Trevellian und die ermordeten Zeugen: Kriminalroman - Pete Hackett - E-Book

Trevellian und die ermordeten Zeugen: Kriminalroman E-Book

Pete Hackett

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Beschreibung

Krimi von Pete Hackett Der Umfang dieses Buchs entspricht 221 Taschenbuchseiten. In dem Gebiet Rossville gibt es ungewöhnlich viele Leukämieerkrankungen. Eine Bürgerinitiative findet heraus, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigungen und Gutachten, die vor 20 Jahren zum Kauf und zur Bebauung des Gebietes geführt haben, gefälscht waren. Es war wohl bekannt, dass die Mülldeponie auf dem Grundstück mit Chemikalien verseucht war. Als die FBI-Agenten Trevellian und Tucker ermitteln, müssen sie feststellen, dass jemand schneller ist als sie. Alle Gutachter und Sachbearbeiter, die etwas zu den 20 Jahre zurückliegenden Vorfällen sagen könnten, werden ermordet, bevor sie aussagen können.

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Seitenzahl: 228

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Pete Hackett

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Inhaltsverzeichnis

Trevellian und die ermordeten Zeugen: Kriminalroman

Copyright

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Trevellian und die ermordeten Zeugen: Kriminalroman

Krimi von Pete Hackett

Der Umfang dieses Buchs entspricht 221 Taschenbuchseiten.

In dem Gebiet Rossville gibt es ungewöhnlich viele Leukämieerkrankungen. Eine Bürgerinitiative findet heraus, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigungen und Gutachten, die vor 20 Jahren zum Kauf und zur Bebauung des Gebietes geführt haben, gefälscht waren. Es war wohl bekannt, dass die Mülldeponie auf dem Grundstück mit Chemikalien verseucht war. Als die FBI-Agenten Trevellian und Tucker ermitteln, müssen sie feststellen, dass jemand schneller ist als sie. Alle Gutachter und Sachbearbeiter, die etwas zu den 20 Jahre zurückliegenden Vorfällen sagen könnten, werden ermordet, bevor sie aussagen können.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /COVER FIRUZ ASKIN

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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Alles rund um Belletristik!

Prolog

Wir hatten die Lagerhalle umstellt. Neben mir und Milo waren ein halbes Dutzend FBI-Agenten, unter anderem Jennifer Johnson und Sarah Anderson, sowie ein Dutzend Kollegen aus dem Police Departement vor Ort. Wir trugen schusssichere Westen, Helme und Headsets. Die Polizisten waren mit der MP 5 von Heckler & Koch bewaffnet. Milo, ich und die Kollegen und Kolleginnen aus dem Field Office waren mit der P226 beziehungsweise der P228 - das war die Standardwaffe unserer Ladys - ausgestattet.

Ich leitete den Einsatz. Mit dem Captain, der die Kollegen aus dem Departement befehligte, stand ich in Funkverbindung. Wir befanden uns auf Pier 26. Im Hudson brachen sich die Lichter New Yorks. Das Wasser glitzerte wie flüssige Bronze.

Gefahr lag in der Luft. Die Atmosphäre war angespannt und gefährlich. Wir wussten, dass sich die Gangster – wenn wir sie in die Enge drängten – verhalten würden wie wilde Tiere. Sie würden um sich beißen...

Wir schrieben den 26. April. Ein Blick auf die Armbanduhr sagte mir, dass es 2 Uhr 37 war. Am Tag vorher, nach Einbruch der Dunkelheit, hatte hier ein Boot kostbare Fracht gelöscht. Wilde Tiere aus Afrika, Exoten, deren Einfuhr in die USA verboten war. Junge Geparden, junge Löwen, verschiedene Affenarten, Vögel... Wir hatten den Tipp von einem V-Mann bekommen. Sein Name war Dexter McCarty. Jetzt warteten wir darauf, dass die Tiere abgeholt wurden.

Es war dunkel. Von der Stadt her erklang Motorenlärm, Hupen, das Heulen von Sirenen. In New York heulten ständig irgendwo Sirenen. Ob Polizei, Emergency Service oder Feuerwehr; eine dieser Einrichtungen war im Big Apple immer im Einsatz.

Jenseits der West Street lag Tribeca. Ein Buschgürtel trennte den Pier mit seinen verlassenen Lager- und Werkhallen von der vielbefahrenen Straße. In den heruntergekommenen, um nicht zu sagen verwahrlosten Gebäuden tummelten sich nur noch Ratten und Mäuse. Die Fenster waren eingeworfen. Die Stahltüren hatten die frühere Farbe verloren und waren nur noch rostrot. Hin und wieder wurden diese Hallen allerdings für gesetzeswidrige Aktivitäten missbraucht. Wie heute...

Wir wussten, dass die Tiere noch in dieser Nacht abgeholt werden würden. Sie waren auf dem Seeweg angekommen, vor der Küste der USA auf eine große Yacht, die zu einem Frachter umgebaut worden war und einem bekannten Mafioso gehörte, umgeladen und schließlich zum Pier 26 geschippert worden.

