Überdimensionierter Netzausbau behindert die Energiewende - Wolfgang Baumann - E-Book

Überdimensionierter Netzausbau behindert die Energiewende E-Book

Wolfgang Baumann

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Die Übertragungsnetzbetreiber fordern bis 2030 knapp 15.000 km Netzausbau mit Investitionskosten von 79 Mrd. Euro, bis 2035 fast 18.000 km mit Investitionskosten von 95 Mrd. Euro. Der von der Bundesnetzagentur bestätigte Netzentwicklungsplan bildet die Grundlage für die Novellierung des Bundesbedarfsplangesetzes. Zur Vermeidung von kostenintensiven Fehlinvestitionen erscheint deshalb die hier vorgelegte Bewertung des Netzentwicklungsplans dringlich. Der Netzentwicklungsplan weist schwere Defizite auf: - Die Nichtberücksichtigung der Netzausbaukosten im Netzentwicklungsplan ist ein schwerer methodischer Fehler, der die gesamte Bedarfsanalyse fragwürdig macht. - Die Nichtberücksichtigung der Netzausbaukosten steht im Widerspruch zu zwingenden Vorgaben der Europäischen Vereinigung der Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E und der EU. - Es gibt kostengünstige Maßnahmen zur Verringerung des Netzausbaus, die im Netzentwicklungsplan weitgehend unberücksichtigt bleiben.

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Rechtsanwalt W. BAUMANN ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Gründer der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB. Er ist seit über 40 Jahren im Umweltrecht tätig, zunächst als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Würzburg, dann als Anwalt in Vertretung von Städten und Gemeinden gegen die atomare Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf und das Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich. Daneben war er immer wieder im energiewirtschaftlichen Themenbereich tätig, u.a. als Sachverständiger bei Gesetzesvorhaben im Bundestag, jüngst bei der Anhörung zur NABEG-Novelle. Zahlreiche Veröffentlichungen.

Prof. Dr. L.J. JARASS, M.S. (School of Engineering, Stanford University) ist seit mehr als 35 Jahren im Bereich erneuerbare Energien und Stromnetze tätig. Er hat seine Masterarbeit an der Stanford University über die Integration der Windenergie in Kalifornien geschrieben und über die Integration der Windenergie in Deutschland promoviert. Im Rahmen seiner intensiven Beratungstätigkeit für Regierungen, Netzbetreiber und Kommunen war er mehrfach Gutachter beim Deutschen Bundestag und beim Deutschen Bundesverwaltungsgericht. Über 85 Aufsätze und 10 Bücher im Energiebereich (siehe www.JARASS.com, Energie).

Inhaltsverzeichnis

Gliederung

1 Grundlegender Umbau der Energieversorgung

Teil I – Netzentwicklungsplan

2 Kraftwerksleistung und Stromproduktion laut Netzentwicklungsplan

3 Erforderlicher Netzausbau laut Netzentwicklungsplan

Teil II – Verringerung des erforderlichen Netzausbaus

4 Systemstabilität als Rahmenbedingung für eine Verringerung des Netzausbaus

5 Berücksichtigung der Netzausbaukosten im Netzentwicklungsplan erforderlich

6 Verringerung der Leistungsüberschüsse

7 Erhöhung der zulässigen Übertragungsleistung des bestehenden Stromnetzes

8 Rechtliche Handlungsmöglichkeiten gegen Bundesfachplanungsentscheidungen

9 Zusammenfassung

Quellen

Die Übertragungsnetzbetreiber fordern bis 2030 knapp 15.000 km Netzausbau mit Investitionskosten von 79 Mrd. €, bis 2035 fast 18.000 km mit Investitionskosten von 95 Mrd. €.

Die Bundesnetzagentur hält davon einen wesentlichen Teil für erforderlich, nämlich bis 2030 einen Netzausbau von insgesamt rund 12.000 km mit Investitionskosten von gut 60 Mrd. € (der Zeitraum bis 2035 wurde von der Bundesnetzagentur nicht geprüft).

Der von der Bundesnetzagentur bestätigte Netzentwicklungsplan bildet die Grundlage für die Novellierung des Bundesbedarfsplangesetzes.

