U.S. Marshal Bill Logan 70: Hexenkessel am Ende des Schienenstrangs - Pete Hackett - E-Book

U.S. Marshal Bill Logan 70: Hexenkessel am Ende des Schienenstrangs E-Book

Pete Hackett

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Beschreibung

Die Bahnlinie der Union Pacific war in Dalhart angelangt. Banditen, Glücksritter, Abenteurer, Huren und eine Reihe anderes zwielichtiges Gesindel waren in die Stadt eingefallen wie ein Rudel Wölfe in einen Schafspferch. Bis vor kurzem gab es in der Stadt einen Town Marshal. Sein Name war Vince Frazer. Er wurde von einem Banditen erschossen. Wenn das Gesetz in der Stadt bis zu diesem Zeitpunkt auf wackligen Beinen stand, so war sie seitdem völlig in der Gesetzlosigkeit versunken. Mord und Totschlag waren an der Tagesordnung. Dalhart hatte sich zu einer wilden und gesetzlosen Stadt entwickelt – zu einem Hexenkessel am Ende des Schienenstrangs. Richter Humphrey schickte Joe Hawk und mich nach Dalhart, damit wir dort dem Gesetz Geltung verschafften. Es sollte sich für uns zu einem Himmelfahrtskommando entwickeln ... Wir erreichten die Stadt zweieinhalb Tage, nachdem wir in Amarillo aufgebrochen waren. Dalhart hatte schon einige Entwicklungsphasen durchgemacht. Zuerst war es eine kleine Ansiedlung in der Nähe des Mustang Creek gewesen, ruhig, beschaulich, unbedeutend, die im Schatten der M-im-Kreis Ranch lebte. Dann waren am Mustang Creek und am Carrizo Arroya Gold gefunden worden und ein Run war ausgebrochen, der der Stadt zwar wirtschaftlichen Aufschwung brachte, aber auch Unfrieden und Gesetzlosigkeit. Bald waren die Claims ausgebeutet und die Goldgräber verschwanden wieder. Zurück blieb ein Ort, in den langsam wieder Ruhe und Ordnung einkehrten. Doch dann kam die Eisenbahn ... Wir ritten zwischen die Häuser und nahmen die Eindrücke auf, die sich uns boten. Die Hauptstraße war stark bevölkert. Ich sah Gespanne, Reiter und Passanten zu beiden Seiten auf den Gehsteigen. Kinder spielten am Straßenrand. Einige Hunde lagen in den Schatten. Klirren, Scheppern, Geschrei, das Ächzen der Fuhrwerke, das Quietschen der Räder in den Naben, Wiehern, Hundegebell und Hufgetrappel hingen in der Luft. Das alles vermischte sich zu einer verworrenen Geräuschkulisse, die die Atmosphäre in der Stadt bis in den letzten Winkel erfüllte. Es war Mittagszeit. Die Sonne stand hoch im Zenit. Es war heiß, die Schatten waren kurz und scharf. Mir war klar, dass Dalhart wieder in jenen Zustand zurückgefallen war, in dem es sich befand, als Scharen von Goldsuchern ins Land einfielen. Ich sah viele Chinesen und Männer in Overalls. Es waren die Arbeiter der Union Pacific, die schichtfrei hatten und nach irgendwelchen Vergnügungen gierten. Joe und ich brachten die Pferde in den Mietstall. Den Stallmann kannten wir von früher. Es war ein bärtiger Oldtimer mit einem lückenhaften Gebiss, dessen Unterkiefer sich unablässig bewegte. Als er uns sah, spuckte er einen Strahl braunen Tabaksaft in eine leere Box, legte die Mistgabel weg, mit der er Pferdemist in eine Schubkarre lud, wischte sich die Hände an der Hose ab und kam näher.

