Turul flieg - Uwe Gardein - E-Book

Turul flieg E-Book

Uwe Gardein

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Beschreibung

Elisabeth von Österreich-Ungarn besuchte Lady Rothschild am Genfer See und verbrachte die Nacht im Hotel Beau-Rivage. Ihre angeschlagene Gesundheit hielt sie wach. Um sich von diesen Problemen abzulenken, dachte sie über die schönsten Jahre ihres Lebens nach. Mystisch verklärt wird Kaiserin Elisabeth gerne gesehen und beschrieben. Es gibt aber noch ein anderes Bild von ihr, dass bisher weniger beachtet wurde. Ihr Wunsch nach einem eigenen Leben mit mehr Liberalität und eigener Verantwortung erfüllte sie sich für sie in Ungarn. Bereits als Kind kam sie durch ihren ungarischen Haushaltslehrer Johann von Maylath, ein Mann von liberaler Gesinnung, mit der ungarischen Geschichte in Berührung. Kurz nach der Hochzeit mit Franz-Joseph reiste sie erstmals nach Ungarn. Insgesamt fast sieben Jahre lebte sie in Budapest und auf Schloss Gödöllö. Dort konnte sie sich dem Druck und den Repressionen des Wiender Hof entziehen. Ihre Intelligenz, die Belesenheit und die Tatsache, dass sie die rückständigen Ansichten am Wiener Hof, hatten ihr viele Feinde gebracht. In Ungarn wurde sie dagegen verehrt.

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Könnt ich knüpfen mit euch ein inniges Band,

Euren Söhnen jetzt schenken den König.

Er sollte ein Ungar von echtem Stamm,

Ein Held sein von Stahl und von Erz,

Mit klarem Verstand, ein starker Mann,

Für Ungarn nur schlüge sein Herz.

~Elisabeth

Inhaltsverzeichnis

Buch

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Buch

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Buch

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Epilog

1. Buch

1.

Es war kühl und tiefste Nacht vom neunten auf den zehnten September 1898, dem Tag ihrer geplanten Abreise aus Genf. Am Vortag war Kaiserin Elisabeth in Genf angekommen und hatte sich im Hotel Beau Rivage eingemietet. Sie war einer Einladung der Baronin Rothschild gefolgt, obwohl ihre Kur in Caux bei Montreux noch nicht beendet war. Zunächst hatte sie die Fahrt über den See gar nicht antreten wollen, weil sie die Ruhe ihrer Kur genoss. Als man ihr aber aus Hofkreisen zu verstehen gab, dass die Offerte einer Jüdin momentan im antijüdischen Europa auf wenig Verständnis stoßen würde, hatte sie Julie Rothschild eine Zusage gegeben, um ihre Unabhängigkeit vom Zeitgeist am Wiener Hof zu zeigen.

Wieder waren die Schmerzen im Körper da. Sie konnte sich nur schwerfällig erheben und sich neben das Bett stellen. Zu Weihnachten würde sie einundsechzig Jahre alt werden, aber daran wollte sie nun absolut gar nicht denken. Was war das nur für ein Traum, aus dem sie erwacht war? Von einer schwebenden Feder des mythischen Vogels Turul, die schwerelos am Fenster ihres Schlafzimmers im Schloss von Gödöllö vorbei zu Boden glitt, hatte Elisabeth wieder einmal geträumt. Schwerelos? Nein, so fühlte sie sich nicht und so lebte sie auch nicht. Der Vogel Turul soll die Herrschergattin Emese geschwängert haben, erzählte die ungarische Legende, damit es ein Sohn werde, der die ungarische Königsdynastie gründen sollte. Als Elisabeth von der Feder des Turul zum ersten Mal träumte, war sie in jenen längst vergangenen Tagen in Ungarn mit ihrem vierten Kind schwanger gewesen. Ihre Hoffnung war es, dass auch sie einen Sohn bekam, der einmal ein großer König für Ungarn werden sollte. Beim Anblick der herabschwebenden Feder in ihrem Traum war ihr das wieder einmal in den Sinn gekommen und sie hatte sich für einen Moment wie schwerelos empfunden. Flieg Turul!

Aber sie war in Genf und nicht im Schloss von Gödöllö. Als Kaiserin von Österreich hatte sie nie ein eigenes Leben haben dürfen, ganz anders war es ihr als Königin von Ungarn ergangen. Ihre Gedanken purzelten durcheinander und sie wollte an nichts mehr denken, aber wie sollte sie sich ihre dunklen Erinnerungen verbieten? Nein, sie hatte keinen weiteren Sohn geboren und die herabfallende Feder symbolisierte für sie den Tod ihres kleinen Engels Sophie. Doch bevor Elisabeth an den Tod ihrer ersten Tochter dachte, kam ihr auch das Bild ihres einzigen Sohnes Rudolf wie einen Albtraum vor, deshalb war sie schnell erwacht.

Genf galt als das Zentrum von Anarchisten und Attentätern aus ganz Europa. Obwohl sie von Amts wegen gewarnt worden war, sich öffentlich in der Stadt zu bewegen, war sie der Einladung gefolgt. Da sie nur ungarisch sprach und sich Gräfin Hohenembs nannte, glaubte Elisabeth unerkannt zu bleiben. Baronin Rothschild bot ihr ihre Jacht für die Überfahrt an, aber das hatte sie abgelehnt. Für sie war es interessant, die normalen Leute auf dem Dampfschiff zu beobachten. Außerdem mochte sie das Spiel ihrer Camouflage und Elisabeth reiste in kleiner Begleitung.

Der Tag bei der Baronin erwies sich als sehr angenehm und das Anwesen der Rothschilds in Pregny hatte ihr zugesagt. Es war eine inspirierende Begegnung geworden, weil Julie Rothschild eine gebildete, eloquente und humorvolle Lady war. Nur selten kam Elisabeth in den Genuss einer niveauvollen Unterhaltung, die sie erfreute. Wieder auf dem Schiff hatte sie mit Irma über den Tod gesprochen und ihr gesagt, nur im Jenseits ist Friede und Glückseligkeit. Wie wird er werden, dieser Übergang, den ich fürchte und gleichzeitig ersehne? Wenn sie solche Gedanken bekam, dann berührte sie ihr bisheriges Leben und sie musste gezwungenermaßen darüber nachdenken, aber die Erinnerung tröstete nicht, eher war das Gegenteil der Fall. Sie hatte sich eine Zeile von Heinrich Heine notiert: Wo ich bin, mich rings umdunkelt Finsternis. Das war es, was sie häufig empfand. Sie hatte sich zum Abschluss des Tages in einem Café in Genf ein cremiges Eis gegönnt. Am Abend rief die Baronin Rothschild im Hotel an und sprach mit der Hofdame Irma Sztáray über ihre Jacht, die sie erneut als sicheres Reisegefährt anbot, aber Elisabeth lehnte das Angebot für die Rückfahrt über den See zum Kurort erneut ab. Sie fürchtete sich nicht.

Elisabeth wusste, dass sie nun nicht mehr einschlafen würde und legte sich eine wärmende Stola über die Schultern, ohne das Licht anzumachen. Sie mochte die Dunkelheit und lauschte in sie hinein. Leider war es in einem Hotel nie wirklich still. Trotz der umgelegten Stola fröstelte es sie auf dem Bett, aber das passierte ihr auch, wenn die Sonne schien. Wieder regten sich Erinnerungen an ihr Leben in ihrem Kopf. Wie sollte sie reagieren, wenn sie die Blicke zurück nicht haben wollte, weil sie nur ihr Gemüt beschwerten? Sie konnte die Bilder nicht verhindern. Ihre Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit und um sich angenehm abzulenken, dachte sie an die lebhafte Zeit mit ihrer kleinen Tochter Marie Valerie, weil sie sich besonders gerne an die gemeinsamen Wochen mit ihren Kindern im Schloss Gödöllö in Ungarn erinnerte. Aber das blieb die Ausnahme, denn die Bilder von Rudolf und Gisela zeigten ihr auch die andere Seite des damaligen Lebens in Ungarn. Vielleicht war Marie Valerie, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, das schönste Geschenk in ihrem Leben gewesen. Doch Marie Valerie blieb nicht lange in ihrem Kopf, denn die im Traum schwebende Feder des Turul unter dem Fenster war für sie auch wie ein Ruf an die damit verbundenen Erinnerungen an ihr Leben als Ungarin. Damals in Ungarn war der Tod zu ihr gekommen und hatte sich ihre kleine Sophie genommen. Sie war eine todtraurige junge Mutter von neunzehn Jahren gewesen und niemand hatte ihr Trost geben können oder wollen. Wenn es für Menschen von Anfang an eine Bestimmung gab, welche war dann die meine, dachte sie. Elisabeth wollte sich selbst auf diese Frage keine Antwort geben. Sie war mit Franz-Joseph im Mai 1857 in Budapest gewesen, doch genau daran wollte und konnte sie sich nicht mehr erinnern, denn ihr kleiner Engel war mit nur zwei Jahren gestorben und man gab ihr die Schuld, weil das Kind in Buda tödlich erkrankt war. Doch die Schuldzuweisungen aus Wien hatten sie noch fester an das Land gebunden, denn in Ungarn hatte sie Anteilnahme an ihrer Tragödie gespürt.

