Trump - Du sollst keine anderen Götter neben mir haben - Andreas G. Weiß - E-Book

Trump - Du sollst keine anderen Götter neben mir haben E-Book

Andreas G. Weiß

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Beschreibung

Die Präsidentschaft Donald Trumps hat die Welt verändert. Der zum politischen Führer gewordene Immobilienhändler ist mit einem Tempo in die Grundfesten der politischen Ordnungen gerast, dass von den demokratischen Idealen der vergangenen Jahrzehnte wenig übriggeblieben scheint. Was ist da geschehen und wie lässt sich darauf reagieren? Der Theologe und USA-Experte Andreas G. Weiß zeigt die Hintergründe auf, die das Phänomen Trump möglich gemacht haben, unter anderem die US-amerikanische "Zivilreligion" mit ihrem quasi-religiösen Patriotismus sowie die Rolle wirtschaftlicher Erfolgsstorys für die US-amerikanische Gesellschaft. Was Trump kennzeichnet: Dass er an jenen gesellschaftspolitischen Maximen rüttelt, die ihn zuvor begünstigt haben. Auch wenn es Europäern schwerfällt: Wer das Phänomen Trump verstehen will, muss die "Zivilreligion" der USA verstehen. >> brandaktuelles Thema >> Nahsicht eines US-Experten, Hintergrundwissen und Analysen >> Trump und die "Zivilreligion" der USA

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Andreas G. Weiß

TRUMP – DU SOLLST KEINE ANDEREN GÖTTER NEBEN MIR HABEN

Was wir nie für möglich hielten, hat uns schon verändert

Patmos Verlag

Inhalt

Prolog: Eine Hand auf zwei ­Bibeln

ERSTER TEILDER UNAUSWEICHLICHE TRUMP. DIE ANKUNFT DES ­UNERWARTETEN

Ein gespenstisches ­Gedankenexperiment

Die Unentrinnbarkeit des Spuks

Das Ereignis. Katerstimmung am Ende der Realität

Ernüchterung. Entzauberung aus allen Wolken

Befremdliche Welten – offenbarende Wirkung

Sprachlos. Wenn die worte fehlen

Böses Erwachen. Jenseits des Denkbaren

Ambivalent. Ereigniserfahrung und gewaltmotive

ZWEITER TEILDER UNBESTIMMBARE TRUMP. DIE ENTGRENZUNG DES ­FASSBAREN

Der Götzendiener. Religiöse Strategien und strategische Religion

Auf der Suche nach Trumps »wahrem Gott«

Biblisch. Zwischen Fundamentalismus und politischem Missbrauch

Trumps Religiosität als Grenzfall des Bestimmbaren

Der Erlöser. ­Religionspolitischer ­Messianismus

Heilserwartungen in God‘s Own Country

Welcher Gott nochmal?

America First. Wenn träume nicht mehr frei sind

Make America(ns) Great Again?

Der Fremdling. Ein Systemfehler in der ­republikanischen Logik

Point of No Return. Es gibt kein Zurück

Befremdung aus eigenen Reihen?