Zur Vermeidung von kostenintensiven Fehlinvestitionen erscheint deshalb die hier vorgelegte Bewertung des Netzentwicklungsplans dringlich.

Würzburg/Wiesbaden, 17. Februar 2020

W. BAUMANN und L.J. JARASS

Gliederung

1 Grundlegender Umbau der Energieversorgung

Teil I – Netzentwicklungsplan

2 Kraftwerksleistung und Stromproduktion laut Netzentwicklungsplan

2.1 Installierte Kraftwerksleistung laut Netzentwicklungsplan

2.2 Stromproduktion laut Netzentwicklungsplan

3 Erforderlicher Netzausbau laut Netzentwicklungsplan

3.1 Netzausbau ohne Netzanbindung der Offshore-Windkraftwerke

3.1.1 Laut Übertragungsnetzbetreibern bis 2035 erforderlicher Netzausbau ohne Netzanbindung der Offshore-Windkraftwerke

3.1.2 Investitionskosten des Zubaunetzes ohne Netzanbindung der Offshore-Windkraftwerke

3.2 Netzausbau zur Netzanbindung der Offshore-Windkraftwerke

3.2.1 Laut Übertragungsnetzbetreibern bis 2035 erforderlicher Netzausbau zur Netzanbindung der Offshore-Windkraftwerke

3.2.2 Investitionskosten des Zubaunetzes zur Netzanbindung der Offshore-Windkraftwerke

3.3 Gesamter Netzausbau

3.4 Warum ist laut Netzentwicklungsplan ein massiver Netzausbau erforderlich?

3.4.1 Installierte EE-Kraftwerksleistung übersteigt immer stärker die benötigte Kraftwerksleistung

3.4.2 Sofortiger Ausgleich von benötigter und verfügbarer Leistung erforderlich

3.4.3 Netzausbau ist für den Export von Leistungsüberschüssen erforderlich

3.4.4 Neue Leitungen nutzen bei Dunkelflauten nichts

Teil II – Verringerung des erforderlichen Netzausbaus

4 Systemstabilität als Rahmenbedingung für eine Verringerung des Netzausbaus

4.1 (n-1)-Kriterium für Netzstörungen

4.1.1 (n-1)-Kriterium für erneuerbare Energien nur abgeschwächt erforderlich

4.1.2 Systemrelevante Mehrfachfehler

4.2 Voraussetzung für alle Maßnahmen: Sicherung der Systemstabilität

4.2.1 Thermische Grenzleistung

4.2.2 Dynamische Netzstabilität

4.2.3 Erheblicher Blindleistungsbedarf laut Netzentwicklungsplan

5 Berücksichtigung der Netzausbaukosten im Netzentwicklungsplan erforderlich

5.1 Optimierung des Netzausbaus: Nicht zu viel und nicht zu wenig

5.1.1 Nutzen und Kosten eines Netzausbaus

5.1.2 Bestimmung des optimalen Netzausbaus

5.2 Netzentwicklungsplan berücksichtigt die Netzausbaukosten nicht

5.2.1 Marktmodell laut Netzentwicklungsplan

5.2.2 Netzausbaukosten bleiben beim Marktmodell unberücksichtigt

5.2.3 Auch bei Interkonnektoren erfolgt keine Berücksichtigung der Netzausbaukosten

5.3 Berücksichtigung der Kosten des Netzausbaus erforderlich

5.3.1 Nichtberücksichtigung der Netzausbaukosten führt zu einem überhöhten Netzausbau

5.3.2 Nichtberücksichtigung der Netzausbaukosten führt zu überhöhten Strompreisen

5.4 Nichtberücksichtigung der Netzausbaukosten behindert die Energiewende

5.4.1 Wegen Nichtberücksichtigung der Netzausbaukosten kohlebedingter Netzausbau

5.4.2 Dezentrale Stromerzeugung wird wegen Nichtberücksichtigung der Netzausbaukosten systematisch benachteiligt

6 Verringerung der Leistungsüberschüsse

6.1 Verringerung der konventionellen Mindest-Stromeinspeisung