Konkret wurde ihre Erinnerungen das Jahr 1866. Wegen ihrer positiven Haltung gegenüber dem liberalen Ungarn und vorausgegangener Dispute wusste sie noch, wie sehr sie darunter gelitten hatte zur Faschingseröffnung zum Vigadó-Palast nach Pest mitfahren zu müssen. Sie mochte derlei Amüsement nicht und dieser Ball wäre eine perfekte Möglichkeit gewesen, ein Attentat auf Franz-Joseph zu verüben, denn niemand würde einen gewaltbereiten ungarischen Nationalisten unter einem Kostüm entdecken können. Elisabeth hatte ihren Gemahl angesehen und ihn gewarnt, dass er mit seiner Unterschrift unter das Todesurteil gegen den Ministerpräsidenten Lajos Batthyány ganz Ungarn gegen sich aufgebracht hatte. Dabei war das ein liberaler Mann und dir treu ergeben, hatte sie gesagt, weil Franz-Joseph stoisch hinter seinem Schreibtisch sitzen geblieben war. In diesen Dingen war er ein Fatalist.

Ich verurteile niemanden zum Tode, ich unterschreibe, was man mir vorlegt, das wird erwartet und jeder weiß es. Und ich wünsche mit dir keine politischen Debatten zu führen, das schickt sich für meine Gemahlin nicht, hatte er geantwortet.

Obwohl sie innerlich zitterte, blieb ihre Stimme ruhig, als sie auf seine Worte reagierte. Dort wo man Batthyány erschoss, legen die Ungarn regelmäßig Blumen nieder, antwortete sie laut und deutlich. Doch Franz-Joseph reagierte nicht mehr. Elisabeth wollte nicht denken, dass er glauben könnte, Ungarn hätte die vielen Todesurteile aus dem Jahr 1849 vergessen, die er unterschrieben hatte. Schließlich gab sie nach, um die ungarischen Menschen nicht unnötig zu düpieren, was geschehen würde, wenn sie die Einladung ignorierte. Sie stieg in die Kutsche, die sie auf die andere Seite der Donau bringen sollte. Auf der Fahrt konnte sie vom Budaer Ufer aus den hell erstrahlenden Vigadó-Palast leuchten sehen. Erst vor einem Jahr war das Gebäude in den neuen Zustand gebracht worden, um dort Bälle und andere Darbietungen zu feiern. Als sie die festlich illuminierte Treppe zum Ballsaal betreten hatte und die fröhlich gestimmten Menschen sah, die ihr mit ehrlicher Zuneigung begegneten, hatte sich ihre Stimmung verändert. Man trat ihr mit großer Begeisterung entgegen und Elisabeth wurde erneut bewusst, wie sehr sie in Budapest gemocht wurde. Wie angenehm war ihr das im Vergleich zu Wien. Budapest war das eine, aber lieber noch war sie stets auf dem Land gewesen.

Sie stand in Genf neben dem Bett und war im Schloss Gödöllö, erholte sich dort, ohne dass sie dazu die Augen schließen musste. Elisabeth versuchte sich lautlos zu bewegen, um nicht auf sich aufmerksam zu machen. Es musste niemand wissen, dass sie wieder einmal schlaflos blieb. Sie setzte sich neben das Bett auf einen gepolsterten Stuhl und legte sich eine Decke über die Beine. Übermüdet fiel ihr Kopf nach vorne, aber sie schlief nicht.

Krieg! Wer rief denn da? Krieg, hörte sie rufen, aber das Ereignis war ihr bereits bekannt. Elisabeth spürte den ständigen Luftzug, den es in Schönbrunn immer gab. Vor ihr verbeugte sich ein schmächtiger Adjutant mit blassem Gesicht. Sie könnte ihn fragen, wo sich der Kaiser aufhielt, aber das ahnte sie. Gab es Probleme, dann eilte er zur Erzherzogin, seiner Mutter. Franz-Joseph war fest davon überzeugt, dass seine Heere siegen werden. Der Adjutant hatte Franz-Joseph die Katastrophe mitgeteilt, die den Kaiser zu seiner Mutter eilen ließ. Eine Schlacht war verloren gegangen in einem Ort mit Namen Königgrätz und die feindlichen Truppen rückten auf Wien vor. Also hockte Franz-Joseph wie immer in der Not bei seiner Mutter. Elisabeth hatte ihm bereits mehrfach gesagt, er hätte seine Mutter heiraten sollen, weil er mit ihr alles und mit seiner Gemahlin gar nichts besprach. Er hatte sie nur verständnislos angesehen. Sie selbst konnte mit niemandem sprechen, auch nicht mit ihrer Mutter Ludovika, denn sie und die Schwiegermutter Sophie waren Schwestern, und immer der gleichen Meinung. Was war das? Jemand rief über den Flur, die Preußen stehen vor Wien und bringen die Cholera mit. Elisabeth erschrak und befahl, die Koffer zu packen. Dann ließ sie sich die zehnjährige Gisela und den siebenjährigen Kronprinzen bringen. Auf keinen Fall durften ihre Kinder den barbarischen Preußen in die Hände fallen oder gar durch eine Seuche gefährdet werden. Im Durcheinander auf den Fluren, die Kinder an den Händen, wäre sie am Treppenabsatz beinahe gestürzt. Die Kutschen sollen vorfahren, ordnete sie an. Man fragte nach dem Ziel der Reise und Elisabeth verkündete laut, zur Eisenbahn, wir reisen nach Budapest. Sofort rührte sich keine Hand mehr und alle blieben wie angewurzelt stehen. Ein älterer Offizier verneigte sich und sagte, das dürfen wir nur mit Erlaubnis seiner Hoheit.

"Ich befehle es", antwortete Kaiserin Elisabeth, und ihr Ton ließ keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit offen.

Elisabeth huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Der Traum von Schönbrunn erinnerte sie daran, dass sie sich durchgesetzt hatte. Das Jahr 1866 hielt für sie einige einschneidende Veränderungen bereit, auch wenn man behauptet hatte, sie wäre viel zu früh nach Budapest geflohen und nur, weil sie Wien hinter sich lassen wollte. Sie zog die Wolldecke bis über die Brust und ließ sich von ihrem Gedächtnis führen.

Nach Gödöllö und zum Schloss kam sie erstmals durch diesen furchtbaren Krieg, der auch nach der Niederlage von Königgrätz weiter wütete. Der Kaiser hatte sie beauftragt in der Nähe von Budapest ein Lazarett aufzusuchen, um den Verwundeten Trost zu spenden und ihnen zu zeigen, dass die kaiserliche Familie sie nicht alleine ließ. Am Morgen musste sie sich wieder einmal beim Ankleiden in ihre Kleider quälen, die um ihre sehr schmale Hüfte nicht richtig saßen. Sie ließ das alles klaglos über sich ergehen und schritt anschließend die Treppe hinab, um sich auf die Kutschfahrt zu begeben. Hinter einer Stallung lugte ein kleiner Junge um die Ecke, um einen Blick zu riskieren. Elisabeth mochte es nicht, wenn man sie angaffte, aber dem kleinen Jungen erlaubte sie es. Er verschwand sofort, als sie den Arm leicht anhob.

