Über die Höflichkeit - Carl Hilty - E-Book

Über die Höflichkeit E-Book

Carl Hilty

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Beschreibung

Höflichkeit erleichtert den Verkehr mit Menschen ungemein. Ein Kaufmann lebt von diesem Verkehr und kann sich von demselben nicht abschließen, wie es ein Gelehrter, oder ein Klostergeistlicher tun könnte. Es gehört dies also zu ihrer Berufsbildung. Es ist aber auch eine Sache von größerer Wichtigkeit für jedermann. Erstens deshalb, weil sie sich mit der Moral in den Grundlagen sehr nahe berührt. Denn beide beruhen auf dem ganz gleichen Grundsatz der echten Menschenfreundlichkeit, nichts zu tun, was den anderen kränken, oder auch nur unangenehm berühren könnte, und was man selbst nicht gerne von ihm erfahren möchte. Sodann aber auch, weil gerade in diesem Gebiet die Ansichten wechseln und sogar nach Ländern und Zeitperioden verschieden sind, so dass es wohl der Mühe wert erscheinen konnte, einmal darüber eingehend nachzudenken. Und obwohl kaum jemand mehr über Höflichkeit wirklich angeleitet wird – wird sie im Leben von jedem Untergeordneten verlangt; man beurteilt ferner geradezu die Menschen, die man noch nicht kennt, danach, und ein Verstoß gegen die Höflichkeit kann für die ganze Laufbahn eines Menschen verhängnisvoller werden, als manche viel schwerere Fehler, die er besitzt, oder macht. Höflichkeit ist eben ein Zeichen für eine gute Herkunft und Erziehung, ja sogar eine Vermutung für einen guten Charakter, und sie ist auch eine große Hilfe für den Menschen selbst, indem sie ihn stets in dem ausgewogenen Zustand erhält, auf den es für sein Fortkommen in der Welt am allermeisten ankommt.

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Über die Höflichkeit

Grundlagen für einen angenehmen Umgang

Prof. Dr. Carl Hilty

Impressum

© 1. Auflage 2019 ebookland im Folgen Verlag, Langerwehe

Autor: Prof. Dr. Carl Hilty

Cover: Caspar Kaufmann

ISBN: 978-3-95893-249-4

Verlags-Seite und Shop: www.ceBooks.de

Kontakt: [email protected]

 

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Inhalt

Titelblatt

Impressum

Einleitung

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III Besondere Regeln

Unsere Empfehlungen

Einleitung

Wenn Sie mich fragen sollten, weshalb ich gerade diesen Gegenstand für eine Vorlesung gewählt habe, so ist es zunächst der auf der Hand liegende praktische Grund, dass Höflichkeit den Verkehr mit Menschen erleichtert, ja sogar wesentlich dazu bestimmt ist. Ein Kaufmann1 aber lebt von diesem Verkehr und kann sich von demselben nicht abschließen, wie es allfällig ein Gelehrter, oder ein Klostergeistlicher tun könnte. Es gehört dies also zu Ihrer Berufsbildung. Es ist aber auch eine Sache von größerer Wichtigkeit für Jedermann. Erstens deshalb, weil sie sich mit der Moral in den Grundlagen sehr nahe berührt. Denn beide beruhen auf dem ganz gleichen Grundsatz der echten Menschenfreundlichkeit, nichts zu tun, was den Andern kränken, oder auch nur unangenehm berühren könnte, und was man selbst nicht gerne von ihm erfahren möchte.

Sodann aber auch, weil gerade in diesem Gebiet die Ansichten wechseln und sogar nach Ländern und Zeitperioden verschieden sind, so dass es wohl der Mühe wert erscheinen konnte, einmal darüber eingehend nachzudenken.