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Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2014

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U.S. Marshal Bill Logan

Band 70

Hexenkessel am Ende des Schienenstrangs

Western von Pete Hackett

U.S. Marshal Bill Logan

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author www.Haberl-Peter.de

© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

1. digitale Auflage 2014 Zeilenwert GmbH

ISBN 9783956171758

Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F. Unger eigen war– eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Über den Autor

Hexenkessel am Ende des Schienenstrangs

Band 70 Hexenkessel am Ende des Schienenstrangs

Die Bahnlinie der Union Pacific war in Dalhart angelangt. Banditen, Glücksritter, Abenteurer, Huren und eine Reihe anderes zwielichtiges Gesindel waren in die Stadt eingefallen wie ein Rudel Wölfe in einen Schafspferch.

Bis vor kurzem gab es in der Stadt einen Town Marshal. Sein Name war Vince Frazer. Er wurde von einem Banditen erschossen. Wenn das Gesetz in der Stadt bis zu diesem Zeitpunkt auf wackligen Beinen stand, so war sie seitdem völlig in der Gesetzlosigkeit versunken. Mord und Totschlag waren an der Tagesordnung. Dalhart hatte sich zu einer wilden und gesetzlosen Stadt entwickelt– zu einem Hexenkessel am Ende des Schienenstrangs.

Richter Humphrey schickte Joe Hawk und mich nach Dalhart, damit wir dort dem Gesetz Geltung verschafften. Es sollte sich für uns zu einem Himmelfahrtskommando entwickeln…

Wir erreichten die Stadt zweieinhalb Tage, nachdem wir in Amarillo aufgebrochen waren. Dalhart hatte schon einige Entwicklungsphasen durchgemacht. Zuerst war es eine kleine Ansiedlung in der Nähe des Mustang Creek gewesen, ruhig, beschaulich, unbedeutend, die im Schatten der M-im-Kreis Ranch lebte. Dann waren am Mustang Creek und am Carrizo Arroya Gold gefunden worden und ein Run war ausgebrochen, der der Stadt zwar wirtschaftlichen Aufschwung brachte, aber auch Unfrieden und Gesetzlosigkeit. Bald waren die Claims ausgebeutet und die Goldgräber verschwanden wieder. Zurück blieb ein Ort, in den langsam wieder Ruhe und Ordnung einkehrten. Doch dann kam die Eisenbahn…

Wir ritten zwischen die Häuser und nahmen die Eindrücke auf, die sich uns boten. Die Hauptstraße war stark bevölkert. Ich sah Gespanne, Reiter und Passanten zu beiden Seiten auf den Gehsteigen. Kinder spielten am Straßenrand. Einige Hunde lagen in den Schatten. Klirren, Scheppern, Geschrei, das Ächzen der Fuhrwerke, das Quietschen der Räder in den Naben, Wiehern, Hundegebell und Hufgetrappel hingen in der Luft. Das alles vermischte sich zu einer verworrenen Geräuschkulisse, die die Atmosphäre in der Stadt bis in den letzten Winkel erfüllte.

Es war Mittagszeit. Die Sonne stand hoch im Zenit. Es war heiß, die Schatten waren kurz und scharf. Mir war klar, dass Dalhart wieder in jenen Zustand zurückgefallen war, in dem es sich befand, als Scharen von Goldsuchern ins Land einfielen. Ich sah viele Chinesen und Männer in Overalls. Es waren die Arbeiter der Union Pacific, die schichtfrei hatten und nach irgendwelchen Vergnügungen gierten.

Joe und ich brachten die Pferde in den Mietstall. Den Stallmann kannten wir von früher. Es war ein bärtiger Oldtimer mit einem lückenhaften Gebiss, dessen Unterkiefer sich unablässig bewegte. Als er uns sah, spuckte er einen Strahl braunen Tabaksaft in eine leere Box, legte die Mistgabel weg, mit der er Pferdemist in eine Schubkarre lud, wischte sich die Hände an der Hose ab und kam näher.

»Hallo, Logan, hallo Hawk«, krächzte er, als er bei uns angelangt war und angehalten hatte. Er legte den Kopf ein wenig schief. Mir stieg Stallgeruch in die Nase. Die Luft hier drin war stickig und geschwängert mit der Ausdünstung der Pferde, die in den Boxen standen. »Seid ihr gekommen, um diesen Sündenpfuhl zu zähmen und eine Reihe wilder Burschen in die Schranken zu verweisen, oder seid ihr nur auf dem Durchritt?«

»In Dalhart soll es drunter und drüber gehen«, sagte ich. »Wir wollen ein wenig für Ordnung sorgen.« Ich reichte dem Stallburschen die Zügel meines Pferdes.