Budapest zeigte sich erhaben unter einem blauen Augusthimmel. Es war nicht die Burg, die ihr imponierte, es waren die Menschen der Stadt, die sich stolz und selbstbewusst in ihrer Tracht zeigten. Das imponierte ihr. Sie ließ sich gerne über die breiten Avenuen fahren und nahm den ihr gewidmeten Jubel entgegen. Die Donau floss hoheitlich durch die Stadt, als wäre sie die Kaiserin von Ungarn. Hinter der Kettenbrücke ließ Elisabeth kurz anhalten und rief einen der Geheimpolizisten zu sich, die ihre Fahrt begleiten mussten. Kaiserin Elisabeth gab ihm deutlich zu verstehen, dass sie diese Demonstration österreichischer Macht nicht wünschte. Sie empfand es als Kränkung für die Budapester Bevölkerung, wenn es den Eindruck machte, als misstraute sie ihnen. In diesem Moment hörte sie einen Mann einem anderen Mann etwas zurufen, dass auch sie zutiefst erschreckte. Am Abend, während ihrer Lesestunde die sie immer besonders genoss, weil sie die Ruhe und das für sich sein so liebte, trat ein Bote in den Salon und brachte ihr eine Nachricht, die wie der Beginn einer Apokalypse klang. Im Osten Ungarns, einem Ort mit dem Namen Knyahinya, war am neunten Juni ein fünfhundert Kilogramm schwerer Meteorit eingeschlagen. Für viele Menschen bedeutete das Ereignis den Beginn der Götterdämmerung. Kurz darauf begann der Angriffskrieg Preußens und die verlorene Schlacht von Königgrätz wurde als Gottes Antwort gesehen, weil niemand seine Warnung ernst genommen hatte. Elisabeth schüttelte diesen Gedanken ab und öffnete ihren Fächer, um ihr Gesicht vor den Sonnenstrahlen zu schützen. Die Kaiserin saß im Wagen eines Vierspänners und ließ die beeindruckende Landschaft dieser fast unberührten Natur an sich vorüberziehen. Gleich hinter Budapest zeigten sich Naturräume in ihrer Ursprünglichkeit, wie sie es schon lange nicht mehr gesehen hatte. Sofort war sie zutiefst angetan von dieser bewaldeten Landschaft, auch wenn Schloss Gödöllö alles andere als ein einladend auf sie wirkte. Aber schließlich war das die Unterkunft für die Kriegsversehrten und kein eingerichtetes Schloss für die Kaiserin von Österreich. Als sie die Treppe zum ersten Stock betrat, da dachte sie an Kaiserin Maria Theresia, die den gleichen Weg auch schon gegangen war. Das Elend der Verwundeten, die in den Räumen und Gängen lagen, berührte sie, weil sie ihr das Ausmaß der Katastrophe zeigten. Sie schritt in Würde zwischen den stöhnenden Männern einher und versuchte etwas Zuversicht zu vermitteln. Ein Arzt redete von der Seite auf sie ein, aber sie hörte ihm nicht zu. Nach dem Rundgang schritt sie auf der Rückseite des Schlosses auf die Bäume im weiten Park zu, um dem unerträglichen Gestank zu entkommen. Es genügte eine kleine Geste, um ihrer Begleitung zu zeigen, dass sie alleine sein wollte. Als sie die ersten Bäume des Waldes erreichte, ließ sie sich von der Stimmung tragen, die ihr von dieser Landschaft gegeben wurde. Hellblau, leicht berührt von einem sanften Wind, so zeigte sich der Himmel über den Wipfeln der Bäume. Wie Wellen des Meeres schaukelten die leichten Äste und der Duft des Holzes brachte eine friedvolle Stimmung herbei. Der Weg durch den Wald war so schmal, dass sie von den Blättern berührt wurde. Elisabeth wanderte versunken in Gedanken durch das Gehölz und atmete tief ein, weil ihr das ein Gefühl von Freiheit gab. Sie fühlte, dass sie hier dem höfischen Käfig in Wien entkommen könnte und entschied kurzerhand, das Schloss Gödöllö mitsamt den Ländereien zu erwerben. Auf einer schmalen Lichtung blieb sie stehen und dachte an ihre Schwiegermutter Sophie. Sie hatte bereits häufig darüber nachgedacht, weshalb sich dieser Krieg so schrecklich entwickeln konnte, obwohl Kaiserin Sophie von Österreich, Königin Maria von Sachsen und Königin Elisabeth von Preußen, Schwestern waren. Auch wenn ihre Patentante Elisabeth wegen der Krankheit des Königs Friedrich Wilhelm abdanken musste, so blieb die Frage ihrer Mitwirkung in Preußen doch bestehen. Lag es an der Machtlosigkeit ihrer Tanten oder daran, dass die sich mit ihrer untergeordneten Rolle als Frauen abgefunden hatten? Elisabeth wandte sich um und ging den schmalen Weg langsam zurück. Sie wird sich diese Frage nicht mehr stellen, denn die Wahrheit trat vor ihre Augen. Im Park hinter dem Schloss flanierten leichter verwundete Soldaten, während einige ihrer Kameraden vor der Schlosstreppe auf dem Boden lagen und in den hellen Himmel schauten. Der Krieg hatte das gesamte Leben der Menschen erreicht und beherrschte längst ihren Alltag. Die Kaiserin ging eilig auf ihren Vierspänner zu, winkte den ihr zujubelnden Soldaten, und ließ sich zurück nach Budapest fahren. Sie hatte am Abend ein Gespräch vereinbart, dass für den Wiener Hof eine einzige Provokation sein musste. Elisabeth wollte sich mit einem der führenden Politiker der Opposition Ungarns treffen, der sie um eine Unterredung gebeten hatte. Kaiser Franz-Joseph untersagte ihr zwar die Einmischung in die Politik, besonders seit der Krieg tobte, aber darüber musste sie sich hinwegsetzen, wenn es um Ungarn ging. Sie hatte sehr wohl die spöttischen Stimmen des Wiener Hofes vernommen, die sich über ihr Verhältnis zu Ungarn ausließen und ihr unterstellt hatten, ihr würden besonders die feschen Männer in Budapest gefallen. Dass Männer so geistig schlicht reagierten, wenn sie sonst nichts zu sagen hatten, war ihr nicht unbekannt. Auch eine Kaiserin musste mit der männlichen Dummheit leben.

Elisabeth wollte sich noch nicht zurückziehen und blieb hinter einer Mauer stehen, von wo aus sie über die Stadt Budapest und die Donau schauen konnte. Man hatte sie in Wien vor der Unruhe der Ungarn gewarnt, aber sie spürte sie nicht. Sie atmete die milde Luft ein und betrachtete den klaren Himmel. Unter ihr glänzte die Donau wie aus leuchtender Seide gemacht. Es war der gleiche Fluss, der auch Durch Wien nach Osten floss, und doch war es ihr, als würde die Donau in Budapest von einer überkamen sie nur, wenn sie daheim in Possenhofen auf das Wasser des Würmsees schaute, der ihr Herz anrührte, als wäre sie in ihn verliebt. Sie musste an die vielen verletzten Soldaten denken, die sie sich ansehen musste, und die sich wohl kaum in edlen Gedanken wiederfanden, so wie sie in diesem Moment. Diese so irdische Gewalt des Krieges war ihr fremd und zutiefst zuwider. Wer beschwor dieses Unheil und zu was sollte es dienen? Das Schicksal, so sagte man bei Hofe, habe es so gewollt. Das wollte sie nicht akzeptieren. Vor Gott hatte jeder Mensch seine Verantwortung und sich dazu zu bekennen, was er in seinem Leben an Unheil angerichtet hatte. Das Schicksal hieß nicht Tod, das hatten Menschen zu verantworten, aber das sprach niemand gerne aus. Im Krieg gab es nichts als Tod, das war die Wahrheit. Sie erinnerte sich an einen Soldaten, der entsetzt die Augen aufgerissen hatte, bevor er nach hinten sank und vor ihren Augen starb. Elisabeth dachte an ihre Hilflosigkeit und ihre Schwäche, sich offen gegen das Unrecht des Krieges aufzulehnen. Franz-Joseph hatte sie nicht empfangen, als sie mit ihm in Wien über den angeblichen Hass unter den edelsten Familien Europas sprechen wollte. Es gab diesen Hass nämlich gar nicht, wie sie festgestellt hatte. Weder Potsdam, noch Dresden, oder gar in Wien, war von Hass die Rede gewesen. Soldaten brachte man bei zu hassen, weil sie sonst am Sinn des Kampfes zweifelten, aber zwischen den kaiserlichen und königlichen Familien gab es den Hass nicht. Der Wilhelm in Potsdam will Kaiser werden, hatte ihr Franz-Joseph einmal gesagt. Lieber Himmel, was verspricht er sich davon? Oder ist er süchtig nach dem Jubelgeschrei seiner Untertanen? Heute jubeln sie, morgen fordern sie vielleicht seinen Kopf. Elisabeth sah in der Macht der Hoheiten nichts Verlockendes. Sie wollte von nun an noch intensiver ihr Herz befragen und wenn es schließlich sein musste, würde sie den Wiener Hof meiden. Ungarn lag ihr am Herzen und das durfte jeder hören, auch wenn sie wusste, dass die Spione aus Wien jeden ihrer Schritte meldeten. Sie drehte sich um und winkte einem der tapsigen Burschen, die ihr mit roten Köpfen und roten Westen zur Verfügung standen. Elisabeth bestellte sich ein Glas Milch und ordnete an, dass am Abend eine Zigeunerkapelle aufspielen sollte. Auch ihren ungarischen Gästen wollte sie zeigen, wie offen sie dachte, und dass sie die Feindschaft gegen die Zigeuner nicht akzeptieren würde. Natürlich wird man das auch in Wien wieder einmal als eine ihrer Eigenmächtigkeiten auslegen, die dem Kaiserreich schaden könnte. Sie drehte sich um und genoss den Anblick hoch über der Stadt, der sie vor allzu großer Nähe der Hofgesellschaft bewahrte. Elisabeth war froh, dass sie dem goldenen Wiener Käfig wieder einmal entkommen war, auch wenn der Grund sich wenig erfreulich dargestellt hatte. Es war der Tod, den sie in Gödöllö so nah gespürt hatte und doch wollte sie dieses Schloss besitzen. Vor allem der Ausritt in den Haraszter Wald und der Blick zur Hügellandschaft bei Gödöllö reizte sie sehr. Man sollte ihren Wunsch dem kaiserlichen Gemahl mitteilen. Das zu erreichen war nicht schwer. Ein lautes Wort in der Nähe eines kaiserlichen Agenten und schon musste sie keinen Brief mehr nach Wien senden, der zuvor von ihnen geöffnet werden würde. Mit leichter Hand strich sie sich über das volle Haar und sah die Blumenrabatte in der Einfahrt von Schloss Gödöllö vor sich. Wie schön sie immer waren. Egal zu welchem Anlass sie anreiste, immer hatte der Gärtner eine wunderschöne Reihe ihrer Lieblingsblumen eingepflanzt. Besonders Veilchen hatten es ihr angetan, deren leuchtende Farbe sie ausnehmend gerne mochte. Die blauen Veilchen der Äugelein, so begann ein Gedicht von Heinrich Heine, den sie tief verehrte. Nun vergaß Elisabeth, dass sie in Genf war und überließ sich der Vergangenheit.

2.

