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Krimi von Pete Hackett Der Umfang dieses Buchs entspricht 239 Taschenbuchseiten. Die FBI-Agenten Trevellian und Tucker haben viel zu tun. Ein korrupter Kollege hat eine Geisel genommen und muss gestellt werden. Ein Dealer ist gerade verhaftet worden und ein junges Mädchen ist ermordet im Haus eines Satanspriesters gefunden worden. Wirklich Arbeit genug.
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Seitenzahl: 248
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Trevellian und die Tage des Hasses: Action Krimi
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Krimi von Pete Hackett
Der Umfang dieses Buchs entspricht 239 Taschenbuchseiten.
Die FBI-Agenten Trevellian und Tucker haben viel zu tun. Ein korrupter Kollege hat eine Geisel genommen und muss gestellt werden. Ein Dealer ist gerade verhaftet worden und ein junges Mädchen ist ermordet im Haus eines Satanspriesters gefunden worden. Wirklich Arbeit genug.
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Alfred Bekker
© Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Dave Lancing, Mitglied des City Councils von New York, überquerte mit seinem Oldsmobile die Verrazano Narrow Bridge, um nach Staaten Island zu gelangen. In diesem Stadtteil war er zu Hause. Hier besaß er einen Bungalow in einem parkähnlichen Garten, hier war er Privatmann und Familienvater.
Der Verkehr war katastrophal. Im Schritttempo schob sich die Lawine aus lackiertem Stahlblech über die Brücke. Manches mal kam der Verkehr völlig zum Erliegen. Das Hupkonzert, das einige besonders ungeduldige Zeitgenossen veranstalteten, schmerzte in den Ohren. So mancher Blutdruck ging nach oben.
Dave Lancing hüllte sich in Geduld. Es war die Zeit der Rush Hour, und nur ein Mann mit stählernen Nerven konnte hier die Ruhe bewahren.
Die Sonne stand im Westen und blendete Lancing. Er klappte den Sonnenschutz nach unten. Als er immer noch geblendet wurde, griff er in die Konsole und angelte sich die Sonnenbrille, die da lag. Die Sonnenschutzblende klappte er wieder hoch, als seine Augen von den schwarzen Gläsern geschützt wurden.
Die Brücke lag schließlich hinter Dave Lancing. Aufatmend fuhr er den Staaten Island Expressway hinunter und bog nach rechts in die Bradley Avenue ab. Das Verkehrsaufkommen ließ nach. Lancing empfand es als Wohltat.
Das Autoradio lief. Der Sender spielte den Blondie-Hit 'Maria'. Gutgelaunt pfiff Dave Lancing mit. Er kam von einer Sitzung. Es hatte einiges abzustimmen gegeben in der Stadtverordnetenversammlung. Die meisten der anstehenden Probleme waren gelöst worden. Und darum war Lancing guter Laune.
Die Bradley Avenue ging über in die Brielle Avenue. Lancing rollte durch den La Tourette Park und erreichte Heartland Village.
Am Kelley Boulevard wohnte er. Es war ein ausgesprochen ruhiges Viertel. Hier hatte sich eine gehobenere Klasse etabliert. Ärzte, Rechtsanwälte, Geschäftsleute, Manager, einige Schauspieler...
Ein Buick setzte an, um den Oldsmobile zu überholen. Lancing achtete nicht darauf. Ein einzelner Mann saß in dem Buick. Als er auf einer Höhe mit dem Oldsmobile fuhr, verkrallte sich sein sengender Blick regelrecht an Dave Lancing. Sein Gesicht war gestrafft. In seinen Augen glitzerte es hassvoll. Seine Lippen formten ein einziges Wort, heiser brach es aus seiner Kehle:
"Schwein!"
Dann war er vorbei und fädelte sich wieder auf der rechten Spur ein. Er fuhr an Lancings Anwesen vorüber, wendete auf einer Kreuzung und kam langsam zurück.
Er parkte den Buick. Das Seitenfenster senkte sich langsam nach unten. Das Gesicht des Mannes im Buick war schmal und lang. Dunkelblonde Haare wellten sich auf seinem Kopf nach hinten. In seinem Gesicht zuckte kein Muskel. Er starrte dem Wagen des Stadtverordneten entgegen. In seinen Augen loderte das Feuer einer verzehrenden Leidenschaft – einer tödlichen Gier.
Dave Lancing setzte den rechten Blinker, holte etwas nach links aus und schlug das Lenkrad scharf nach rechts ein, als er das schmiedeeiserne Tor erreichte, das die Zufahrt zu seiner Garage weit hinten in dem riesigen Garten versperrte. Wuchtige Granitsäulen hielten die beiden Torflügel. Daneben war eine ebenfalls schmiedeeiserne Tür, durch die man zu Fuß den Garten betreten konnte. Die Auffahrt mutete an wie eine Allee. Alte Laubbäume säumten sie, deren Zweige und Äste sich zu einem Blätterdach verflochten hatten.
Lancing war stolz auf das, was er erreicht hatte im Leben und was er sich und seiner Familie geschaffen hatte. Er gehörte zu den führenden Köpfen New Yorks, stand im Rampenlicht der Öffentlichkeit und seine Beziehungen reichten weit über die Grenzen der Stadt hinaus bis ins Weiße Haus in Washington.