»Das ist sicherlich untertrieben«, kam es grimmig zurück. »Hier ist der Teufel los. Nachdem Vince Frazer das Zeitliche gesegnet hat, gibt es keinen mehr, der mit zähmender Hand den wilden Kerlen gegenübertritt. Der Marshalsgehilfe warf zwei Tage nach Frazers Tod das Handtuch, was diesem Burschen aber nicht zu verdenken ist.«

»Wir wissen von Camp Kerrick her, wie es am Ende des Schienenstrangs zugeht«, knurrte Joe. »Diese Camps ziehen das Gesindel an wie das Licht die Motten. Nun, wir haben Order, mit eisernem Besen zu kehren. Und wir werden uns sicher nicht scheuen, dem einen oder anderen renitenten Hombre empfindlich auf die Zehen zu treten.«

»Unruhe und Unfrieden in der Stadt haben einen Namen«, versetzte der Stallbursche. »Ein Kerl, der sich zum ungekrönten König hier aufgeschwungen hat. Er kommandiert eine ganze Bande von Schnellschießern und Schlägern, und wenn das hier die Hölle ist, dann ist er der Satan.«

»Hat er auch einen Namen?«, fragte ich und zog das Gewehr aus dem Scabbard.

»Warren McReilly. Ihm gehören drei Saloons, eine Tanzhalle und ein Hurenhaus. Seine Nummer eins heißt Jim Fisher. Er führt die Gunslingerbande an, die McReillys Willen mit eiserner Hand Geltung verschafft.«

»Seit wann ist McReilly in der Stadt?«

»Er kam mit den Eisenbahnleuten an und nahm sich sofort Town Mayor Jack Bannister zur Brust. Bannister frisst dem Hundesohn geradezu aus der Hand. Er ist ein elender Speichellecker, ein Kriecher geworden. Die meiste Zeit ist er im Dalhart Palace anzutreffen, in dem auch McReilly residiert. Bannister gehört zu jenen Kerlen, die in der Stadt ihre Fahne nach dem Wind gerichtet haben, wenn Sie verstehen, was ich meine, Marshals.«

Auch Joe zog seine Winchester aus dem Sattelschuh. Ich knüpfte meine Satteltaschen los und legte sie mir auf die Schulter. »Wir werden Mister Warren McReilly einen etwas intensiveren Blick unter den Hutrand werfen«, versprach ich, dann verließen wir den Stall. Draußen atmete ich tief durch.

»Es gibt immer einen Starken in Städten wie Dalhart, der den Ton angibt«, sagte Joe.

Ich nickte. »Diese Kerle sorgen aber oft auch dafür, dass es eine gewisse Ordnung gibt. Wenn es auch keine gesetzmäßige Ordnung ist.«

»Es ist die Ordnung, die ihnen in den Kram passt«, knurrte Joe. »Sie machen ihre eigenen Gesetze und diktieren sie. Wer sich an diese Ordnung hält, hat nichts zu befürchten. Die anderen werden fertiggemacht und finden entweder einen Platz auf dem Boot Hill, oder sie werden unerbittlich aus dem Land gejagt. Diese selbst ernannten Könige verbreiten Terror, Angst und Schrecken. Entweder man ist für sie, oder man geht zugrunde.«

Das war leider so. Das Distrikt-Gericht mit seinen Marshals focht einen geradezu aussichtslosen Kampf aus. Die Großen und Mächtigen gaben den Ton an; auf der Weide wie auch in den Städten. Das Gesetz stand auf verdammt wackligen Beinen. Die Sterne, die wir trugen, wurden oftmals nicht respektiert. Wir hatten einen ausgesprochen schwachen Stand…

Joe und ich erreichten das Hotel, das es früher schon in Dalhart gegeben hatte, und gingen hinein. Hinter der Rezeption saß ein Mann mittleren Alters, den ich nicht kannte. »Wir würden gerne zwei Zimmer mieten«, erklärte ich, als wir bei der Rezeption angehalten hatten. »Für zunächst zwei Wochen.«

»Tut mir leid«, sagte der Mann, »aber es gibt keine freien Zimmer in diesem Hotel. Sie werden in Dalhart überhaupt kein freies Zimmer finden. Alles ist bis auf den letzten Platz ausgebucht.«

»Sind Sie neu hier?«, fragte Joe.