6.1.1 Mindest-Stromeinspeisung durch konventionelle Kraftwerke

6.1.2 Maßnahmen zur Verringerung der Mindest-Stromeinspeisung

6.2 Erneuerbare Gaserzeugung stärker berücksichtigen

6.2.1 Erneuerbare Gaserzeugung hat großes Potenzial

6.2.2 Power-to-Gas-Maßnahmen im Netzentwicklungsplan

6.2.3 Erhebliche Verringerung des Netzausbaus durch erneuerbare Gaserzeugung möglich

6.2.4 Erhebliche Kosteneinsparung durch küstennahe Elektrolyse von Leistungsüberschüssen möglich

6.3 EE-Überschussstrom für Heizung und Warmwasserbereitung in Wohnhäusern berücksichtigen

7 Erhöhung der zulässigen Übertragungsleistung des bestehenden Stromnetzes

7.1 Verbesserung des witterungsabhängigen Freileitungsbetriebs

7.1.1 Vom witterungsabhängigen Freileitungsbetrieb zur Messung der Leiterseiltemperatur

7.1.2 Hochtemperaturleiterseile nur in gefährdeten Leitungsabschnitten einsetzen

7.2 Störungsorientierte statt generelle Abregelung von Einspeisespitzen

7.2.1 Abregelung von Einspeisespitzen nur bei erneuerbaren Energien gesetzlich geboten

7.2.2 Netzentwicklungsplan berücksichtigt nur generelle Abregelung von Einspeisespitzen

7.2.3 Deutlich höhere Verringerung des Netzausbaus durch störungsorientierte Abregelung von Einspeisespitzen

7.2.4 Haben Kraftwerke einen Rechtsanspruch auf einen (n-1)-sicheren Netzanschluss?

7.2.5 Für eine störungsorientierte Abregelung von Einspeisespitzen ist eine kontinuierliche Überwachung des Netzes erforderlich

8 Rechtliche Handlungsmöglichkeiten gegen Bundesfachplanungsentscheidungen

8.1 Inhalt und Folgewirkungen der Entscheidung über die Bundesfachplanung

8.1.1 Der Netzausbau in fünf Stufen

8.1.2 Inhalt

8.1.3 Folgewirkungen

8.1.4 ´Wegregelung´ der Außenwirkung des Bundesfachplanungsbescheids durch den Gesetzgeber

8.2 Die verfassungsrechtliche Garantie des effektiven Rechtsschutzes

8.2.1 Die verfassungsgerichtlichen Vorgaben zur Verfahrens- und Rechtsschutzstufung

8.2.2 § 15(3)2 NABEG im Lichte des Urteils Garzweiler

8.3 Århus und die Perspektive des Unionsrechts

8.3.1 Die Vorgaben der Århus Konvention unter dem Schirm der EU-Grundrechtecharta

8.3.2 § 15(3) NABEG im Lichte von Grundrechtecharta und Århus Konvention

8.4 Schlussfolgerungen

8.4.1 Statthaftigkeit einer Klage gegen die Bundesfachplanungsentscheidung

8.4.2 Anwendung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG

)

8.4.3 Klagebefugnis und Klageinhalte

8.4.4 Speziell: Energiewirtschaftlicher Bedarf und Planrechtfertigung

8.5 Ergebnis

9 Zusammenfassung

Quellen

Liste der Abbildungen

Abb. 1.1:

Strombedingte CO

2

-Emissionen bis 2018 und Ziele bis 2035 laut Netzentwicklungsplan

Abb. 2.1:

Installierte Kraftwerksleistung in Deutschland 2017 und Ausbauziele bis 2035 laut Netzentwicklungsplan

Abb. 2.2:

Vergleich der installierten Leistungen in Deutschland 2017 und Ausbauziele bis 2035 laut Netzentwicklungsplan

Abb. 2.3:

Stromproduktion der EE-Kraftwerke und der konventionellen Kraftwerke in Deutschland 2017 und Prognosen bis 2035

Abb. 3.1:

Installierte EE-Kraftwerksleistung und benötigte Leistung in Deutschland 2017 und Prognosen bis 2035