Damals im September war es. Kaiserin Elisabethstand in ihrem Boudoir vor den Kleidern und wollte sich noch nicht entscheiden. Zunächst mussten ihre Haare gerichtet werden. Das würde einige Stunden in Anspruch nehmen. Bevor sie ihre Friseurin Fanny hereinbat, musste sie sich mit der abendlichen Gästeliste beschäftigen. Sie wollte klug handeln, um keinen Skandal zu provozieren, denn ihr Treffen mit ungarischen Politikern würde nach Wien gemeldet werden, davon hatte sie auszugehen. Ihr Gemahl Franz-Joseph ließ zwar gebetsmühlenartig verbreiten, dass sie sich für Politik nicht zu interessieren hatte und daher auch keinerlei Einmischung stattfinden durfte, aber sie selbst, und natürlich der Wiener Hof, wussten es besser. Sie ließ Fanny eintreten, um sich von ihr die wadenlangen Haare in Kopfhöhe auf drei Leinen legen zu lassen, die hinter ihr zwischen den Wänden gespannt worden waren, um so das Gewicht einmal am Tag zu vermeiden, denn der Druck verursachte immer wieder Kopfschmerzen. Als diese Prozedur beendet war, schickte sie Fanny wieder hinaus. Sie betrachtete die Namen auf der Gästeliste und beschäftige sich zunächst mit den Herren, die ihr bereits persönlich bekannt waren. Ganz oben auf der Liste stand Ferenc Deák, der ein bekannter ungarischer Denker war, und einen Ausgleich mit Wien suchte, um Ungarn zu seiner alten Verfassung zurückzuführen. Damit waren durchaus nicht alle Politiker in Ungarn und jene im Exil einverstanden. Elisabeth traute dem Mann, der sie sehr beeindruckt hatte. Nicht nur durch seine Klugheit, sondern auch durch seine fast väterliche Art, hatte er Eindruck auf sie gemacht. Ein kräftiger Mann mit ausladender Figur, mit einem mächtigen Schnurrbart und klaren, offenen Augen. Mit über sechzig Jahren war er von allen eingeladenen Gästen der Älteste und Wichtigste für sie. Leider konnte sie im Moment kein Gespräch unter vier Augen erreichen, da sie unter ständiger Beobachtung der Wiener Agenten stand. Nun würde sie während des Empfangs im Salon versuchen, ihn für einige Antworten über die Lage in Ungarn zu gewinnen. Der Krieg wird Österreich zu einer Reaktion zu Ungarn zwingen, über diese Tatsache musste Kaiserin Elisabeth nicht lange nachdenken. Sie besaß einen Brief von Ferenc Deák in dem er ihr schilderte, wie prekär die Lage für Österreich war, nachdem Preußen keinerlei Bereitschaft zu Kompromissen gezeigt hatte. Es war damit zu rechnen, dass das Kaiserreich einige Gebiete abtreten musste, um einen Frieden zu erreichen. Elisabeth zerriss den Brief in lauter winzige Teile. Graf Moritz Esterhazy hatte, als persönlicher Vertrauter des Kaisers, auf die fragile Lage in Österreich hingewiesen, besonders auch auf die liberalen, revolutionären Kreise und das nationale Lager im Kaiserreich. Die Gefahr, dass das Kaiserreich zerbrach, war gegeben, und damit natürlich auch der Sturz von Franz-Joseph. Dass ihr Gemahl mit ihr über die Gefahr für das Kaiserreich nicht gesprochen hatte, wunderte sie längst nicht mehr. Er sah nur das, was er sehen wollte, oder was ihm seine Mutter einflüsterte. Sie würde auf keinen Fall zulassen, dass ihr Sohn das Anrecht auf den Kaiserthron verlor. Elisabeth sah auf der Gästeliste auch den Namen Esterhazy, was sie verwunderte, denn er gehörte nicht unmittelbar zu den Männern um Ferenc Deák. Mit ihrem Einsatz für die ungarischen Belange betrat sie ein gefährliches Terrain. Die diversen Herren der großen Familie Esterhazys verfügten über Einfluss, sowohl in Budapest als auch in Wien. Sie musste vorsichtig agieren, um nicht von Wien des Hochverrats bezichtigt zu werden. Moritz Esterhazy würde Franz-Joseph und auch der Erzherzogin Sophie über das Treffen berichten. Andererseits könnte er auch ihre Meinung teilen. Sie wusste es nicht. Man wird deutlich reden müssen, auch darüber, dass sie diese ständige Beobachtung durch Wiener Agenten nicht mehr dulden wollte. Das wird sie Franz-Joseph sagen und er wird ihr zuhören müssen.

Sie läutete nach Fanny, die ihre Arbeit an ihren Haaren beenden sollte. Fanny begann damit, ihr die Haare aufzustecken. Kaiserin Elisabeth gebot ihr, zu schweigen. Sie wollte das Frisieren genießen und dabei nachdenken. Ihr Gemahl hatte ihre Sorgen dadurch zerstreuen wollen, dass er über sein Vertrauen zu seiner Armee gesprochen hatte. Ihr kam es immer häufiger so vor, als würde Franz-Joseph von der Regierung nicht die Wahrheit über die Lage der Nation gesagt werden. Oder er hatte die Gefährdung, in der das Land sich befand, einfach nicht sehen wollen. Nicht einmal die Möglichkeit wollte er anerkennen, dass radikale Kräfte in Ungarn siegen könnten, um das Land von Österreich abzuspalten. Elisabeth fürchtete sich davor, dass Österreich in sich zusammenstürzen könnte, und sie mit den Kindern irgendwohin ins Exil fliehen müsste. Sie trug die Verantwortung für ihre Kinder Gisela und Rudolf, daran dachte sie Tag und Nacht. Ihre Sehnsucht nach einem anderen Leben musste sie zurückstellen, solange der Krieg wütete und die Situation nicht geändert wurde. Das Denken an die Gemeinsamkeiten mit Franz-Joseph war längst ihrer Sehnsucht nach einem eigenen Leben gewichen. Ein ganzes Leben würde sie für sich nie mehr erreichen können, dazu war bereits zu viel geschehen, aber einen Teil ihrer Selbstständigkeit musste sie zurückhaben. Das musste sie erreichen, wenn sie nicht in ihrer hoffnungslosen Verzweiflung ersticken wollte. Sie fühlte sich wie ein fremder Gast in ihrem eigenen Leben. Sie ahnte nicht nur, dass das Leben anders sein könnte, sie wusste es. Ein wesentlicher Faktor in diesem anderen Leben sollte Ungarn sein, denn hier atmete sie und erfüllte ihr Herz mit einer tiefen Sehnsucht nach Freiheit. Ihre Annäherung an Ungarn geschah nicht aus einer Antihaltung gegen ihre Schwiegermutter Sophie, wie man ihr öffentlich unterstellt hatte. So billig dachte sie nicht. Ferenc Deák hatte ihr bei einem ihrer kurzen Gespräche die ungarische Krone als wünschenswert und im Sinne Ungarns angeboten, worauf sie ihm keine Antwort gegeben hatte, aber in ihren Gedanken spielte das Angebot eine wichtige Rolle. Immerhin hieß die Gemahlin des ersten christlichen Königs der Ungarn Gisela von Bayern. Nach der Gattin des Königs Stephan I. von Ungarn wäre sie die zweite Monarchin aus Bayern auf dem ungarischen Thron. Ferenc Deák hatte eine Vermutung geäußert, weshalb ihre zweite Tochter den Namen Gisela trug, aber auch darauf hatte sie ihm keine Antwort gegeben. Man muss nicht alles nach außen sagen, was man innerlich fühlte und dachte.

Vor der Tür machte sich Gräfin Lily Hunyady bemerkbar, die sofort eingelassen wurde. Die Hofdame brachte der Kaiserin eine Tasse geklärte Kalbsbrühe und ein Billett. Elisabeth las es. In der Mitteilung von Ferenc Deák bat er um ein Gespräch vor dem eigentlichen Abendtermin. Kaiserin Elisabeth schüttelte den Kopf. Das konnte sie nicht tun. Es gab zu viele Augen und Ohren, die so etwas nur zu gerne an die Erzherzogin Sophie meldeten, die dann sofort Franz-Joseph aufhetzen würde.

“Darf ich etwas sagen?”, fragte die Gräfin Hunyady.

Kaiserin Elisabeth nickte ihr zu und nippte an der Tasse Brühe.

“Das Billett kam von Ferenc Deák?”, fragte die Gräfin.

“Er will mich unter vier Augen sehen”, antwortete Elisabeth. Wieder schüttelte sie den Kopf.

“Wäre es eventuell wichtig, Ferenc Deák zu sprechen?” Die Gräfin flüsterte.

Die Kaiserin nickte und blickte in zwei neckische Augen.

“Man könnte wieder einmal ein kleines Spiel spielen”, meinte Lily

Hunyady und lächelte schelmisch.