Der Bursche nickte. »Mr. Hanchett hat mich angestellt.«

Hanchett war der Besitzer des Hotels. Ihm gehörte auch der Mietstall. Er war ein alteingesessener Bürger der Stadt.

»Wo finden wir Mr. Hanchett?«

»Im Dalhart Palace, bei McReilly.«

Ich verstand. Nicht nur Jack Bannister, der Town Mayor, strich McReilly um den Bart, sondern eine Reihe weiterer etablierter Bürger der Stadt. Es war, als wollten sie McReilly für sich einnehmen und gnädig stimmen.

Ich warf Joe einen schnellen Blick zu. »Gehen wir.«

Wir verließen das Hotel. Als wir auf dem Vorbau standen, sagte Joe: »Fragen wir den Stallmann. Vielleicht weiß er jemand, der in seinem Haus ein Zimmer frei hat. Ich habe keine Lust, die nächsten Tage und Wochen im Mietstall oder unter freiem Himmel zu schlafen.«

Wir setzten uns in Bewegung.

*

Dexter Rushdale zügelte sein Pferd und schaute sich um. Die Bilder, die sich ihm boten, kannte er. Er hatte oben in Kansas in verschiedenen Orten den Stern getragen, in wilden Städten, die er mit eiserner Hand zähmte und die er verließ, wenn sie ruhig geworden waren.

Ein unstetes Leben lag hinter ihm. Und Rushdale hatte nicht vor, sich zur Ruhe zu setzen. Es war fünfundvierzig, ein hohes Alter für einen Mann, der sich seit mehr als zwanzig Jahren den Lebensunterhalt damit verdiente, dass er den Revolver schwang. Angefangen hatte er als Postkutschenbegleiter, dann hatte er einige Zeit als Deputysheriff in Garden City gearbeitet, und schließlich war er nur noch durchs Land gezogen und hatte seinen Revolver an dem Meistbietenden vermietet. Vor allem als Revolvermarshal hatte er sich einen Ruf erworben, der ihm besonders in Kansas vorauseilte– einen legendären, aber auch zweifelhaften Ruf, den Ruf von unbeugsamer Härte, Kompromisslosigkeit und der tödlichen Bereitschaft, jeden Job zur absoluten Zufriedenheit seiner Auftraggeber zu erledigen.

Er betrat die Stadt und nahm sofort die heftigen, wilden Impulse wahr, die sie durchströmten. Es berührte ihn wie fauliger Atem. Bösartiger Lärm rollte durch die breite Main Street. Rushdale fragte einen Passanten nach dem Mietstall. Er erhielt den Weg beschrieben und folgte ihm. Im Wagen- und Abstellhof saß er ab und führte das Pferd am Zaumzeug ins Stallinnere. Ihm schlugen der Geruch von Heu und Leder und die scharfe Ausdünstung von Pferdeschweiß entgegen. Der Stallbursche näherte sich ihm auf dem Mittelgang. Mit seinen grauen Falkenaugen musterte er den Fremden, schien ihn zu erforschen, ihn einzuschätzen, sich ein Bild von ihm zu machen.

