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U.S. Marshal Bill Logan – die neue Western-Romanserie von Bestseller-Autor Pete Hackett! Abgeschlossene Romane aus einer erbarmungslosen Zeit über einen einsamen Kämpfer für das Recht. Über den Autor Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen. Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung." Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress. INHALT Band 97 Wölfe kennen kein Erbarmen Band 98 Die Aasgeier von Tulia Band 99 Marshal Logan und der Pferdedieb Band 100 Marshal Logan von allen gehetzt Band 101 Marshal Logan unter Wölfen Band 102 Am Wolf Creek durch die Hölle Band 103 Marshal Logan und der Menschenjäger Band 104 Marshal Logan in tödlicher Mission
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Seitenzahl: 1076
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U.S. Marshal Bill Logan
Sammelband 13 (Band 97-104)
von Pete Hackett
Pete Hackett Western– Deutschlands größte E-Book-Western-Reihe mit Pete Hackett's Stand-Alone-Western sowie den Pete Hackett Serien "Der Kopfgeldjäger", "Weg des Unheils", "Chiricahua" und "U.S. Marshal Bill Logan".
U.S. Marshal Bill Logan
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
1. digitale Auflage 2014 Zeilenwert GmbH
ISBN 9783956171154
Cover
Titel
Impressum
Über den Autor
Band 97 Wölfe kennen kein Erbarmen
Band 98 Die Aasgeier von Tulia
Band 99 Marshal Logan und der Pferdedieb
Band 100 Marshal Logan von allen gehetzt
Band 101 Marshal Logan unter Wölfen
Band 102 Am Wolf Creek durch die Hölle
Band 103 Marshal Logan und der Menschenjäger
Band 104 Marshal Logan in tödlicher Mission
Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war– eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.
Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."
Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.
Slim Monahan trat vor das Ranchhaus. Es war die Zeit des Sonnenuntergangs. Er beschattete sich die Augen mit der flachen Hand. Von Westen her näherten sich vier Reiter. Sie ließen ihre Pferde im Schritt gehen. Müde ließen die Tiere die Köpfe hängen.
In Monahans Zügen arbeitete es. Er ging ins Haus zurück. Am Herd stand Kimberly, seine Frau. Die beiden Kinder Jessy und Melinda saßen am Tisch und spielten mit Bauklötzen, die ihnen Slim gesägt hatte. Er nahm sein Gewehr, repetierte es und sagte: »Es kommen vier Reiter. Einzelheiten konnte ich nicht erkennen. Bleibt auf jeden Fall im Haus, Kimberly.«
»Schickt uns etwa Glenn Stirling seine Sattelwölfe?«, fragte die Frau. Ein herber Zug hatte sich in ihren Mundwinkeln festgesetzt.
Dumpfes Pochen war zu hören. Es mutete Slim Monahan an wie eine Botschaft von Untergang und Tod…
»Ich weiß es nicht. Wir werden es sehen.« Der Smallrancher ging, angefüllt mit düsteren Gedanken, an deren Ende etwas Dunkles, Unheilvolles stand, nach draußen. Er hielt das Gewehr mit beiden Händen schräg vor seiner Brust. Es war ein mulmiges Gefühl, dessen Ursprung er selbst nicht genau zuzuordnen wusste. Die Gesichter der vier Kerle lagen im Schatten der Hutkrempen. Sie kamen in den Ranchhof. Die Hufe rissen kleine Staubwolken in die noch immer heiße Luft. Die Gebissketten klirrten, Sattelleder knarrte. Die Kerle zügelten. Die Pferde traten auf der Stelle.
Was Monahan sah, gefiel ihm nicht. Es waren stoppelbärtige Kerle, in deren Gesichtern ein unstetes Leben unübersehbare Spuren hinterlassen hatte. Mit stechenden Augen musterten sie den Smallrancher.
Einer, ein dunkler, indianerhafter Bursche, legte beide Hände übereinander auf das Sattelhorn. Ein markantes Grinsen spaltete seine Lippen. »Hallo, Ranch.«
Die Pferde peitschten mit den Schweifen und schnaubten mit geblähten Nüstern.
»Hallo«, erwiderte Monahan den Gruß. Abwartend musterte er die Kerle der Reihe nach.
»Sie haben doch sicher nichts dagegen, wenn wir unsere Pferde am Brunnen tränken«, sagt der Dunkle.
»Sicher nicht«, versetzte der Rancher. »Bedient euch.«
Die vier Männer saßen ab. Es waren hagere Gestalten, die mit langen Staubmänteln bekleidet waren. Jeder von ihnen trug einen Revolvergurt. In den Scabbards steckten Winchester. Leise klirrten die Sporen, als sie die Pferde zum Brunnen führten.
Monahan ging ins Haus und stellte sich neben das Fenster, durch das er das Quartett beobachtete. »Es sind vier Sattelstrolche«, murmelte er. »Hoffentlich reiten sie weiter, wenn sie die Pferde getränkt haben.«
Die Winde des Brunnens quietschte. Die Kerle wuschen sich Staub und Schweiß aus den Gesichtern, dann holten sie frisches Wasser herauf, tranken, und dann tränkten sie die Pferde. Sie unterhielten sich leise miteinander. Monahan hörte ihre Stimmen, doch was sie sprachen, konnte er nicht verstehen. Seine Hände umklammerten Kolbenhals und Schaft der Winchester. Seine Backenknochen mahlten. In seinen Augen loderte ein unruhiges Licht.
Während die Pferde soffen, rollten sich die vier Kerle Zigaretten, zündeten sie an und rauchten. Der Dunkle löste sich aus dem Pulk und näherte sich dem Ranchhaus. Monahan ging zur Tür und versperrte sie mit seinem Körper.
Der Dunkle hatte angehalten. »Wie weit ist es bis zur nächsten Stadt?«
»Fünfzehn Meilen. Sie müssen sich südöstlich halten. Die Ortschaft heißt Wildorado.«
»Leben Sie allein hier?«
»Nein. Mit meiner Frau und unseren beiden Kindern.«
»Sie sind nicht gerade freundlich, Mister.«
»Ich kenne Sie nicht.«
Der Dunkle lachte auf. »Natürlich. Sie misstrauen uns. Gesundes Misstrauen kann in einem Land wie diesem niemals schaden.– Fünfzehn Meilen, sagen Sie. Wir wären also noch einmal drei bis vier Stunden unterwegs. Unsere Pferde sind abgetrieben. Können wir auf der Ranch übernachten?«
»Ich habe nur in der Scheune Platz. Auch kann ich euch nichts zum Essen anbieten. Wir…«
»Du bist wirklich nicht sehr freundlich«, unterbrach der Dunkle den Smallrancher und ließ jetzt die Formalitäten weg. »Ich dachte immer, Gastfreundschaft wird in Texas ganz besonders hoch geschrieben.«
»Sie hätten Ihren Besuch anmelden sollen«, versetzte Monahan sarkastisch. »Dann hätten wir uns darauf einstellen können. So aber…«
»Du hast sicher eine junge, hübsche Frau«, sagte der Dunkle grinsend.
Monahan kniff die Augen zusammen, sagte aber nichts.
Der Dunkle zuckte mit den Schultern. »Natürlich wollen wir uns euch nicht aufdrängen. Nichts für ungut, Mister.« Er schwang herum und ging zu seinen Gefährten zurück. Die Schoße seines Mantels schlugen beim Gehen gegen seine Beine. Die vier Kerle stiegen auf ihre Pferde und ritten davon. Tückische Blicke trafen Slim Monahan.
Der Rancher schaute ihnen hinterher, bis sie über eine Bodenwelle aus seinem Blickfeld verschwanden. Seine Lippen waren zusammengepresst. Vogelgezwitscher erreichte sein Gehör. Im Gras rund um die Ranch zirpten die Grillen. Rötlicher Schein lag auf dem Land. Grau schob sich von Osten her die Abenddämmerung ins Land. In der klaren Luft waren die Konturen scharf und präzise.
Monahan wandte sich um. In dem Moment peitschte ein Schuss. Er spürte den Einschlag zwischen den Schulterblättern, stechender Schmerz durchzuckte ihn, ihm wurde es schwindlig, schlagartig verlor er die Kontrolle über seinen Körper und brach zusammen.
Kimberly Monahan rannte aus dem Haus und beugte sich über ihren Mann. Hufschläge erklangen. Die vier Kerle kamen zurück. Kimberly Monahan erhob sich und presste die rechte Hand gegen ihren Halsansatz, als konnte sie so ihren fliegenden Atem beruhigen.
Die vier Reiter erinnerten sie an ein Rudel Wölfe, das seine Beute gestellt hatte und sich im nächsten Moment auf sie stürzen würde, um sie zu zerfleischen.
*
»Am East Alamocito Creek wurde die Monahan Ranch überfallen«, sagte Richter Humphrey. »Slim Monahan, seine Frau und die beiden Kinder wurden ermordet. Kimberly Monahan haben die Schufte vergewaltigt, ehe sie sie töteten. Ein Verbrechen, das an Grausamkeit und Brutalität kaum zu überbieten ist. Bringen Sie mir die Mörder, Logan, Joe. Kerle wie sie sind die Luft nicht wert, die sie atmen.«
Joe und ich brachen noch in derselben Stunde auf. Wir ritten nach Wildorado. Es war Mittagszeit, als wir in der Stadt ankamen. Auf den Gehsteigen und der Fahrbahn bewegten sich Menschen. Am Straßenrand spielten Kinder. Hunde lagen faul in den Schatten. Aus den Schornsteinen stieg Rauch. Ein Fuhrwerk kam von Westen her in die Stadt. Es rumpelte und holperte. Die Achsen quietschten in den Naben.