Natürlich waren wir auch darauf versessen, Walter Davis zu schnappen, dem die Yacht gehörte und der im großen Stil mit illegal einführten Wildtieren handelte. Zuerst aber wollten wir die Bande hops nehmen, jene Leute, die die Tiere im Auftrag Davis' abholten, der sie schließlich an irgendwelche Liebhaber in ganz Amerika verscherbelte. Wir wollten diesmal das Pferd von hinten aufzäumen, uns also vom Streetworker der Mafia nach vorne durcharbeiten, bis wir den Kopf abschlagen konnten. Bildlich gesprochen...

Wir brauchten aussagekräftige Beweise gegen Davis. Und die bekamen wir nur in die Hände, wenn wir genügend Leute kassierten, die als Zeugen gegen ihn aussagen konnten.

Unsere Geduld wurde auf eine lange Probe gestellt. Kurz vor vier Uhr erschien schließlich ein Pkw auf der Zufahrt zum Pier. Ihm folgte ein Lastzug mit Hänger. Über den Transportflächen sowohl des Lasters wie auch des Anhängers spannten sich Planen. Es war ein Dreiachser, der wohl 500 PS auf die Piste brachte...

Die Lichtfinger der Scheinwerfer stachen durch die Nacht. Der Pkw hielt neben der Lagerhalle an, in der sich die Käfige mit den Tieren befanden. Der Truck fuhr vor das Tor hin und wurde abgebremst. Die Lichter der Fahrzeuge erloschen. Aus dem Pkw stiegen vier Männer. Zwei Kerle verließen das Führerhaus des Lasters. Stimmen erklangen. Wir waren hinter den anderen Hallen und den Sträuchern ringsum verborgen.

Das Tor der Halle wurde aufgesperrt und aufgezogen. Im Innern des Gebäudes war es finster wie im Vorhof der Hölle. Jetzt leuchtete eine Stablampe auf. Ihr Lichtkegel geisterte über die Käfige im Hintergrund hinweg. Ich war so postiert, dass ich alles gut überblicken konnte.

»Sind Sie bereit?«, fragte ich Captain Howard.

»Ja«, kam es zurück. »Wir warten nur noch auf den Einsatzbefehl.«

»All right«, erwiderte ich. »Zugriff!«

Ringsum huschten innerhalb der nächsten Sekunden dunkel gekleidete Männer und Frauen aus ihren Verstecken. Handscheinwerfer flammten auf und zerrten die Männer vor der Lagerhalle aus der Dunkelheit. Ich griff nach dem Megafon, das neben mir am Boden stand, und rief: »Hier spricht Special Agent Trevellian, FBI New York. Die Halle ist umstellt. Ergeben Sie sich und heben Sie die Hände. Zwingen Sie uns nicht, von den Schusswaffen Gebrauch zu machen.«

Ein lästerlicher Fluch erschallte. Die Taschenlampe war erloschen. Schritte trampelten. Der Motor des Pkw's sprang an, Türen wurden zugeschlagen.

Ich stellte das Megafon wieder ab. Zwei der Kerle waren in die Lagerhalle geflüchtet. Der Pkw fuhr an. Ich rannte los, feuerte in rasender Folge mit der SIG und sah, wie der Wagen schleuderte. Ich hatte die hinteren Reifen zerschossen. Funken sprühten, als die Felgen über den Boden schleiften.

In der Lagerhalle vielen Schüsse. Eine MPi ratterte. Die Handscheinwerfer leuchteten die Halle bis in den hintersten Winkel aus. Zwei andere der Kerle waren außen an der Längswand der Halle in Deckung gegangen. Ihre Schatten wurden groß und verzerrt gegen die Hallenwand geworfen.

Im Auto blieb es ruhig. Geduckt näherte ich mich von hinten. Von der anderen Seite kam ein Kollege. »Vorsicht!«, rief ich ihm zu. »Da sitzen zwei der Gangster drin.«

Eine Stimme ertönte: »Wir ergeben uns! Nicht schießen! Wir geben auf.«

»Kommt mit erhobenen Händen zum Tor des Halle!«, hörte ich Milo rufen. Seine Stimme hätte ich unter tausend anderen erkannt.

Ich stand nach vorne gekrümmt an der rechten Heckseite des Wagens. Es war ein schwerer Lexus. Der Geruch verbrannten Gummis stieg mir in die Nase. Der Kollege, der sich von der Seite genähert hatte, war auf das linke Knie niedergegangen und zielte auf die Tür des Fahrzeugs. Mit der Linken stabilisierte er das Handgelenk seiner Rechten.

Ich schlug mit dem Pistolenknauf auf den Kofferraumdeckel des Lexus, dann rief ich: »Steigen Sie aus. Sie haben keine Chance. Machen Sie alles nicht noch schlimmer!«

Im Wagen zerplatzte eine Feuerblume. Ich ging gedankenschnell auf Tauchstation. Die Kugel fuhr über mich hinweg. Der Kollege begann zu feuern. Die Pistole schleuderte ihr rhythmisches Krachen über den Wagen hinweg. Die Kugeln zerschlugen die Seitenscheiben und stanzten Löcher in die Karosserie. Auch ich hob die Hand mit der Pistole und gab einige Schnappschüsse ab. Meine Kugeln durchschlugen die Heckscheibe...

