bricht Ihnen das Genick, Sheldon«, erklärte ich. »Ich muss euch beiden ja wohl nicht lange erklären, dass ihr verhaftet seid."
»Verdammt, ich …«
Ich unterbrach Sheldon: »Wir wissen, dass Sie die Straßenverkäufer mit Stoff beliefern, Sheldon. Und heute haben wir Sie auf frischer Tat ertappt. Was immer Sie jetzt noch sagen: Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass es vor Gericht gegen Sie verwendet werden kann. Leugnen ist überdies zwecklos. Das Rauschgift, das wir in Ihrem Auto gefunden haben, spricht für sich.«
Die beiden Kollegen brachten den Gangster zurück, der versucht hatte zu fliehen. Sie hatte ihm Handschellen angelegt. Auch Sheldon und der andere Bursche bekamen jeweils ein paar von den Stahlklammern verpasst. Dann riefen wir die Kollegen vom Rauschgiftdezernat, damit sie sich um die beiden Dealer kümmerten und die Autos beschlagnahmten.
Sheldon brachten wir ins Federal Building.
Milo und ich hatten Roger Sheldon in der Mangel.
Sehr bald wussten wir, dass Sheldon auch nur ein Handlanger war. Aber ein wichtiger. Er war der Mittelsmann zwischen dem Kopf der Mafia, die wir zerschlagen wollten, und den Streetworkern, Prostituierten und Schlägern, die von der Mafia kontrolliert wurden.
Sheldon saß am Tisch im Vernehmungsraum des FBI Field Office New York. Ich saß ihm gegenüber. Milo stand halb links hinter ihm und hatte die Arme vor der Brust verschränkt.
»Woher haben Sie die Drogen?«, fragte ich Sheldon.
»Sie können die Kronzeugenregelung in Anspruch nehmen«, meinte Milo, als Sheldon zögerte. »Was das für Sie bedeutet, wissen Sie. Auch das Zeugenschutzprogramm findet auf Sie Anwendung. Sie erhalten eine völlig neue Identität und …«
»Der Kopf der Organisation heißt Astor – David Astor«, gab Sheldon nach einigem Zögern zu verstehen und sprach damit aus, was wir hören wollten. In mir entstand das Gefühl eines überwältigenden Triumphs. »Er wohnt in Clinton, vierundfünfzigste Straße. Von ihm habe ich jeweils das Rauschgift erhalten, damit ich es auf die Dealer verteile.« Sheldon leckte sich über die Lippen. Sein Blick war unstet. »Ich hoffe, ihr steht zu eurem Wort. Ich meine, die Kronzeugenregelung und das Zeugenschutzprogramm betreffend. Wenn die Mafia herausfindet, dass ich geredet habe, bin ich selbst hinter den Mauern von Rikers Island meines Lebens nicht mehr sicher.«
»Sie können sich auf uns verlassen, Sheldon«, antwortete ich. »Wer steht außer David Astor noch an der Spitze der Mafia? Astor leitet den Laden doch nicht alleine. Nennen Sie uns weitere Namen, Sheldon. Sagen Sie uns alles, was Sie wissen.«
»Astors Stellvertreter ist Rich Bacon. Er wohnt in Chelsea. Bacon ist sozusagen Astors rechte Hand. Dann war noch Godard Benton. Aber der ist tot. Benton wollte aussteigen. Das gefiel Astor nicht, und er hat ihn umbringen lassen.«
»Wann geschah der Mord?«
»Vor einer Woche. Benton wurde auf offener Straße ermordet.«
Ich ging zum Telefon an der Wand und wählte die Nummer des Police Department, ließ mich mit Ed Schulz, dem zweiten Mann der Mordkommission verbinden, und fragte: »Bei einer Vernehmung sind wir eben auf einen Mord gestoßen, Ed. Es geht um einen Godard Benton. Er soll vor einer Woche auf offener Straße erschossen worden sein.«
»Ich sehe mal nach«, versprach Ed Schulz. »Wenn ich was finde, rufe ich dich wieder an.«
»Ich warte so lange«, sagte ich.