In der Stadt herrschten Friede und Beschaulichkeit.
Wir ritten vor den Saloon hin, saßen ab und banden die Pferde an den Holm. Dann nahmen wir unsere Gewehre und stiegen die wenigen Stufen zum Vorbau hinauf. Unsere Schritte weckten ein hohles Echo auf den Bohlen. Feiner Staub knirschte unter unseren Sohlen. Der Südwind brachte ihn vom Llano Estacado herauf und puderte das ganze Land damit.
Im Saloon war es düster. An den Fensterscheiben tanzten Fliegen auf und ab. An zwei Tischen saßen fünf Männer. Der Keeper stand hinter dem Tresen. Wir wurden angestarrt. Sporenklirrend gingen wir zum Schanktisch. Der Keeper nickte uns zu. »Hi, Logan, hi, Hawk. Ihr kommt sicher wegen der Monahan-Sache.«
»Richtig geraten«, erwiderte Joe.
»Es schreit zum Himmel«, murmelte der Keeper. »Swift Barring entdeckte das Verbrechen. Kimberly Monahan lebte noch. Sie berichtete von vier Reitern. Dann starb sie. Nach Wildorado kamen vier Kerle. Heruntergekommene, verwegene Sattelstrolche, denen die Niedertracht in die Gesichter geschrieben stand. Sie blieben nicht lange.«
»Wann waren sie hier?«, fragte ich.
»Vorgestern.«
»Wo finden wir diesen Swift Barring?«
»Er lebt in einer Hütte am East Alamocito Creek. Dort züchtet er Schafe und Ziegen. Ein Sonderling, den niemand so richtig kennt.«
Nachdem wir gegessen hatten, ritten wir weiter. Wir hatten es nicht eilig. Und es war um die Mitte des Nachmittags, als wir die Hütte erreichten, in der Swift Barring lebte. In einigen Pferchen waren Schafe und Ziegen untergebracht. Meckern und Blöken erfüllte die Luft. Es roch nach Urin. Einige Hunde lagen herum. Die Hütte mutete baufällig an. Das einzige Fenster war unverglast. Der Fensterladen war geöffnet. Ein weißbärtiger Oldtimer trat über die Schwelle der Hütte. Auf seinem Kopf saß eine verbeulte Melone. Er hatte sich eine zerschlissene Decke übergehängt, in die er lediglich Löcher für den Kopf und die Arme geschnitten hatte. Er hielt eine Parkergun in den Händen, deren Kolben und Läufe abgesägt waren. Auf kurze Distanz eine gefährliche und ausgesprochen wirksame Waffe.
Ich tippte an die Krempe meines Hutes. »Guten Tag, Mister Barring.«
»Ihr tragt Sterne«, sagte er näselnd. »Kommt ihr aus Amarillo?«
»Ich bin U.S. Deputy Marshal Bill Logan«, stellte ich mich vor. »Das ist mein Kollege Joe Hawk. Wir kommen wegen der Monahan-Sache. Sie haben das Verbrechen entdeckt. Mrs Monahan hat noch gesprochen, ehe sie starb.«
Der Alte nickte. »Diese armen Teufel. Nicht einmal vor den Kindern machten diese Teufel in Menschengestalt halt. Es waren vier. Männer, die lange Staubmäntel trugen. Die Hölle verschlinge diese Brut.«
»Konnte Mrs Monahan noch mehr verraten? Konnte sie die Schufte vielleicht sogar beschreiben?«
»Nein. Sie starb in meinen Armen. Ich bin gleich nach Wildorado gefahren und habe das Verbrechen dem Town Mayor angezeigt. Das habe ich auf der Ranch gefunden, Marshals.« Swift Barring griff unter die Decke, die er sich übergehängt hatte, und als seine Hand wieder zum Vorschein kam, hielt er uns ein Stück Metall hin. Es war ein Gürtelbeschlag aus Messing.
»Kann ich das haben?«, fragte ich.
Der Oldtimer gab mir den Beschlag. »Wenn Sie den Mann finden, an dessen Gürtel dieser Beschlag fehlt, Marshal, dann haben sie auch einen der Mörder der Monahans.«
Joe und ich folgten dem East Alamocito Creek nach Norden. Eine Stunde später lenkten wir unsere Pferde auf den Hof der Monahan Ranch. In einem Corral standen sechs Pferde. Hühner badeten im Staub. Ein Hahn krähte kampflustig. Eine Tür knarrte im sachten Wind. Das Windrad beim Brunnen drehte sich träge. Staubspiralen wurden über den Hof getrieben. Es war heiß und die Luft schien zu kochen.
Wir gingen ins Haupthaus. Es gab drei Räume. Auf dem Herd stand noch die Pfanne mit dem Fleisch, das Kimberly Monahan am Abend des Mordes braten wollte. Joe und ich schauten uns um. Im Stall standen zwei Milchkühe. Scheinbar versorgte die Tiere jemand. Wir erkundeten auch das Gebiet rund um die kleine Ranch. Es gab eine Reihe von Spuren, welche Spuren die der Banditen waren, konnten wir jedoch nicht bestimmen.
Wir verbrachten die Nacht im Heuschober.
Am Morgen kam Swift Barring mit einem leichten Fuhrwerk, vor das er ein Maultier gespannt hatte. »Einer muss sich ja um das Viehzeug kümmern«, näselte er. »Wenn sich kein Erbe meldet, werde ich versuchen, die Ranch zu erwerben. Wäre ein guter Platz für mich. Voraussetzung ist natürlich, dass mir die Hackknife keinen Strich durch die Rechnung macht.«
»Gibt es Probleme mit der Hackknife Ranch?«, erkundigte ich mich.
»Natürlich sind wir Kleinen Glenn Stirling ein Dorn im Auge. Wo Land frei wird, kauft er es für die Panhandle Cattle Company auf. Mit seinem Gebot werde ich wohl nicht mithalten können, wenn die Monahan Ranch unter den Hammer kommt. Es ist eben eine ungerechte Welt.«
Der Oldtimer seufzte.
Joe und ich sattelten unsere Pferde und verließen die kleine Ranch. »Könnten es nicht auch Cowboys der Hackknife Ranch gewesen sein?«, meinte Joe, als wir Steigbügel an Steigbügel nach Norden ritten.
»Kimberly Monahan hätte sicher den einen oder anderen erkannt, wenn es so wäre.«
Von nun an ritten wir schweigend. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Wir erreichten gegen Mittag den Canadian und folgten ihm ein Stück, bis die Hackknife Ranch vor uns lag. Wir ritten in den Ranchhof. Die Ranchhelfer hielten in ihrer Arbeit inne und beobachteten uns. Die Sonne schien heiß. Die meisten der Männer hatten sich die Hemden ausgezogen und arbeiteten mit nackten Oberkörpern. Im Staub des Hofes glitzerten winzige Kristalle im Sonnenlicht. Die Schatten waren kurz und scharf.
Aus dem flachen Bau, in dem das Ranch Office untergebracht war, kam James Lancer, der Vormann der Ranch. Wir wandten ihm uns zu. Lancer grüßte, dann sagte er: »Sie ermitteln sicher in der Mordsache Monahan.«
Ich nickte.
Der Vormann fuhr fort: »Ich habe mit ein paar Männern versucht, der Spur der Mörder zu folgen. Sie führte nach Wildorado. Die Kerle machten in der Stadt sogar kurze Zeit Rast. Dann verlor sich die Spur. Man erzählte uns, dass sie die Stadt in Richtung Norden verlassen haben.«
»Sie sind den Mördern nicht mehr weiter gefolgt?«
»Nein. Ich denke, Sie sind hinauf nach Channing. Dort ist in der Zwischenzeit die Eisenbahn angekommen. Neben Channing soll eine neue Stadt entstanden sein; wild, ungezügelt, gesetzlos– ein richtiger Hexenkessel. Solche Ansiedlungen ziehen Banditen und anderes zwielichtiges Gesindel an wie das Licht die Motten.«
*
Joe und ich ritten nach Tascosa und brachten unsere Pferde in den Mietstall. Bei dem Stallburschen erkundigten wir uns nach den vier Reitern. Er schüttelte den Kopf. »In Tascosa sind sie nicht angekommen. Und wenn, dann waren sie nicht in diesem Stall.« Der Bursche schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hätte es erfahren, wenn vier Fremde nach Tascosa gekommen wären. Die Kerle, die Sie suchen, waren nicht hier.«
»Entweder haben sie einen Bogen um die Stadt gemacht«, meinte Joe, als wir zum Saloon gingen, »oder sie haben sich irgendwo vertrödelt und tauchen noch auf, oder -« Joe machte eine kurze Pause, »- wir reiten auf einer völlig falschen Fährte.«
»Mit einer dieser Möglichkeiten triffst du den Nagel sicher auf den Kopf«, versetzte ich sarkastisch. Auch ich verspürte Unsicherheit. Wir ritten sozusagen ins Blaue hinein. Alles, was wir wussten, war, dass die Schufte Wildorado in nördliche Richtung verlassen hatten. Sie konnten schon nach einer Meile die Richtung geändert haben…
Wir erkundigten uns auch im Saloon. Unsere Hoffnung, hier einen Hinweis auf die Bande zu erhalten, war ausgesprochen gering. Und der kleine Rest von Hoffnung wurde auch tatsächlich zunichte gemacht. Die vier Banditen waren nicht in Tascosa aufgetaucht. Es war wohl so, dass uns die Mörder entkommen waren. Wir mussten es schlucken wie eine bittere Pille.