Plötzlich flog die Tür der Beifahrerseite auf. Eine Gestalt kämpfte sich ins Freie und richtete sich auf. »Aufhören! Ich ergebe mich!«

Sofort stellten wir das Feuer ein.

»Was ist mit Ihrem Kumpan?«, fragte ich.

»Den hat es erwischt.«

»Wo ist Ihre Waffe?«

»Sie liegt im Wagen auf dem Boden.«

Mein Kollege hatte sich aufgerichtet und glitt – die Pistole im Anschlag -, um den Lexus herum. »Hände auf den Rücken!«

Der Gangster gehorchte. Handschellen klickten.

Ich ging zur Fahrertür und öffnete sie. Der Mann, der den Wagen gelenkt hatte, war über dem Steuer zusammengesunken. Die Hand mit der Pistole baumelte zwischen seinen Knien. Ich entwand ihm die Waffe. Dann stellte ich fest, dass der Bursche noch lebte.

»Bringen Sie ihn zu den anderen«, wies ich den Kollegen an, dann schritt ich zu der Lagerhalle. Dort waren die vier anderen Gangster zwischenzeitlich überwältigt und gefesselt worden.

»Für wen arbeitet ihr?«, fragte ich.

Sie schauten mich nur verkniffen an.

»Für Walter Davis, nicht wahr?«

Keine Resonanz.

»Na schön«, sagte ich. »Wir haben euch auf frischer Tat ertappt. Dass ihr euren Auftraggeber nicht verraten wollt, mag einem besonderen Ehrenkodex entspringen, bringt jedem von euch aber mindestens drei Jahre mehr ein. Eine lange Zeit, wenn man bedenkt, wie kurz das Leben ist.«

Die Kerle schwiegen verbissen.

»Bringt sie ins Gefängnis«, ordnete ich schließlich an. »So schnell werden sie die Freiheit wohl nicht wieder sehen.«

Es dauerte einige Zeit, bis ein Fahrzeug ankam, in dem die Gefangenen abtransportiert werden konnten. Auch eine Ambulanz erschien. Der verwundete Gangster wurde erstversorgt und dann ins nächste Krankenhaus gefahren.

»Wer kümmert sich um die Tiere?«, fragte Milo.

»Wir werden dem hiesigen Zoo Bescheid geben«, sagte jemand. »Dort wird man sie eine Weile beobachten, ob sie Schaden genommen haben, und dann werden sie in ihre Herkunftsländer zurückgebracht und wieder ausgewildert.«

*

Ich schlief bis zum Mittag. Wir waren in der Nacht noch ins Federal Building gefahren und hatten einen Bericht getippt. Zugleich hinterließen wir eine Nachricht, dass wir unseren Dienst um 13 Uhr antreten und sofort zum Untersuchungsgefängnis fahren würden, um die festgenommenen Gangster einzuvernehmen.

Wir wollten einen Namen hören: Walter Davis!

Über ihn wollten wir an den Burschen herankommen, der die Exoten von Afrika nach Amerika beförderte. Und mit dessen Hilfe wollten wir die Bande auffliegen lassen, die in Afrika tätig war und laufend für Nachschub sorgte.

Es läutete an meiner Wohnungstür. Ich zog mir einen Bademantel über und schaute durch den Spion, um zu sehen, wer draußen war. Es war der Briefzusteller. Ich hakte die Sicherungskette aus, entriegelte die Tür und zog sie auf. »Ein Päckchen für Sie, Mr. Trevellian.«

Es war ein in braunes Packpapier eingewickeltes Päckchen, das er mir reichte. Ich wog es in der Hand, schüttelte es neben meinem Ohr, begutachtete es von allen Seiten und fragte mich, wer mir wohl ein Päckchen schickte. Ein Absender war nämlich nicht angegeben. Der Poststempel datierte vom Vortag. Es war in New York aufgegeben worden.

»Vielleicht eine heimliche Verehrerin«, sagte der Postbote.

Ich grinste. »Ein Dankesschreiben kann es nicht sein. Denn das hätte in einem Kuvert Platz gehabt.«

»Vielleicht ein Geschenk dazu«, meinte der Postzusteller. »Viel Spaß damit, Mr. Trevellian. Und einen schönen Tag noch...«

»Danke, ich wünsche Ihnen das selbe.« Ich ging in meine Wohnung zurück, drückte die Tür ins Schloss, begab mich in die kleine Küche und riss die Verpackung des Päckchens auf. Eine kleine Schachtel – etwa vier Zoll im Quadrat – kam zum Vorschein. Der Deckel war mit einem durchsichtigen Klebestreifen befestigt.

Ich riss den Deckel einfach ab. Meine letzte Wahrnehmung waren ein fürchterlicher Krach und ein auseinander platzender Feuerball. Dann versank ich in einem finsteren Loch. Mein Denken riss...

Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem hellen Zimmer in einem Bett, über mir sah ich eine weißgekalkte Decke, neben dem Bett stand ein verchromter Galgen mit einem Tropf, dessen dünner Schlauch an einer Injektionsnadel befestigt war, die in meinem Handrücken steckte.

Zunächst einmal war ich ziemlich perplex. Doch dann begriff ich, dass ich mich im Krankenhaus befand, und dann stellte sich auch die Erinnerung ein. Da war das Päckchen, ich hatte es aufgerissen, der furchtbare Knall, das Feuer...