Vor zwei Tagen erst hatte er als Vertreter des Town Majors die neue, supermoderne Müllverbrennungsanlage ihrer Bestimmung übergeben. Er hatte eine brillante Rede gehalten. Sie war von vielen Fernsehanstalten live übertragen worden. Einflussreiche Leute, deren Namen er bis zu diesem Zeitpunkt nur vom Hörensagen kannte, kamen auf ihn zu.
Ja, er war ein gefragter und begehrter Mann. Sein Bestreben war es, eines Tages der erste Mann New Yorks zu sein. Er traute es sich zu, die Geschicke der Stadt zu leiten. Dave Lancing war ausgesprochen von sich und seinen Fähigkeiten überzeugt...
Eine Fernbedienung ließ das kunstvoll geschmiedete Tor langsam, wie von Geisterhand bewegt, aufschwingen.
Der Sender brachte zwischenzeitlich einen Song von Elton John. Auch diese Melodie pfiff Lancing mit. Er sah nicht die Pistole, deren Lauf ein Stück aus dem Fenster des Buick geschoben wurde. Der Mann im Buick zielte sorgfältig. Dann drückte er ab. Die Nowlin Dominator mit Präzisionsvisier, Kaliber 38 Super Automatic, bäumte sich kaum auf in seiner Faust. Der Schuss peitschte. Die Kugel zerschlug die Seitenscheibe des Oldsmobile und traf Dave Lancing in die Schläfe.
Die Sonnenbrille flog davon. Blut spritzte. Es lief über Windschutz- und hintere Seitenscheibe, besudelte den Himmel des Oldsmobile und die Sitze. Die rechte Seitenscheibe wurde von dem austretenden Geschoss zerschmettert.
Dave Lancing kippte auf den Beifahrersitz. Die Kugel hatte ihm beim Austritt den halben Kopf weggerissen. Er war auf der Stelle tot.
Der Fahrer des Buick zog ungerührt die Faust mit der Pistole zurück. Er legte die Waffe auf den Beifahrersitz. Sein Gesicht verriet nicht die Spur einer Gemütsregung. Die Seitenscheibe hob sich. Der Buick schob sich aus der Parklücke und rollte in die Straße. Schnell fuhr er in Richtung Brielle Avenue.
Der Killer verschwand im Verkehrsgewühl...
Ein Mercedes der gehobenen Klasse musste anhalten, weil der Oldsmobile quer auf dem Kelley Boulevard stand, so dass nur der Gegenverkehr vorbeifahren konnte.
Der Mercedesfahrer hupte.
Der Oldsmobile stand mit laufendem Motor. Die Blinklichter blieben an. Der Fahrer des Mercedeses wunderte sich, weil er niemand hinter dem Steuer sah. Seine Stirn legte sich in Falten. Denn auch beim Gartentor konnte er den Fahrer des Oldsmobile nicht entdecken.
Hinter dem Mercedes blieben zwei weitere Fahrzeuge stehen. Auch sie hupten. Der Lenker des hintersten Wagens stieg aus. "Was ist denn los? Will der Idiot nicht endlich von der Straße fahren?", ertönte sein wütendes Organ.
Der Mann im Mercedes wurde auf die zertrümmerte Scheibe der Beifahrertür aufmerksam. Die Scheibe der rechten Fondtür war mit dunklen Flecken gesprenkelt, von denen aus dünne, dunkle Spuren nach unten liefen. Es sah aus, als wäre sie mit Sirup bespritzt worden.
Der Mercedesfahrer stellte den Motor ab und stieg aus dem Wagen.
Als er ins Innere des Oldsmobile schaute, wurde er bleich, dann entfuhr es ihm fassungslos: "Mein Gott! O mein Gott! Der Mann – der Mann – ist – tot! Dem – dem fehlt – der – halbe – Kopf!"
Der Stau aus Erschrecken, Erschütterung und Betroffenheit, der sich in seiner Brust bildete, brach sich Bahn in einem rasselnden Atemzug. In seinem Magen formte sich der Ball der Übelkeit. Solche Bilder war dieser Mann allenfalls aus sogenannten Antikriegsfilmen gewohnt, in denen Arme und Beine von Granatsplittern weggerissen werden oder Köpfe unter dem Einschlag von Kugeln zerplatzen.
Nun wurde er mit der brutalen Wirklichkeit konfrontiert.
Seine Lippen zuckten. Die Stimmbänder versagten. Er wankte zum Gartenzaun, der von einer dichten Koniferenhecke überragt wurde und übergab sich würgend.
Zwischenzeitlich hatten weitere Autos angehalten. Männer und Frauen stiegen aus. Warnblinkanlagen gingen an. Vom Bungalow des Stadtverordneten her näherte sich ein etwa 20jähriger Bursche, den der Lärm auf der Straße vor dem Anwesen herausgelockt hatte. Das war Dave Lancing jr., der Sohn des Stadtverordneten.
Rufe nach der Polizei wurden laut. Eine Frau brach besinnungslos zusammen. Als der Sohn des Stadtrates einen Blick in den Oldsmobile warf, entrang es sich ihm fast wimmernd: "Dad, guter Gott, Dad..."
Er taumelte zur Seite. In seinen Zügen wühlte das Grauen. Es überstieg seinen Verstand. Er war zu nichts fähig, war jeglichen Gedanken, jeglichen Willens beraubt.
Zehn Minuten später kamen zwei Einsatzfahrzeuge der City Police. Ein beherzter Mann, der am Schauplatz des Verbrechens nicht die Nerven verlor und kühlen Verstand bewahrte, hatte sie per Notruf verständigt. Zwei der Polizisten sicherten den Oldsmobile, die anderen forderten die Neugierigen auf, in ihre Autos zu steigen und die Straße zu räumen. Per Funk wurde Verstärkung angefordert.