Die Höflichkeit ist jetzt einerseits sehr gesunken; man braucht bloß auf die Eisenbahnen, oder an andere verkehrsreiche Orte sich zu begeben, um darüber ins Klare zu kommen, wie wenig Rücksichtnahme zwischen den sich begegnenden Menschen, selbst der sogenannten besseren Klasse, stattfindet. Aber sie ist doch auf der andern Seite ausgebreiteter und gleichmäßiger geworden, nicht bloß mehr das ausschließliche Eigentum einer feineren Kaste, und hat dadurch etwas Ernsthafteres und Natürlicheres angenommen. Sie ist längst nicht mehr die oberflächliche, oder gesuchte „Galanterie“, nach französischem Muster, wie sie noch vor einem Jahrhundert auch bei uns im Gebrauch war, hinter der niemand eine ernstliche Meinung suchte und die mit der größten Rohheit nicht unvereinbar war.2 Man meint jetzt, mehr als früher, das, was man höflich sagt; die Höflichkeit ist der Ausdruck eines wirklichen Wohlwollens, an Stelle eines bloßen Scheins desselben geworden. Es ist dermalen, eher als eine Missachtung der Höflichkeit, eine Art von Anarchie in Bezug auf die Regeln derselben eingetreten, welche teils aus der größeren Mischung verschiedener Volksklassen und ihrer natürlichen Lebensgewohnheiten, teils einfach aus Mangel an Bildung in dieser Richtung und Mangel an eigenem Urteil darüber herrührt. Man sagt es den jungen Leuten nicht, weder auf den Schulen, noch auf den Universitäten, was sich schickt und was nicht; sie müssen es selbst aus üblen Erfahrungen, oder guten Beispielen lernen, und da die letzteren nicht immer vorhanden sind, so bleibt ihnen im Ganzen nur die erstere Lehrmethode, die eine gute, aber etwas zu kostspielige ist. Und dennoch, trotzdem Niemand mehr über Höflichkeit wirklich instruiert wird – wird sie im Leben von jedem Untergeordneten verlangt; man beurteilt ferner geradezu die Menschen, die man noch nicht kennt, danach, und ein Verstoß gegen die Schicklichkeit kann für die ganze Laufbahn eines Menschen verhängnisvoller werden, als manche viel schwerere Fehler, die er besitzt, oder macht.

Höflichkeit ist eben ein Zeichen und eine Präsumtion für eine gute Herkunft und Erziehung, ja sogar eine Vermutung für einen guten Charakter, und sie ist auch eine große Hilfe für den Menschen selbst, indem sie ihn stets in dem „gut equilibrirten“ Zustand erhält, auf den es für sein Fortkommen in der Welt am allermeisten ankommt.

Deshalb wohl sagt ein naiver, Sachsen, so viel ich weiß, das als das höflichste Land Deutschlands gilt, entstammender Kinderreim, nicht ohne einen recht guten Erfahrungshintergrund:

„Kinder, lernet höflich sein,Es kost't nicht viel und bringt viel ein.“

1 Dieser Aufsatz war ein Vortrag in einem Verein junger Kaufleute welchen jedoch auch andere Personen beiderlei Geschlechtes beiwohnten.

2 Die Bilder Hogarths und Vorfälle aus dem Leben Voltaires, der von den Lakaien seines Gastgebers geprügelt wurde, zeigen dies z. B. Der gewöhnliche Arbeiter benimmt sich jetzt in Gesellschaft besser, als der Adel des 16. Jahrhunderts, wenn man die Memoiren des schlesischen Junkers Hans von Schweinichen liest, und wird auch von den oberen Klassen höflicher behandelt. Die Lage der Dienstboten ist ebenfalls eine ganze andere geworden.

Kapitel I

Treten wir der Frage näher, was Höflichkeit eigentlich ist und wie sie grundsätzlich entsteht, nicht bloß durch äußerliche Anlernung einzelner Formen, die nur einen prekären, von Stimmung und Umständen abhängigen Bestand hat, so werden wir ungefähr Folgendes entdecken:

Höflichkeit, wenn sie wirkliche Gemütsstimmung ist, setzt notwendig das richtige Verhältnis zu den Menschen voraus, mit denen man in Verkehr kommt, und dieses Verhältnis wieder ist gänzlich abhängig von unserer Ansicht über den Zweck des Verkehrs mit Menschen. Die richtige Auffassung über den Umgang mit Menschen1 ist die, dass sie uns gegeben sind, um ihnen in irgendeiner Weise wohlzutun, nicht um von ihnen Gutes bloß zu empfangen. Diejenigen, welche umgekehrt denken, werden, sofern sie klug genug sind, um sich keinen Illusionen hinzugeben, mit zunehmendem Alter unfehlbar Pessimisten und verlieren damit jede Möglichkeit eines wirklich freundlichen Umgangs mit Anderen. Es ist nicht ausführbar, dass Menschen gut miteinander verkehren, wenn jeder Teil nur möglichst viel empfangen und möglichst wenig leisten will, selbst wenn beides im geistigsten Sinne genommen wird. Dessen wird man eben zuletzt müde und überdrüssig. Wenn jemand aber einmal entschlossen ist zu geben, ohne etwas dafür zu erwarten, dann wird er wohlwollend und das Wohlwollen, das allmählich zur Güte auswächst, die das schönste in der menschlichen Natur ist, das ist auch die Grundlage und die unfehlbare Quelle und Wegleitung zu der wahren und aufrichtigen Höflichkeit gegen jedermann, nicht etwa nur gegen eine gewisse Klasse von Menschen.

„Wollen Sie aber noch ein wenig mehr der Sache auf den Grund gehen, so liegt dieser Stimmung zu Grunde die Überzeugung, dass jeder Mensch ein Kind Gottes, zu der edelsten Ausbildung als solches bestimmt und fähig, und dass jede Begegnung daher gar nicht etwas Zufälliges und Gleichgültiges, sondern etwas sehr Ernstes sei, aus dem für beide Teile Fortschritt, oder Hemmung auf dem Lebensweg erwachsen könne.2 Wer das so ansieht, der wird von selbst höflich, man braucht es ihm nicht anzubefehlen; andernfalls wird er nur selten das ganz richtige Maß treffen, sondern immer sehr leicht entweder zu viel, oder zu wenig in der Höflichkeit tun, oder Unterschiede machen, die in den Augen der ewigen Wahrheit nicht gestattet sind.3 Die rechte Höflichkeit ist eigentlich gar nichts anderes, als das, was das Evangelium mit einem etwas anderen Wort Frieden bringen nennt, das eigentümliche Gefühl des Wohlseins, das von manchen Leuten auf ihre ganze Umgebung und jeden, der ihnen begegnet, übergeht, während andere nach dem Ausdruck der Bibel nicht Kinder des Friedens, sondern Kinder des Zornes4 sind. Sie haben gewiss auch schon solche Leute gekannt, die vielleicht viele sehr gute Eigenschaften hatten, bei denen aber Niemandem recht wohl wurde, und die auch überall, wo sie hinkommen, nichts als Eifersucht, Streit und Unannehmlichkeit mit sich bringen, selbst keinen Frieden haben und anderen keinen lassen, soweit es an ihnen liegt. Sehen Sie sich die Höflichkeit dieser Leute an. Sie können nicht natürlich höflich sein; ihre Höflichkeit, wenn sie dieselbe in sich erzwingen, hat etwas Gezwungenes, Süßliches, Unangenehmes im Nachgeschmack an sich, wie irgend eine Bitterkeit, die man mit Sirup versüßen will. Das ist nach innen Selbstbetrug, und nach außen konventionelle Lüge, die zwar notgedrungen und bis auf einen gewissen Grad allgemein akzeptiert ist, weil man sonst ganz aus dem Standpunkt der Wilden und des Krieges aller gegen alle leben müsste.

Dabei nützt es dann sehr wenig, mit Ibsen, Zola, Nordau und anderen modernen Schriftstellern dieser konventionellen Gesellschaftslüge die Maske abzureißen, wenn man die Gesellschaft nicht gleichzeitig besser machen kann. Im Gegenteil, wenn die Welt doch nicht vorzüglicher werden könnte, was die meisten dieser, die Aufrichtigkeit liebenden Schriftsteller in ihrem Innersten glauben, so ist es noch besser, da man einmal doch mit ihr leben muss, sie trägt eine Maske, die viele täuscht und für alle wenigstens einen erträglichen Anblick gewährt.