Jemand hatte mir eine Bombe geschickt.

Ein Racheakt! Das war mein erster Gedanke, nachdem ich in meinem Kopf noch einmal alles hatte Revue passieren lassen.

Hinter meiner Stirn begannen die Gedanken zu wirbeln. Ich hob die rechte Hand und merkte, dass sie bandagiert war. Ich konnte die Finger nicht bewegen. Auch meine Linke war eingebunden. Ich bewegte den Kopf. Dann setzte ich mich auf. Schwindelgefühl erfasste mich, mir wurde es schwarz vor den Augen, Übelkeit kroch in mir hoch. Nur nicht wieder bewusstlos werden!, durchfuhr es mich. Ich schloss die Augen. Der Schwächeanfall ging vorüber. Ich schlug die Zudecke zurück und stellte fest, dass ich nur mit einem weißen Hemd bekleidet war, das bis zu den Waden reichte und das auf dem Rücken offen war. Lediglich am Nacken wurde es von zwei Bändern zusammengehalten. Rücken und alles, was abwärts bis zu den Füßen folgte, war frei.

Ich schwang die Beine aus dem Bett und fragte mich, wie lange ich wohl schon hier lag. Vorsichtig drückte ich mich hoch. Wieder wollte mich die Schwäche übermannen. Meine Knie drohten nachzugeben. Ich wankte in das Badezimmer. In dem Spiegel sah ich, dass mein Gesicht gerötet war. Wahrscheinlich hatte mir das Feuer die Haut versengt. Meine Brauen waren verschwunden. Man hatte mir die Kopfhaare abrasiert. Wahrscheinlich waren sie auch verschmort gewesen. Ich erschrak über mein Aussehen und musste unwillkürlich an die Hare-Krischna-Jünger denken, denen man manchmal auf den Straßen New Yorks begegnete.

Ich erkannte mich im Spiegel kaum wieder. Sekundenlang dachte ich daran, dass ich an den Händen wohl schwerere Verbrennungen erlitten hatte, und die Angst kam, dass ich meine Hände möglicherweise nie wieder ohne Handicap benutzen konnte. Dann aber sagte ich mir, dass ich Glück im Unglück gehabt hatte. Ich wandte mich ab, verließ das Badezimmer und öffnete die Tür, die auf den Korridor führte. Am Ende des Flures sah ich einen weißhaarigen Mann in einem Bademantel. Er schlurfte an der Wand entlang und hatte das Gesicht gesenkt.

Ein Stück von meinen Zimmer entfernt wurde die Wand von einer etwa vier Yard langen Glasfront unterbrochen. Wahrscheinlich das Stationsbüro. Ich setzte mich in Bewegung. Zwei Frauen und ein Mann in grünen Kitteln bevölkerten das Büro. Überrascht schauten sie mich an.

»Wo bin ich?«

Der Mann, an dem Namensschild an seiner Brust konnte ich erkennen, dass es sich um einen Arzt handelte, dessen Name Burns lautete, fand zuerst seine Sprach wieder. »Im New York University Medical Center«, sagte er.

»Was ist heute für ein Tag?« Ich warf einen Blick auf die runde Uhr an der Wand. Es war 9 Uhr 20.

»Der 27. April«, antwortete der Doc. »Sie sollten sich wieder hinlegen, Mr. Trevellian.«

»Was ist mit meinen Händen?«

»Verbrennungen. Aber keine Sorge. Sie haben keine bleibenden Schäden davongetragen. In zwei Wochen sind Sie wieder der Alte.« Dr. Burns lächelte. »Aber jetzt...«

»Ich muss telefonieren. Können Sie eine Verbindung mit dem FBI New York herstellen?«

»Ihr Kollege war schon hier. Ich soll Ihnen schöne Grüße von ihm bestellen. Er...«

»Warum war ich so lange besinnungslos?«

»Wir haben sie in künstlichen Schlaf versetzt...«

Den Grund hierfür wollte ich gar nicht wissen. Ich wusste, dass es so etwas wie künstliches Koma gab. Bei manchen Verletzungen ist es wichtig, dass sich der Patient nicht bewegt.

»Bitte«, sagte ich. »Ich muss mit meinem Kollegen sprechen.«

»Sie können ja nicht mal den Telefonhörer halten«, gab eine der Schwestern zu bedenken.

»Es wird schon gehen. Notfalls muss mir jemand von Ihnen helfen.«

Drei Minuten später hatte ich Milo an der Strippe. Eine der Krankenschwestern hielt mir den Hörer ans Ohr. Ich saß auf einem Stuhl. Der Arzt hatte das Büro verlassen. Die andere Schwester saß am Computer und tippte verbissen.