Es dauerte nicht mal zwei Minuten, dann sagte Ed: »Der Mord geschah bei der Kreuzung siebenundfünfzigste Straße/Fifth Avenue. Kopfschuss. Wir haben keine Ahnung, wer der Täter ist. Augenzeugen sahen einen Mann, der aus dem Wagen des Ermordeten einen Koffer holte. Aber niemand hat sich die Nummer des Fahrzeuges gemerkt, in das der Bursche stieg. Bekannt ist lediglich, dass es sich um einen weißen Ford handelte.«
»Der Mörder heißt David Astor«, erklärte ich. »Er ist Kopf einer Mafia, die das Drogengeschäft und die illegale Prostitution südlich des Central Parks kontrolliert, sowie von den Laden- und Barbesitzern Schuldgeld erpresst. Aber ihr braucht euch nicht zu bemühen, Ed. Wir kümmern uns um ihn. Du müsstest uns lediglich die Akte, den Mord an Benton betreffend, überlassen.«
»Mit Vergnügen, Jesse«, kam es von Ed.
Ich beendete das Gespräch und wandte mich wieder Sheldon zu. »Was wissen Sie sonst noch?«
»Ich kann Ihnen die Namen einiger Streetworker nennen«, versetzte Sheldon.
»Wer hat Benton ermordet? Astor oder Bacon haben das doch nicht selbst erledigt. Sagen Sie mir den Namen des Killers.«
»Ich kenne ihn nicht. So tief hat mich Astor nun auch wieder nicht in seine Karten blicken lassen.«
»All right«, sagte ich. »Nennen Sie uns die Namen der Dealer und verraten Sie uns, wo diese Kerle den Stoff an den Mann bringen.«
Sheldon gab uns eine ganze Litanei an Namen bekannt und sagte uns, vor und in welchen Bars und Clubs diese Kerle die Drogen verhökerten. Milo schrieb fleißig mit. Als Sheldon fertig war, hatte er zwei Seiten seines Taschenkalenders vollgeschrieben.
Ich benachrichtigte den Wachtmeister, dass er Sheldon wieder arretieren konnte. Er wurde abgeführt. Milo und ich kehrten in unser gemeinsames Büro zurück.
»Jetzt haben wir Astor endlich am Wickel«, sagte ich. »Er kommt uns nicht mehr aus, wenn sich Sheldon als Kronzeuge zur Verfügung stellt. Astor wird den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen.«
In mir war eine tiefe Genugtuung.
Auch Milo schaute ziemlich zufrieden drein. »Wegen des Mordes an diesem Godard Benton schickt ihn der Richter vielleicht sogar in die Todeszelle«, meinte er. »In New York werden zwar keine Todesurteile vollstreckt, aber ein Todesurteil stellt sicher, dass der Gangster niemals Aussicht auf Begnadigung hat.«
Ich wusste, was Milo meinte. Bei einer lebenslangen Gefängnisstrafe bestand nach 20 oder 25 Jahren die Möglichkeit der Begnadigung. Nicht aber bei einem Todesurteil.
»Fahren wir heute noch zu Astor, um ihn zu verhaften, oder gönnen wir ihm noch eine Galgenfrist bis morgen früh?«, fragte Milo.
Ich schaute auf die Uhr. Es war 17 Uhr vorbei. »Je eher er hinter Gittern verschwindet, desto besser«, antwortete ich. »Außerdem gibt es einen alten, weisen Spruch, Alter. Was du heute kannst besorgen …«
»… das verschiebe nicht auf morgen. Ich weiß, Philosoph Trevellian. Also krallen wir uns den Knaben heute noch. Ich freu mich schon auf sein Gesicht, wenn wir ihm eröffnen, dass er verhaftet ist.«
Astor besaß in Clinton, 54. Straße, ein teures Apartment. Milo läutete an der Wohnungstür. Jemand schaute durch den Spion, dann wurde die Tür einen Spalt breit geöffnet und die Hälfte eines Frauengesichtes wurde sichtbar. Die andere Hälfte war hinter dem Türblatt versteckt. »Ja«, sagte sie.
»Wir wollen zu David Astor«, erklärte ich. »Mein Name ist Trevellian. Wir sind vom FBI …«
Die Frau drückte die Tür zu. Ich wollte mich schon gegen die Türfüllung werfen, als ich die Sicherungskette rasseln hörte, dann wurde die Tür aufgezogen. »Kommen Sie herein«, sagte die Frau. Sie war etwa 30 Jahre alt, rothaarig und ausgesprochen hübsch. Bekleidet war sie mit einer Jeans und einer weißen Bluse. Obwohl sie sehr schlank war, brachte die enganliegende Jeans ihre weiblichen Proportionen vorteilhaft zum Ausdruck.