Abb. 3.2:

Deutscher Stromexport bei Starkwind, Prognosen für Winter 2022/2023

Abb. 3.3:

Jährlicher deutscher Stromexport, Prognosen für 2035

Tab. 5.1:

Kraftwerkseinsatz ohne und mit Berücksichtigung der Netzausbaukosten

Abb. 6.1:

Mindest-Stromeinspeisung v.a. durch Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung

Abb. 6.2:

Deutsches Gas-Fernleitungsnetz, 2017

Abb. 7.1:

Messung der Leiterseiltemperatur statt witterungsabhängigem Freileitungsbetrieb

Abb. 7.2:

Abregelung von Einspeisespitzen

Abb. 7.3:

Verringerung der erforderlichen Übertragungsleistung durch eine generelle Abregelung von Einspeisespitzen

Abb. 7.4:

Verringerung der erforderlichen Übertragungsleistung durch eine störungsorientierte Abregelung von Einspeisespitzen

Liste der Tabellen

Tab. 2.1

:

Installierte Kraftwerksleistung in Deutschland 2017 und Ausbauziele bis 2035 laut Netzentwicklungsplan

Tab. 2.2:

Stromproduktion in Deutschland 2017 und Prognosen bis 2035 laut Netzentwicklungsplan

Tab. 3.1:

Laut Übertragungsnetzbetreibern bis 2035 erforderlicher Netzausbau (ohne Netzanbindung der Offshore-Windkraftwerke)

Tab. 3.2:

Laut Übertragungsnetzbetreibern bis 2035 erforderlicher Netzausbau zur Netzanbindung der Offshore-Windkraftwerke

Tab. 3.3

:

Summe Netzausbau bis 2035 laut Übertragungsnetzbetreibern

Tab. 3.4:

Benötigte elektrische Leistung in Deutschland 2017 und Prognosen bis 2035

Tab. 3.5:

Maßnahmen zum Ausgleich von benötigter und verfügbarer Leistung

Tab. 3.6:

Netzausbau ist für die Übertragung von Leistungsüberschüssen erforderlich

Tab. 4.1

:

Übertragungsleistungen von Freileitungen und Kabeln

Tab. 6.1

:

Technische Alternativen zum massiven Netzausbau des Netzentwicklungsplans

Tab. 6.2:

Verringerung des Netzausbaus von Norden nach Süden durch produktionsnahe Verringerung der Mindest-Stromeinspeisung

Tab. 6.3:

Power-to-Gas, Batteriespeicher und Nachfragemanagement laut Netzentwicklungsplan

Tab. 6.4:

Einsparung durch küstennahe Elektrolyse von Leistungsüberschüssen statt Bau von SuedLink und SuedOstLink

1 Grundlegender Umbau der Energieversorgung

Die deutsche Bundesregierung hat einen grundlegenden Umbau der deutschen Energieversorgung beschlossen.1 Durch diese Energiewende soll Deutschland eine der energieeffizientesten und umweltschonendsten Volkswirtschaften der Welt werden und gleichzeitig sollen Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gestärkt werden.

Folgende energiepolitischen Ziele wurden im Netzentwicklungsplan berücksichtigt2:

Reduktion der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 55% bis 2030 und um 80...95% bis 2050, davon bis 2030 in der Industrie um rund 50% und in der Energiewirtschaft um gut 60%.

Senkung des Primärenergieverbrauchs gegenüber 2008 um 20% bis 2020 und um 50% bis 2050.

Minderung des Stromverbrauchs gegenüber 2008 um 10% bis 2020 und um 25% bis 2050.

Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie bis Ende 2022.

Erhöhung der Stromproduktion aus Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerken auf 120 TWh/a bis 2025.

Erhöhung des Anteils des aus erneuerbaren Energien (EE)

3

erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch bis 2030 auf 65% und bis 2050 auf mindestens 80%.

Erhöhung der installierten Leistung der Offshore-Windkraftwerke von 3,3 GW in 2015 auf 15 GW im Jahr 2030, zuzüglich Onshore-Windkraftwerke dann insgesamt fast 100 GW.