»Du machst Sachen«, hörte ich Milo sagen, nachdem ich meinen Namen genannt hatte. »Aber ich freue mich, deine Stimme zu hören. Das hätte auch um einiges schlechter ausgehen können.«

»Ja«, erwiderte ich, »ich hatte wohl einen recht wachsamen Schutzengel. Ich nehme an, das FBI hat die Ermittlungen übernommen.«

»Zuerst mal schöne Grüße von Mr. McKee. Er ist bei mir im Büro und wünscht dir gute Besserung. Solltest du längere Zeit im Krankenhaus verbringen müssen, wird er dich besuchen kommen.«

»Bestelle ihm meinen Dank.«

»Die Zeitungen sind voll von dem missglückten Attentat auf einen G-man«, fuhr Milo fort. »Sogar New York One hat es in den Nachrichten gebracht.«

»Dann weiß also auch der Absender des höllischen Päckchens, dass sein Anschlag die große Wirkung verfehlt hat.«

»Allerdings.«

»Was habt ihr herausgefunden?«, fragte ich.

»Nichts. Die Spurensicherung hat keine Hinweise auf den Bombenbauer gefunden. Ich nehme aber an, dass das Attentat etwas mit dem Fall zu tun hat, in dem wir gerade ermitteln. Wir sind einigen Leuten doch ziemlich empfindlich auf die Zehen getreten. Möglicherweise war es eine Warnung, Jesse. Ich rechne auch mit einem – hm, Liebesgruß der Art, wie man ihn dir zukommen ließ. Ob es nun auch bei mir eine Bombe ist – wer weiß das schon? Es können auch einige Kugeln aus dem Hinterhalt sein.«

»Liebesgruß«, echote ich sarkastisch. Dann lachte ich auf. »Liebesgrüße aus der Hölle, Alter.«

»So kann man es nennen. Wir werden alles versuchen, um dem Attentäter die Maske vom Gesicht zu reißen. Es kann aber auch ein Kampf gegen Windmühlenflügel werden. Wir kennen unseren Gegner nicht und wir wissen nicht, mit wem er gegebenenfalls zusammenarbeitet. Nur eines wissen wir, nämlich, dass er skrupellos und tödlich gefährlich ist. Ich hoffe, dass du bald wieder auf den Beinen bist, Jesse.«

»Du hast in der Mehrzahl gesprochen. Wir werden alles versuchen...«

»Mir wurde Sarah zugeteilt.«

»Aha«, machte ich nur.

»Nicht gleich eifersüchtig werden, Partner. Das Verhältnis ist rein kollegial – bis jetzt jedenfalls.« Die letzten drei Worte kamen mir ziemlich verschmitzt vor. Ich hätte jede Wette gehalten, dass Milo jetzt schadenfroh grinste. Lausbubenhaft niederträchtig.

»Ich werde sobald wie möglich das Krankenhaus verlassen«, sagte ich. »Habt ihr die Kerle, die wir am 26. auf Pier 26 festgenommen haben, schon einvernommen.«

»Ja. Aber sie schweigen. - Ich schaue heute nach Feierabend bei dir vorbei. Außerdem solltest du nicht schon wieder den Hyperaktiven spielen, Jesse. Bleib im Krankenhaus, bis du völlig auskuriert bist und dich die Ärzte hinausschmeißen. Vorher bist du nämlich nur halbwertig. Und du wärst mir allenfalls ein Klotz am Bein.«

»Harte Worte«, knurrte ich.

»Das ist die Sprache, die du verstehst, Partner«, erwiderte Milo, und wieder sah ich ihn niederträchtig grinsen. Dann fügte er hinzu: »Auch Mr. McKee meint, du sollst das Krankenhaus nicht eher verlassen, bis dir die Ärzte grünes Licht geben.«

Heute bekam ich wieder mein Fett weg von ihm. Aber so zeigte er wahrscheinlich seine Erleichterung darüber, dass es mir den Umständen entsprechend gut ging.

»Seid vorsichtig«, sagte ich. »Mit den Kerlen ist nicht zu spaßen. Und bestelle Sarah schöne Grüße von mir. Sie soll gut auf dich aufpassen.«

»Ich richte es ihr aus. Sicher kommt sie mit, um dich zu besuchen.«

»Ich freue mich auf euch.«

»Alles wird gut, alter Haudegen.«

Mit dem letzten Wort legte Milo auf. Auch die Krankenschwester drapierte den Hörer auf den Apparat. Ich bedankte mich, dann kehrte ich in mein Zimmer zurück und legte mich ins Bett. Meine Gedanken wanderten zurück. Es begann vor zwei Wochen...

Kapitel 1

Montag, 11. April 2005...

Milo und ich hatten gerade den Dienst angetreten, als mein Telefon klingelte. Es war Mandy. »Ihr sollt sofort zum Chef kommen«, gab sie zu verstehen.

Wenn der Chef sofort sagte, dann meinte er auch sofort. Ich legte auf. »Briefing beim Chef«, sagte ich und erhob mich. Auch Milos Gestalt wuchs augenblicklich in die Höhe. »Mandy hörte sich an, als wäre irgendeine Kacke am Dampfen«, fügte ich hinzu.