Wir betraten sie Wohnung. Der Livingroom war teuer eingerichtet. In der Mitte war eine braune Polstergarnitur aus Leder um einen gläsernen Couchtisch gruppiert. Es gab Boards und Vitrinen, die mit Intarsienarbeiten versehen waren, an den Wänden hingen Bilder in schweren Rahmen, wir liefen über dicke Teppiche, die unsere Schritte schluckten.
»David ist nicht da«, klärte uns die Lady auf. »Bitte, nehmen Sie Platz.« Sie wies auf die Polstergarnitur. »Was möchten Sie denn von David?«
Spielte sie uns etwas vor, oder hatte sie tatsächlich keine Ahnung?
»Das hätten wir Mr. Astor gerne selbst eröffnet«, gab Milo zu verstehen. »Es ist eine Angelegenheit, die nur ihn selbst betrifft.«
»Tut mir leid«, sagte die Frau. »Mein Name ist Barlow – Jane Barlow. Ich bin die Lebensgefährtin Davids. Er ist seit gestern Abend verschwunden. Eine Nachricht hat er mir nicht hinterlassen. Ich – ich mache mir schon Sorgen seinetwegen. Er ist noch nie so lange weg gewesen, ohne mir zu sagen, wo er sich befindet.«
Milo und ich wechselten einen vielsagenden Blick. Am Vortag hatten wir Roger Sheldon verhaftet. Hatte Astor befürchtet, dass Sheldon redete und sich deshalb irgendwo verkrochen?
»Hat er einen Grund genannt, als er die Wohnung verließ? Nahm er Kleidung mit oder sonst etwas, was er für einen längeren Aufenthalt außerhalb seiner Wohnung benötigt? Ich meine Rasierzeug, Zahnbürste et cetera …«
»Nichts. Er telefonierte, mit wem weiß ich nicht, dann verließ er die Wohnung.«
»Sagte er gar nichts.«
»Nur, dass er sich zu gegebener Zeit bei mir meldet. Aber das ist bisher nicht geschehen.«
»Dürfen wir mal in die anderen Räume einen Blick werfen?«, fragte ich.
»Gerne.«
Wenig später wussten wir, dass sich David Astor tatsächlich nicht in der Wohnung befand. Ich gab Jane Barlow eine Visitenkarte und bat sie, uns anzurufen, falls Astor auftauchen sollte.
*
Richard Bacon hängte seine Jacke an die Garderobe, ging zu einem Sessel und ließ sich hineinfallen. »Ich war bei Jane«, sagte er er. »David ist spurlos verschwunden. Zwei FBI-Agenten haben sich nach ihm erkundigt. Mir gefällt das alles nicht. Sheldon wurde verhaftet. Herrgott, wenn er geredet hat, bin ich fällig. Möchte bloß wissen, wohin sich David abgesetzt hat.«
»Denkst du wirklich, David hat sich abgesetzt, weil er befürchtet, dass Sheldon singt?« fragte Mary Anne Sutter, Bacons Geliebte.
»Ich weiß es doch nicht. Er hat Jane nicht erzählt, wohin er geht. Von Jane weiß ich, dass er angerufen wurde, ehe er die Wohnung verließ. Er hat auch nichts mitgenommen, was darauf schließen ließe, dass er sich aus dem Staub gemacht hat.«
»Wenn er vor der Polizei auf der Flucht ist, warum hat er dann dich nicht gewarnt?«
Bacon zuckte mit den Schultern. »Wenn ich das wüsste«, knurrte er. Mit einem Ruck erhob er sich. »Ich muss auch weg«, stieß er hervor. »Ich muss raus aus New York. Hier bin ich nicht sicher. Sheldon ist nicht der Typ, der den Kopf alleine in die Schlinge steckt.«
»Begeben wir uns nach St. Louis«, sagte Mary Anne. »Dort lebt meine Schwester. Bei ihr könnten wir für einige Zeit unterkriechen.«
Da läutete es an der Wohnungstür.
Bacon zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb. Erschreckt schaute er seine Geliebte an. In seinen Augen flackerte es. Seine Mundwinkel zuckten. »Frag, wer das ist«, presste er zwischen den Zähnen hervor. Er ging zur Tür, die in das Schlafzimmer führte, und verschwand.