Das überworfene System. Ein Pastor und sein republikanisches Erbe

Politische Ökumene. Made in America

Trumps postfaktische Revolution

Das republikanische Virus. Die raue Realität eines Identitätsproblems

Die Ironie. Zwischen Traum und Wirklichkeit

Die Qualen des Erwachens

Der Traum am Ende? Ironie der Geschichte und geschichtliche Ironie

Die doppelte Ironie Trumps

Die Inversion des amerikanischen Traumes

Die systemische Probe

DRITTER TEILTRUMP – UNABÄNDERLICH? DIE WEIGERUNG ZU SCHWEIGEN

Der Skandal. Ekel und seine Überschreitung

Die Widerwärtigkeit des Unbekannten

Der Ekel. Faszination einer menschlichen Emotion

Überschreitungen. Den Ausgriff wagen

Gespenstische ­Erlösungsfantasien

Das Zeugnis. Dem Unfassbaren begegnen

Überwinden. Der Ort des Schocks als kreativer Nullpunkt

Entgegnen. Eine Stimme für träumende Einwanderer

Eine Frage der Haltung oder: Lincolns Gelassenheit

Epilog: Ein persönliches ­Nachwort

Dankeswort

Anmerkungen

Abbildungen

Über den Autor

Über das Buch

Impressum

Hinweise des Verlags

Prolog: Eine Hand auf zwei ­Bibeln

Am 20. Januar 2017 blickte die Welt nach Washington, DC. Es war einer dieser kalten, düstergrauen Wintertage in jener Stadt, die das Zentrum US-amerikanischer Macht darstellt. In ihrem Mittelpunkt, der »National Mall«, thronen seit Jahrzehnten die Denkmäler der Vergangenheit als in Stein gemeißelte Meilensteine der Erinnerung. Eindrücklich wirken die Mahnmale der vergangenen Weltkriege, die Siegeszeichen der US-Geschichte und der Symbolgestalten US-amerikanischer Politik nach wie vor in einer quasi-religiösen Aura. Weder die US-Bevölkerung noch die Touristenströme der Stadt können sich diesen Emotionen einfach verschließen. Die »National Mall«, jener gut drei Kilometer lange, künstlich angelegte Park in Washington, D.C., der eine Vielzahl von Besucher*innen aufgrund seiner Architektur unterschiedlicher Denkmäler von US-Präsidenten bis in die Gegenwart mit einem Hauch religiösen Gefühls zurücklässt1, war an diesem Tag in sein feierliches Kleid gehüllt worden. Das Gebäude des Kapitols, das als Sitz des US-Kongresses zum sinnbildhaften Ausdruck der staatlichen Legislative geworden ist, war für diesen Tag in ein Fahnenmeer in Rot-Weiß-Blau mit einer Vielzahl von Sternen getaucht worden. Der neu gewählte Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sollte vereidigt werden. Eigentlich müsste es sich bei diesem Anlass um einen nicht hinterfragten Festtag für den Staat handeln. Die Gesellschaft sollte als Zeichen ihrer Unterstützung mit einer großen Menge daran teilnehmen. Doch wollte an diesem Tag keine recht überzeugende Freude aufkommen.

Die Vorzeichen waren an diesem Januartag 2017 verschoben. Kein frenetischer Jubel brach aus. Die wenigen tausend Menschen, die gekommen waren, füllten nicht einmal ein Drittel des Besucherraumes aus. Die gedrückte Stimmung war nicht zuletzt auf die Person des designierten Präsidenten der USA zurückzuführen: Donald J. Trump, der bekannte und skandalumwitterte US-Immobilienunternehmer war aus der Wahl vom 8. November 2016 als Sieger hervorgegangen. Außerhalb der Plätze, die für die Vereidigung abgesperrt worden waren, tummelten sich tausende Demonstranten, die mit ihren lauten Stimmen ein Gegengewicht zu den rituellen Handlungen vor dem Kapitol darstellen wollten.

Die formellen Zeremonien und Traditionen, die diesen Tag in der US-amerikanischen Hauptstadt begleitet haben, üben seit je auf die Menschen in- und außerhalb der USA eine magische Anziehungskraft aus. Sie wirken einerseits Ehrfurcht erregend, gleichzeitig aber auch verunsichernd und in ihrer Eindringlichkeit irreversibel. Ein einmal vereidigter US-Präsident ist selbst bei schweren persönlichen Verfehlungen nur mit größten juristischen und politischen Anstrengungen aus seinem Amt zu entheben. Die Gültigkeit der Amtseinführung (inauguration) ist auf diese Weise als ein nur mehr schwer zu brechendes Siegel anzusehen. Mit der öffentlichen Einführung in das Amt des ersten Mannes im Staat verbindet sich der Hauch einer Unaufhebbarkeit dieser Amtsübertragung – selbst wenn es in der Vergangenheit berühmte Fälle des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Oval Office gibt.

Der scheidende Präsident, in diesem Fall war es Barack Obama, wurde nach einem persönlichen Empfang und einer sich anschließenden Unterredung mit seinem designierten Nachfolger per Hubschrauber ausgeflogen. Seine Macht und Einflussnahme war mit diesem Zeitpunkt an ihr Ende gekommen. Er wurde vor den Augen vieler US-Amerikaner vom Zentrum der Macht entrückt. Mit der körperlichen Deplatzierung seiner Person war somit der Einfluss des vormals mächtigsten Mannes der Welt ort-los geworden. Die Abreise des ehemaligen Man in Charge erinnert an die Form biblischer Entrückungen wie sie von Henoch, Elija und nicht zuletzt von Jesus beschrieben wurden: »[Da] verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben« (Lukas 24,51). Ein ähnliches Erlebnis dürfte wohl auch noch recht lebhaft in Erinnerung sein, als Papst Benedikt XVI. nach seinem Amtsverzicht am 28. Februar 2013 per Helikopter in die Lüfte über Rom gehoben wurde. Mit diesem Zeitpunkt, so der ausdrückliche Wille des vormaligen Pontifex, sollte sein Pontifikat enden. Auch bei Obama war dies gewissermaßen der Fall. Als er den Hubschrauber bestieg und weggeflogen wurde, war mit Donald J. Trump – wenngleich noch nicht vereidigt – der neue »Mann im Haus« klar.