Nachdem wir ein Bier getrunken hatten, holten wir unsere Pferde wieder und machten uns auf den Rückweg. Wir würden von Amarillo aus die Fahndung nach dem mörderischen Quartett einleiten, und es war fraglich, ob sie jemals für ihre grausame Tat zur Verantwortung gezogen werden würden. Außer, dass sie lange Staubmäntel trugen, wussten wir nichts von ihnen.
Wir ritten nach Südosten. Die Sonne schien auf dem Horizont im Westen zu stehen. Die Schatten waren lang. Wir erreichten den Stone Creek und beschlossen, die Nacht über an dem kleinen Fluss zu bleiben. Die Sonne ging unter, die Dämmerung kam, und dann vertrieb die Nacht den Tag endgültig nach Westen. Wir lagen in unsere Decken gerollt am Boden, die Sättel benutzten wir als Kopfkissen. Meine Gedanken bewegten sich um die brutalen Morde auf der Monahan Ranch. Die Kinder mussten wahrscheinlich sterben, weil die Banditen keine Zeugen zurücklassen wollten.
Es schrie zum Himmel!
Ich verspürte Enttäuschung. Im dünn besiedelten Panhandle verlor sich fast jede Spur. Hier konnte ein Mann so spurlos verschwinden wie ein Staubkorn in der Wüste. Der Gedanke, dass die Morde vielleicht nie gesühnt wurden, ließ mich nicht los. Es gelang mir nicht, einzuschlafen. Ich schälte mich aus meiner Decke und erhob mich.
»Was ist los?«, fragte Joe.
»Ich finde keinen Schlaf«, sagte ich, nahm mein Gewehr und stieg auf einen Hügel. Oben setzte ich mich auf einen Felsen, drehte mir eine Zigarette– und stutzte. Ich vergaß, die Zigarette anzuzünden. Südlich von mir brannte ein Feuer. Ich klemmte mir die Zigarette hinter das Ohr, erhob mich und machte mich auf den Weg. Ich musste etwa eine halbe Meile gehen. Dann sah ich drei Pferde, die an das Ufergebüsch angebunden waren. Ein Stück weiter brannte das Feuer. Drei Männer saßen da. Die Flammen warfen zuckende Licht- und Schattenreflexe in die bärtigen Gesichter. Ich beobachtete die Kerle durch das Zweiggespinst. Sie sahen alles andere als Vertrauen erweckend aus. Sie unterhielten sich. Was sie sprachen, verstand ich nicht. Jetzt erhob sich einer. Ein großer Mann, der mit einem langen Staubmantel bekleidet war. Er ging zu seinem Sattel, der am Boden lag, schnallte die Decke los, klemmte sie sich unter den Arm, kehrte zu seinen Gefährten zurück und breitete die Decke am Boden aus, dann holte er seinen Sattel.
Ich zog mich zurück. Wenige Minuten später erreichte ich unser Camp. Ich rüttelte Joe, er schreckte hoch, ich sagte: »Eine halbe Meile weiter südlich kampieren drei Kerle. Sie tragen Staubmäntel. Das will zwar nichts heißen, aber wir sollten ihnen dennoch einen etwas intensiveren Blick unter den Hutrand werfen.«
Joe erhob sich, schnappte sich sein Gewehr, dann marschierten wir los. Die drei Kerle hatten es sich in der Zwischenzeit am Boden bequem gemacht. Sie fuhren hoch, als ich aus dem Schutz des Ufergebüsches rief: »Hoch mit euch! Hände in die Höhe! Stellt euch neben das Feuer. Ich rate keinem von euch, nach dem Revolver zu greifen.«
Mit dem letzten Wort hatte ich durchgeladen. Kaum, dass das metallische Knacken verklungen war, repetierte ein Stück weiter Joe seine Winchester. Die Kerle kamen hoch, einer fluchte, dann rief einer: »Was wollt ihr, verdammt? Unser Geld? Da müssen wir euch allerdings enttäuschen. Alles in allem besitzen wir nicht mal zehn Dollar.«
»Hier spricht U.S. Deputy Marshal Bill Logan«, rief ich. »Geht zum Feuer und hebt die Hände. Und keine krummen Gedanken.«
»Aaah, ein Marshal. Na schön. Wir haben nichts zu verbergen.«
Die drei Kerle standen auf und taten, was ich von ihnen verlangt hatte. Alle drei trugen Staubmäntel. Joe trat von hinten an sie heran und zog ihnen die Revolver aus den Holstern. Ich war aus den Büschen getreten und hielt das Trio in Schach.
»Wir werden weder gesucht, noch gibt es sonst einen Grund, uns wie ein paar Banditen zu behandeln«, sagte einer der Männer. »Wir sind auf dem Weg nach Norden, genau gesagt nach Channing. Dort soll es Arbeit geben. Die Union Pacific…«
»Zieht eure Mäntel aus!«, forderte ich.
»Weshalb?«
»Tut schon, was er sagt!«, stieß Joe ungeduldig hervor.
»Ich weiß zwar nicht, was das werden soll«, knurrte der Sprecher des Trios, »aber ihr sitzt am längeren Hebel.« Er zog seinen Mantel aus und ließ ihn auf den Boden fallen.
Die Revolvergurte der Kerle wurden sichtbar. Der Gürtel eines der Burschen war mit kunstvoll gearbeiteten Messingbeschlägen versehen.
»Umdrehen!«, gebot ich.
Einer der Beschläge fehlte an dem Gurt. Eine Welle des Triumphes überschwemmte mein Bewusstsein. »Ihr war am East Alamocito Creek, nicht wahr?«
Der Bursche, der bisher das Wort geführt hatte, schnappte: »Damit haben wir nichts zu tun, Marshal. Als wir auf der Farm waren, fanden wir nur noch Tote. Wir haben uns ein wenig umgesehen und haben dann das Weite gesucht.«
»Nennt mir eure Namen.«
»Ich bin Stan McAllister, das ist Ben Correy -« McAllister deutete mit dem Kinn auf den dritten Mann, »- das ist Lance Mackintosh.«
Ben Correy war der Mann, an dessen Gürtel der Beschlag fehlte. Er hatte blonde, strähnige Haare, die ihm bis in den Nacken reichten.
Mackintosh ergriff das Wort: »Was Stan sagt, stimmt. Der Mann lag im Ranchhof. Im Haus fanden wir die Frau und die beiden Kinder. Wir wollten keinen Ärger und sind daher weitergeritten.«
»Wo ist euer vierter Mann?«, fragte ich.
»Wir reiten nur zu dritt«, antwortete McAllister.
»Joe«, sagte ich, »fessle die Kerle. Wir bringen sie nach Amarillo. Dort wird Sache des Gerichts sein, ob es ihnen ihre Geschichte abkauft.«
»Beim Henker, Marshal, es ist die Wahrheit«, meldete sich jetzt Ben Correy zu Wort. Er sprach mit Nachdruck. »Wir haben mit der Ermordung der Rancherfamilie nichts zu tun.«
Joe fesselte mit zwei Handschellenpaaren die Kerle zusammen. Ich warf Holz auf das Feuer und gleich darauf breitete sich die Helligkeit aus. Die drei Männer mussten sich ans Feuer setzen. Joe machte sich auf, um unser Camp abzubrechen und unsere Pferde zu holen. Ich ging den drei Kerlen gegenüber auf die Hacken nieder. »Sagt es mir: Wo ist euer vierter Mann?«
»Es gibt keinen vierten Mann!«, presste Stan McAllister hervor. »Warum wollen Sie uns nicht glauben, Marshal?«
»Weil alles gegen euch spricht«, erwiderte ich.
*
Am Morgen, als ein heller Streifen über dem Horizont den Sonnenaufgang ankündigte, brachen wir auf. Da wir in den Satteltaschen weitere Handschellen hatten, konnten wir jedem der Kerle die Hände auf den Rücken fesseln. Wir mussten ihnen zwar auf die Pferde helfen, aber das nahmen wir unserer Sicherheit zuliebe in Kauf.
»Ihr habt die falschen Männer verhaftet«, knurrte Stan McAllister, als er auf dem Pferd saß. »Und wenn man uns hängt, dann ist das ein Justizmord. Wir haben mit den Morden nichts zu tun.«
Joe und ich saßen auf. Joe ritt voraus, dann folgten die drei Gefangenen, den Schluss bildete ich. Die Nacht lichtete sich immer mehr, dann ging die Sonne auf und es wurde hell. Der Morgendunst war ein Vorbote der kommenden Hitze.
Drei Stunden später erreichten wir Wildorado. Schnell bildete sich um uns herum eine Menschenrotte. Flüstern und Raunen erfüllte die Straße. Düstere Impulse schienen die Stadt plötzlich zu durchströmen. Wir ritten zum Saloon hin. Ich saß ab, ging hinein und sagte zu dem Keeper: »Wir haben drei Männer festgenommen. Sehen Sie sich die Kerle an. Gehören sie zu dem Quartett, das vor ein paar Tagen die Stadt aufsuchte?«
Der Keeper ging mit mir hinaus. Eingehend musterte er die Gefangenen. Schließlich sagte er: »Die Kerle hielten sich nicht lange im Saloon auf. Auch habe ich vermieden, sie länger als nötig anzusehen. Diese Sorte fühlte sich gleich herausgefordert. Auch sie waren bärtig und abgerissen, sie trugen lange Mäntel und Hüte. Sicher, die drei könnten dabei gewesen sein. Beschwören will ich es aber nicht.«
»Wir waren noch nie in dieser Stadt!«, rief Stan McAllister beschwörend.