Etwas unschlüssig stand Mary Anne da. Schließlich bewegte sie sich, schaute durch den Spion, sah aber niemanden, öffnete die Tür ein wenig und fragte: »Wer ist da?«
Jemand warf sich gegen das Türblatt. Es flog nach innen auf. Die Frau wurde zurückgeschleudert. Ein Aufschrei platzte über ihre Lippen. Ein Mann glitt in den Livingroom. Er trug eine schwarze Motorradmütze, die nur Nase und Augen frei ließ. Und in seiner Rechten lag eine Pistole, auf die ein klobiger Schalldämpfer geschraubt war.
»Wo ist Bacon?«, schnappte der Maskierte.
»Er – er …« Mary Anne verschluckte sich. Sie war völlig konfus. Dort, wo das Türblatt sie an der Stirn getroffen hatte, zeigte sich ein roter Fleck, der schnell anschwoll. Aber plötzlich schien sie sich der Gefahr bewusst zu werden, in der sie und Richard Bacon schwebten. »Hilfe!«, platzte es gellend aus ihr heraus. »Hiiilfe …«
Der Eindringling schloss hinter sich die Tür, richtete die Pistole auf die Frau und drückte ohne mit der Wimper zu zucken ab. Es gab ein Geräusch, wie wenn man den Korken aus einer Champagnerflasche zieht. Der Geruch von Pulverdampf machte sich breit. Mary Anne Sutter brach wie vom Blitz getroffen zusammen. Ihr weiterer Hilferuf war im Kehlkopf erstickt.
Richard Bacon zeigte sich in der Schlafzimmertür. Er war bewaffnet, riss die Hand mit der Pistole hoch und drückte ab. Aber der Eindringling war behände zur Seite geglitten. Die Detonation drohte den Raum aus allen Fugen zu sprengen. Die Kugel meißelte ein faustgroßes Loch aus der Wand hinter dem Maskierten. Und dann bäumte sich in seiner Hand die Waffe auf. Plopp. Bacon wurde herumgerissen. Die Pistole entfiel seiner Hand, seine Hände verkrampften sich vor der Brust. Er wankte wie ein Schilfrohr im Wind, der Schmerz verzerrte sein Gesicht. Und dann sackte er zusammen. Seine Gestalt streckte sich am Boden und erschlaffte.
Der Maskierte schob die Pistole in den Hosenbund, ging zu Bacon hin und beugte sich über ihn. Bacon war tot. Der Mann nahm die Maske ab und verstaute sie in der Innentasche seiner Jacke. Er hatte ein schmales Gesicht mit einem kantigen Kinn, was Energie und Durchsetzungsvermögen verriet. Seine braunen Augen blickten hart und zeigten nicht die Spur einer Gemütsregung. Der Mörder ging zur Tür, öffnete sie einen Spaltbreit, und nachdem er festgestellt hatte, dass die Luft rein war, verließ er das Apartment. Er fuhr mit dem Aufzug nach unten. In der Halle des Gebäudes stieg er aus dem Lift und ging zur Tür, durch die soeben zwei hochgewachsene Männer – einer blond, der andere dunkelhaarig – das Gebäude betraten. Der Dunkelhaarige streifte den Burschen mit einem flüchtigen Blick. Dann gingen die beiden zum Aufzug, dessen Tür noch offen stand.
Der Mörder trat hinaus auf die Straße.
*
Milo und ich betraten das Gebäude. In der Halle begegnete uns ein Mann. Ich streifte ihn mit einem Blick, vergaß aber im nächsten Moment schon wieder das Gesicht. Bacons Apartment lag in der 5. Etage. Wir fuhren mit dem Aufzug nach oben. Milo läutete an der Wohnungstür.
Niemand öffnete uns.
»Ausgeflogen«, meinte Milo. »Mir scheint, die Verhaftung Roger Sheldons hat in der Bande ganz schön für Furore gesorgt. Die Kerle haben sich allesamt abgesetzt.«
»Wir gehen in die Wohnung hinein«, sagte ich.
Milo holte sein Einbruchswerkzeug aus der Tasche. Es war ein ledernes Etui, in dem sich eine Reihe von speziell angefertigten Nachschlüsseln und Dietrichs befanden. Milo probierte einige der Schlüssel, dann schnappte das Schloss auf und die Tür ließ sich öffnen.