Abb. 1.14 zeigt die Reduzierung der strombedingten CO2-Emissionen bis 2018 und die im Netzentwicklungsplan berücksichtigten Ziele bis 2035.

Abb. 1.1: Strombedingte CO2-Emissionen bis 2018 und Ziele bis 2035 laut Netzentwicklungsplan

Ergebnis:

Reduktion der strombedingten CO

2

-Emissionen von 455 Mio. t CO

2

in 1990 auf 240 Mio. t CO

2

in 2025 (nur noch gut die Hälfte wie in 1990),

auf 184 Mio. t CO

2

in 2030 (nur noch zwei Fünftel wie in 1990) und

auf 127 Mio. t CO

2

in 2035 (nur noch gut ein Viertel wie in 1990).

Diese sehr ambitionierte Reduzierung der strombedingten CO2-Emissionen wird ohne eine massive Reduzierung der Kohlestromproduktion und damit auch des Kohlestromexports nicht erreicht werden können. Entsprechend hat die von der Bundesregierung eingesetzte überparteiliche Kommission Anfang 2019 für Deutschland einen vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 beschlossen5. Der Kohleausstieg könnte erhebliche Entschädigungszahlungen nach sich ziehen.6

Kohleausstieg bis spätestens 2038

Ende Januar 2019 hat die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission den kompletten Ausstieg aus der deutschen Kohleverstromung bis spätestens 2038 vorgeschlagen.7 Mittlerweile wurden von der Bundesregierung erste Schritte zur Umsetzung des Kohleausstiegs beschlossen.8

Netzentwicklungsplan Strom 2019, 2. Entwurf, 15. April 2019

Der 2. Entwurf des Netzentwicklungsplans Strom 20199 sieht bis 2030 einen Netzausbau von knapp 15.000 km mit Investitionskosten von 79 Mrd. € vor, bis 2035 fast 18.000 km mit Investitionskosten von 95 Mrd. €10.

Vorläufige Prüfungsergebnisse der Bundesnetzagentur, 06. August 2019

Die Bundesnetzagentur hält einen wesentlichen Teil der Planungen der Übertragungsnetzbetreiber für erforderlich, nämlich bis 2030 einen Netzausbau von insgesamt rund 12.000 km mit Investitionskosten von gut 60 Mrd. € (der Zeitraum bis 2035 wurde von der Bundesnetzagentur nicht geprüft).

Bestätigung des Netzentwicklungsplan Strom 2019, 20. Dezember 2019

Der von der Bundesnetzagentur bestätigte Netzentwicklungsplan Strom 201911 bildet die Grundlage für die in 2020 anstehende Novellierung des Bundesbedarfsplangesetzes.12 Zur Vermeidung von kostenintensiven Fehlinvestitionen erscheint deshalb eine Bewertung des Netzentwicklungsplans Strom dringlich.

1 [Koalitionsvertrag 2018, S. 71-74 und S. 142-143]; [Klimaschutzplan 2016]; siehe hierzu auch [Hirschhausen et al. 2018].

2 [NEP 2019-2030/S, S. 148, Kap. 5]. Zum Netzentwicklungsplan siehe auch [Brakelmann/Jarass 2019a].

3 Stromproduktion aus erneuerbaren Energien wird im Folgenden mit EE-Stromproduktion bezeichnet. Kraftwerke, die erneuerbare Energien in elektrische Energie umwandeln, werden mit EE-Kraftwerke bezeichnet.

4 Quellen: Für 1990 [NEP 2019-2030/2, S. 116, Abb. 47]; Schätzung der zeitlichen Entwicklung bis 2018 mit Hilfe der in [Icha 2019] angegebenen zeitlichen Entwicklung; Ziele für 2025, 2030 und 2035 laut [NEP 2019-2030/vP, S. 20].

5 [Kohleausstieg 2019]. Der Beschluss erfolgte mit nur einer Gegenstimme, die auf einem noch schnelleren Ausstieg bestand. Zu Grundsatzfragen des Umwelt- und Planungsrechts in Zeiten des Klimawandels siehe [Heß 2019].