»Es muss ja auch nicht heißen, dass die vier, die in der Stadt waren, die Mörder sind«, gab der Keeper zu bedenken.
Ein leichtes Fuhrwerk rollte in diesem Moment die Straße herunter. Auf dem Wagenbock saß Swift Barring. Er zügelte am Rand der Menschenmeute das Maultier, das den Wagen zog, erhob sich auf dem Bock und rief: »Haben Sie die verdammten Banditen erwischt, Marshals. Mein Glückwunsch.«
»Ja, das sind die Schufte!«, brüllte jemand in der Meute. »Sie waren in der Stadt. Ich erkenne sie wieder. Großer Gott, sie haben eine Frau und zwei Kinder umgebracht! Man muss diese Bastarde an den nächsten Baum hängen.«
Drohendes Gemurmel erhob sich.
»Treten Sie vor!«, forderte ich den Sprecher auf. Der Mann bahnte sich einen Weg und trat in den Kreis. »Ich erkenne ihre Visagen wieder!«, rief er. »Das sind drei der vier Kerle, die vor drei Tagen in der Stadt waren. Von vier Mördern sprach Kimberly Monahan, ehe sie starb.«
»Joe«, sagte ich, »halt den Namen des Mannes fest. Er wird vor Gericht als Zeuge aussagen müssen. Das gleiche gilt für den Keeper.« Meine Stimme hob sich: »Gibt es noch jemand, der die drei wiedererkennt?«
Zwei– drei Leute meldeten sich.
»Wir waren noch nie in dieser Stadt!«, schrie McAllister fast verzweifelt.
»Machen wir kurzen Prozess mit ihnen!«, ereiferte sich ein Mann mit lauter Stimme. »Hängen wir die Schufte an den nächsten Baum.«
Die Stimmung begann sich aufzuheizen. Die Stadt glich plötzlich einem Pulverfass, in das nur der berühmte Funke zu fallen brauchte.
»Ruhig, Leute, ruhig«, schrie ich und hob beide Arme. »Diese Männer werden vor ein ordentliches Gericht gestellt, und im Rahmen dieses Verfahrens wird über ihre Schuld oder Unschuld befunden. Lynchjustiz ist Mord. Falls sie wirklich Mörder sind, wollt ihr euch doch nicht mit ihnen auf eine Stufe stellen.«
Ich sprang vom Vorbau und kletterte auf mein Pferd. »Macht Platz, Leute. Wir bringen die drei nach Amarillo. Nehmt Vernunft an und lasst uns durch.«
»Verdammt, Logan, warum das Gericht bemühen. Das sind die Mörder der Monahans. Sie sind nach dem Mord in die Stadt gekommen. Einige Leute haben sie wiedererkannt.«
»Ich will es nicht beschwören!«, rief der Keeper.
»Aber ich erkenne sie wieder!«, brüllte ein Mann.
»Holt drei Stricke! Ihr könnt verschwinden, Logan und Hawk. Wir…«
Die weiteren Worte gingen in dem Tumult unter, der ausbrach. Die Atmosphäre war angespannt und gefährlich. Die Volksseele kochte. Es hieß jetzt, sich durchzusetzen. Wenn wir auch nur die geringste Unsicherheit oder Schwäche zeigten, hatten wir verloren.
Ich nahm mein Gewehr und feuerte einen Schuss in die Luft ab. Schnell wurde es still. »Es gibt keine Hängepartie!«, rief ich mit klirrender Stimme. »Und jetzt macht Platz.« Ich trieb mein Pferd an und ließ es auf die Front aus Leibern zugehen. Und jetzt bildeten die Menschen eine Gasse, durch die wir reiten konnten.
Die Gefahr war noch nicht vorbei. Unter der Oberfläche gärte und brodelte es wie in einem Vulkan, der jeden Moment ausbrechen konnte. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Ich verspürte ein seltsames Kribbeln zwischen den Schulterblättern. Plötzlich vertraten mir einige Männer mit Gewehren den Weg. Ich parierte mein Pferd. Die Mündungen deuteten auf mich. Einer der Kerle rief rau: »Die Bastarde haben ihr Leben verwirkt, Logan. Überlass sie uns. Wir ersparen dem Gericht nur Arbeit.«
Ich kannte den Mann. Ihm gehörte die Sattlerei. Sein Alter schätzte ich auf vierzig Jahre. Er vermittelte einen grimmig-entschlossenen Eindruck. Sein Blick war auf mich gerichtet– er versuchte Druck auf mich auszuüben.
»Gehen Sie zur Seite, Landers. Sie sind weder Richter noch Henker. Was haben Sie vor? Wollen Sie den Menschen hier eine Abwechslung bieten?« Ich beugte mich im Sattel etwas vor. »Die Schuld dieser drei Männer ist nicht erwiesen. Es spricht zwar vieles dafür, dass sie die Morde begangen haben, aber sie gelten als unschuldig, solange sie nicht rechtskräftig verurteilt sind. Möchten Sie wegen Mordes vor Gericht landen, Landers?«
Der Mann nagte an seiner Unterlippe.
»Landers will bei der nächsten Wahl Town Mayor werden!«, schrie jemand lachend. »Darum legt er sich so ins Zeug.«
»Das ist sicher der falsche Weg«, gab ich zu bedenken.
Landers' Schulter sanken plötzlich nach unten und er trat zur Seite. Wir ritten weiter. Schließlich waren wir durch und ich atmete auf.
*
Am Abend erreichten wir Amarillo. Wir brachten die drei Gefangenen in den Jail. Am Morgen erstatteten wir Richter Humphrey Bericht. Ich endete mit den Worten: »Alles sieht danach aus, dass es McAllister und seine Kumpane waren. Ich will aber auch den vierten Mann schnappen. Ich vermute, er ist bereits vorausgeritten und ich finde ihn in Channing im Eisenbahncamp.«
»Wenn es einen vierten Mann gibt«, wandte der Richter ein.
»Wenn es keinen vierten Mann gibt, dann handelt es sich bei den dreien auch nicht um die Mörder«, versetzte ich.
»Sie waren auf der Ranch«, sagte Humphrey. »Das ist unbestritten. Das geben sie auch zu. Einige Männer in Wildorado haben sie als drei der vier Männer erkannt, die die Stadt aufgesucht haben. Es dürfte also einen vierten Mann geben. Suchen Sie ihn, Logan.«
»Männer, die sich tagelang nicht rasiert haben, die verstaubt und verschwitzt sind und lange Mäntel tragen, sehen sich oftmals sehr ähnlich«, gab ich zu bedenken.«
»Fertigen Sie Ihren Bericht an, den wir Donald Rafferty, dem Distrikt Ankläger, vorlegen. Ich schätze, dass er innerhalb einer Woche Anklage erheben wird. Die Zellen im Gefängnis sind überfüllt und wir haben uns entschlossen, die klaren Fälle im Eilverfahren durchzuziehen. Sie, Joe, halten sich zur Verfügung. Sie werden vor Gericht als Zeuge aussagen müssen. Sie, Logan, machen sich auf die Suche nach dem vierten Mann.«
Das war eine klare Weisung.
Joe und ich ließen den Richter allein. Ich begab mich ins Gefängnis. In den Zellen drängten sich die Gefangenen. Es roch abscheulich. Die Luft war abgestanden. Säuerlicher Schweißgeruch und eine Reihe anderer Körperausdünstungen vermischten sich, dazu kam der bestialische Gestank der Latrineneimer. Ich hielt die Luft an.
McAllister, Correy und Mackintosh befanden sich mit fünf weiteren Gefangenen in einer Zelle, die für lediglich vier Mann gedacht war. Die Gefangenen hockten auf den Pritschen oder am Fußboden. Nach und nach versickerten die Geräusche. McAllister kam an die Gitterwand und umklammerte zwei der zolldicken Stäbe, dass die Knöchel weiß unter der Haut hervortraten. »Zur Hölle, Logan, wir sind unschuldig.«
»Das wird sich herausstellen.«
»Warum sind Sie hergekommen?«
»Ich will den Namen Ihres vierten Mannes wissen.«
»Der vierte Mann lebt nur in Ihrer Fantasie.«
»Sie wurden in Wildorado erkannt, McAllister. Als ihr zum ersten Mal in der Stadt wart, seid ihr zu viert gewesen. Also sagen Sie mir den Namen des vierten Mannes. Und verraten Sie mir, wo ich den Burschen finde.«
»Gehen Sie zum Teufel, Logan!«, presste McAllister hervor und wandte sich ab.
Ich begab mich in unsere Unterkunft. Joe lag auf seinem Bett und hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt. »Und?«
»McAllister bestreitet die Existenz eines vierten Mannes.«
»Aber sie waren zu viert, als sie in Wildorado ein Gastspiel gaben.«
»Wenn sie in Wildorado ein Gastspiel gaben.«
»Das dürfte erwiesen sein.« Joe erhob seinen Oberkörper. »Seien wir uns doch ehrlich, Logan. Auch du glaubst doch nicht an die Unschuld der Kerle. Wie der Richter schon sagte: Sie waren auf der Monahan Ranch, und sie wurden in Wildorado erkannt. Natürlich bestreiten sie, etwas mit der Tat zu tun zu haben. Aber die Indizien sprechen gegen sie.– Sie wollten hinauf nach Channing. Dort geben sich Abenteurer und Glücksritter, Huren und Banditen ein Stelldichein. Warum sollte der vierte Mann nicht vorausgeritten sein?«
»Warum sollten sie sich getrennt haben?«, fragte ich.