Zuerst fanden wir die Frau. Sie lag gleich bei der Tür. Mit dem zweiten Blick nahm ich die reglose Gestalt bei der Tür zu einem Nebenraum wahr. Es traf mich wie ein eisiger Guss. Die Frau war tot. Ich beugte mich über den Mann, von dem ich vermutete, dass es sich um Richard Bacon handelte. Ebenfalls tot. Erschossen. Das Blut, das aus den Wunden gedrungen war, war noch frisch. Der Mord musste also innerhalb der vergangenen 30 Minuten geschehen sein.
Mir kam der Mann in den Sinn, der uns in der Halle des Gebäudes begegnet war. Ich versuchte, mir sein Gesicht in Erinnerung zu rufen. Es war ein schmales Gesicht mit einem ausgeprägten Kinn gewesen. Die Haare des Mannes waren dunkel. Waren wir dem Mörder begegnet? Eine Frage, die in einer Reihe weiterer Fragen stand.
Warum waren Bacon und die Frau ermordet worden?
War es ein mafiainterner Streit oder hatte die Astor-Mafia Konkurrenz bekommen? Wenn ja, dann stellte sich automatisch die Frage nach dem Verbleib David Astors. Befand er sich dann in den Händen seiner Gegner?
Ich rief die Mordkommission an. Eine halbe Stunde später kamen Ed Schulz und ein Trupp Beamter. Der Polizeifotograf machte seinen Job, dann ging die Spurensicherung ans Werk.
»Er war zweiter Mann in der Astor-Mafia«, klärte ich Ed Schulz auf. Ed war ein Hüne. Gegen ihn fühlte ich mich mickrig. »Wir wissen es von Roger Sheldon. David Astor ist spurlos verschwunden. Möglicherweise stecken die Leute, die Bacon ermordeten, hinter seinem Verschwinden.«
»Womöglich schwimmt sein Leichnam schon im Hudson«, verlieh Ed seiner Befürchtung Ausdruck. »Dass die Kerle vor nichts zurückschrecken, haben sie mit den Morden an Bacon und seiner Geliebten bewiesen. Sieht nach einem Bandenkrieg aus.«
Ich konnte mich Eds Auffassung nicht verschließen.
Für Milo und mich gab es hier nichts mehr zu tun. Wir verabschiedeten uns von Ed Schulz, baten ihn, uns vom Ergebnis der Spurensicherung zu unterrichten, dann verließen wir die Wohnung. Den Wagen hatte ich ein Stück von dem Gebäude entfernt abgestellt. Ich hatte ihn zwischen einen Baum und einen klapprigen Chevy gequetscht, froh, überhaupt einen Parkplatz gefunden zu haben.
Als wir uns auf dem Gehsteig nach rechts wandten, sah ich den Mann, der das Gebäude verließ, als wir es betraten. Er stand auf der anderen Straßenseite vor der Auslage eines Reisebüros, schaute zu uns herüber, wandte sich jetzt aber ab und tat so, als würden ihn die Angebote des Reisebüros interessieren.
Ich war mir ganz sicher und machte Milo auf den Burschen aufmerksam. In mir war plötzlich eine fast 100-prozentige Gewissheit, dass der Mann etwas mit dem Mord an Richard Bacon und seiner Geliebten zu tun hatte.
Jetzt setzte er sich in Bewegung und ging mit langen Schritten davon. Er bewegte sich auf den Chelsea Park zu.
»Den schnappen wir uns!«, stieß ich hervor.
Milo überquerte in schräger Linie die Fahrbahn und heftete sich dem Burschen auf die Fersen. Ich blieb auf dieser Seite der Straße und begann zu laufen, um den Mann zu überholen und ihm den Weg abzuschneiden.
Der Bursche wurde immer schneller. Plötzlich begann er zu laufen. Milo folgte ihm. Und auch ich rannte. Der Park rückte schnell näher. Ich überquerte die Fahrbahn. Plötzlich sah ich, dass der Kerl eine Pistole in der Hand hielt. »Achtung, Milo!«, schrie ich und ging hinter einem geparkten Auto in Deckung.
Als ich wieder hoch kam, sah ich den Burschen in den Park rennen.