Am tiefgeschnallten Revolver Rushdales blieb sein Blick einen Augenblick länger hängen. Wie immer kaute der Stallbursche einen Priem. Jetzt hörte er zu kauen auf und sagte grimmig: »Sie sind fremd hier, Mister. Diese Stadt ist sündhafter als Sodom und Gomorrha. Lassen Sie sich das gesagt sein. Wenn Sie Ruhe und Frieden suchen, sollten Sie weiterreiten.«

»Sie scheinen nicht viel von diesem Ort zu halten«, erwiderte Rushdale und grinste. »Warum gehen Sie nicht weg, wenn es Ihnen hier nicht gefällt?«

»Das ist eine gute Frage, Fremder. Ich kann sie Ihnen nicht beantworten. Weiß der Henker, was mich hier hält. Sei's drum. Das Pferd unterstellen kostet einen Dollar die Nacht. Für eine Woche verlange ich sechs Dollar. Gezahlt wird im Voraus.«

Rushdales Brauen hoben sich ein wenig, als er den Stallmann anschaute. Doch der Revolvermann schwieg.

Der Stallmann jedoch fühlte sich gefordert, weiterzusprechen und eine Erklärung abzugeben. Er krächzte: »Sie sehen aus, als ritten Sie einen höllisch heißen Sattel. Kerle wie Sie werden in dieser Stadt nicht sehr alt, es sei denn, Sie heuern bei McReilly an. Weil für die Beerdigungskosten meist der Erlös für Pferd und Sattel draufgeht, schaue ich in die Röhre, wenn ich nicht im Voraus kassiere.«

»Sie sind verdammt ehrlich«, blaffte Rushdale.

»Warum sollte ich Ihnen etwas vormachen?«

Rushdale holte seine Brieftasche aus der Innentasche seiner Weste und nahm eine Zehndollarnote heraus. »Der Rest ist für Sie, Oldman. Erzählen Sie mir noch ein wenig von dieser Stadt.«

»Wie ich schon sagte, sie ist ein Sündenpfuhl. Warren McReilly ist der große Mann hier. Er beschäftigt ein Rudel Schnellschießer und Schläger. Wer nicht für ihn ist, ist automatisch gegen ihn. Der Town Marshal wurde vor kurzer Zeit erschossen. Sein Gehilfe floh bei Nacht und Nebel aus der Stadt. Aber jetzt sind zwei Staatenreiter aufgetaucht, um hier für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Ich befürchte jedoch, dass die beiden auf einem ziemlich verlorenen Posten stehen.«

Er hatte mit wenigen Worten zum Ausdruck gebracht, was es zu sagen gab.

Rushdale fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. »Der Job des Town Marshals ist frei?«

»Ja. Nach Frazers Tod wollte ihn keiner mehr. Haben Sie vielleicht Interesse, Mister… äh, wie heißen Sie überhaupt?«

»Dexter Rushdale.«

Rushdale schnallte seine Satteltaschen ab und nahm das Gewehr. »Versorgen Sie mein Pferd gut, Oldman.« Damit ging er. Langbeinig schritt er aus der Düsternis des Stalles hinaus in den grellen Sonnenschein.

Der Stallmann blickte hinter ihm her und kratzte sich am Kinn. Er besaß genügend Menschenkenntnis, um zu wissen, dass dieser Dexter Rushdale aus einem besonderen Holz geschnitzt war. Er gehörte zu der Sorte, die den einmal eingeschlagenen Weg unbeirrt beschritt, und wenn es sein musste bis zum bitteren Ende.

Rushdale begab sich zum Hotel. Als ihm der Clerk erklärte, dass er kein Zimmer bekommen konnte, wurde sein hohlwangiges Gesicht mit den tiefen Linien und Furchen kantig. »Es gibt doch sicher den einen oder anderen unter Ihren Gästen, der seine Zimmermiete nicht pünktlich bezahlt hat. Warum werfen Sie ihn nicht einfach hinaus und geben mir sein Zimmer?«

Der Clerk nickte. »So einen Gast habe ich. Er ist Spieler und vertröstet mich mit der Begleichung seiner Mietschulden von einem Tag auf den anderen. Ein gefährlicher Hombre, der es sicher nicht schluckt, wenn ich ihn so mir nichts dir nichts vor die Tür setze.«

»Zeigen Sie mir das Zimmer«, forderte Rushdale mit versteinertem Gesicht.