Weitere 30 Minuten später tauchten die Beamten der Mordkommission auf. Ed Schulz, der Vertreter des Leiters des Homicide Squad, führte den Trupp an. Mit ihnen kamen die Leute von der Spurensicherung. Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft erschien. Und schon bald tauchten erste Fotoreporter auf.
Gegen sieben Uhr abends waren sämtliche Polizeidienststellen New Yorks informiert, dass der Stadtverordnete Dave Lancing in seinem Wagen ermordet worden war...
Milo und ich betraten in dem Moment das Büro Mr. Jonathan D. McKees, als das Telefon auf dessem Schreibtisch dudelte. Am anderen Ende der Strippe war Harry Easton, Chef des Homicide Squad des Police Departement New York. Wir nannten ihn nur Cleary. Diesen Spitznamen hatte Harry Easton erhalten, weil er sich immer wieder damit brüstete, dass seine Jungs so ziemlich jeden Mordfall aufklärten. Wir arbeiteten oft und gerne mit Cleary zusammen. Er war von echtem Schrot und Korn, wie man so sagt.
Milo und ich setzten uns auf einen einladenden Wink des Chefs hin an den Konferenztisch und hörten aufmerksam zu. Mr. McKee hatte den Lautsprecher eingeschaltet.
"Was denken Sie, Mr. Easton?", fragte der Chef, nachdem er minutenlang nur gelauscht hatte. Minuten, in denen sich seine aristokratischen Gesichtszüge mehr und mehr verschlossen hatten und in seine Augen ein nachdenklich-besorgter Ausdruck getreten war. "Hat der Mord einen politischen oder terroristischen Hintergrund?" Er zögerte kurz, dann setzte er hinzu: "Oder hatte jemand mit Lancing eine alte Rechnung zu begleichen?"
Diese letzte Frage war auf jeden Fall berechtigt. Bürgermeister und Stadtrat konnten nicht jedem Bürgeransinnen gerecht werden. Oft musste das eine oder andere Begehren abgewiesen werden, weil ganz einfach das öffentliche Interesse überwog. Hin und wieder führte dies auch zu Ungerechtigkeiten, was die Unzufriedenheit einzelner Betroffener oder ganzer Gruppen schürte. Nicht jeder war auf die politische Führung der Stadt und die ausführenden Organe gut zu sprechen.
Aber konnte Unzufriedenheit derart in Hass umschlagen, dass an dessem Ende ein brutaler Mord stehen konnte?
"Das wissen wir nicht", tönte Clearys Organ durch den Lautsprecher. "Im Moment wissen wir überhaupt nichts. Wir werden wohl nicht einmal in der Lage sein, festzustellen, mit welcher Waffe Lancing getötet wurde. Die Kugel hat seinen Kopf durchschlagen und ist durch das Fenster auf der Beifahrerseite davongeflogen. Leute von der Spurensicherung sind zwar mit Metalldetektoren im Garten und in der Umgebung des Anwesens unterwegs, ob sie das Geschoss je finden, ist fraglich."
"Vielleicht gibt es einen Bekennerbrief", wandte Mr. McKee ein.
"Bis dato nicht. Es gibt weder einen Augenzeugen noch sonst einen Hinweis. Im Moment stehen wir vor einem Rätsel. – Okay, Mr. McKee. Das FBI wird die schriftlichen Ermittlungsergebnisse zu gegebener Zeit erhalten. Sollte sich ein rechtsextremistischer, terroristischer Hintergrund für den Mord herauskristallisieren, werden wir die weiteren Ermittlungen an den FBI abgeben. Sie sind auf jeden Fall vorab informiert."
"Danke, Mr. Easton", sagte der Chef, dann legte er auf.
Dieser Austausch zwischen den Polizeibehörden war ausgesprochen wichtig. Oft konnten in enger Zusammenarbeit Täterprofile erstellt und Erkenntnisse getroffen werden, die zur Klärung schier unlösbarer Fälle führten.
Der Special Agent in Charge des FBI New York schaute abwechselnd von Milo auf mich. Wir schwiegen erwartungsvoll.
"Man weiß nie, was dahintersteckt, wenn ein Politiker ermordet wird", hub Mr. McKee schließlich gedankenvoll an. "Aber da es nicht unser Fall ist, brauchen wir darüber noch keinen Gedanken verschwenden. Die Mordkommission ermittelt. Man wird uns über das Ergebnis der Ermittlungen unterrichten. – Wie weit sind Sie in der Sache Brannigan, Jesse, Milo? Sind die Kerle, die Sie festgenommen haben, geständig?"
"Rufus Brannigan selbst hat uns vor einer halben Stunde den Namen seines Informanten genannt", erwiderte ich. "Es ist Sergeant Oscar Palmer von der City Police. Er hat für jeden Tipp 500 Dollar kassiert."
"Haben Sie die Festnahme dieses Mannes in die Wege geleitet?"
Jetzt war es Milo, der Antwort gab. Er nickte und sagte: "Ja. Die Kollegen Palmers sind informiert. Sie werden uns Vollzug melden, wenn Palmer dingfest gemacht ist."
"Sehr gut." Der Chef war zufrieden. "Dann können wir diesen Fall also abschließen."