»Hoffentlich dampft auch ihr Kaffee«, meinte Milo. Dann fügte er hinzu: »Na, dann wollen wir mal.«

Wir verließen unser gemeinsames Büro und saßen wenige Minuten später an dem kleinen Konferenztisch im Büro des Assistant Directors. Er schaute uns ernst an. Besonders ernst, wie mir schien. »Es geht um den Ortsteil Rossville in Staaten Eiland«, begann er. »Eine Ärztin – Dr. Susan Bent -, hat Alarm geschlagen. Statistische Auswertungen haben ergeben, dass der Anteil der Leukämieerkrankungen in diesem Ortsteil dreimal so hoch ist wie im New Yorker Durchschnitt.«

Ich hatte das Gefühl, dass ich Mr. McKee nicht gerade geistreich anschaute. Und als ich Milo einen schnellen Blick zuschoss, las ich auch in seinen Zügen Verständnislosigkeit.

»Ich will es kurz machen«, fuhr der Chef fort, als wir schwiegen. »Ein von einer Bürgerinitiative in Auftrag gegebenes Gutachten sagt aus, dass der Boden, auf dem die Wohnsiedlung gebaut wurde, total vergiftet ist. Die Rede ist von einer hohen Cyanid-, Dioxin- und Arsenkonzentration. In Rossville wurden bis vor 25 Jahren etwa die Abfälle der Bleikristall- und Porzellanindustrie entsorgt. Säurehaltiger Schlamm. Auch einige Lack-, Farb- und Holzschutzmittelfabriken entsorgten dort ihre Abfälle. Später wurde die Müllkippe mit Erdreich abgedeckt, und vor 20 Jahren etwa entstand die Wohnsiedlung.«

Ich begriff noch immer nicht, was das FBI damit zu tun haben sollte. Wahrscheinlich konnte Mr. McKee es mir von der Stirn ablesen, denn er sagte: »Das Gebiet wurde unter falschen Voraussetzungen zur Bebauung freigegeben. Ein Mann namens James Granger hatte es 1970 aufgekauft, und zwar für einen Spottpreis. Später legte er verschiedene Gutachten vor, die zum Ausdruck brachten, dass es keinerlei Bedenken gegen eine Bebauung des Terrains gebe. Die Gutachten wurden von einem Abteilungsleiter des Stadtbauamtes akzeptiert. Auch die Umweltschutzbehörde segnete sie ab. Also kaufte die Stadt New York das Gelände für 400 Millionen Dollar zurück und schuf dort eine Sozialsiedlung.«

Langsam begriff ich. »Handelte der Abteilungsleiter wider besseres Wissen?«

»Sein Name ist Robert Wallace«, sagte Mr. McKee. »Heute ist er Stadtverordneter für den Umweltschutz. Es wird davon ausgegangen, dass die Gutachter damals bestochen und die Gutachten der Umweltschutzbehörde gar nicht vorgelegt wurden. Korruption, Jesse, Milo. Es war – wer auch immer dafür verantwortlich ist – sicher nicht schwer, sich einen Stempel der Umweltschutzbehörde zu besorgen und die Unbedenklichkeit zu bescheinigen. Der Mann, der angeblich seine Unterschrift dafür hergegeben hat, ist tot. Man kann ihn nicht mehr fragen, ob er tatsächlich seine Unterschrift unter das Dokument gesetzt hat oder ob sie gefälscht wurde.«

»Darüber könnte vielleicht ein grapholigisches Gutachten Aufschluss bringen«, meinte Milo.

»Es geht um Umweltverschmutzung höchsten Grades«, sagte Mr. McKee. »Fest steht, dass der Anteil der Leukämieerkrankungen dreimal so hoch ist wie der New Yorker Durchschnitt. Da die Gutachten offensichtlich gefälscht worden sind, stehen wir einem Verbrechen gegenüber, das seinesgleichen sucht. Es geht nicht um einen oder zwei Tote – es geht darum, dass auf Grund eines mit nichts zu rechtfertigenden Profitdenkens der Tod von zig Menschen, vielleicht gehen sie in die Hunderte, billigend in Kauf genommen wurde. Ein Kapitalverbrechen, Jesse, Milo. Ich übertrage den Fall Ihnen beiden und weiß, dass er in den besten Händen ist. Tun Sie Ihr möglichstes, um Licht in das Dunkel zu bringen, vor dem wir stehen.«

»Hat die Stadt schon daran gedacht, die Siedlung zu evakuieren?«

»Robert Wallace beruft sich auf die Gutachten von damals. Das Gutachten, das durch die Bürgerinitiative veranlasst wurde, zweifelt er an. Man mache nur die Pferde scheu, meint er, ist aber nicht bereit, einen weiteren Gutachter einzuschalten. Er begründet es damit, dass ein Gutachten des erforderlichen Ausmaßes für die Stadt zu teuer käme, weil davon auszugehen sei, dass nichts weiter als Panikmache durch eine bestimmte Gruppierung im Vordergrund stehe.«

»Das ist absolut ignorant«, knurrte Milo. »Sollte der gute Mr. Wallace etwa Dreck am Stecken haben, weil er sich so sehr gegen eine neutrale Begutachtung stellt. Dass das Geld dafür fehle, ist doch nur ein vorgeschobener Grund.«

»Eine faule Ausrede.« Mit diesen Worten verlieh ich Milos Umschreibung eine deutlichere Aussagekraft. »Er will nicht, dass Versäumnisse oder sogar gesetzeswidrige Praktiken von damals aufgeklärt werden. Immerhin war er als Abteilungsleiter im Stadtbauamt einer der federführenden Beamten, die die Bebauung des verseuchten Gebietes absegneten.«

»Lebt dieser Granger noch?«, fragte ich.