Natürlich wusste Elisabeth gleich, was damit gemeint war. Immer dann, wenn sie ihre Ruhe haben und sich durch einen Spaziergang erfrischen wollte, benutzte sie eine Camouflage, die ihr außerordentlichen Spaß machte. Sie ließ dann ihre Friseurin Fanny eines ihrer Kleider anziehen, danach wurde sie hergerichtet, und schließlich zog die Kaiserin genau das gleiche Kleid an. Die Frisur und ein großer Fächer vervollständigten die Täuschung. Während Fanny mit Lily Hunyady öffentlich auftrat und entsprechend bejubelt wurde, spazierte Kaiserin Elisabeth unbehelligt durch die Stadt. Das war also tatsächlich eine Möglichkeit der Bitte von Ferenc Deák nachzukommen, ohne sie zu entdecken. Sie wollte darüber nachdenken. Die Gräfin musste sich mit der nur halb geleerten Tasse wieder zurückziehen, denn die Kaiserin wollte bei der Entstehung ihrer

Frisur nur die Fanny um sich haben, auch wenn Lily Hunyady ihre liebste Hofdame war. Man würde sich nach dem Ankleiden sowieso noch einmal sehen. Elisabeth musste an die junge Gisela denken, die im Alter von zehn Jahren mit dem ungarischen König Stephan verheiratet worden war. Ihre eigene Tochter Gisela war auch grade zehn Jahre alt geworden. Allein der Gedanke, ihr Kind in eine Ehe mit einem älteren Mann zu geben, gruselte sie. Aber das war monarchische Politik, die an den europäischen Höfen nach wie vor üblich war. Ihre Tanten, die Schwestern ihrer Mutter Ludovika, waren so verheiratet worden, wenn auch nicht in dermaßen jungen Jahren. Ihre Patentante Elisabeth heiratete Friedrich Wilhelm von Preußen, Tante Amalie den König Johann von Sachsen und Tante Sophie den Vater ihres Gemahls Franz-Joseph. Ihre Mutter führte diese Sitte weiter und verheiratete ihre Schwester Marie Sophie mit König Franz von Sizilien. Auch sie selbst hatte sich von den fantastischen Erzählungen der Mutter über das Leben als Kaiserin beeindrucken lassen. Doch darüber wollte sie nicht nachdenken. Sie hätte gerne mehr über die große Liebe ihrer Mutter gewusst. Darüber hatte sie bereits als junges Mädchen in Possenhofen munkeln hören. Die Mutter soll einmal unsterblich in den Prinzen Don Miguel von Portugal verliebt gewesen sein, den sie aber nicht heiraten durfte, weil der nicht standesgemäß gewesen war. Stattdessen musste sie bayrisch verehelicht und hatte diese Ehe von Anfang an verflucht. Kaiserin Elisabeth senkte den Kopf. Als Mädchen hatte sie sich immer darüber gewundert, warum ihre Mutter in Possenhofen und ihr Vater Max in München lebte. Inzwischen wunderte sie das nicht mehr.

Nach mehr als drei Stunden hatte Fanny ihr Werk vollendet und Elisabeth betrachtete sich im Spiegel. Wieder einmal war ihrer Friseurin ein Kunstwerk gelungen. In der adeligen Gesellschaft versuchten viele Damen ihre Haarpracht nachzuahmen, aber es gelang ihnen nicht. Man hatte sogar versucht Fanny mit viel Geld abzuwerben, aber das scheiterte kläglich. Nun war es an der Zeit das Spiel zu spielen und sie ließ die Gräfin Hunyady rufen, um die passenden Kleider dazu auszuwählen. Leider musste sich die arme Fanny ganz eng schnüren lassen, um der schmalen Taille der Kaiserin nahezukommen. Sie blies die Luft aus den Lungen und versuchte nicht zu atmen, als man ihr das Korsett anpasste. Inzwischen hatte sich die Kaiserin für ein blaues Seidenkleid entschieden, dass sie zweimal besaß. Fanny durfte das Korsett wieder aufschnüren, denn es war noch Zeit bis zu ihrem Einsatz.

"Prinzessin Windischgrätz soll die Fanny begleiten", entschied Elisabeth und zog sich in ihr Ankleidezimmer zurück.

Während sie das Seidenkleid noch einmal begutachtete, entfaltete die Gräfin Hunyady einen Plan, den sie lächelnd der Kaiserin zeigte.

"Dies hier ist das Labyrinth unter der Burg. Das hat bereits zur Zeit der Belagerung durch die Türken gute Dienste geleistet. Es eignet sich hervorragend, um sich unsichtbar zu machen", sagte sie.

Kaiserin Elisabeth drehte sich nur kurz um.

"Ich soll wie eine Maus unter der Erde verschwinden? Gräfin, Sie scherzen."

Die Gräfin faltete den Plan wieder zusammen und verzog den Mund. Sie war enttäuscht, dass ihre Hoheit das kleine Abenteuer ablehnte.

"Budavári palota", reagierte Kaiserin Elisabeth, "ist die herrlichste Burg der Welt. Warum nicht auch unter der Erde? Wir müssen Ferenc Deák an eine Stelle dirigieren, die ihn nicht vollständig derangiert. Sie werden ihn mündlich benachrichtigen, Gräfin, während ich zu den Kindern gehe und ihnen gute Nacht sage.“

Elisabeth trat ganz nahe an das Bett des kleinen Rudolf heran. Sie betrachtete ihn aus der Nähe und musste nicht lange warten, bis das Kind eingeschlafen war. In diesem Moment spürte sie eine Kälte, die ihr einen Schauer durch den Körper schickte. Welches Schicksal erwartete ihren Sohn? Man sprach darüber, dass man in Wien lieber Maximilian bejubelte, den Bruder des Kaisers, und nicht Franz-Joseph. Das verhieß nichts Gutes. Dann ging sie hinüber in das Schlafzimmer von Gisela, deren Kinderfrau sich tief verneigte, als die Kaiserin eintrat.

"Die Mama ist eine schöne Dame", sagte Gisela in ihrer kindlichen Freude über die Anwesenheit ihrer Mutter. Elisabeth nahm die beiden kleinen Hände in ihre und schaute der Tochter in die Augen.

"Ich habe heute einen Sperber gesehen, der vom Himmel auf die Erde fiel und sich nicht wehgetan hat", erzählte die kleine Prinzessin begeistert und bekam dabei ganz rote Wangen. Dann kletterte sie in ihr Bett und schaute die Mutter erwartungsvoll an. Doch Elisabeth war mit ihren Gedanken nicht bei ihrer Tochter. Sie machte sich Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder. Es muss einen Weg geben, dass Rudolf und Gisela zumindest in Ungarn sicher waren, dachte sie. Darüber musste sie mit Ferenc Deák sprechen. Während Elisabeth nachdachte, schlief Gisela ein.

Auf dem Flur erwartete sie ein uniformierter Adjutant, den sie mit einer kurzen Handbewegung von sich wies. Sie wollte jetzt niemanden sehen. In ihrem kleinen Salon wartete die Gräfin Hunyady und nickte ihr freudig zu.

"Ferenc Deák verzog keine Miene, als ich ihm den Treffpunkt nannte", erzählte sie.

Elisabeth betrachtete ihre Hofdame. Sie trug ein bodenlanges, weißes Kleid und einen dunkelblauen Umhang, den sie leicht über ihre Schultern gelegt hatte. Sie zeigte ein unschuldiges Gesicht und ihre vollen Lippen unterstrichen diesen Eindruck noch, aber sie war immer zu Streichen aufgelegt.

"Sind wir nicht zu fein ausgestattet, um uns unter die Erde zu begeben?", fragte die Kaiserin ihre Hofdame.

Die schüttelte heftig den Kopf.

„Das ist ein gut ausgebautes Tunnelsystem, Hoheit", erwiderte sie im Brustton der Überzeugung. "Es wird uns ein Vertrauter führen, der sich dort unten bestens auskennt. Er ist ein Freund meines Bruders." Elisabeth drehte sich zur Seite, weil sie die Erwähnung von Imre Graf Hunyady für vollkommen unpassend hielt, auch wenn er der Bruder der Gräfin war. Sie musste wissen, dass in ihrer Anwesenheit die Nennung dieses Namens unerwünscht blieb. Der Graf war einer der Adjutanten, die während ihrer halbjährigen Kur auf Madeira in ihrer Nähe sein durften. Mit ihm hatte sie die ungarische Sprache geübt, wodurch er glaubte, sich Hoffnungen zu machen. Er wurde kurzerhand nach Wien beordert, wo er auch nicht länger geduldet worden war. Später konnte er am Balaton seine Verliebtheit mit Wein ertränken. Die Kaiserin konnte sich gegen dumme Gerüchte nicht wehren, aber sie verachtete Menschen, die ihr nicht den gebotenen Respekt entgegenbrachten. Damals auf Madeira, im Jahr 1860, hatte sie eine Entourage von siebzig Begleitern, nebst ihren Hofdamen. Jeder Schritt ihrerseits war beobachtet und nach Wien gemeldet worden. Sie hatte sich schrecklich gelangweilt.

"Fanny soll einen großen Fächer nehmen und ihn so vor ihr Gesicht halten, wie ich es zu tun pflege", sagte die Kaiserin und schickte die Gräfin Hunyady hinaus.

Sie sehnte sich nach Ruhe und Beschaulichkeit, wie sie beim Schloss Gödöllö so reichlich vorhanden war. Auch wenn Franz-Joseph ihr das Schloss Gödöllö noch verweigerte, es blieb ihr Wunsch, dieses Anwesen zu besitzen. Ihre Seele litt unter der permanenten Bespitzelung und einer Öffentlichkeit, die ihr ständig zu nahe war. Manchmal hatte sie schon geglaubt, ihre Seele würde nie mehr singen können. So wie es ihr im Wiener Käfig unmöglich war, sich unbeschwert zu zeigen. Dort kam sie sich vor wie ein Ross, dass man an der Kandare zum Vergnügen des Publikums durch die Arena führte. Sie hatte sich immer geweigert, sich von ihrer Tante und Schwiegermutter Sophie dressieren zu lassen. Ihr einziger Ausweg waren die Kuren und Reisen gewesen, durch die sie dem Tratsch in Wien entkommen war.

Gräfin Hunyady klopfte und betrat den Raum.

"Tibor von..."

Kaiserin Elisabeth unterbrach ihre Hofdame auf der Stelle.

"Keine Namen. Der Mann soll still vor uns gehen und er darf sich auf keinen Fall umwenden. Danach wird er für ein halbes Jahr außerhalb der Burg an anderer Stelle eingesetzt.“ Elisabeth griff nach ihrem Fächer und folgte der Gräfin, die eine Öllampe wie eine Monstranz vor sich hertrug.