»Diese Frage kann ich dir auch nicht beantworten. Fakt ist jedenfalls, dass es einen vierten Mann gibt.«
»Ich breche morgen früh auf«, murmelte ich.
Mit den ersten Sonnenstrahlen verließ ich Amarillo. Ich benutzte den Reit- und Fahrweg, der nach Tascosa führte, und hatte von dort aus noch zwanzig Meilen bis Channing. Sechsunddreißig Stunden nach meinem Aufbruch in Amarillo erreichte ich die Stadt. Channing war kaum wiederzuerkennen. Neue Häuser waren gebaut worden. Provisorisch hingestellt, nur für einen vorübergehenden Zweck bestimmt. Eine Zeltstadt war entstanden, große Zelte waren am Stadtrand errichtet worden, in denen Alkohol ausgeschenkt wurde und in denen dem Glücksspiel gefrönt wurde.
Am Westrand der Stadt hatte man ein Stationsgebäude errichtet. Es sollte später einmal als Bahnhof dienen. Der Schienenstrang war bereits an der Stadt vorbeigeführt worden. Schienen und Schwellen waren gestapelt. Trauben von Menschen tummelten sich auf der Main Street. Ich sah viele Chinesen, die für die Union Pacific arbeiteten.
Ich ritt den Mietstall an. Der Stallbursche war ein bärtiger Bursche, der im Krieg eine Kugel ins Knie bekam und deshalb ein steifes Bein hatte. Wie besessen kaute er auf seinem Priem herum.
»Channing hat sich ja ziemlich verändert«, sagte ich.
Er spuckte einen Strahl Tabaksaft ins Stroh. »Das kann mal wohl sagen«, knurrte er grimmig. »Aber gewiss nicht zu seinem Vorteil. Alles mögliche Gesindel gibt sich in der Stadt sozusagen die Türklinke in die Hand. Schlägereien und Schießereien sind an der Tagesordnung. Wir haben sogar einen Town Marshal berufen. Aber der kriegt die Verhältnisse kaum in den Griff. Es ist ein Kampf gegen Windmühlenflügel.«
»Wie heißt der Town Marshal?«
»Morgan Corby. Sein Büro befindet sich in der City Hall. Der Bürgerrat hat ihm zwei Gehilfen zur Seite gestellt. Drei Männer, die ihr Bestes tun, um der Gesetzlosigkeit in der Stadt Einhalt zu gebieten, die im Endeffekt aber auf verlorenem Posten stehen, solange Bruce Corner den Ton in Channing angibt.«
»Wer ist das?«
»Er besitzt drei Saloonzelte und ein Tanzzelt. Eines Tages war er da, und ein Rudel Schläger und Revolverschwinger stärkten ihm den Rücken. Er war plötzlich der Starke und Bestimmende in Channing. Und nun sind wir soweit hier, dass ohne seinen Segen fast nichts mehr geht. Er hat der Stadt seinen Stempel aufgedrückt.«
»Ich suche einen Mann, der wahrscheinlich mit einem langen Staubmantel bekleidet ist«, sagte ich.
Der Stallmann kicherte. »Ist das alles, was Sie an Beschreibung haben, Marshal?«
»Ja.«
»Es wimmelt hier von Kerlen, die in den vergangenen Tagen nach Channing kamen und Staubmäntel tragen. Aus dieser Meute einen gewissen Burschen herauszupicken dürfte sich wie die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen gestalten.«
Ich schnallte meine Satteltaschen los, legte sie mir auf die Schulter, nahm mein Gewehr und verließ den Stall. Da ich der Annahme war, einige Tage in Channing bleiben zu müssen, ging ich ins Hotel, um mir ein Zimmer zu mieten.
»Tut mir leid, Marshal«, sagte der Mann hinter der Rezeption. »Es ist kein Bett mehr frei. Aber manche Bewohner der Stadt vermieten in ihren Häusern Zimmer. Versuchen Sie's bei der Witwe Belford.«
Der Owner erklärte mir die Lage des Hauses der Witwe.
Die Witwe war eine Frau von höchstens dreißig Jahren, eine gepflegte Erscheinung, fraulich und sehr hübsch. Sie hatte die blonden Haare hochgesteckt. Blaue Augen blickten mich offen an. Sie schlug mich sofort in ihren Bann.
Nachdem ich mein Anliegen vorgetragen hatte, lächelte sie und ich sah weiße, gleichmäßige Zähne zwischen ihren vollen Lippen. »Sie haben Glück, Marshal. Ein Zimmer habe ich noch frei. Es ist zwar nur eine kleine Kammer, aber sie erfüllt sicher ihren Zweck.«
»Sicher. Ich brauche nur einen Platz zum Schlafen, Ma'am«, sagte ich.
»Den kann ich Ihnen bieten.«
Sie zeigte mir die Kammer. Sie befand sich unter dem Dach und in ihr standen lediglich ein Bett und ein alter Schrank. Fragend musterte mich die Frau von der Seite. »Ist in Ordnung«, sagte ich, froh, überhaupt etwas gefunden zu haben, und warf meine Satteltaschen auf das Bett.
»Waschen können Sie sich am Brunnen im Hof«, sagte die hübsche Witwe. Und lachend fügte sie hinzu: »Allerdings dürfte Ihnen ein Bad nicht schaden, Marshal. An Ihnen klebt der Staub eines langen Rittes von Amarillo herauf.«
Ich grinste sie an. »Natürlich«, sagte ich. »Ich hatte zwei Tage keine Gelegenheit, mich zu waschen und zu rasieren. Hoffentlich erkennen Sie mich wieder, wenn ich aus dem Barber Shop zurückkomme.«
*
Es wurde Nacht. Channing erwachte zum sündigen Leben. Aus den Saloons trieben Klaviergeklimper, Gelächter, Johlen und Grölen. Betrunkene torkelten auf den Gehsteigen entlang. Die Stadt war durchsetzt von Lasterhaftigkeit und Verruchtheit. Ich machte einen Streifzug durch die Vergnügungsetablissments. Überall bot sich mir dasselbe Bild. Geschäftsleute und Spieler waren hier auf der Jagd nach dem schnellen Dollar. Sie nahmen die unbedarften Arbeiter aus wie Weihnachtsgänse. Grellgeschminkte Mädchen versprachen den rauen Kerlen das Blaue vom Himmel und verhießen ihnen für eine Handvoll Dollar eine kurze Zeit Glückseligkeit.
Channing hatte sich in ein Sodom und Gomorrha verwandelt, in einen Hexenkessel am Ende des Schienenstrangs.
In einem der Saloonzelte fiel mir ein Tisch mit mehreren Männern auf. Ich kannte einige von ihnen vom Sehen. Es waren Bürger von Channing. Auf einer Bühne tanzten vier Girls. Sie schwangen ihre langen, schlanken Beine und die grölenden Kerle klatschten mit schwieligen Händen den Takt. Das Klimpern des Klaviers ging in diesem Lärm unter.
An dem Tisch saß auch ein dunkelhaariger Mann Ende der vierzig. Ein dicker Schnurrbart zierte sein Gesicht. Er war schlank. Bekleidet war er mit einem grauen Anzug, einem weißen Hemd, er trug eine weinrote Samtkrawatte und am Ringfinger seiner Rechten steckte ein protziger Ring.
Ich ahnte, dass ich Bruce Corner vor mir hatte. In seiner Nähe hielten sich auch ein paar Figuren auf, die die Sechsschüsser ziemlich tief geschnallt hatten.
Einige Gäste starrten mich düster an. Der Anblick eines Sterns schien ihnen keine Freude zu bereiten. Ich ging zu dem Tisch hin und zog die Aufmerksamkeit der Männer auf mich, indem ich sagte: »Guten Abend, Mr Bennet.«
Es war der Town Mayor. »Ah, Logan. Was treibt Sie nach Channing? Wie Sie selbst feststellen können, ist bei uns einiges geboten.« Bennet lachte auf. »Aber das wird sich ändern, wenn die Eisenbahn wieder weiterzieht. Dann wird hier wieder Ruhe und Frieden einkehren.«
Mir entging nicht, dass mich der Bursche, den ich für Corner hielt, interessiert musterte. Einen Moment kreuzten sich unsere Blicke.
»Setzen Sie sich doch zu uns, Marshal«, forderte mich der Town Mayor auf.«
»Gerne.« Ich hielt Ausschau nach einem freien Stuhl, holte ihn mir und die Männer am Tisch rückten ein wenig zusammen, damit ich Platz hatte. Ich ließ mich nieder.
Der Bürgermeister wies auf den dunkelhaarigen Burschen im grauen Anzug. »Darf ich vorstellen«, sagte er. »Mister Bruce Corner. Er besitzt in der Stadt einige Saloons und die Tanzhalle.«
Ich nickte Corner zu und er erwiderte dieses Nicken. Sekundenlang hatte ich das Empfinden, von einem Reptil angestarrt zu werden.
»Was führt sie nach Channing?«, fragte der Town Mayor noch einmal.