"Brannigans Anwalt hat Kaution in Höhe von einer Million Dollar geboten", wandte Milo ein. "Möglicherweise ist der Gangster schon bald wieder auf freiem Fuß."
"Das möge der Himmel verhüten", kam es von Mr. McKee. "Aber sollte es so kommen, dann werden wir es wohl nicht verhindern können. Manchmal habe ich den Eindruck, dass selbst Gerechtigkeit nur eine Frage des Geldes ist."
Eine Philosophie, die ich mir selbst schon seit einiger Zeit gebildet hatte. Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Man konnte dies auch auf die Armen und Reichen ummünzen.
"Es treiben sich gewiss noch einige Handlanger Brannigans herum", erklärte ich. "Ich nehme an, dass er einige Streetworker mit dem Straßenverkauf beschäftigte. Aber das sind die kleinen Lichter, und die Kollegen vom Departement können sie nach und nach kassieren."
Da schlug das Telefon auf dem Schreibtisch des Chefs erneut an. Er nahm ab, meldete sich, und dann hörten wir die Stimme eines Mannes: "Lieutenant Morgan vom Departement. Guten Abend Mr. McKee. Eigentlich wollte ich mit Special Agent Trevellian reden. Den konnte ich unter seiner Durchwahlnummer leider nicht erreichen."
"Trevellian und Tucker sind bei mir. Worum geht es, Lieutenant?"
"Nachdem Trevellian uns vorhin verständigte, wollten einige Kollegen Oscar Palmer vom Arbeitsplatz weg verhaften. Palmer gelang allerdings die Flucht. Er muss etwas geahnt haben und war vorbereitet. Der Schuft hat eine Beamtin als Geisel genommen und zwang sie mit vorgehaltener Waffe, das Patrolcar zu steuern, mit dem er floh."
Das traf. Ich glaubte, mich verhört zu haben. Wir, also Milo und ich, saßen da wie vom Blitz gestreift. Und auch beim Chef konnte ich ein hohes Maß an Fassungslosigkeit feststellen.
Sekundenlang herrschte im Büro Atemlosigkeit.
Dann stieß der SAC hervor: "Wurde die Verfolgung des Gangsters aufgenommen?"
"Gewiss. Palmer konnte in der 28. Straße Ost gestellt werden. Er hat sich dort mit der Geisel in einem abbruchreifen Haus verschanzt."
Milo und ich standen schon.
Der Chef sagte in die Sprechmuschel: "Danke, Lieutenant. Wir kümmern uns darum." Er legte auf.
Der SAC musste keine Anordnung erteilen. Wir ergriffen ohne große Worte die Initiative und waren schon in Richtung Tür unterwegs. Doch Mr. McKees mahnende und eindringliche Stimme holte uns ein: "Kein Risiko, G-men! Das Leben der Geisel darf auf keinen Umständen auf's Spiel gesetzt werden. Ebenso wenig wie Ihr eigenes Leben."
Ich versprach Besonnenheit.
"Wir halten Sie auf dem Laufenden, Sir!", rief Milo über die Schulter.
Dann waren wir draußen.
Wir benutzten den Aufzug.
Wenige Minuten später trug uns der Wagen aus der Tiefgarage. Ich lenkte ihn nach Norden...
Ja, wir hatten Rufus Brannigan und seine Kumpane auffliegen lassen. Brannigan hatte mitten in Clinton einen Laden betrieben, in dem nicht nur der illegalen Prostitution nachgegangen wurde, sondern auch ein florierender Handel mit Heroin, Extasy und anderen Drogen stattfand.
Sergeant Oscar Palmer hatte ihn in den vergangenen Monaten regelmäßig informiert, wenn im 'White Flamingo' eine Razzia geplant war.
Jetzt hatten die Männer vom Police Departement Oscar Palmer in einem leerstehenden Haus in der 28. Straße Ost in die Enge getrieben.
Die Straße war von Patrolcars blockiert.
Wir verließen den Sportwagen und wiesen uns den Cops gegenüber aus, die uns aufhalten wollten. Einer sagte: "Der Chef persönlich ist vor wenigen Minuten angekommen. Er..."
Der Mann verstummte und zog den Kopf zwischen die Schultern. Schmerzlich verzog er dabei das Gesicht. Und uns riss es fast aus den Schuhen, denn der Bass eines Mannes brüllte soeben aus der Deckung eines Einsatzfahrzeuges:
"Geben Sie endlich auf, Palmer! Der Bau ist umstellt! Sie sitzen wie eine Ratte in der Falle! Zwingen Sie uns nicht, Gas einzusetzen. Herrgott, Mann, Palmer! Sie wissen doch, dass sie keine Chance haben. Also..."
Milo und ich schauten uns über das Autodach hinweg an. So brüllte nur einer, und dieser eine war niemand anderes als Hywood, der 'Chief of Police Departement'. Er benötigte kein Megafon, um mit seinem Organ alle anderen Geräusche zu übertönen. Es ging das Gerücht um, dass die Wolkenkratzer Manhattans wackelten, wenn Hywood loslegte.
Der alte Haudegen hatte es sich nicht nehmen lassen den Einsatz, bei dem es um das Leben einer jungen Beamtin ging, selbst zu leiten.