Der Chelsea Park war nicht groß. Er reichte von der 9. bis zur 10. Avenue. Die 27. Straße, die den Park nach Süden begrenzte, wurde von der Penn Station unterbrochen. Die Penn Station an Manhattans West Side bietet Verbindungen zu verschiedenen Subway- und Buslinien und ist der zentrale Bahnhof für die Züge von Amtrak, Long Island Railroad, New Jersey Transit und PATH.
Dort wimmelte es von Menschen. Wenn es dem Burschen gelang, das Bahnhofsgelände zu erreichen, hatten wir keine Chance, seiner habhaft zu werden.
Ich rannte weiter. Jetzt sah ich auch Milo hinter einem Auto hochkommen. Er folgte dem Burschen in den Park. Ich rannte am Rand des Parks entlang, bis die 27. Straße bei der Penn Station endete. Wenn der Kerl die Penn Station erreichen wollte, musste er die Ninth Avenue überqueren.
Schüsse peitschten. Ich machte mir plötzlich Sorge um Milo. Und dann sah ich Milo am Rand des Parks auftauchen. Er winkte mir zu. Ich lief zu ihm hin.
»Er ist in die 28. Straße geflohen«, sagte Milo zwischen keuchenden Atemzügen. Dort habe ich ihn aus den Augen verloren.«
»Es war der Mörder«, behauptete ich, fragte mich aber gleichzeitig, aus welchem Grund er vor dem Haus, in dem die beiden Morde geschehen waren, gewartet hatte. Die Antwort auf diese Frage musste ich mir schuldig bleiben, ebenso wie die Antworten auf alle anderen Fragen, die mich im Zusammenhang mit dem Mord an Rich Bacon und dem Verschwinden David Astors beschäftigten.
Milo und ich kehrten um. Wenig später erreichten wir den Wagen. Ich öffnete per Fernbedienung die Türen, und während sich Milo auf den Beifahrersitz fallen ließ, klemmte ich mich hinter das Steuer.
»Wir lassen ein Phantombild von dem Burschen anfertigen«, sagte ich, indes ich den Motor startete. »Wenn es gelingt, ihn zu schnappen, erhalten wir vielleicht Antwort auf eine Reihe von Fragen, die sich uns stellen.«
»Wenn …«, knurrte Milo. »Seine Beschreibung passt wahrscheinlich auf hunderttausend New Yorker. Ich mache mir keine großen Hoffnungen.«
»Du bist ja wieder einmal ausgesprochen motivierend«, murmelte ich.
»Vielleicht hat Ed Schulz recht«, meinte Milo, »und in Manhattan ist ein Krieg zwischen verfeindeten Syndikaten ausgebrochen. Erstes Opfer waren Bacon und seine Geliebte. Astor hat Wind davon bekommen und die Flucht ergriffen.«
»Wir hätten es sicher mitbekommen, wenn eine neue Mafia im Begriff wäre, in Manhattan Fuß zu fassen«, versetzte ich.
»Wir sollten uns vielleicht noch einmal mit Roger Sheldon unterhalten«, schlug Milo vor. »Vielleicht kann er uns einen Hinweis geben.«
Also ließen wir Sheldon noch einmal in den Vernehmungsraum bringen. Es war ein nüchtern eingerichtetes Zimmer mit weiß gekalkten Wänden, einem Tisch in der Mitte und einigen Holzstühlen. Außerdem gab es eine Computeranlage für den Fall, dass Aussagen zu protokollieren waren.
Sheldon war ziemlich betroffen, als ich ihm erzählte, dass David Astor verschwunden und Richard Bacon getötet worden war. Und diese Betroffenheit war echt. Er sagte: »Von einer Mafia, die zu Astor in Konkurrenz treten will, ist mir nichts bekannt. Aber das heißt natürlich nichts. Vielleicht ist aber auch Rache im Spiel. Rache für Godard Benton möglicherweise.«
Mein Blick kreuzte sich mit dem Milos. Milo hatte die Unterlippe vorgeschoben, was ihm einen nachdenklichen Ausdruck verlieh. Plötzlich fragte er: »Warum ließ David Astor Godard Benton ermorden?«
»Ich sagte es doch schon: Der Grund soll gewesen sein, dass Benton aussteigen wollte. Astor soll ihn ausgezahlt haben. Eine Million. Das Geld war verschwunden. Es ist also nicht auszuschließen, dass es sich Astor wiedergeholt hat.«
»Und mit dem Geld ist er nun auf der Flucht«, murmelte Milo. »Damit kann er sich eine Weile über Wasser halten.«
»Astor besitzt ein Haus am Breezy Point«, erklärte Sheldon. »Vielleicht hat er sich dort verkrochen.«
»Wo genau?«, fragte ich.