»Vier Banditen haben am East Alamocito Creek eine Ranch überfallen und die Rancherfamilie ermordet, unter anderem zwei Kinder im Alter von acht und zehn Jahren. Der Frau haben sie Gewalt angetan.«
»Und die Spur der Bande führt nach Channing?«
»Wir haben drei Männer verhaftet«, erwiderte ich. »Ja, der vierte Mann könnte sich hierherbegeben haben. Die Bande war jedenfalls auf dem Weg nach Channing.«
Der Town Mayor lachte und schaute Corner an. »Haben nicht vor einigen Tagen vier Männer bei Ihnen angeheuert, Bruce?«
»Sicher«, antwortete der Saloonbesitzer. »Aber Sie haben es ja gehört: Drei der Mörder befinden sich bereits hinter Schloss und Riegel.«
In dem Moment brach an der Theke ein Streit aus. Zwei Kerle gingen aufeinander los. Sofort bildete sich ein Kreis um sie herum. Anfeuerungsgeschrei wurde laut. Die beiden droschen mit Fäusten aufeinander ein. Zwei Saloonordner bahnten sich eine Gasse durch die Schaulustigen. Es waren breitschultrige, stiernackige Burschen. Sie rissen die beiden Kontrahenten auseinander, bugsierten sie zum Ausgang und warfen sie kurzerhand hinaus.
»Ich dulde in meinen Etablissments keine Radaubrüder«, sagte Corner mit einem süffisanten Grinsen um die Lippen. »Sollen Sie sich von mir aus die Schädel einschlagen wo immer sie wollen, nur nicht in einem meiner Saloons.«
Männer drängten nach draußen. Sicher erwarteten sie, dass draußen der Kampf weiterging. Die beiden Ordner kamen zurück. Sie blickten zu Corner her und dieser bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, dass er ihr Handeln für in Ordnung befand.
Da dröhnte draußen ein Schuss. Im nächsten Moment erhob sich Geschrei. Und dann brüllte jemand: »Er hat Howard niedergeschossen! Verdammt, schnappt euch den Kerl!«
Weitere Schüsse krachten. Die Detonationen verschmolzen ineinander, wie Donnergrollen stießen sie durch die Stadt. Schritte trampelten.
Ich erhob mich und ging hinaus. Ein Pulk Männer hatte sich zusammengerottet. »Macht Platz!«, gebot ich. Eine Gasse öffnete sich. Ich sah einen Burschen am Boden liegen. Er presste beiden Hände gegen seinen Leib. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. In seinen Mundwinkeln zuckte es unkontrolliert. Er stöhnte und röchelte.
»Hole jemand den Doc«, kommandierte ich. Ich sah Corner und einige weitere Männer aus dem Saloon kommen. Irgendwo zwischen den Häusern krachte ein Schuss.
Zwei Männer rannten herbei. An ihren Westen glitzerten Sterne. Einer, ein mittelgroßer, untersetzter Mann, fragte laut: »Wer hat ihn niedergeschossen?«
»Wir kennen seinen Namen nicht, Marshal!«, versetzte jemand. »Irgendein Sattelstrolch, der mit Howard im Saloon wegen eines der Girls Streit anfing. Howard war unbewaffnet. Einige Männer jagen den Hundesohn. Wenn sie ihn erwischen…«
Der Sprecher verstummte vielsagend.
In einiger Entfernung war lautes Geschrei zu hören. Es knallte zweimal, dann brüllte jemand: »Ich habe ihm eine Kugel ins Bein geknallt! Kommt her, er ist in die Scheune geflohen. Räuchern wir den Hurensohn aus!«
Marshal Corby und sein Gehilfe setzten sich in Bewegung. Beide trugen Schrotflinten. Ich folgte ihnen. In das Geschrei hinter den Häusern mischte sich das wütende Kläffen einiger Hunde.
Zwischen den Häusern war die Finsternis dicht. Hinter den Häusern wurde sie vom Mond- und Sternenlicht etwas aufgeweicht. Hier gab es Corrals und Pferche, Schuppen, Ställe und Scheunen. Im Schutz von Büschen lauerten Männer. Sie belagerten eine der Scheunen.
Eine klirrende Stimme erhob sich: »Hier spricht Town Marshal Corby. Kommen Sie waffenlos und mit erhobenen Händen aus der Scheune. Wenn wir sie holen müssen, wird es hart für sie.«
»Eher schieße ich mir eine Kugel in den Kopf, Marshal«, tönte es zurück. »Glaubst du, ich lass mich von dem Mob aufhängen? Der Kerl hatte ein Messer. Sollte ich mich von ihm abstechen lassen?«
»Ich werde entsprechende Ermittlungen anstellen«, erwiderte der Town Marshal laut. »Und wenn sich herausstellt, dass Sie in Notwehr geschossen haben, setze ich Sie unverzüglich wieder auf freien Fuß.«
Da schrie jemand überschnappend: »Howard ist gestorben. Der Bastard hat ihn ermordet! Dafür muss er hängen. Holt ihn aus der Scheune und knüpft ihn auf!«
Die Geister der jüngsten Vergangenheit regten sich in mir. In Wildorado schrien die Bürger ebenfalls nach Lynchjustiz, als wir mit unseren Gefangenen auf dem Weg nach Amarillo waren. Ich verspürte einen bitteren Geschmack in der Mundhöhle. Es war überall dasselbe. Sehr schnell wurde in den Städten der Ruf nach dem Strick laut.
Ich ging zu Marshal Corby hin. »Entschuldigen Sie, Marshal«, sagte ich. »Ich bin U.S. Deputy Marshal Bill Logan aus Amarillo. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich hineingehe und den Burschen heraushole?«
Obwohl es dunkel war, konnte ich erkennen, dass mich Corby überrascht fixierte. »Der Hombre dürfte ziemlich gefährlich sein«, sagte er schließlich. »Er hat es bewiesen, als er seinen Kontrahenten niederschoss.«
»Vielleicht war es wirklich Notwehr«, versetzte ich.
»Von mir aus«, knurrte Corby. »Versuchen Sie Ihr Glück. Ich habe Sie jedenfalls gewarnt.«
Ich setzte mich in Bewegung. Die Dunkelheit hüllte mich ein, als ich zum Tor der Scheune schritt. Ich verspürte Anspannung. Das Tor knarrte und quietschte, als ich es aufzog. In der Scheune blitzte es auf. Der Knall schien sie aus allen Fugen zu sprengen. »Bleibt mir vom Hals!«, schrie der Schütze, und seine klang irgendwie panisch. Mir war klar, dass der Bursche Angst hatte. Aber gerade das machte ihn unberechenbar und gefährlich. Er würde um sich beißen wie ein in die Enge getriebenes Raubtier.
Ich stand an der Wand neben dem Tor. Keine wirklich taugliche Deckung, denn einer Kugel würde die Bretterwand nicht entgegenzusetzen haben.
»Geben Sie auf!«, sagte ich in die absolute Finsternis hinein, die in dem Stall herrschte. Es gelang mir nicht, sie mit den Augen zu durchdringen. Sie mutete fast greifbar und stofflich an. »Ich bin U.S. Deputy Marshal Bill Logan. Der Town Marshal sagte es bereits: Es wird eine Untersuchung geben. Und wenn Sie in Notwehr geschossen haben, wird er sie unverzüglich auf freien Fuß setzen.«
»Du vergisst den Mob da draußen, Marshal!«, keuchte der Mann in der Scheune.
»Wir werden Sie beschützen.«
»Das ist mir zu unsicher!«, stieß der Mann hervor. »Ich ziehe eine Kugel dem Strick vor.«
Ich schob mich um die Wand herum und befand mich im Innern der Scheune, darauf gefasst, gedankenschnell zu reagieren, wenn es in der Dunkelheit aufblitzte. Der Geruch von Heu stieg mir in die Nase. Mein Atem ging nur noch ganz flach. Meine Rechte lag auf dem Knauf des Remington.
»Marshal!«
Ich gab keine Antwort. Das Wort versank in der Stille. Ich tastete mich an der Wand entlang, meine Hand berührte den Stiel einer Forke oder Schaufel, die an der Wand lehnte, das Arbeitsgerät fiel mit viel Lärm zu Boden. Sofort schoss der Kerl. Dreimal krachte es. Die Mündungsblitze zerrten ihn für Bruchteile von Sekunden aus der Dunkelheit. Ich zog und feuerte zurück, ein Gurgeln ertönte, dann eine erklang eine erstickte Stimme: »Du hast mir eine Kugel in die Schulter geschossen, Marshal. Zur Hölle, ich glaube, mein Schlüsselbein ist zerschmettert. Ich blute wie ein Schwein.«
»Geben Sie auf«, rief ich. »Dann bekommen Sie Hilfe.«
»In Ordnung, Marshal. Großer Gott, der Schmerz bringt mich um. Ich– ich komme jetzt. Nicht schießen.«
Stiefelleder knarrte, Hosenstoff schabte. Ich nahm in der Finsternis eine flüchtige Bewegung wahr. Ein Schemen schälte sich aus der Dunkelheit, nahm Formen an, trat in das Tor und ich glitt hinter den Burschen, drückte ihm die Mündung des Remington gegen die Wirbelsäule und sagte: »Ein vernünftiger Entschluss. Vorwärts! Gehen Sie.«
Der Bursche humpelte und stöhnte ununterbrochen. Der Town Marshal und sein Gehilfe nahmen uns in Empfang.
Aus der Dunkelheit traten die Männer, die den Mann gehetzt und in die Scheune getrieben hatten. Drohendes Gemurmel erhob sich. »Geht wieder in den Saloon«, rief Morgan Corby. »Es gibt keine Hängepartie. Wenn, dann nur über meine Leiche.«
Wir brachten den Verwundeten auf die Main Street. Hier sorgten verschiedene Lichtquellen für ausreichend Helligkeit. Der Bursche presste die linke Hand auf seine Schulter. In seinen Zügen wütete der Schmerz. Schweiß rann ihm über das Gesicht. Er war krankhaft bleich.