Ich registrierte alle Eindrücke, die sich mir boten. Ein ganzer Konvoi von Polizeifahrzeugen war aufgefahren. Da es schon ziemlich dunkel war, schleuderten die Blinklichter auf den Autodächern rote und blaue Reflexe gegen die Hausfassaden, auf die Straße und über die Polizisten, die sich hinter ihren Fahrzeugen verschanzt hatten. Drei große Scheinwerfer waren auf das Haus gerichtet. Sie sollten Palmer blenden, falls er aus einem der Fenster feuerte. In sicherer Deckung sah ich auch einige Fotoreporter mit 'schussbereiten' Kameras.
Die Donnerstimme Chief Hywoods erklang wieder: "Steh'n Sie wie ein Mann zu Ihren Verfehlungen, Palmer! Verdammt sei Ihre schwarze Seele, wenn Sie Susan oder einem der Männer hier ein Haar krümmen. Machen Sie alles nicht noch schlimmer, als es sowieso schon ist. Also, Palmer, lassen Sie Susan frei, kommen Sie mit erhobenen Händen aus dem Bau und tragen Sie die Konsequenzen!"
Milo und ich schauten uns über das Autodach hinweg an. Milos linke Braue zuckte in die Höhe: "Hoffentlich werden die Einsatzkräfte nicht besinnungslos von Hywoods Gebrüll", rief Milo mir zu.
"Noch mehr befürchte ich, dass er das Haus zum Einsturz bringt", knurrte ich. "Dann braucht er schweres Gerät, um Palmer rauszuholen. - Gehen wir zu ihm."
Wir liefen geduckt im Schutz der Patrolcars, die die Straße verstopften, zu Chief Hywood hin. Er wollte gerade wieder ansetzen, als wir bei ihm ankamen. Der Polizeichef hatte Mühe, seine riesenhafte Gestalt hinter dem Fahrzeug zu verbergen. In seiner Gegenwart fühlte ich mich wie ein Zwerg. Das gewaltige Organ passte also ganz und gar zu seiner Erscheinung.
Erst schaute Chief Hywood verblüfft, dann verkniffen, und schließlich röhrte sein Organ: "Aaah, die Agenten vom FBI kommen auch schon! Hat Sie euer Chef zu spät verständigt, oder haben Sie den Einsatz mit einer Spazierfahrt verwechselt. - Keine Rechtfertigung, keine Ausflüchte und keine faulen Ausreden! Ihr wisst, was abläuft. Palmer hat sich mit Susan Kellerman in dem Haus verschanzt. Und es scheint, dass der Schuft zum Letzten entschlossen ist."
Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten. Dass Hywood uns anraunzte, hatten wir ja erwartet. Er war ein Choleriker allererster Ordnung. Das Schöne an Chief Hywood aber war, dass er es bei Weitem nicht so meinte, wie er es hinaus posaunte. Wahrscheinlich hatte er nicht mal einen Gedanken daran verschwendet, wo wir blieben. Aber jetzt, da wir auftauchten, bekamen wir einen seiner verbalen Rundschläge mit.
Nun, was soll ich sagen? Wir schluckten es. Hywood wurde sicherlich von der Sorge um die junge Susan Kellerman zerfressen. Ähnlich wie Mr. McKee für seine Agenten empfand, waren bei Hywood die Empfindungen für seine Beamten. Er nahm sich das Schicksal eines jeden zu Herzen, war Vorgesetzter, Ratgeber und Beichtvater in einer Person.
Raue Schale – weicher Kern! Das war Chief Hywood.
Er wandte sich schon wieder von uns ab und ließ seine Donnerstimme ertönen: "Ich gebe Ihnen genau drei Minuten Zeit, Palmer. Dann kommen wir mit Gas! Sie wissen selbst am Besten, wie sich ein Mann fühlt, der dem Gas ausgesetzt war. Also, Palmer, drei Minuten. Gehen Sie in sich, Sergeant. Drei Minuten sind eine kurze Zeit, wenn es einem an den Kragen gehen soll."
Die Worte trieben über die Straße wie ein Manifest. Nach drei Minuten würde Hywood einen Spezialtrupp mit Gaspatronen losschicken. Die Männer waren mit Atemschutzmasken ausgerüstet und trugen kugelsichere Westen. Dennoch war es gefährlich, den Bau zu stürmen. Palmer würde sich wehren wie ein in die Enge gedrängtes Raubtier. Vor allen Dingen war Susan Kellerman gefährdet, die der Stimmung des korrupten Sergeanten hilflos ausgeliefert war.
Ich legte dem Polizeichef vorsichtig die Hand auf die Schulter. "Wenn es gestattet ist..."
Er fuhr herum. Ehe er jedoch loslegen konnte, stieß ich schnell hervor: "Palmer wird vom Mut der Verzweiflung geleitet, Chief. Wenn Sie Gas einsetzen, wird Susan in Mitleidenschaft gezogen. Vielleicht bringt Palmer sie auch um. Das wäre ein viel zu teuer erkaufter Erfolg. Mein Kollege Tucker und ich gehen in das Gebäude und holen Palmer heraus. Ich denke, Sie sind damit einverstanden."
Hywoods Stirn legte sich in Falten. Grübelnd schaute er mich an. Dann stieg es aus seiner Kehle: "Es wäre aber auch ein hoher Tribut an einen Erfolg, wenn er Sie oder Tucker verletzt oder tötet, Special Agent."
"In welchem Stockwerk hat er sich verschanzt?", fragte ich.
"Das wissen wir selbst nicht so genau. Sicher ist nur, dass er drin ist und wir den Bau hermetisch abgeriegelt haben. - Wie haben Sie es sich vorgestellt, Trevellian? Wollen Sie einfach hineingehen und..."