»Ja. Er ist 75 Jahre alt und wohnt in der Nähe des Cloves Lakes Parks in Staten Island. Er arbeitete früher als Immobilienmakler. Jetzt führt sein Sohn Jason den Laden. Das Büro befindet sich in Manhatten, Clinton, 53. Straße.«

Mr. McKee hatte also schon wieder einiges an Vorarbeit geleistet.

»Wir werden also mit Robert Wallace, James Granger und mit Dr. Susan Bent sprechen.«

»Lassen Sie sich auch das Gutachten vorlegen, das die Bürgerinitiative in Auftrag gegeben hat. Wenden Sie sich an einen Mann namens Jim Evans. Er ist Rechtsanwalt und Vorsitzender der Bürgerinitiative. Evans wohnt in Rossville, Winant Avenue.«

Milo zog sein Notizbüchlein aus der Innentasche seiner Jacke, aus der Brusttasche holte er einen Kugelschreiber, und dann schrieb er. Hin und wieder fragte er noch einmal wegen eines Namens oder einer Anschrift nach, und Mr. McKee gab ihm geduldig Antwort...

*

Wir fuhren zunächst zur Umweltschutzbehörde. Dort legte man uns die Gutachten von 1984 vor und auch den Schriftverkehr, den die Umweltschutzbehörde mit dem Stadtbauamt und James Grangers Immobilienfirma führte. Da war auch eine Kopie der Unbedenklichkeitsbescheinigung der Umweltschutzbehörde, die ein Mann mit Namen Samuel Wordack unterzeichnet hatte. Wir erfuhren, dass Wordack 1998 gestorben war. Das Original des Dokuments befand sich bei der Baubehörde.

»Können Sie uns ein anderes Dokument mit seiner Unterschrift überlassen?«, fragte ich den Sachbearbeiter, der uns zu Diensten war.

»Wozu brauchen Sie das denn?«

»Für ein graphologisches Gutachten«, erwiderte ich. »Es besteht der Verdacht, dass die Unterschrift auf der Unbedenklichkeitsbescheinigung gefälscht ist.«

Der Mann suchte in dem Schnellhefter herum, dann entnahm er ein Schriftstück und reichte es mir. Es war von Wordack unterschrieben. Ich verglich die Schriftzüge. Mit dem bloßen Auge des Laien, der ich war, konnte ich keinen Unterschied feststellen.

»Wir nehmen die beiden Schriftstücke sowie das Gutachten mit«, erklärte ich dem Mann. »Sie können sich Kopien für Ihre Akten anfertigen.«

»Das ist nicht so einfach«, murmelte er.

»O doch«, sagte Milo. »Es ist noch viel einfacher. Wir brauchen nur einen Beschlagnahmebeschluss erwirken.« Mein Freund und Partner lächelte freundlich.

Der Sachbearbeiter strich sich mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn. »Ich spreche mit meinem Vorgesetzten«, murmelte er schließlich. »Gedulden Sie sich einen Augenblick.«

Er verließ das Zimmer...

Kurz und gut, fünf Minuten später händigte er uns aus, was wir für unsere Ermittlungen brauchten. Für jede Seite, die wir dem Ordner entnahmen, fertigte er eine Kopie, auf der er vermerkte, dass das Original dem FBI überlassen worden war. Er versah den Vermerk mit Handzeichen und Datum. Das nahm einige Zeit in Anspruch...

»Ein I-Tüpfelchenscheißer allererster Ordnung«, murmelte Milo, als wir das Büro verlassen hatten und auf dem Weg zum Ausgang waren. »Am liebsten hätte er von jeder Kopie noch eine Sicherheitskopie gefertigt.«

»Ein akkurater Beamter«, versetzte ich. »Nimm dir ein Beispiel.«

Ich erntete dafür einen Knuff gegen die Rippen.

Wir fuhren ins Federal Building, um uns die Gutachten und den Schriftwechsel zu Gemüte zu führen.

Die Gutachten bestätigten, dass die Analyse des Bodens im Gebiet nördlich der Woodrow Road, zwischen Bloomingdale Road und Huguenot Avenue sowie südlich der Veterans Road, keine gesundheitlichen Bedenken im Bezug auf eine Besiedlung ergeben habe.

Gutachter war zum einen ein Mann namens Edgar Galbraith, ein zweites Gutachten wurde von einem Geologen namens Bruce Thomas erstellt.

Die Anschriften der beiden herauszufinden war nicht schwer. Sicher waren die beiden auch schon im Rentenalter, wenn sie überhaupt nach am Leben waren.