»Aber…« Der Clerk brach ab, schluckte, erhob sich, angelte einen Zimmerschlüssel vom Brett und verließ die Rezeption. »Folgen Sie mir.«

Rushdale stieg hinter ihm die Treppe empor. Die Stufen ächzten unter dem Gewicht der beiden Männer. Oben gab es zwei Flure. Der Clerk führte Rushdale in den rechten. Vor dem Zimmer mit der Nummer 6 hielt er an und schloss die Tür auf, öffnete sie und vollführte eine einladende Handbewegung. »Bitte.«

Rushdale trat ein. Neben dem Kleiderschrank stand auf dem Boden eine schwarze Reisetasche aus Segeltuch. Rushdale holte sie und stellte sie auf das Bett. »Helfen Sie mir«, gebot er.

Sie räumten den Kleiderschrank aus und stopften alles in die Tasche. Rushdale lehnte sein Gewehr an das Bett. »Ich nehme das Zimmer. Zunächst mal für eine Woche. Wo finde ich den Burschen, der hier wohnte?«

»Er sitzt jeden Tag ab Mittag im Dalhart Palace«, versetzte der Clerk. »Sie erkennen ihn an seinem dunkelgrauen Anzug und seinen blonden Haaren, die er straff zurückgekämmt hat. Seien Sie vorsichtig. John Rubby trägt einen Colt unter der Jacke.

Rushdale nahm die Tasche und verließ damit das Zimmer.

»Wen darf ich ins Gästebuch eintragen?«, rief der Clerk hinter ihm her.

»Dexter Rushdale«, erwiderte dieser über die Schulter, dann erreichte er die Treppe und stieg sie hinunter.

Draußen erkundigte er sich nach dem Weg zum Dalhart Palace.

»Gleich bei der Bahnstation am Nordende der Stadt«, erklärte der Mann, den er befragt hatte. »Folgen Sie einfach der Main Street bis zu ihrem Ende.«

Rushdale marschierte los. Die Stadt war voll Hektik. Ganze Scharen von Kerlen bevölkerten die Gehsteige. Rund um den Ortskern, den es schon vor dem Goldrun gegeben hatte, war eine Hütten- und Zeltstadt entstanden. Gebäude, die nur einem vorübergehenden Zweck dienen sollten, waren regelrecht aus dem Boden gestampft worden. Alles mutete provisorisch und primitiv an. Bei den meisten der Saloons und anderen Vergnügungsetablissements handelte es sich nur um große Zelte, vor die man falsche Fassaden aus Holz gesetzt hatte.

Der Großteil Dalharts war zum Sterben bestimmt, sobald die Bahn ihre Trasse weiter nach Süden zog.

Die Bahnstation war ein flacher Bau aus Holz mit drei Fenstern und einer Tür in der Vorderfront. Neben der Tür gab es eine kleine, viereckige Öffnung mit einem Holzladen davor. Das war der Fahrkartenschalter. Der Bahnsteig war aus Bohlen gefertigt. Wie zwei glitzernde Bänder zogen sich die Schienenstränge nach Norden. Auf den Abstellgleisen standen einige Güter- und Passagierwaggons. Da war auch eine schwere Lokomotive, die jedoch nicht unter Dampf stand. Gleise und Schwellen stapelten sich. Hinter der Station war das Arbeitercamp errichtet worden. Hunderte von Zelten…

Der Dalhart Palace war auf der der Station gegenüberliegenden Straßenseite errichtet worden. Rushdale ging hinein. Der Schankraum war schon gerammelt voll, obwohl es erst um die Mitte des Nachmittags war. Es summte wie in einem Bienenstock. Wolken von Tabakrauch hingen in der Luft. Der Geruch von Schweiß und verschüttetem Bier schlug Rushdale entgegen.

Rushdale schaute sich um. Die Theke bestand nur aus leeren Fässern, über die man Bohlen gelegt hatte. Es gab viereckige und runde Tische. Kein Möbelstück glich dem anderen. Alles war bunt zusammengewürfelt. Der Name Palace war die absolute Übertreibung.