"Nein." Ich schüttelte den Kopf. "Sie werden Palmer ablenken, Chief. Und wir beide... – Nun, Sie werden es sehen. Lenken Sie ihn ab, verwickeln Sie ihn in ein Gespräch. Machen Sie's auf die Psychologische. Sobald Milo und ich das Haus betreten haben, warten sie noch fünf Minuten, und dann lassen Sie die Sirenen Ihrer Fahrzeuge heulen."
Plötzlich erklang Palmers Stimme: "Kommt nur mit Gas, kommt nur! Zu aller erst knalle ich Susan eine Kugel zwischen die Augen, Chief. Und dann erschieße ich mich selbst. Es wäre für Sie ein Pyrrhussieg. Ich fordere, dass Sie samt Ihren Leuten abziehen. Wenn ich merke, dass einer Ihrer Männer das Haus betritt, stirbt Susan."
"Das ist doch Blödsinn, Palmer!", brüllte Hywood mit Stentorstimme. "Was haben Sie davon, wenn Sie Susan töten? Für Ihre Taten werden Sie sicher einige Jahre ins Gefängnis marschieren. Doch irgendwann kommen Sie auch wieder frei. Und dann..."
"Ich gebe Ihnen eine Viertelstunde, die Straße zu räumen, Chief!", schrie Palmer. "Sollte ich nach Ablauf dieses Ultimatums auch nur noch die Nasenspitze eines Cops sehen, haben Sie Susan auf dem Gewissen."
Milo und ich rannten schon – gedeckt von den Einsatzfahrzeugen -, den Gehsteig hinunter. Im toten Winkel zu dem vierstöckigen Gebäude, in dem sich Palmer mit seiner Geisel verkrochen hatte, überquerten wir die Straße. Auf der anderen Seite kamen wir zurück. Wir bewegten uns dicht an der Hauswand. Schließlich erreichten wir die Haustür.
Drüben brüllte Hywood: "Sie wissen, dass sich das Departement nicht erpressen lässt, Palmer. Noch einmal: Der Tod Susans und Ihr eigener wären sinnlos. Drohen können Sie damit nicht. Wir lassen uns auch nicht einschüchtern. Grundgütiger, Palmer, lassen Sie die junge Frau laufen. Sie hat Ihnen nichts getan. Denken Sie daran, dass ein Mann und ein zweijähriges Mädchen zu Hause auf Susan warten. Denken Sie auch an Ihre eigene Familie, Palmer. An Ihre Frau und Ihre beiden Söhne. Sollen die Nachbarn mit Fingern auf sie weisen und sagen: 'Das ist die Frau eines gemeinen Mörders! Das sind die Söhne eines Mannes, der eine junge Mutter ermordete!'"
O ja, Chief Hywood verstand es, Palmer von der richtigen Seite anzupacken. Angewandte Psychologie, nennt man so etwas. Nun, psychologische Schulung gehört zur Ausbildung eines jeden Polizisten. Und einem Täter das Los seiner Familie vor Augen zu führen, führt oftmals zum Erfolg...
Die Tür ließ sich öffnen. Im Treppenhaus war es stockfinster. Muffiger, modriger Geruch empfing uns. Ratten und Mäuse waren wahrscheinlich die einzigen Lebewesen, die seit Jahren hier ihr Unwesen trieben.
Ich hörte Palmer heiser rufen: "Kommen Sie mir nicht damit, Chief. Die Nachbarn werden auch so mit Fingern auf meine Familie deuten. Außerdem wird meine Frau mich sowieso verlassen. Was habe ich noch zu erwarten? Nichts, außer vielen Jahren auf Rykers Island. Als ehemaliger Cop hätte ich dort die Hölle. – Heh, Chief, von der Viertelstunde sind zwei Minuten um. Ich spaße nicht! Ich puste Susan das Hirn aus dem Schädel. Und mit dem nächsten Schuss erledige ich mich selbst. Was denken Sie, werden die Medien bringen? Polizeichef nimmt Tod einer Geisel in Kauf!"
Palmer lachte scheppernd.
"Er ist in der 2. Etage", raunte mir Milo zu.
"Ja. Hoffentlich brüllte Hywood lange genug", versetzte ich. "Denn die alte Treppe wird schätzungsweise knarren wie eine eingerostete Gartentür."
Natürlich hätten wir Chief Hywood bitten können, die Sirenen sofort einzuschalten, um im Schutz des Lärms die Treppe hinaufzustürmen und in die Wohnung einzudringen. Aber das hätte Palmer zum einen misstrauisch werden und möglicherweise panisch reagieren lassen, zum anderen war nicht auszuschließen, dass wir direkt in seine Kugeln hineinrannten, wenn er die richtigen Schlüsse zog.
Wir mussten erst einmal die Situation in der Wohnung sondieren, uns einen Eindruck verschaffen, und wir mussten in unmittelbarer Nähe des Gangsters sein, wenn die Sirenen ihr markerschütterndes Creszendo anstimmten.
Da legte Hywood auch schon wieder los.
Milo und ich stiegen hart an der Wand die Treppe empor. Ich hielt jedes mal den Atem an, wenn eine Stufe ächzte. Was Hywood brüllte, registrierte ich nicht mehr. Jeder meiner Sinne war darauf ausgerichtet, möglichst lautlos die Treppe hinaufzukommen. Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Hywood nicht längere Zeit Luft holte.