Menschen rotteten sich zusammen. Die Luft schien vor Spannung zu knistern wie vor einem schweren Gewitter. Der Marshal ging voraus. Der Verwundete ging zwischen mir und dem Gehilfen des Marshals. Etwas Beklemmendes lag in der Luft; Tod und Unheil.
Und dann war plötzlich Schluss. Eine Wand aus Leibern versperrte uns den Weg. Einer hielt eine Schlinge in die Höhe und rief: »Die habe ich für Howards Mörder geknüpft. Verschwindet, ihr dämlichen Sternschlepper. Oder wir machen euch Beine.«
Marshal Corby richtete die Schrotflinte auf den Sprecher. »Geht zur Seite, Leute. Ich sage es nicht zweimal. Solange ich den Stern in Channing trage, kommt es hier zu keinem Lynchmord.«
Da erklang eine befehlsgewohnte, laute Stimme: »Macht dem Marshal und seinem Gefolge Platz, ihr Dummköpfe! Kommt in den Saloon. Die nächste Runde geht auf meine Rechnung. Lynchjustiz ist dort angebracht, wo es kein Gesetz gibt. Hier in Channing aber haben wir ein Gesetz.«
»Mischen Sie sich nicht ein, Corner!«, brüllte der Bursche mit dem Strick. »Howard war unser Freund!«
*
Die Worte verhallten. Sekundenlang war es drückend still auf der Straße. Dann erklang Corners Stimme: »Okay, Männer. Sie wollen es nicht anders. Macht für den Sheriff und seinen Gefangenen den Weg frei. Diese Narren!«
Einige Männer glitten aus der Dunkelheit zwischen den Häusern. Einer trat vor den Burschen mit dem Strick hin, rammte ihm den Gewehrkolben in den Leib, und als sich der Getroffene nach vorne beugte, schlug er ihm den Kolben unter das Kinn. Der Kerl mit dem Strick ging zu Boden. Ein Schuss krachte. Dann schrie jemand: »Trollt euch! Die nächste Kugel feuere ich nicht mehr in die Luft, sondern sie trifft irgendeinen Kopf. Haut ab!«
Jetzt löste sich der Pulk auf. Wir gingen weiter. Minuten später erreichten wir die City Hall. Es war ein Holzgebäude mit einem Turm mitten auf dem Dach und erinnerte ein wenig an eine Kirche. Der Gefangene wurde ins Marshal's Office gebracht. Der Marshalsgehilfe riss ein Streichholz an und klappte den Glaszylinder der Laterne, die auf dem Schreibtisch stand, zurück. Es schepperte. Er hielt das Streichholz an den Docht. Die Flamme rußte und flackerte. Als der Docht brannte, stülpte er den Glaszylinder wieder darüber. Helligkeit kroch auseinander.
»Wie heißen Sie?«
»Rod Webster.«
Die Tür ging auf und ein kleiner Mann mit weißen Haaren schaute herein. Es war der Doc. »Ich hörte, es gibt jemand zu verarzten«, sagte er.
»Kommen Sie herein«, forderte ihn Corby auf, einzutreten. Sein Gehilfe brachte Webster in die Zelle. Der Arzt folgte. Der Marshal wandte sich an mich. »Es war ein Spiel mit dem Feuer, Logan.«
»Und es ist gut gegangen«, versetzte ich.
»Es hätte auch schief gehen können.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Es ist nicht schwer, einen Mann in die Enge zu treiben und ihn dann totzuschießen. Webster hat panisch reagiert. Das sagte mir, dass er kein kaltblütiger Killer ist. Wahrscheinlich zog der andere wirklich ein Messer.«
»Weshalb sind Sie in Channing, Marshal?«
»Ich suche einen Mann.«
Zwei Minuten später kannte der Marshal die Geschichte. Er schaute skeptisch, wiegte den Kopf und meinte: »Hier jemand zu finden, von dem Sie nicht einmal wissen, wie er aussieht, dürfte nahezu ausgeschlossen sein. Ich denke, Sie haben den Weg von Amarillo herauf umsonst gemacht.«
»Es wird sich herumsprechen, weshalb ich in der Stadt bin«, erklärte ich. »Vielleicht kann ich den Burschen aus der Reserve locken.«
»Darum also auch die spektakuläre Aktion vorhin. Sie möchten, dass man in Channing über Sie redet.«
»Ich wollte eine sinnlose Schießerei verhindern«, konterte ich.
»Es ist eine Herausforderung an das Schicksal«, knurrte Corby. »Ich habe genug Arbeit und werde nicht auf sie aufpassen können.«
Ich ging zur Tür. »Machen Sie sich darüber keine Gedanken, Marshal.«
Dann verließ ich das Office. Ich ging in den Saloon, den sich Bruce Corner scheinbar als Residenz auserkoren hatte. In dem Etablissment war Ruhe eingekehrt. Corner winkte mir und ich begab mich zu seinem Tisch. »Setzen Sie sich wieder zu uns, Marshal«, lud er mich ein, Platz zu nehmen, und ich setzte mich. »Die Narren sterben niemals aus«, fuhr Corner fort. »Sie erstechen und erschießen sich gegenseitig. Mal geht es ums eins der Girls, mal um ein fünftes Ass beim Poker, mal…« Er winkte ab. »Es sind zumeist Nichtigkeiten, die schuld daran sind, dass sie sich gegenseitig umbringen.«
Er hatte recht. Ich sagte es ihm. Er ergriff noch einmal das Wort: »Sie sind ein mutiger Mann, Marshal. Ich respektiere und achte mutige Männer. Sollten Sie irgendwann einmal genug haben vom Stern, dann kommen Sie zu mir. Männer wie Sie nehme ich mit Handkuss.« Corner lachte.
Ich trank ein Bier, dann verabschiedete ich mich.
Aus einer dunklen Passage wurde ich angesprochen: »Haben Sie sich gut amüsiert an Corners Tisch, Logan?«
Unwillkürlich hatte ich nach dem Remington gegriffen. Ich lauschte der Stimme hinterher. Es war Morgan Corbys Stimme. Ich entspannte mich. »Ich wollte nicht unhöflich sein«, knurrte ich. »Es gibt außerdem für mich keinen Grund, mich nicht mit Corner an einen Tisch zu setzen.«
»Sicher, Corner ist ein Ehrenmann.«
Der Marshal trat aus dem Schlagschatten. Ich ging weiter. Er schritt neben mir her. Unter unseren Sohlen mahlte der feinkörnige Sand der Fahrbahn.
»Sie sagen das mit einem recht zynischen Unterton«, bemerkte ich.
»Corner ist drauf und dran, die Stadt zu übernehmen. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn. Und mit seinen Gegnern macht er kurzen Prozess. Natürlich ist ihm nichts am Zeug zu flicken. Er ist mit allen Wassern gewaschen. Und die Kerle, die für ihn arbeiten, sind Profis.«
»Sie mögen Corner nicht, wie?«, fragte ich.
»Er ist ein Wolf im Schafspelz.«
Wir erreichten das Haus der Witwe Belford.
»Sie wohnen bei Linda?«, fragte Corby.
»Wenn Sie Mrs Belford meinen– ja.«
»Ich meine Mrs Belford. Eine bemerkenswerte Frau. Ihr Mann wurde am Spieltisch erschossen. Sie kaufte das Haus und ist entschlossen, in Channing zu bleiben. Sie und Herb Belford kamen mit der Eisenbahn. Ich weiß nicht, ob Herb Belford der richtige Mann für sie war. Er war ein Glücksritter.«
»Wie es scheint, haben Sie sich ziemlich intensiv mit Linda Belford beschäftigt, Marshal«, sagte ich.
»Ziehen Sie nur keine falschen Schlüsse, Logan«, knurrte Morgan Corby, dann schwang er herum und schritt schnell davon.
Als ich im Bett lag, beschäftigten mich eine Reihe von Gedanken. Der Town Marshal schien ein Gegner von Bruce Corner zu sein. Es gefiel Corby nicht, dass sich Corner zum mächtigen Mann in Channing aufzuschwingen drohte. Wahrscheinlich gab es zwei Parteien in der Stadt. Wobei die Corner-Partei die stärkere zu sein schien.
Ich kannte das.
Aber es war nicht mein Problem. Damit musste die Stadt selbst fertig werden. Den Town Marshal schätzte ich als aufrechten und integeren Mann ein, der von Seiten der Stadt keinerlei Unterstützung erhielt. Der Town Mayor hatte mit Corner an einem Tisch gesessen und das ließ vermuten, dass er sich dem vermeintlich Starken untergeordnet hatte.
Irgendwann schlief ich ein. Als ich die Augen aufschlug, war es hell. Ich zog meine Hose und die Stiefel an, nahm ein Handtuch aus der Satteltasche und ging hinunter in den Hof, hievte einen Eimer voll Wasser aus dem Brunnen und wusch mich. Das frische Wasser belebte mich. Als ich mich abgetrocknet hatte, wandte ich mich um– und sah unter der Tür Linda Belford stehen. Sie lächelte. Es war ein bezauberndes Lächeln, das ihrem Gesicht Schönheit verlieh. »Guten Morgen, Marshal.«
»Guten Morgen, Mrs Belford. Die Kammer ist zwar klein, aber das Bett ist hervorragend. Ich habe geschlafen wie ein Toter.«
»Sind Sie weitergekommen mit Ihren Ermittlungen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich habe einige Leute kennengelernt. Unter anderem Bruce Corner und Morgan Corby, den Marshal. Er hat mir Ihre Geschichte erzählt.«
Ihr Lächeln gerann, ihre Augen verdunkelten sich. »Ich bin dabei, mit der Vergangenheit abzuschließen. Darum habe ich dieses Haus gekauft. Ich will in Channing Fuß fassen.«
»Der große Mann hier heißt Corner«, sagte ich.