Was darauf folgt, ist ein formell festgelegter Ablauf, in dem der neue Präsident der USA ins Amt gehoben wird. Die politische und juristische Autorität, die damit einhergeht, hat Auswirkungen auf die gesamte gesellschaftspolitische Entwicklung des Staates. Wie auch bei Amtseinführungen von gekrönten Häuptern oder religiösen Führern ist diese Zeremonie in den meisten ihrer Einzelheiten genau festgelegt. Ihr wohnt eine sakrale Aura inne. In wesentlichen Zügen der rituellen Ausformungen erinnert diese Zeremonie an Zeichenhandlungen liturgischer Genauigkeit. Ein Fehler könnte die Ungültigkeit der Handlungen nach sich ziehen. Die Rituale werden zum sichtbaren Ausdruck der umfassenden Geltungsansprüche, die mit diesen Handlungen verbunden sind. So greifen diese Handlungsabfolgen nicht zufällig auf religiöse Formen zurück. Dieser heilige Anschein übernimmt eine besondere Funktion: Ein Schwur ist nur ein Schwur, aber wird dabei eine Hand auf der Heiligen Schrift platziert, dann wird der Geltungsrahmen geöffnet. Man schwört dann nicht mehr nur dem Gegenüber, sondern gleichsam gegenüber Gott selbst. Der Bereich reiner Säkularität wird dabei entscheidend erweitert, er wird überschritten bzw. »transzendiert«.2

Und doch ist jede dieser Vereidigungen in ihrer letztlichen Ausprägung einzigartig. Es bleibt ein gewisser Spielraum, den jeder US-Präsident selbst gestalten und für den Ausdruck seiner persönlichen Botschaft nutzen kann. An diesen Einzelheiten wird von vielen Expert*innen versucht abzulesen, wie der neu gewählte Präsident sein Amt angehen wird. Damit wird die Inauguration zu einem liturgisch anmutenden Fingerabdruck des jeweils neu gelagerten Machtanspruches. Die letztlich realisierte Form der Amtseinführung wird als eine Marschrichtung jener Linie interpretiert, die von nun an im Staat vorherrschen sollte. Die Amtseinführung wird zu einem Signum der Politik, welche in das Oval Office des Weißen Hauses einziehen wird.

Spätestens seit Robert Bellah3 die Inaugurationsreden der neu ins Amt eingeführten Präsidenten als Ausdruck ihres quasi-religiösen Amtsverständnisses analysiert hat, wurde der Tag der feierlichen Amtseinführung als Wegweiser für die zukünftige Entwicklung der US-Politik angesehen. So waren die Augen unterschiedlicher Beobachter*innen im In- und Ausland an jenem schicksalhaften Tag 2017 auf das Podium des Washingtoner Kapitols gerichtet.

In diesem Zusammenhang fragte sich etwa der deutsche Theologe und Religionsphilosoph Hans-Joachim Höhn, ob sich der neu gewählte US-Immobilienhai überhaupt zur ­gängigen Formel »So wahr mir Gott helfe« durchringen könnte.4 Die egozentrischen und unorthodoxen Auftritte Trumps, die sich auch gegen die althergebrachten Traditionen gerichtet hatten, untermauerten die Erwartung, dass sich der streitbare Wirtschaftsmogul auch als Präsident nicht dazu verpflichtet fühle, sich um die Unterstützung von irgend­jemandem kümmern zu müssen – und selbst Gott sei dabei keine Ausnahme.

Doch Trump überraschte: Nicht nur, dass er den berühmten Satz brav an die Eidesformel anschloss, so platzierte er seine Hand bei seinem Amtsversprechen sogar auf zwei Bibeln zugleich. Für manche war dies wohl schiere Scheinreligiosität, wie das der US-Gesellschaft vielerorts vorgeworfen wird, doch machte diese Handlung bei genauerem Hinsehen weitaus mehr deutlich: Die eine Bibelausgabe nämlich war jene, die 1861 Abraham Lincoln zu seinem zweiten Amtsantritt verwendet hatte, und die andere, die Trump für seine Zeremonie ausgewählt hatte, war jene Ausgabe, die er schon während des Wahlkampfes als äußeres Zeichen seines christlichen Bekenntnisses medienwirksam zur Schau gestellt hatte. Diese habe ihm – nach eigenen Angaben – seine Mutter im Alter von neun Jahren geschenkt. Die Ablegung des Schwures auf diese beiden Bibeln vermittelte eine deutliche Botschaft. »Ich werde einer der größten Präsidenten sein, die Gott jemals geschaffen hat!«, rief Trump bereits während seines Wahlkampfes den Menschen entgegen. Diese egozentrische Positionierung mitsamt seinem öffentlich inszenierten Sendungsbewusstsein sollte auch Trumps Vereidigung prägen.

Mit der Eidesformel, die in Verbindung mit dem Schwur auf die Heilige Schrift eine besondere Wirkung im US-amerikanischen Raum hat, stellte sich Trump auf den ersten Blick in die Tradition seiner Vorgänger, fügte aber seiner Machtübernahme entscheidende Fußnoten hinzu. Dabei ist die Zahl der Exemplare allein zunächst kein Novum: Auch Barack Obama verwendete 2013 für die Ablegung seines Eides zwei Bibeln, um sein Regierungsprogramm vorzugeben: Obama benutzte hierzu, wie schon 2009, die Lincoln-Bibel von 1861, um seine besondere Verehrung für den US-Präsidenten während des amerikanischen Bürgerkriegs auszudrücken, der auch für die Beendigung der Sklaverei verantwortlich war.