»Reid Avenue.«
Breezy Point liegt südlich von Brooklyn jenseits des Rockaway Inlets. Es handelt sich um eine Halbinsel, auf die man über zwei Brücken gelangen kann, wenn man einen weiten Umweg durch Queens und nördlich am John F. Kennedy Airport vorbei vermeiden will.
Es war fast 19 Uhr, als Milo und ich uns auf den Weg machten. Wir überquerten den East River, fuhren durch Brooklyn und benutzen die Marine Parkway Bridge, um den Rockaway Inlet zu überqueren. Dann wandten wir uns nach Westen. Wir erreichten Breezy Point, als es schon finster war.
Das Haus David Astors in der Reid Avenue war verwaist. Die Garage war leer. Es hatte nicht den Anschein, als hätte sich David Astor hier verkrochen.
Wir fuhren enttäuscht zurück nach Manhattan.
*
Bei Jane Barlow läutete es. Sekundenlang staute die schöne Frau den Atem. Sie starrte auf die Tür, als erwartete sie, dass diese sich jeden Moment öffnete. Ihr Atem ging stoßweise. Erregt pochte ihre Halsschlagader. »Wer ist da?«, rief sie.
»FBI! Öffnen Sie.«
Jane Barlow atmete tief durch. »Sind Sie es, Mr. Trevellian?«
»Ja.«
Die Frau ging zur Tür und öffnete sie. Und dann war sie plötzlich nicht mehr Herr des Geschehens. Krachend flog die Tür auf. Jane erhielt einen fürchterlichen Stoß gegen die Stirn, der sie zurücktaumeln ließ. Nur mit Mühe bewahrte sie ihr Gleichgewicht.
Ein hochgewachsener Mann kam in die Wohnung. Er trug eine schwarze Motorradmütze, so dass von seinem Gesicht nur die Nase und die Augen zu sehen waren. Es waren eiskalte, braune Augen, unter deren Blick Jane erschauerte. Der Mann drückte die Tür hinter sich zu und zog eine Pistole mit Schalldämpfer. Er richtete die Pistole auf die Frau. »Wo finde ich David Astor?«, peitschte seine dunkle Stimme.
»Was – was möchten Sie von ihm? Mein Gott, wer sind Sie?« Jane spürte nagende Angst, eine Angst, die sie nicht unter Kontrolle bekam. Ihre Stimme zitterte.
»Ich bin nicht hier, um dir Rede und Antwort zu stehen, Lady. Ich will wissen, wo sich Astor verkrochen hat.«
Jane rang die Hände. »Ich – ich weiß es nicht. Er hat gestern die Wohnung verlassen und ist seitdem nicht mehr zurückgekehrt. Ich habe seither kein Lebenszeichen von ihm erhalten.«
Der Maskierte glitt auf Jane zu. Sie stand wie erstarrt da. In ihren Augen wob das Entsetzen. Ihr Hals war wie zugeschnürt. Krampfhaft schluckte sie.
Der Eindringling drückte ihr die Pistole gegen den Leib. »Lüg mich nicht an!«
»Ich – ich sage die Wahrheit«, presste Jane hervor. Die Stimmbänder wollten ihr kaum gehorchen. Sie spürte einen Kloß im Hals, den sie nicht hinunterzuwürgen vermochte. Ihr Herz raste und jagte das Blut durch ihre Adern. Ihre Lippen vibrierten.
Der Unbekannte steckte plötzlich die Pistole weg. Er bugsierte Jane zu einem der Sessel und stieß sie hinein. Seine Rechte verkrallte sich in ihren Haaren. Jane schrie auf. Zu ihrer Angst gesellte sich die Verzweiflung. Ihre Lippen sprangen auseinander, aber der Schrei, der ihr schmerzhaft in die Kehle steigen wollte, erstickte im Ansatz, als der Maskierte ihren Kopf weit in den Nacken bog. »Wo hat er sich verkrochen?«