Wir erreichten den ersten Treppenabsatz.
"Noch 11 Minuten!", gab Palmer lauthals zu verstehen, als Hywood schwieg. Die Stimme des Gangsters klang gehetzt, fast panisch. Wahrscheinlich schwitzte er Blut und Wasser. In seiner psychischen Verfassung konnte er sich leicht zu etwas hinreißen lassen, was nicht wieder gutzumachen war.
Also war Eile geboten.
Ich schickte einen weiteren Hilferuf zum Himmel, dass Chief Hywood seine Stimme wieder erklingen ließ.
Und mein Stoßgebet wurde erhört. Seine Stimme überschritt mit Sicherheit die zulässigen Dezibel, den Wert also, bei dessen Überschreitung von gravierender Lärmbelästigung die Rede ist. Doch im Moment konnte Chief Hywood gar nicht genug Radau verbreiten.
Wir huschten hinauf in den 1. Stock. Wir mussten die Stufen ertasten und vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzen. Denn wenn einer von uns stolperte, war nicht auszuschließen, dass Palmer durchdrehte. Unser Glück war, dass es ein großes Treppenhausfenster beim ersten Treppenabsatz gab, durch das der zuckende Lichtschein von den Lichtbalken auf den Dächern der Einsatzfahrzeuge geschleudert wurde. Die Dunkelheit im Treppenhaus war also einigermaßen gelichtet.
Ich war angespannt bis in die letzte Körperfaser. Dumpf klopfte das Herz in meiner Brust. Der Rhythmus hatte sich beschleunigt. Das kam aber nicht vom Treppensteigen, sondern von der Befürchtung, dass Palmer uns hörte und Amok lief.
Ja, ich spürte Beklemmung.
Wir langten im 2. Stock an. Die Tür zu dem Appartement war geschlossen. Von außen war sie nur mit einem Schlüssel zu öffnen.
"Sie haben nur noch acht Minuten Zeit, die Straße zu räumen, Hywood!", hörte ich Palmer schreien. Seine Stimme trieb durch die geschlossene Tür. Der Gangster befand sich in einem der Räume, dessen Fenster zur Straße wies. "Und noch etwas, Chief!", erklang es wieder. "Das Fahrzeug, mit dem ich gekommen bin, bleibt stehen. Ich werde Susan mitnehmen auf meiner weiteren Flucht. Erst wenn ich mich in Sicherheit befinde, lasse ich sie laufen."
"Sie werden nirgendwo auf der Welt sicher sein, Palmer!", kam es von Hywood, und es hörte sich an, wie Donnergrollen. "Selbst wenn wir Ihrer Forderung nachgeben – wohin wollen Sie sich wenden? Irgendwo schnappen wir sie. Und wenn Sie sich zum Nordpol absetzen sollten."
"Sieben Minuten noch!", erklang es unerbittlich und unerschütterlich aus Palmers Mund.
Milo war schon dabei, mit seinem Spezialwerkzeug die Tür aufzuschließen. Es handelte sich um ein einfaches Sicherheitsschloss und stellte kein Problem für meinen Freund und Kollegen dar.
Als er die Tür schließlich langsam aufdrückte, stauten wir noch einmal den Atem. Die Scharniere waren mit Sicherheit schon viele Jahre nicht mehr geölt worden. Wenn sie quietschten oder knarrten – dann war Palmer gewarnt und alarmiert. Und dann konnte bei ihm eine Sicherung durchbrennen...
Okay, die Scharniere knarrten leise. Aber das war im selben Augenblick, als Palmer brüllte: "Noch sechs Minuten, Chief. Sind Sie wirklich bereit, Susan Kellerman zu opfern? Ich spaße nicht. Ich werde schießen, sobald die letzte Minute um ist."
Wir standen im Wohnungsflur. Hier war es finster wie in einem Höllenschlund.
In einem solchen Moment brauchst du Nerven wie Drahtseile. Du hast einen trockenen Hals und die Angst, dass du einen Fehler begehst, der der Geisel das Leben kostet, würgt dich. Nur daran denkst du in dieser Situation. Einen anderen Gedanken gibt es nicht in solchen Sekunden und Minuten.
Ich berührte Milo leicht und raunte ihm zu: "Warte hier." Ich pirschte weiter. Meine schweißnasse Hand hatte sich am Griff der SIG festgesaugt. Mein Puls raste. Ich spürte ein seltsames Rumoren in den Eingeweiden. Jeder meiner Sinne war aktiviert.
Ich glaubte ein Schluchzen zu vernehmen. Es kam aus einem der Räume tiefer in dem Flur. Eine Stimme zischte etwas – Palmers Stimme. Dann hörte ich es Klatschen wie von einem Schlag mit der flachen Hand. Ein gequälter Aufschrei folgte. Dieser abtrünnige Sergeant schreckte wirklich vor nichts mehr zurück.
"Sie haben noch fünf Minuten Zeit, es sich zu überlegen, Chief!", brüllte Palmer, und seine Stimme war heiser vor Anspannung.
In diesem Moment gingen unten nacheinander die Sirenen einiger Patrolcars an. Das Timing stimmte. Hywood hatte die Anordnung zur richtigen Zeit getroffen. Das Sirenengeheul war derart ohrenbetäubend und durchdringend, dass Palmer wohl sogar einen Elefanten im Flur überhört hätte.
Ich war bei der Tür angelangt, aus der die Stimme Palmers erklungen war. Für Milo gab es keine Veranlassung mehr, an der Korridortür zu warten, wie ich es ihm zugeraunt hatte. Er war dicht hinter mir.