Als jedoch 2013 der Tag seiner zweiten Amtseinführung mit dem Feiertag des schwarzen Bürgerrechtsaktivisten Martin Luther King jr. zusammenfiel, entschloss sich der erste dunkelhäutige US-Präsident, auch dessen Bibel für das Ablegen seines Amtseides zu verwenden. Beide Bibeln übereinander sollten das Fundament seines Amtsversprechens bilden: Damit war klar, in welche Richtung seine Präsidentschaft gehen sollte und in wessen politische Fußstapfen Obama treten wollte. Es kann gleichsam als eine Verpflichtung gesehen werden, die er sich und seiner Arbeit mit dieser Untermauerung gesetzt hat.

Donald Trumps Auswahl der beiden Bibelausgaben, auf deren Oberfläche er seine Hand während der magischen 35 Worte zur Amtseinführung legte, sprach hingegen eine andere Sprache: Es ist nicht die Verpflichtung auf eine Arbeitsvorgabe, wie dies etwa Barack Obama 2013 deutlich gemacht hat, sondern eine deutliche Umschichtung der Machtverhältnisse. Stellte Obama seine Präsidentschaft in die Linie der Freiheit und Gleichheit aller Menschen (Lincoln), die er mit der Betonung seiner Verbindung zur schwarzen Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre rund um Martin Luther King jr. noch verstärkte, so fügte Trump eine besonders »persönliche« Schlagseite bei: Bereits im Wahlkampf war die Inszenierung seiner Familienbibel vielerorts als bloß strategisches Mittel zur Gewinnung christlich-konservativer Wähler angesehen worden. Bereits damals wurde Trump vorgeworfen, diese Bibel aus reinem Kalkül zur Wählergewinnung einzusetzen.

Nun setzte er diese Heilige Schrift erneut in einem öffentlich sichtbaren Zusammenhang ein: Millionen Menschen konnten es weltweit mitverfolgen, als Trump seine eigene Bibelausgabe auf der Ausgabe Lincolns liegend platzierte. Doch verstärkte dieser Handgriff nicht das politische Fundament des Mannes, der noch heute als das personifizierte Ideal des einenden US-Präsidenten gilt, sondern relativierte es. Ein Donald Trump lässt sich nicht so einfach auf einen Kurs festlegen. Seine präsidiale Hand lag nicht auf jenem Buch auf, das als Inspiration des Präsidenten gilt, sondern Trump berührte letztlich nur seine eigene Schriftausgabe.

Die beiden Bibeln spiegeln in besonderer Weise jenen Inter­essenskonflikt zwischen politischer Aufgabe und persönlicher Vorteilnahme wider, der Donald Trump von Anfang an nachgesagt wurde. Trumps Präsidentschaft steht nicht nur im Zeichen des amerikanischen Volkes und der damit verbundenen Geschichte, sondern seine eigene Person nimmt einen ­besonderen Standpunkt in diesem Machtverhältnis ein. Die biblische Doppelung mutet als Ausdruck jener egozentrischen Haltung Trumps an, die einen entscheidenden Platz in vielen seiner Handlungen und Direktiven besetzt.

Die Symbolik dieser Handlung, die just an jenem prestigeträchtigen Ort der US-Politik vorgenommen wurde, an dem die Denkmäler der vergangenen Politgrößen von Washington über Jefferson bis hin zu Lincoln mahnend sichtbar werden5, kann als eine politische Zeichenhandlung ersten Ranges gelten. Die Handauflegung Obamas, die als Ausdruck der unbedingten Verpflichtung auf die Werte Lincolns und Martin Luther Kings jr. inszeniert wurde, erfuhr durch Trumps »persönliche« Note eine entscheidende Neugewichtung. Diese Modifikation bestehender Traditionen, Ordnungen und Rituale kann wohl als Vorzeichen für Trumps Präsidentschaft gesehen werden. Ein Donald Trump stellt sich nicht einfach hinten an: Trumps – nunmehr politisch federführende – Hand kann mit dem politischen Fundament des Abraham Lincoln nur in Verbindung gebracht werden, wenn die Pufferzone seines persönlichen Hintergrundes, der sich oftmals zwischen bloßem Machterhalt, Geltungsdrang und durchaus wirtschaftlichen Interessen bewegt, durchschritten wird.