Wir ließen uns einen Termin beim Stadtverordneten für Umweltschutz, bei Mr. Robert Wallace also, geben. Wir bekamen ihn. Am 12. April um 14 Uhr. Wir waren absolut pünktlich. Der Stadtverordnete war ein Mann Mitte der 50, grauhaarig, distinguiert und von übertriebener Höflichkeit. Er bat uns, Platz zu nehmen und fragte, ob er uns etwas zum Trinken anbieten dürfte. Wir lehnten dankend ab. Ich kam sogleich auf den Grund unseres Besuches zu sprechen:

»Es geht um den Stadtteil Rossville in Staten Island, Sir. Damals wurden Gutachten vorgelegt, die die Unbedenklichkeit der Bebauung zum Ausdruck brachten. Gutachter waren Edgar Galbraith und Bruce Thomas. Sie waren damals Abteilungsleiter im Stadtbauamt...«

»Ich darf Sie bitten, sich kurz zu fassen«, fuhr mir der Stadtverordnete in die Rede. Er war plötzlich wie umgewandelt. Von seiner Höflichkeit war nicht mehr viel übrig geblieben. »Meine Zeit ist begrenzt. Um 14 Uhr 15 habe ich den nächsten Termin. Eine unaufschiebbare Angelegenheit...«

»Sie werden sich die Zeit nehmen müssen, Sir«, versetzte ich vielleicht eine Nuance zu schroff. Aber dieser Mann zeigte sich plötzlich ausgesprochen arrogant und ließ uns spüren, dass wir für ihn kleine Pinscher waren, so dass er bei mir zum absoluten Unsympathen avancierte und ich aus meiner Abneigung auch kein Hehl machte. Darum nahm ich auch kein Blatt vor den Mund. »Es geht um die Klärung der Frage, inwieweit die Gutachter bestochen waren und Korruption im Spiel war.«

Wallace funkelte mich an. Etwas Feindseliges ging plötzlich von ihm aus. Er ließ mich deutlich spüren, dass die Antipathie auf Gegenseitigkeit beruhte.

»Na schön«, dehnte er. »Ich war damals Abteilungsleiter im Stadtbauamt. Sie sprechen von gefälschten Expertisen und Korruption, G-man. Raus mit der Sprache: Was werfen Sie mir vor?«

»Zunächst nichts, Mr. Wallace«, entgegnete ich kühl. »Es gibt ein neueres Gutachten, das keinen Zweifel darüber aufkommen lässt, dass der Boden, auf dem die Sozialsiedlung Rossville entstand, verseucht ist. Altlasten, Sir. Glas- und Porzellanfabriken haben damals dort säurehaltigen Schlamm entsorgt, Lack- und Farbenfabriken ihre Abfälle. Die ehemalige Abraumhalde birgt in hohen Dosen Cyanid, Dioxin und Arsen. Der Anteil der Leukämieerkrankungen in Rossville ist dreimal so hoch wie normal...«

»Was ist normal?«

»Der Durchschnitt der Erkrankungen gemessen an der Einwohnerzahl New Yorks.«

»Aha. Also gut. Die neuerlichen Messungen haben Cyanid-, Dioxin- und Arsenvorkommen ergeben. Was soll ich tun? Die Evakuierung und den Abriss des gesamten Ortsteils betreiben?«

Wallace hatte sich weit vorgebeugt und das Kinn vorgeschoben. Er erinnerte jetzt an einen trotzigen Jungen, der seine Suppe nicht aufessen wollte. Sein Blick schien mich zu durchbohren.

Ich sagte: »Sie bezweifeln die Richtigkeit der Messungen in dem Gutachten, das die Bürgerinitiative in Auftrag gegeben hat. Warum lassen Sie kein Gutachten erstellen?«

»Weil es zu viel Geld kostet und weil bereits zwei Gutachten vorliegen, die gesundheitliche Beeinträchtigungen infolge der Bodenbeschaffenheit in Rossville ausschließen.«

»Die Feststellungen Dr. Susan Bents ergeben ein anderes Ergebnis«, mischte sich Milo ein. »Sie sammelt seit 15 Jahren Daten. Auch andere Ärzte und Krankenhäuser sind eingeschaltet. Fakt ist, dass der Anteil der Leukämieerkrankungen dreimal so hoch ist wie im New Yorker Durchschnitt.«

»Was ist der New Yorker Durchschnitt?«, fragte Wallace. Er hatte die linke Braue hochgezogen. Wenn Arroganz einen Namen gehabt hätte, würde sie sicher Robert Wallace geheißen haben. Ein Kotzbrocken...

»Die medizinische Statistik zählt durchschnittlich 15 Neubildungen von Leukämie pro 100.000 Einwohner im Jahr«, erklärte Milo. »In Rossville sind es – hochgerechnet – fast 50 Erkrankungen. Auf 2.000 Einwohner kommt ein Leukämiekranker. Vor allem Kinder sind betroffen.«

»Ist das ein Grund, in Hysterie auszubrechen? Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich ist es tragisch, dass es in Rossville einen besonders hohen Anteil an Leukämieerkrankungen zu geben scheint. Aber kann das nicht auf anderen Ursachen beruhen? Kann es nicht auch Zufall sein?«

»Dr. Susan Bent hat eine Studie verfasst. Sie erforscht das Phänomen der Vielzahl der Erkrankungen in Rossville seit 15 Jahren. In Ihrer Arbeit kommt sie eindeutig zu dem Schluss, dass Umweltgifte ursächlich für den hohen Anteil der Erkrankungen sind. Es passt alles wie ein Mosaikstein zum anderen. Und Ihr Verhalten, Sir, lässt den Schluss zu, dass man die Sache herunterspielen, wenn nicht sogar die Fakten unterdrücken oder vertuschen will.«