Von einem Fenster aus sah die Kaiserin ihre Friseurin Fanny in der Nähe einer Laterne, wie sie versuchte, hoheitsvoll zu gehen und huldvoll zu winken. Sie gibt sich Mühe, dachte Elisabeth, aber richtig lernen wird sie es nie. Aber die wenigen Menschen hielten sie offenbar für die Kaiserin und

ließen sie hochleben. Das interessierte sie weniger. Wichtiger waren die Zivilpolizisten, die verdeckt der angeblichen Kaiserin folgten. Sie würden melden, dass ihre Hoheit am Abend einen Spaziergang entlang der Burgmauer gemacht hatte. Zufrieden folgte Elisabeth ihrer Hofdame. Sie betraten kurz hintereinander zwei schmale Flure, bevor sie an eine Tür kamen, die der Mann in Uniform mit kräftigem Ziehen beider Hände öffnete. Nun ging es hinab in den Untergrund. Natürlich hatte sie gewusst, dass es zur Türkenzeit und später den Bau dieser unterirdischen Anlage gegeben hatte, aber die Dimensionen überraschte sie doch. Sie mussten auf die Stufen aufpassen und auf ihre Kleider, die so gar nicht zum Untergrund passten. Die Kaiserin war erstaunt, wie weiträumig die Anlage ausgebaut worden war. Sie sog die Luft ein, um den Atem der Felsen zu spüren. Viel Zeit bekam sie nicht, denn ihr Führer eilte voran, als wollte er den Untergrund schnell hinter sich lassen. Das sparsame Licht aus den Lampen verursachte groteske Bilder an den Wänden. Elisabeth machte das nichts aus, sie fühlte sich durch das kleine Abenteuer erfrischt. Sie hob ihren Fächer vor ihr Gesicht, so wie sie es immer tat. Durch den Schwung ihrer Hand und mit dem Wind des Fächers löschte sie ihre Lampe. In diesem Moment schlug irgendwo im Labyrinth eine Tür zu. Die Kaiserin stieß leicht mit Lily Hunyady aneinander, die im Licht ihrer Lampe ein ziemlich blasses Gesicht zeigte. Da der Offizier stehen geblieben war, rührte sich niemand vom Fleck. Es waren ganz deutlich Schritte zu hören. Aber woher kamen sie? In diesen unterirdischen Gängen waren sie nicht konkret zu orten. Elisabeth hielt den Fächer noch dichter vor ihr Gesicht. Es war nicht auszudenken, welche Gerüchte durch die Welt schwirren würden, wenn man sie hier unten mit der Gräfin und einem jungen Offizier entdecken würde. In Wien würde man sich mit Freuden das Maul zerreißen, denn dort gab es schon genügend gehässige Kommentare zu den feschen ungarischen Husaren und der Kaiserin. Elisabeth wollte nicht warten. Wenn es einen anderen Weg gab, dann sollte ihn der Herr Offizier schleunigst einschlagen. Sie flüsterte kurz mit der Gräfin und die machte ein paar Schritte auf den jungen Mann zu. Auch dort wurde gewispert und Lily Hunyady kam mit einer Nachricht zurück.

“Es ist der Rattenfänger, der die Käfige entleert“, wisperte sie.

Mit einer kurzen Handbewegung befahl die Kaiserin, weiterzugehen. Doch kaum erreichte die Gruppe den nächsten Gang, schrie etwas entsetzlich, und es klang wie ein in Not befindlicher Säugling. Doch der Offizier hob seine Lampe hoch über seinen Kopf und wedelte mit seiner freien Hand herum.

„Was will er?“, flüsterte Elisabeth in das Ohr der Gräfin Hunyady. Sie wusste es nicht.

Nachdem man ein gemauertes Gewölbe durchschritten hatte, führte der Weg direkt zu einer Rattenfalle, in die sich eine Katze verfangen hatte, die ganz erbärmlich schrie. Der Offizier versuchte das Tier zu befreien, doch die Katze biss um sich. Er nahm die Kiste und trug sie vor sich her. Kaiserin Elisabeth schaute auf die dicht vor ihr gehende Gräfin Hunyady. Es schien ihr, als würde ihre Hofdame zittern, denn die Schatten an den Wänden hatten plötzlich etwas Gespenstisches. Sie selbst verspürte dennoch keinerlei Angst, obwohl sie ständig auf der Hut sein musste, um nicht auszurutschen. Natürlich war das kein Ort, an dem sich eine Kaiserin aufzuhalten hatte. Andererseits liebte sie Herausforderungen der besonderen Art, wie diesen Lauf unterhalb der großen Burg. Sie nahm das sportlich, so wie einen kühnen Ritt durch unbekanntes Terrain. Allerdings hatte sie das Gefühl, sich mit jedem Schritt einer Herausforderung zu nähern, von der sie nicht wusste, was sich aus ihr entwickeln könnte. Zunächst musste sie sich auf die neuen Stufen konzentrieren, denn die Handlampen zeigten mehr helle Flecken als gutes Licht. Am Ende der schmalen Treppe öffnete sich ein Raum, dessen Decke bedrohlich tief hing. Es wurde merklich kühl und die Luft roch nach dumpfer Feuchtigkeit. Hinter dem Raum öffneten sich zwei Gänge in verschiedene Richtungen und Elisabeth hoffte, der junge Offizier war sich sicher, wo er langzugehen hatte. Sie durchfuhr das ungute Gefühl nicht mehr zurückfinden zu können, falls sie plötzlich auf sich allein gestellt wäre. Der Gang wurde schmaler und erstmals erlebte die Kaiserin das Gefühl, eingesperrt zu sein. Sie lief einfach weiter, weil der Offizier seine Schritte nicht verlangsamte. Der Höhlenweg war nicht nur schmaler als die Gänge vorher, die Decke wurde auch immer niedriger. Mit ihrem dürftigen Licht und dem Schein der Lampen der Gräfin und des Offiziers malten sich Grimassen wie von selbst auf das Gestein. Der Weg machte eine leichte Kurve und der Geruch von Fäulnis stieg ihr in die Nase. Da sie keine Ahnung hatte, was es damit auf sich hatte, nahm sie ihren Fächer vor die Nase. Mit der Lampe jonglierend und der Katzenkiste vor sich öffnete der junge Mann eine unscheinbare Tür in einer Mauernische, die zuvor von Elisabeth nicht gesehen worden war. Sie führte auf eine Straße. Dort ließ der Adjutant die Katze frei, die mit großen Sprüngen davoneilte. Das Licht des späten Tages leuchtete noch hell genug, um die Gassen oberhalb der Budapester Burg erkennen zu können. Lily Gräfin Hunyady ließ den Offizier zur Absicherung die Straße hinauf bis fast zur Matthiaskirche gehen. Dort musste er warten, bis sie ihm ein Zeichen geben würde. Kaum war das geschehen, winkte sie eine Kutsche heran, aus der ein älterer Herr entstieg und auf sie zukam.

Er gab seinem Kutscher ein Zeichen und ließ das Gefährt hinter sich herfahren.

Kaiserin Elisabeth, die sich in der Einbuchtung dieser verdeckten Tür aufhielt, erkannte Ferenc Deák, der freundlich lächelnd auf sie zuschritt. Als sie wie zur Abwehr ihren Fächer vor ihr Gesicht hielt, verstand er diese Geste. Die Kaiserin musste öffentlich unentdeckt bleiben. Daher ließ er seinen Wagen dicht an der Mauer entlang fahren, bis der auf gleicher Höhe zur Tür war, wo Elisabeth leicht und unentdeckt einsteigen konnte. Sie nahm auf dem mit rotem Stoff bezogenen Polster Platz, während Ferenc Deák von der Straßenseite aus zustieg. Er setzte sich ihr nicht Gegenüber, sondern klappte einen Notsitz an der Tür auf, den er nutzte. Er wusste was sich gehörte. Der schwere Mann schnaufte und strich sich kurz über den herabhängenden Schnurrbart, während Elisabeth zur Kenntnis nahm, dass Deák auch im Sommer nicht auf eine Weste und ein sehr langes Oberkleid verzichtete. Mit einem kleinen Lächeln erlaubte sie ihm, zu sprechen.

„Hoheit müssen mir verzeihen, dass ich Ihnen solche Beschwernisse zumute, aber die Zeit ist geprägt von dunklen Ereignissen. Ich möchte, wenn sie es mir erlauben, auch gleich zur Sache kommen, damit Sie für den heutigen Abend nicht ohne Vorabinformationen sind. Preußen und Bismarck werden dem Kaiserreich Bedingungen diktieren, von denen noch niemand weiß, wie sie letzten Endes aussehen werden.“ Ferenc Deák erschrak ein wenig, weil die Kaiserin plötzlich sehr heftig mit ihrem Fächer wedelte, bevor sie sprach.

„Diesem Wilhelm von Preußen gönne ich, dass er auf der Stelle tot umfällt“, reagierte sie und blickte zornig.

Es entstand eine kleine Pause, bevor Deák weitersprach. Er hätte nun erwidern können, dass es Bismarck war, der die Linie der preußischen Politik bestimmte, doch die Kaiserin zu belehren schickte sich nicht.

„Hoheit erlauben mir, Sie an unser kurzes Gespräch im Januar zu erinnern.“

Im Januar waren Kaiser Franz-Joseph und sie für mehrere Wochen in Budapest gewesen, daher erinnerte Elisabeth sich nicht genau an die Worte, die sie damals mit Ferenc Deák wechselte, wohl aber an die Begegnung, die sie als angenehm empfunden hatte.