Der Eindruck von Trumps Hand auf den zwei Bibeln hängt wie ein Schatten über seiner Politik: Das Bild des US-Präsidenten, der sich sogar am Ort des biblischen Eides einen Raum für egozentrische Alleingänge offenhält, lässt nicht nur in vielen Kreisen der USA nach wie vor den Anschein geschockter Lethargie erwachsen, sondern sie markiert gleichzeitig einen Schnitt, der das politische Leben in- und außerhalb der Vereinigten Staaten bis heute nachhaltig prägt. Die zahlreichen Turbulenzen der Präsidentschaft Donald Trumps sowie die vielen Bruchlinien und Fronten, die sich der »erste Mann im Staat« geschaffen hat, sind Ausdruck für den autoritären Führungsstil, der in Washington eingezogen ist. Dabei sind die Agenden im Weißen Haus nicht nur von den Twitter-Ausfällen, Skandalen, Affären und politischen Alleingängen des Präsidenten, sondern auch von handfesten Interessenkonflikten bis hin zu Vertuschungsversuchen in zentralen Personalentscheidungen geprägt. Die vielfältigen Problemfelder, an denen Präsident Trump um den Eindruck seiner präsidialen Integrität zu ringen hat, scheinen fast wöchentlich an Zahl und Brisanz zu wachsen und sind längst nicht mehr nur auf den Raum scheinbarer Fake News beschränkt. An immer mehr Schauplätzen bricht die Doppelbödigkeit vieler Entscheidungen des US-Präsidenten zwischen persönlichen und staatlichen Machtstrategien, Wirtschaftsinteressen und selektiver Einseitigkeit durch. Das unterstreicht den Anschein des egozentrischen Machthabers, der seine politischen Kritiker wie die Gegner eines wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes à la »Immobilienhai Trump« mit allen Mitteln aus dem Weg schafft, ohne Rücksicht auf geltende Gesetze sowie die Öffentlichkeitswirkung solcher Entscheide.

Abb. 1 Der Eid von Donald Trump auf zwei Bibelausgaben am 20. Januar 2017.

Das Unvorstellbare war Wirklichkeit geworden: Eine Person war durch Volksentscheid in die Schaltzentrale gesellschaftspolitischer Macht gesetzt worden, bei der man sich nicht sicher sein kann, welche der beiden entscheidungsleitenden Perspektiven – seine persönlichen Zielsetzung oder die Interessen des Landes – maßgeblich für seine Arbeit sein werden und sich in seinen richtungsweisenden Vorhaben widerspiegeln. Die Präsidentschaft Trumps ist damit nicht nur zu einem unberechenbaren Part in der internationalen Politik geworden, sondern sie stellt gleichzeitig auch eine Probe für die regulative Machtkontrolle im US-amerikanischen System dar. Dabei geht es nicht mehr nur um die moralisch und politisch höchst zweifelhafte Person des 45. US-Präsidenten. Sein Name steht schon lange für einen viel umfassenderen zeitgeschichtlichen Zusammenhang, mit dem die Menschen und gesellschaftlichen Kreise nationaler wie auch internationaler Gemeinschaften zu kämpfen haben. Trump beschreibt mehr als nur einen Immobilienhai, der ins Weiße Haus eingezogen ist: Es ist ein Ausdruck umfassender Herausforderung demokratischer Systeme und weltpolitischer Umgangsformen.

Erster TeilDer unausweichliche Trump. DIE ANKUNFT DES ­UNERWARTETEN

Ein gespenstisches ­Gedankenexperiment

»Ich kam die Treppe rauf und sah

einen Mann, der war nicht da.

Er war auch heute nicht mehr dort.

Ich wünscht’, ich wünscht’, er wäre fort.«

William Hughes Mearns6

Die Unentrinnbarkeit des Spuks

Um das Ziel dieses Buches etwas näher zu bestimmen, kann hier ein Gedankenexperiment angeführt werden. Man stelle sich vor: Donald J. Trump, amtierender 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, würde morgen sein biologisches Leben beenden. Die Gründe dafür können vielfältig sein und brauchen an dieser Stelle auch gar nicht weiter erläutert werden. Ebenso würde ich alle an dieser Stelle bitten, sich anbietende Spekulationen über etwaige Pläne, Verschwörungstheorien etc. beiseitezulegen, denn diese sind keinesfalls der Gegenstand dieser Gedanken. Es reicht, dass man sich vor Augen führt, Donald Trumps irdisches Leben wäre plötzlich zu Ende. Gar so abwegig ist dieser Gedanke bei einem Menschen mit mehr als 70 Jahren Lebenszeit ja im Grunde auch gar nicht – selbst wenn seine Leibärzte ihm beste Gesundheit attestieren, bleiben noch immer unzählige denkbare Fälle, wie so ein Ende eintreten könnte. Schließlich ist der Tod eine Wirklichkeit, die jeden Menschen betrifft und aus der man nicht entrinnen kann. Sie steht einer jeden Person bevor, und so ist auch ein Donald Trump keine Ausnahme. Auf diese Weise ersparen wir uns Spekulationen über politische Zukunftsmusik, Szenarien von Amtsenthebung, politischen Genickbrüchen und Skandalnachrichten, die – so haben es die Meinungsforscher in den letzten Jahren bewiesen – sowieso nur eingeschränkt Gültigkeit beanspruchen können. Man würde sich in diesem Gedankenexperiment demzufolge auch einen prognostischen Ausgriff auf das Jahr 2020 ersparen. Die (mögliche oder unmögliche) Wiederwahl Donald J. Trumps würde dabei keine Rolle spielen, ebenso muss man nicht auf Spekulationen bauen, dass Donald Trump durch Verstrickungen seines Wahlkampteams in illegale Absprachen und Manipulationen oder durch persönliche Affären vorzeitig aus dem Amt scheiden könnte. Selbst für den Fall, dass dies passieren sollte, könnte man den Grundtenor dieses Gedankenspiels verstehen. Selbst wenn Trump plötzlich entmachtet werden würde, würde man nicht einfach von ihm und seinen Auswirkungen erlöst sein.