Die Tür zu dem Raum stand einen Spalt breit offen. Ich stieß sie gänzlich auf. Das Geräusch ging im Heulen der Sirenen unter. Im Zimmer war genügend Helligkeit von den rotierenden Blinklichtern und den Lichtern der umliegenden Buildings.
Das Aufheulen der Sirenen hatte Palmer wohl ziemlich aus dem Konzept gebracht. Ich konnte seine Gestalt neben einem der Fenster ausmachen. Er äugte nach unten. An der Wand saß zu seinen Füßen die Polizistin. Palmers Hand mit der Pistole war auf ihren Kopf gerichtet.
Er schien mich aus den Augenwinkeln wahrzunehmen. Unwillkürlich schlug er die Waffe auf mich an. Es war ein Reflex, den ich einkalkuliert hatte, als ich ins Zimmer glitt. Ich stieß mich ab. Als Palmers Schuss krachte, war ich schon aus der Schusslinie.
Und nun feuerte Milo, der mir nicht durch die Tür gefolgt war. Er beugte sich um den Türstock herum. Das Mündungsfeuer seiner SIG stieß in die Dunkelheit hinein. Die Detonationen verschmolzen miteinander, rüttelten an den Wänden und lähmten im Verein mit den heulenden Sirenen auf der Straße meine Trommelfelle. Es war, als wäre eine Granate in dem Raum explodiert.
Ich sah Palmer gegen die Wand taumeln.
Er schien allerdings noch nicht kampfunfähig zu sein. Sein linkes Bein knickte zwar weg, und er drohte zu stürzen. Doch er riss sich noch einmal hoch und schlug seine Waffe auf Susan Kellerman an.
Ich zog durch. Eine andere Wahl ließ mir Palmer nicht. Ihn zur Aufgabe aufzufordern war angesichts des Lärms hoffnungslos. Jedes noch so laut gebrüllte Wort wäre in der Geräuschkulisse auf der Straße untergegangen.
Ich hielt tief, denn ich wollte Palmer nicht töten.
Es riss ihn halb herum. Aus dem Lauf seiner Pistole stieß eine Feuerzunge. Aber er verriss, und seine Kugel hämmerte irgendwo in die Wand. Und dann stürzte er.
Ehe er die Pistole noch einmal anschlagen konnte, war ich bei ihm. Ich trat einfach auf sein Handgelenk und arretierte seine Hand, die die Waffe umklammerte, am Boden. Dann bückte ich mich und entwand ihm mit einem blitzschnellen und harten Griff die Dienstwaffe.
Milo kümmerte sich um Susan Kellerman.
Ich schleuderte die Pistole Palmers in eine Ecke. Dann holsterte ich die SIG, schnappte mir die Handschellen die ich am Gürtel trug und fesselte den Gangster mit schnellen, tausendmal geübten Handgriffen.
Oscar Palmer konnte niemand mehr gefährlich werden. Ich trat vorsichtig an das Fenster heran. Palmer hatte es bereits hochgeschoben, um sich verständlich machen zu können. Ein etwas mulmiges Gefühl spürte ich schon in diesen Sekunden, denn sicher hatte Chief Hywood in den umliegenden Hochhäusern Scharfschützen postiert, und wenn einer von denen einen nervösen Zeigefinger besaß – dann gute Nacht, Special Agent Trevellian.
Ich beugte mich hinaus. Das gleißende Scheinwerferlicht blendete mich.
Die Sirenen verstummten fast schlagartig. Chief Hywoods Bass erklang: "Alles klar, Trevellian?"
Das alte Adlerauge hatte mich erkannt. Ich ließ die angestaute Luft aus meinen Lungen. "Ja. Wir haben ihn überwältigt. Fordern Sie eine Ambulanz an, Chief."
Unten sah ich Hywood über das Dach des Einsatzfahrzeuges, das ihm Schutz geboten hatte, hinauswachsen. Er war wirklich ein Mann wie ein Baum. Er brüllte seine Anweisungen. Ein Trupp Beamter rannte über die Straße und trampelte wenig später die Treppe herauf. Palmer lag gefesselt am Boden und wimmerte. Ich wusste nicht genau, wie schwer er verletzt war.
Die Cops übernahmen.
Susan Kellermans Nerven lagen blank. Sie würde wohl die Hilfe eines Psychologen in Anspruch nehmen müssen. Ich kannte viele Männer und Frauen, die daran zerbrochen waren, nachdem sie sich in der Hand eines zum Letzten entschlossenen Geiselgangsters befunden hatten. So etwas ging an keinem spurlos vorüber. Und mochte er noch so hart sein.
Milo und ich kehrten auf die Straße zurück.
Hywood hing am Bordtelefon eines Einsatzfahrzeuges. "Ja, McKee, es waren Ihre Jungs, die Palmer zur Raison brachten", röhrte er in die Sprechmuschel. "Sie haben ihn überwältigt und die Geisel unversehrt befreit. Meinen Glückwunsch zu diesen Burschen, McKee. Sie können sich glücklich schätzen, solche Männer beim FBI zu beschäftigen."
"Hoffentlich hat es den Chef nicht vom Stuhl gerissen, als Hywood sich meldete", meinte Milo, und ich merkte ihm die Erleichterung darüber an, dass es uns gelungen war, Susan Kellerman vor Schlimmerem zu bewahren.