„Helfen Sie mir mich zu erinnern“, bat sie ihn.

Das war für Ferenc Deák nicht so einfach auszusprechen, doch er musste es sagen, damit der bevorstehende Abend nicht zu einem Desaster wurde.

„Hoheit, wenn der Kaiser uns das gibt, was wir Ungarn uns erhoffen, dann werden wir eine gute Regierung benötigen.“

Elisabeth faltete ihren Fächer zusammen und zeigte dem älteren Herrn ihr Gesicht.

„Der Kaiser kann doch auf Sie zählen, Herr Deák“, antwortete sie.

Natürlich meinte sie sich selbst, denn in der ungarischen Angelegenheit, wie man ihr Engagement in Wien nannte, war es die Kaiserin, die den Weg vorgegeben hatte und Franz-Joseph beeinflusste, das wusste Ferenc Deák natürlich.

„Hoheit, für diese Aufgabe braucht ein Mann viel Kraft und ich weiß nicht, wie lange ich in meinem Alter noch durchhalten werde. Mir wäre es wohler, wenn neben mir eine Persönlichkeit bereitstehen würde, die sowohl in der Sache als auch beim Volk gleichermaßen Respekt verdiente.“ Nach diesen Worten atmete Deák schwer.

Elisabeth schaute zur Seite. Sie hatte bereits in Wien bemerkt, wie sichtbar sich die ungarische Delegation hinter eine gewisse Person gestellt hatte. Bei dem Empfang im Audienzsaal, in dem die Delegierten des ungarischen Landtags der Kaiserin nachträglich ihre Aufwartung zu ihrem Geburtstag machten, fiel Gyula Graf Andrássy schon allein durch seine auffällige Kleidung auf. Goldbestickt und mit einem Tigerfell über der Schulter schritt er einher. Damals im Januar gefiel ihr die Art des Auftretens nicht, weil es provozierte und den Wiener Hof ihrer Ansicht nach unnötig gegen Ungarn aufbrachte. Elisabeth hatte sich in den Tagen zuvor Berichte über jeden der anreisenden Abgeordneten geben lassen. Graf Andrássy gehörte zu jenen, mit denen sie sich besonders beschäftigt hatte. Sie war dem Mann in den Jahren immer wieder begegnet, ohne ihm nähergekommen zu sein. Elisabeth erinnerte sich an die Rede von Franz-Joseph Ende 1865 vor dem ungarischen Reichstag. Auch bei einem Ball im Februar 1866 hatte sie Andrássy wahrgenommen. Um Ungarn die Ehre zu geben, trug sie die ungarische Nationaltracht, was ihr bei Hofe heftigste Kritik eingebracht hatte. Diese Kritik berührte sie nicht weiter und sie hielt ihre Dankesrede in perfektem Ungarisch, was ihren Gemahl Franz-Joseph stolz in die Runde blicken ließ. Die damalige Begegnung zwischen dem Kaiser und dem Grafen Andrássy entbehrte nicht einer gewissen Pikanterie, denn Franz-Joseph hatte genau diesen Mann im Revolutionsjahr 1849 zum Tode verurteilt, weil er auf der ungarischen Seite gekämpft hatte. Nun mussten sich die Männer wieder begegnen, weil Elisabeth mit Ferenc Deák für den Ausgleich zwischen Ungarn und Österreich eintraten. Erzherzogin Sophie hatte ihren Sohn bereits gescholten und auf ihn eingeredet, diesen Verbrecher nicht zu empfangen, doch der Kaiser trat an die Seite seiner Gemahlin Elisabeth.

Sie nahm ihren Fächer und bewegte ihn leicht. Nun war es also soweit, dass Ferenc Deák ihr Graf Andrássy als seinen Nachfolger empfehlen wollte. Wie sollte sie regieren? Zunächst blieb sie steif aufgerichtet sitzen und schaute auf die leere Polsterbank ihr gegenüber. Jetzt nur nicht voreilig sein und einen Fehler machen, dachte Elisabeth. Graf Andrássy war ihr nicht in dem Maße wertvoll, wie Ferenc Deák, den sie zutiefst bewunderte. Andererseits musste sie die Weitsicht dieses Mannes respektieren, der genau wusste, wer aus seinen Reihen geeignet war und wer nicht. Sie musste auch die feindliche Seite in Ungarn berücksichtigen. Jene Partei, die einer strikten Trennung von Österreich das Wort redete und Männern des Ausgleichs wie Ferenc Deák wie Verräter an der ungarischen Sache behandelte. Der alte Herr hockte auf dem unbequemen Notsitz und versuchte das ausdruckslose Gesicht der Kaiserin zu deuten. Man munkelte, Graf Andrássy habe ihr mit seiner Männlichkeit imponiert, aber solches Gewäsch interessierte ihn nicht. Er wollte das Gespräch auf seine Kernpunkte lenken.

„Hoheit, mir ist bewusst, dass sich solche tief gehenden Entscheidungen nicht in meiner bescheidenen Kutsche erledigen lassen. Erlauben Sie mir dennoch darauf hinzuweisen, dass die Zustimmung von Kaiser Franz-Joseph zur Krönung zum ungarischen König und die Einsetzung der ungarischen Verfassung mehr als hilfreich wäre, die Lage in Ungarn entscheidend zu bestimmen und damit zu entspannen.“ Er atmete tief ein. „Hoheit wissen, wie sehr das ungarische Volk Sie liebt.“

Dazu wollte und konnte Elisabeth sich nicht äußern. Letztlich hatte der Kaiser das letzte Wort und sie wusste, wie beeinflussbar er war. Bisher hatte sich Franz-Joseph zu dem weiteren Vorgehen nicht eindeutig geäußert. Seine Ambivalenz entsprach seiner Situation zwischen der Erzherzogin Sophie und dem Wiener Hof und ihrer eigenen klaren Meinung zu Ungarn. Sie wollte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass sie Franz-Joseph nicht respektierte. Ihr jetziges Tun galt nach den österreichischen Gesetzen bereits als Hochverrat.

„Mir ist bewusst, wie schwierig die Lage ist. Meine Sympathie für die ungarische Meinung ist bekannt. Auch habe ich in Kenntnis der Hintergründe bewusst in Kauf genommen, dass Sie mir die kleine Ida Ferenczy zugespielt haben, die Ihnen und Ungarn mehr als eng verbunden ist. Ich habe sie in meiner Umgebung geduldet, obwohl der Hof sie wegen ihrer geringen Herkunft abgelehnt hatte. Ein liebes Mädel ist sie zweifelsohne, aber ich hätte sie auch als Spionin betrachten können. Nein, sagen Sie nichts. Das habe ich von Anfang an nicht getan, weil ich Ihnen vertraue, aber denken Sie nicht, dass ich bereits mehr getan habe, als es sich für eine österreichische Kaiserin gehört? Wir werden sehen, wie sich seine Hoheit der Kaiser entscheiden wird. Zu Graf Andrássy werde ich mich zunächst nicht äußern.“

Das war nun eindeutig nicht das, was sich Ferenc Deák erhofft hatte. Für ihn sollte der kommende Abend mehr werden, als nur eine Zeremonie im Salon der Kaiserin.

„Hoheit, noch ein Wort, wenn Sie erlauben. Ida Ferenczy ist von mir vorgeschlagen worden, das ist wahr, aber nur im Sinne Ihrer Wünsche nach einer befähigten Person, die mit Ihnen ungarisch sprechen sollte. Wenn ich mich recht erinnere, hatte Ihnen Professor Homoky als Lehrer zwar entsprochen, aber Sie wollten die Sprache der ungarischen Menschen lernen und sich nicht in akademischen Reden üben. Das ist Ihnen, wenn ich das sagen darf, außerordentlich erfolgreich gelungen.“

Elisabeth, die spürte, dass ihr Gegenüber etwas ganz anderes mitteilen wollte, wischte einmal kurz mit dem Fächer durch die Luft. „Was wollen Sie mir wirklich sagen, verehrter Deák.“

Er hob den Kopf etwas an und schaute ihr in die Augen.

„Hoheit sind über die Zustände in Wien informiert? Dort jubelte das Volk Kaiser Maximilian von Mexiko zu und schweigt zu seiner Hoheit dem Kaiser. Es kursieren sogar Gerüchte, Kaiser Maximilian würde das Zepter in Wien übernehmen.“

Kaiserin Elisabeth schüttelte sich. „Das Volk ist wie eine Fahne im Wind. Der Bruder meines Gatten war bekanntlich immer schon sehr beliebt bei den einfachen Leuten. Dem messe ich keine Bedeutung bei.“

Ferenc Deák beurteilte die Lage anders.

„Die Niederlage gegen Preußen rief andere Kräfte auf den Plan, Hoheit. Das Volk sang: Die Minister haben kein Hirn, so müssen wir endlos verlieren. Es besteht in Wien nun die Hoffnung, dass Bismarck die Lage erkennt und die Sicherheit über den Siegesjubel stellt. Für Ungarn, Hoheit, sieht es da leider böse aus. Preußen unterstützt den General Klapka, der mit seinen Soldaten in Budapest dafür sorgen soll, das Ungarn und Österreich im Interesse Preußens getrennt werden.“

Diese Information berührte die Kaiserin tief, denn das würde bedeuten, sie müsste Ungarn verlassen und könnte nie mehr zurück. „Sie wollen mir sagen, Graf Andrássy ist die einzige Lösung?“ Elisabeth betrachtete das blasse Gesicht von Ferenc Deák, der einen Moment für eine Antwort benötigte.