Zurück zu unserem Experiment: Donald Trump ist nicht mehr. Der Tod Trumps würde – so einer der zentralen Grundgedanken dieses Buches – das Problem Trump nicht beseitigen. Das, was Trump bereits ausmacht, kann nicht einfach punktuell beendet werden. In unserem Gedankenspiel würde das so lauten: US-Präsident Donald J. Trump ist, wieso auch immer, nicht mehr unter den Lebenden. In den USA würde dann ein genau festgelegter Notfallplan in Gang gesetzt werden (wie etwa bei der Ermordung Kennedys), damit der Staat nicht ohne entscheidungsfähige Führung daniederliegt. Welche Konsequenzen aber hätte Trumps Tod außerhalb der staatlichen Systeme? Wie würde man auf den Wegfall einer Person reagieren, die nicht nur die Medienlandschaft der letzten Jahre geprägt hatte, sondern auch viele Weltbilder konfrontativ vor den Kopf gestoßen hat? Die Weltbilder vor Trump können nicht einfach wieder reaktiviert werden. Dazu war sein Einschlag zu stark. Man kann sich nicht in die Ruhe einer trügerischen Sicherheit rückbesinnen, wo doch diese mit einer solch eminenten Wucht aus den Fugen geraten ist. Damit hatte Trump aber auch fundamentale Auswirkungen außerhalb der gesellschaftspolitischen Wirklichkeit in den USA: Trump geht uns alle an, könnte man meinen.

Würden mit dem unerwarteten Ableben von Donald Trump alle Probleme, die mit seiner Person und Präsidentschaft verbunden sind, gelöst werden? Würde seine Person aus dem Raum der Wirklichkeit gerissen werden, wären damit alle Problemfelder, die sich mit seinem Wahlsieg, den vergangenen Monaten und Jahren seiner Präsidentschaft bzw. seiner Entscheidungen ergeben haben, beseitigt sein?

Sie merken schon, worauf dieses Gedankenspiel hinauslaufen soll: Im Grunde würde sich zunächst einmal gar nichts ändern. Denn der Schock, den Donald Trump ausgelöst hat, ist schon lange nicht mehr nur auf seine biologische Existenz oder seine Person begrenzt. Donald Trump hat bereits jetzt einen Eindruck hinterlassen, der sich tief in das Bewusstsein der Menschen und auch der gesellschaftspolitischen Systeme in- und außerhalb der USA eingegraben hat. Selbst bei einem plötzlichen Ende der Person wäre der Eindruck Trumps nicht einfach aus dem Bewusstsein der Menschen und der Politik zu tilgen. Das Ereignis Trump hat schon Kreise gezogen, die den Menschen Donald J. Trump noch lange überleben werden.

Ein Zurück in die Zeit vor Präsident Trump in diesem Sinne gibt es nicht. Selbst wenn der biologische Körper des US-Präsidenten von einer Sekunde auf die andere verschwinden würde und seine politische Macht, die ja übertragbar ist, bereits an eine andere Person weitergegeben worden wäre, würde das Phänomen Trump nicht einfach beendet sein. Wenn Trumps Macht nach dem Ableben seines biologischen Organismus auf seinen Nachfolger übergegangen ist, dann wäre noch lange nicht gesagt, dass Trump nicht dauerhaft für das Leben der Menschen noch Einfluss haben wird. Auch wenn die potestas, also die politische Macht, bereits auf einen Nachfolger Trumps übertragen worden wäre, so würde das Ereignis Trump nicht einfach von der Bildfläche verschwinden. Genau das soll ein Aspekt sein, auf den wir später noch zurückkommen werden.