Ihre Mundwinkel sanken verächtlich nach unten. »Ja, er hält sich für groß. Einer wie er ist in der Lage, sich eine ganze Stadt zu unterwerfen. Es sind Despoten, die ihre eigenen Gesetze schreiben und praktizieren. Ich mag diese Sorte nicht.«
»Wovon wollen Sie hier leben?«
»Ich habe vor, ein Restaurant zu eröffnen. Mein Mann hat mir genügend Geld hinterlassen, sodass ich meinen Traum verwirklichen kann. Als Stadt an der Eisenbahnlinie wird Channing wachsen und an Bedeutung gewinnen. Ich denke an die Zukunft– eine Zukunft, in der die Stadt kein wildes Eisenbahnercamp mehr ist. Ich werde hier sicher mein Auskommen finden.«
Sie war eine starke Frau. Ich kehrte in mein Zimmer zurück, zog mich fertig an, dann ging ich in die Küche. Ein Mann saß am Tisch und frühstückte. Er hatte gerötete, wässrige Augen und ich war mir sicher, dass er in der Nacht einen über den Durst getrunken hatte.
Linda brachte mir Frühstück. Ich aß, zur zweiten Tasse Kaffee rauchte ich eine Zigarette, dann verließ ich das Haus. In der Stadt war nicht viel los. Die Arbeiter waren an der Trasse, die Handwerker in ihren Werkstätten, die Sünder schliefen. Ich begab mich in den Mietstall. Der Stallbursche humpelte heran. »Guten Morgen, Logan. Heute Morgen war einer hier und hat mich gefragt, ob ich weiß, wie lange sie in Channing bleiben wollen.«
Ich war ganz Ohr. »Wer hat sich danach erkundigt?«
»Es war ein dunkelhaariger Bursche, Anfang dreißig etwa. Er wollte auch wissen, ob Sie mir, als Sie in der Stadt ankamen, besondere Fragen stellten.«
»Was sagten Sie ihm?«
»Dass Sie auf der Suche nach einem Mörder sind, dessen Kumpane in Amarillo auf ihre Aburteilung warten.«
»Würden Sie den Mann wiedererkennen?«
»Natürlich. Er gehört zu der Sorte, mit der nicht gut Kirschen zu essen ist und trägt zwei Revolver. Er und seine Freunde haben ihre Pferde bei mir untergestellt. Sie befinden sich erst wenige Tage in diesem Ameisenhaufen, der die Stadt in der Zwischenzeit geworden ist.«
»Beschreiben Sie mir den Mann.«
»Er ist etwa sechs Fuß groß, hat dunkle, nackenlange Haare, über seiner linken Augenbraue befindet sich eine etwa zwei Zoll lange Narbe. Gekleidet ist er mit einer schwarzen Hose, einem blauen Hemd und einer schwarzen Lederweste. Die beiden Revolver trägt er am Kreuzgurt. Eine ziemlich auffällige Erscheinung.«
»Ich habe Corner kennengelernt«, sagte ich und wechselte damit das Thema.
»Und, was halten Sie von diesem Mister?«
Ich hob die Schultern. »Schwer zu sagen. Er hat sich in einer entscheidenden Phase auf die Seite des Marshals gestellt. Das lässt nicht den Schluss zu, dass er gegen das Gesetz arbeitet.«
Der Stallbursche lachte hohnvoll auf. »Wenn Sie einem Pferd eine Karotte hinhalten, frisst es Ihnen aus der Hand. Ich habe von dem Vorfall in der Nacht gehört. Damit hat Corner dem Marshal die Karotte hingehalten. Nun ist der Marshal Corner Dank schuldig. Es ist eine ganz einfache Rechnung.«
»Auch Sie scheinen nicht viel übrig zu haben für Corner«, bemerkte ich.
»Er ist ein verdammter Blutsauger. Ein Hecht in einem Goldfischteich. Nun, ich habe nichts mit ihm zu tun. Ich versorge hier die Pferde und man lässt mir meine Ruhe. Aber der eine oder andere, der im Moment Corner noch hinten hineinkriecht, wird eines Tages ganz schön dumm aus der Wäsche gucken, wenn ihm Corner den Boden unter den Füßen wegzieht. Sie verstehen, Marshal?«
»Ich denke schon.«
Ich versicherte mich, dass mein Pferd alles hatte, was es brauchte, dann kehrte ich in meine Unterkunft zurück.
*
Amarillo, 10 Uhr vormittags. Der Sitzungssaal im Gerichtsgebäude war voller Menschen. Der Richtertisch war noch verwaist. Auf der Anklagebank saßen die drei Gefangenen. Sie waren mit Handschellen gefesselt. Obendrein wurde jeder von einem Deputysheriff bewacht. Donald Rafferty, der Distriktankläger, saß an seinem Platz auf der rechten Seite des Saales, der geschwängert war vom Gemurmel und Getuschel der Anwesenden. Die Mitglieder der Jury saßen auf der linken Seite hinter einer Balustrade.
Dann kam der Richter. Alle erhoben sich. Stuhlbeine scharrten über den Boden. Schließlich wurde es ruhig. Simon Calispel, der Sekretär des Richters, der auch als Gerichtsdiener fungierte, rief: »Zum Aufruf kommt die Sache des Staates Texas gegen Stan McAllister, Ben Correy und Lance Mackintosh. Den Vorsitz führt der ehrenwerte Richter Jerome Frederick Humphrey. Bitte setzen Sie sich.«
Der Richter heftete seinen Blick auf die drei Angeklagten. Sekundenlang starrte er sie an, als wollte er sich ein Bild von ihnen machen. Dann sagte der Richter: »Mr Rafferty, ich darf um die Verlesung der Anklageschrift bitten.«
Donald Rafferty erhob sich…
*
Es war Mittagszeit. Ich ging in den Saloon, den es schon seit eh und je in Channing gab, um etwas zu essen. Da sah ich den Mann, den mir der Stallbursche beschrieben hatte. Er saß mit drei weiteren Kerlen an einem Tisch. Die vier aßen. Vor ihnen standen Bierkrüge.
Fast alle Tische waren besetzt. Ich fand noch einen freien Tisch bei der Treppe und ließ mich an ihm nieder. Der Keeper kam. Ich bestellte mir ein Bier und ein Steak mit Bratkartoffeln. Der Keeper machte kehrt und eilte davon, ich drehte mir eine Zigarette. Der Dunkelhaarige blickte zu mir her. Unsere Blicke kreuzten sich und verkrallten sich ineinander. Eine ganze Weile starrten wir uns an. Dann widmete sich der Bursche wieder seinem Essen.
Ich bekam mein Bier und trank einen Schluck.
Als mein Essen kam, bezahlten die vier Kerle ihre Zeche, erhoben sich und strebten dem Ausgang zu. Stechende Blicke taxierten mich. Der Dunkelhaarige verließ den Saloon zuletzt. Er wandte sich noch einmal um und schoss mir einen unergründlichen Blick zu.
Die Türpendel schlugen knarrend hinter den vier Burschen aus. Ihre Schritte dröhnten auf den Vorbaubohlen.
War der Dunkelhaarige mit dem Kreuzgurt mein Mann?
Als der Keeper mit meinem Essen kam, sagte ich: »Die vier Männer, die vorhin an dem Tisch dort saßen… Kennen Sie ihre Namen?«
»Ich weiß nur, dass sie seit einigen Tagen für Bruce Corner arbeiten. Einen nannten die anderen Vince, das ist der mit den zwei Sechsschüssern. Ein weiterer heißt Bud. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, Marshal.«
Nachdem ich gegessen hatte, verließ ich den Saloon. Jetzt bewegten sich zig Menschen auf der Main Street. Zwei Reiter zogen am Saloon vorbei. Ein Mann zog eine zweirädrige Karre aus einer Seitenstraße. Sie war mit Heu beladen. Vor dem General Store standen einige Frauen beisammen.
Ich stand auf dem Vorbau beim Geländer, schwenkte meinen Blick die Straße hinauf und hinunter, duckte mich, um unter dem Vorbaugeländer hindurchzutauchen und auf die Straße zu springen, als ein Schuss peitschte. Die Kugel pfiff über mich hinweg und durchschlug hinter mir die Fensterscheibe des Saloons. Die Bewegung, als ich mich duckte, hatte mir das Leben gerettet.
Ich sprang, kam mit beiden Beinen gleichzeitig auf, warf mich zur Seite und rollte unter den Vorbau. Dort, wo ich eben noch gelegen hatte, ließ eine Kugel den Staub spritzen. Ich sah über dem Rand der falschen Fassade eines Gebäudes schräg gegenüber den Kopf und die Schultern eines Mannes, der jetzt das Gewehr zurückzog und im nächsten Moment verschwand. Einzelheiten hatte ich nicht erkennen können, außer dass der Bursche einen schwarzen Hut auf hatte.
Mir war klar, dass ich in dieser Stunde einen besonders aufmerksamen Schutzengel gehabt hatte.