„Hoheit, ich vertraue ganz und gar Ihren Gefühlen für Ungarn und Ihrem gütigen und klaren Verstand.“

Damit war für Kaiserin Elisabeth die Unterredung beendet, zumal sich Ferenc Deák auf dem Notsitz sichtlich unwohl fühlte. Sie wollte sich für den Abend eine Formulierung überlegen, die dem alten Herrn sicherlich sehr entgegenkommen würde, ohne dass sie dabei einer Entscheidung von Franz-Joseph zuvorkam. Sie verabschiedete sich und wartete, bis Ferenc Deák ausgestiegen war. Da er ihr die Wagentür zum Höhlenzugang nicht öffnen konnte, dazu war sein Leibesumfang zu ausgeprägt, musste sie warten, bis Lily Hunyady ihr aus der Kutsche half. Kurz entschlossen änderte sie ihren Plan und beauftragte die Gräfin den jungen Offizier zu Fanny zu schicken, damit sie das Spiel beendete. Sie selbst wollte in Richtung Matthiaskirche hinauflaufen.

Elisabeth umrundete das Kirchengebäude und machte erst an der Wehrmauer halt, von wo aus sie über das ehemalige Wasserviertel über die Donau hinüber nach Pest schauen konnte. Obwohl sie der Anblick zu bleiben reizte, war sie in ihren Gedanken bereits bei dem bevorstehenden Abend. So ganz wohl war ihr nicht dabei, denn sicher würde jedes ihrer Worte in Wien auf die Goldwaage gelegt werden, denn sie war sich sicher, dass es unter den eingeladenen Herren mindestens den einen gab, der den Hof informieren würde. Deshalb hatte sie den Abend auch als Höflichkeitsvisite bezeichnen lassen, um ihm keinen politischen Klang zu geben. Sie blickte über die Brüstung und erkannte unterhalb der Mauer Ida Ferenczy, die vom Donau-Ufer kam, wo sie das Entladen von persönlichen Dingen der Kaiserin überwacht hatte. Das Schiff war erst am Morgen von Wien kommend in Budapest angelandet. Elisabeth sah zu, wie ihre Hofdame den steilen Weg zum alten Fischmarkt hinaufstieg. Man nannte sie im Sprachgebrauch des Wiener Hofes leider nicht Hofdame. Dort wurde Ida Ferenczy misstraut und das nicht nur wegen ihrer niederen Herkunft und ihrer Verbindung zu den moderaten Kräften Ungarns, sondern vor allem wegen ihrer Nähe zur Kaiserin. Elisabeth wusste nur zu genau, dass sich dieses Misstrauen eigentlich gegen sie richtete. Gegen den Willen der höfischen Aristokratie hatte sie im Jahre 1864 die junge Ida bei sich aufgenommen, obwohl deren Familie wenig bedeutungsvoll war. Man hatte ihr quasi untersagt, sie zu beschäftigen. Weil sie als Hofdame nicht infrage kam, stellte sie Ida als Vorleserin ein, wohl wissend, dass das Mädchen eine enge Vertraute von Ferenc Deák war, was auch dem Wiener Hof nicht unbekannt blieb. Elisabeth hatte ihre Entscheidung zugunsten von Ida bisher nicht bereuen müssen.

Zusammen mit Gräfin Lily ging sie an der Mauer entlang bis zu dem Weg, auf dem Ida Ferenczy den Aufstieg bewältigte. Von dort lief man dann gemeinsam zur Burg hinüber. Doch plötzlich änderte die Kaiserin ihre Meinung und ging hinauf zur Matthiaskirche. Die wenigen Menschen auf der Straße applaudierten und verbeugten sich. Elisabeth winkte ihnen zu, ohne den Fächer von ihrem Gesicht zu nehmen. Neben dem Kirchengebäude wartete die Kutsche von Ferenc Deák, der mit einer alten Dame sprach, die aus der Kirche gekommen war. Als die beiden sich voneinander verabschiedeten, sah er die Kaiserin auf sich zukommen.

„Hoheit, welche Freude Sie zu sehen“, sagte er, als wäre er der Kaiserin lange nicht begegnet.

„Ich möchte, dass nur Sie heute Abend sprechen. Graf Andrássy werde ich bei anderer Gelegenheit konsultieren. Wenn wir scheitern, dann sind wir alle verloren.“ Sie verabschiedete sich und ging davon. Déak blieb nachdenklich zurück.

Elisabeth musste die Nähe zu den Leuten unbedingt meiden, denn noch immer quälte die Cholera die Menschen in der Stadt. Sie wollte sich zurückziehen und Franz-Joseph schreiben, dass er die ungarische Situation nun endlich regeln musste, denn in der jetzigen Lage wollte sie nicht nach Wien zurückkehren. Es war an der Zeit, dass die ungarische Angelegenheit erledigt wurde. Sie war es müde sich ständig erfolglos in die Politik einmischen zu müssen.

Mit jedem Schritt, den sie den Weg zur Burg hinunterstieg, blickte sie auf die Hufspuren der Pferde, die diesen Weg genommen hatten. Elisabeth bedauerte es sehr, dass sie so wenig zum Reiten gekommen war. Doch bisher hatten es die Umstände nicht erlaubt. Da die Damen Lily Hunyady und Ida Ferenczy dem höfischen Protokoll entsprechend hinter ihr zu gehen hatten, hing sie ihren Gedanken nach, ohne dabei den Blick vom Boden zu lassen, um nicht zu stolpern. Fast zu still lag Budapest unter ihr. Sie hätte gerne etwas Erheiterndes erlebt, aber das war in diesen Zeiten nicht schicklich. Das Kaiserreich war weiter in höchster Gefahr und der Krieg war noch nicht vorbei. Elisabeth lief in den Abend hinein. Die ersten Sterne zeigten sich über Budapest. Tröstend und anheimelnd empfand sie den Himmel über sich, der ihr die nötige innere Ruhe gab. Die Kaiserin betrachtete die wehrhaften Mauern der Burg, die ihr hart und undurchdringlich vorkamen, die aber gegen preußische Kanonen keinen Schutz bieten würden. Es muss für Ungarn endlich einen eigenen Weg geben, dachte sie. Elisabeth schaute auf die zivilen Agenten, die über die Mauer blickten und erkennen mussten, dass die Kaiserin zum wiederholten Mal ihren Schutz ignoriert hatte. Sie hatten ausgerechnet zu einer Stunde versagt, in der die Dunkelheit über die Stadt kam. Elisabeth interessierte das nicht. Sie ärgerte die ständige Überwachung.

Auf dem Weg in ihr Boudoir teilte man ihr mit, dass die eingeladenen Herren

nacheinander eintrafen. Wie immer nahm sie sich Zeit. Elisabeth ließ sich aus dem blauen Seidenkleid helfen und setzte sich, um ihre Frisur von Fanny korrigieren zu lassen. Lily Gräfin Hunyady und Ida Ferenczy beeilten sich, die infrage kommenden Kleider für den Abend zu präsentieren.

“Die Damen werden mich in den Salon begleiten. Wenn ich Platz genommen habe, wird Ida hinausgehen und Sie, Gräfin, werden an der Tür warten, bis ich mich erhebe. Beobachten Sie die Männer. Ich möchte später wissen, wie jeder der Herren reagiert hat”, sagte Elisabeth. "Merke dir jedes Gesicht.“

Sie ließ sich ihre Haare so richten, dass sie ihr ein jugendliches Aussehen gaben. Elisabeth wählte ein schulterfreies Kleid mit Stickereien. Dazu kamen ein Seidenband um den Hals, eine Kette mit Bernstein und eine dazu passende Brosche. Die Augenbrauen waren nachgezogen worden, ihre Wangen zeigten eine angenehme Farbe und die Lippen waren dezent geschminkt worden. Dann zog sie ihre Handschuhe über und erhob sich. Ein langer Blick in den Spiegel stellte sie zufrieden.

“Ich will Königin von Ungarn sein”, sagte sie energisch und verließ fast beschwingt den Raum.

Auf dem Weg zum Salon wurde sie von zwei uniformierten Adjutanten eskortiert. Die bodenlangen Kleider der Damen raschelten und wischten über den Boden. An der Tür warteten zwei Lakaien, die schnell die schweren Türen öffneten, als die Kaiserin sich näherte. Die versammelten Herren im Salon stellten sofort ihre Gespräche ein und bestaunten die Kaiserin, die sich ihrer Wirkung auf die Männer durchaus bewusst war.

Ferenc Deák, der als einziger der Herren auf einem Stuhl gesessen hatte, erhob sich schwerfällig und wartete, bis die Kaiserin auf ihrem Thronsessel Platz genommen hatte, um ihr dann die anwesenden Herren einzeln vorzustellen. Elisabeth nickte dem jeweils Genannten kurz zu. Damit die Atmosphäre im Salon nicht zu privat wirkte, hatte sie ihn ausräumen lassen. Für die Gäste gab es in der Mitte des Raums einfache Stühle, während die Kaiserin an der Längswand unter einem Bild König Stephan I. saß, und ihre Hände übereinanderlegte. Elisabeth hatte auch darauf verzichtet, mit einer ungarischen Tracht ihre Zuneigung zum Land zu demonstrieren. Das schien ihr in der momentanen Lage nicht angemessen zu sein.