Man kann sich dem Phänomen Trump nicht mehr entziehen: Ihn zu ignorieren würde das Leid, das durch ihn ausgelöst wurde, verstummen lassen. Ihn zu überschätzen käme einer Bestätigung seines Machtanspruches gleich. Die Lösung besteht, so möchte ich sagen, in einem third way, einem dritten Weg, der sich dem Ereignis stellt, indem man sich und seine Identität an diesem Ereignis einer Bewährungsprobe aussetzt.7

Eigentlich ist das Ziel dieser Überlegungen eine Zumutung. Ich möchte aber dennoch festhalten: Man müsste sich selbst bei der plötzlichen Entrückung Trumps nicht nur mit den realpolitischen Folgen dieses Präsidenten herumschlagen, sondern auch mit den Nachwirkungen des Schockes, den dessen Wahl in unserem Selbstbild ausgelöst hat. Man müsste sich den Aspekten dieses Schreckens stellen, weil jeder Schrecken auch etwas über den Erschrockenen aussagt. Das Schreckgespenst in den Horrorfilmen ist damit nicht nur der drohende Abgrund und das nahende Ende, sondern auch die Möglichkeit, sich in diesem Szenario zu bewähren. Das Gespenst wird zu etwas zutiefst Offenbarendem. In diesem Sinne sagt auch der siegreiche Trump etwas über die Menschen aus, die von diesem Triumph zutiefst verschreckt worden sind.

Was bleibt von jemandem, der die Welt und das Leben der Menschen so – mitunter schockierend – geprägt hat wie Donald Trump? Er hat, das steht wohl außer Frage, Narben hinterlassen, Maßstäbe umgekehrt und so manche Weltbilder auf den Kopf gestellt. Er hat zahlreiche Wunden geschlagen. Nicht unbedingt im Sinne von körperlicher Gewalt, sondern er hat auf das Leben unzähliger Personen bereits als mächtiger Unternehmer, dann natürlich aber auch als Präsident direkten und indirekten Einfluss genommen. Diese machtvolle Einflussnahme hat keinesfalls ewigen Bestand. Mit Sicherheit nicht. Wohl aber wird sie fortdauern. Sie wird nachhallen und einen Resonanzraum erzeugen, in dem dieses Schockerlebnis in das Bewusstsein der Menschen eingearbeitet werden muss. Die Möglichkeiten dafür sind vielfältig, aber die Notwendigkeit, dies zu tun, kann nicht geleugnet werden. Man muss sich diesem Phänomen stellen. Man muss sich fragen, wie das passieren konnte, man muss sich aber auch den schmerzhaften Einsichten stellen, die sich durch das Ankommen dieses Ereignisses in unser Bewusstsein gegraben haben. Man hat damit umzugehen, selbst wenn man sich bei dem Gedanken an seinen Triumph am liebsten in Scham und Gram abwenden möchte. Aber genau das ist nicht einfach möglich. Auch für uns Europäer nicht, die wir nicht direkt mit diesem Ereignis zu tun hatten. Selbst wenn wir weder Auslöser noch primär die Betroffenen sind, haben wir uns solchen Ereignissen zu stellen. Man kann die Mitverantwortung leugnen, man kann sich aber nicht der Herausforderung entziehen, die durch dieses Phänomen aufgetreten ist. Die Nachwirkungen sind unvermeidlich, die Schuldgeschichte mitunter komplex. Jedoch man kann auch nach Trump nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Er hinterlässt vieles, und damit meine ich nicht sein Unternehmen oder die Trump-Towers. Seine Wirkungen hallen nach, sie haben uns und unser Bewusstsein von Demokratie, Kultur und Gesellschaft verändert, indem sie es auf die Probe gestellt haben. Was wir nie für möglich hielten, hat uns schon verändert.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf eine sehr sehenswerte Statue in meiner Heimatstadt Salzburg hinweisen. Wie Sie vielleicht – oder sogar wahrscheinlich – wissen, ist Salzburg als »Mozartstadt« bekannt. Man schmückt sich gerne mit diesem Musiker. Sein Portrait findet sich auf vielen unterschiedlichen Werbekampagnen, Produkten und mehr oder weniger ansehnlichen Verkaufsexemplaren, mit denen sich gut Geld verdienen lässt. Doch wirklich inspirieren durch diese äußerst interessante Persönlichkeit lassen sich nur die wenigsten Salzburger*innen. Eine erwähnenswerte Ausnahme stellt die Figur der »Pietá« dar, die im Jahr 2003 von der tschechischen Künstlerin Anna Chromy an der Südseite des Salzburger Doms errichtet wurde. Befinden Sie sich einmal auf dem Weg durch die architektonischen Verbindungsbögen an der Südseite zwischen Dom- und Kapitelplatz, riskieren Sie einen Blick auf die bronzene Plastik zu Ihrer Linken. Es handelt sich dabei um eine Figur eines Menschen über den Tod hinaus. Die äußeren Schalen und Umhänge, in die die Person offensichtlich vor ihrem Tod gehüllt war, bleiben bestehen, selbst wenn der biologische Leib dem Verfall preisgegeben ist.

Diese Statue beeindruckt viele Besucher von Salzburg. Sie ist ein beliebtes Fotomotiv, das sogar manche der bekannteren Sehenswürdigkeiten in den Schatten stellt. Auf ihrem Sockel steht zu lesen:

Inspiriert durch

Mozart’s »Don Giovanni« und

Hoffmansthal’s »Jedermann«

»Und aus der atmenden Brust… fühl’ ich die Seele entfliehn …«

Die leere Hülle als Symbol dessen

Was uns überlebt:

die Liebe, die wir gaben,

die Werke, die wir schufen,

das Leid, das wir erduldeten.

Abb. 2 »Pietá« von Anna Chromy an der Südseite des Salzburger Doms.

Was bliebe von Präsident Trump übrig, wenn er im biologischen Sinne zu existieren aufhörte? Wenn hier von Donald Trump die Rede ist, geht es weniger um eine Darstellung seiner mehr oder minder skandalösen persönlichen Biografie. Dies sei selbsternannten Enthüllungsbüchern, der Boulevard-Presse und Personen überlassen, die sich in die Tiefen von solch persönlichen Eskapaden begeben möchten. Auf den folgenden Seiten soll vielmehr die einschlagende Wirkung von Trump beschrieben werden, die seine Kampagne, sein Wahlsieg, aber auch seine Präsidentschaft weltweit ausgelöst haben. Diese Erschütterung wird noch lange nicht verschwinden. Trump ist weit umfangreicher als nur seine sterbliche Hülle. Zugegeben: Donald Trump liefert genug Material, dass man sich in den Fängen seiner Lebenslinie verlieren könnte, aber dieser Blick bleibt auf der Oberfläche stehen. Trump steht für mehr als die bloße Person des 45. US-Präsidenten – mittlerweile wird den Menschen weltweit klar, dass Trump als ein Ereignis mit durchschlagender Wirkung für die unterschiedlichsten Lebensbereiche gelten kann. Dabei ist das Phänomen zwar nicht von der Person, die dieses ausgelöst hat, zu trennen, doch reicht das Geschehen, das damit in Gang gesetzt wurde, ungleich weiter. Die Verrückung des gesellschaftspolitischen, wirtschaftlichen und – man glaubt es kaum – des religiösen Raumes lässt sich nur schwer auf einen abgegrenzten Bereich einschränken. Längst geht es nicht mehr nur um jenen Menschen, der im lederbezogenen Sessel des Oval Office Platz genommen hat.

Mit dieser Frage sind wir an jenem Punkt angelangt, der für viele Menschen bis heute unverständlich ist: Vielerorts fragt man sich nicht nur, wie denn dieser Mensch ins Weiße Haus gekommen ist, sondern mindestens genauso viele Menschen fragen sich besorgt, wie viel er von der demokratischen Struktur, die er repräsentieren sollte, noch übrig lassen wird. Eines dürfte dabei fraglos feststehen: Die Präsidentschaft Donald Trumps wird Auswirkungen in vielen Bereichen haben. Nicht nur in den Entscheidungen, die er als Person selbst trifft, sondern auch in jenen Kreisen, die er mit neuen Mitarbeiter*innen und Leitungspersonen besetzt. Trump machte während seines gesamten Wahlkampfes keinen Hehl daraus, dass er »gegen das Establishment«, also gegen beständige und als unverrückbar erscheinende Strukturen auftreten möchte. Nach seinem Wahlsieg dürfte das nicht nur in seinen eigenen Parteikreisen die Schweißperlen auf die Stirn getrieben haben. Schließlich baute man in der Republikanischen Partei, als deren unliebsame Galionsfigur Trump kandidierte, jahrzehntelang auf ein ausgeklügeltes System interner Seilschaften und wirtschaftlicher Lobbykalküle.

Trump ließ solche Grenzziehungen niemals für sich zu – er hielt sich schlichtweg nicht daran, sondern seine Meinung war immer, dass er auch ohne deren Unterstützung die Wahl gewinnen könnte. Und plötzlich war der Punkt erreicht, dass Trump in den republikanischen Wählergruppen eine so große Popularität und Unterstützung erreicht hatte, dass die mächtigen Parteispitzen ihn nicht mehr losbekamen. Der Trump-Express hatte im wahrsten Sinne des Wortes Fahrt aufgenommen. Er schien unaufhaltsam in das Bewusstsein der Menschen zu fahren. Und dennoch rechnete bis zuletzt fast niemand ernsthaft mit seiner Ankunft. Man wollte sich nicht damit auseinandersetzen, weil es letztlich undenkbar war, dass dieser Mensch tatsächlich die Präsidentschaftswahl gewinnen könnte. Und dann war er da: Der 8. November 2016, der Wahltag zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, sollte das Bewusstsein vieler Menschen wie ein Schock treffen.

Das Ereignis. Katerstimmung am Ende der Realität

»Es steht den Menschen Furcht und Zittern an,

wenn die gewaltigen Götter

ihre Boten furchtbarer Warnung,

uns zu schrecken, senden.«

William Shakespeare8

Ernüchterung. Entzauberung aus allen Wolken