6 [Schwintowski 2019].

7 [Kohleausstieg 2019, S. 63/64].

8 [Kohleausstieg Eckpunkte 2019]; [Kohleausstieg Gesetzgebung 2019].

9 [NEP 2019-2030/2].

10 Siehe Kap. 3.3.

11 Der in diesem Buch diskutierte Netzentwicklungsplan 2019 wird im offiziellen Dokument [NEP 2019-2030/B] als Netzentwicklungsplan Strom 2019-2030, Version 2019 bezeichnet. Frühere Versionen wurden nach dem Zieljahr bezeichnet, z.B. der Netzentwicklungsplan 2015 mit Netzentwicklungsplan Strom 2025 (Zieljahr 2025). Um Verwechslungen – auch mit späteren Versionen des Netzentwicklungsplans – zu vermeiden, wird in diesem Buch jeder Netzentwicklungsplan außer dem Netzentwicklungsplan 2019 mit dem Entstehungsjahr benannt. Der hier zur Diskussion stehende Netzentwicklungsplan Strom 2019-2030, Version 2019 wird zur Vereinfachung durchgängig als Netzentwicklungsplan bezeichnet. Die einzelnen Versionen des Netzentwicklungsplans sind in den Quellen mit [NEP 2019-2030/...] aufgelistet.

12 § 1(1) BBPlG.

Teil I – Netzentwicklungsplan

In diesem Teil I werden zuerst die deutschen Ausbauziele für die installierte Kraftwerksleistung dargestellt und anschließend der laut Netzentwicklungsplan erforderliche Netzausbau.

Teil I besteht aus 2 Kapiteln:

• Kraftwerksleistung und Stromproduktion laut Netzentwicklungsplan.

Kap. 2

• Erforderlicher Netzausbau laut Netzentwicklungsplan.

Kap. 3

2 Kraftwerksleistung und Stromproduktion laut Netzentwicklungsplan

In diesem Kap. 2 werden die Ausbauziele des Netzentwicklungsplans für die installierte Kraftwerksleistung und die resultierende Stromproduktion dargestellt.

2.1 Installierte Kraftwerksleistung laut Netzentwicklungsplan

Tab. 2.113 zeigt die installierten Leistungen des deutschen Kraftwerksparks in Deutschland 2017 und Ausbauziele bis 2035 laut dem von der Bundesnetzagentur für den Netzentwicklungsplan vorgegebenen Szenariorahmen.

Ergebnis

Die EE-Kraftwerksleistung soll von 112,8 GW in 2017 bis 2025 um die Hälfte auf 168,8 GW ausgebaut und bis 2035 weiter auf 222,9 GW

14

verdoppelt werden.

Hingegen soll die konventionelle Kraftwerksleistung von 103,5 GW in 2017 bis 2025 um ein Drittel auf 74,4 GW

15

reduziert werden. Ab 2025 soll die konventionelle Kraftwerksleistung konstant gehalten werden, um die Stromnachfrage auch bei geringer Stromproduktion aus Photovoltaik- und Windkraftwerken (´Dunkelflaute´) abdecken zu können.

Die installierte Leistung von Braun- und Steinkohlekraftwerken soll von 46,2 GW in 2017 bereits bis 2025 auf 22,9 GW halbiert und dann geringfügig

16

weiter reduziert werden. Die installierte Leistung von Erdgas- und Ölkraftwerken soll geringfügig von 34,0 GW in 2017 auf 37,8 GW in 2035 erhöht werden.

Alle Kernkraftwerke werden bis Ende 2022 stillgelegt.

Tab. 2.1: Installierte Kraftwerksleistung in Deutschland 2017 und Ausbauziele bis 2035 laut Netzentwicklungsplan

(1)(2)(3)(4)Installierte Leistung [GW]ISTNetzentwicklungsplan2017202520302035(1) EE-Kraftwerke112,8168,8202,7222,9(1.1) Wind onshore50,570,581,590,8(1.2) Wind offshore5,410,817,023,2(1.3) Photovoltaik42,473,391,397,4(1.4) Bioenergie7,67,36,04,6(1.5) Wasserkraft5,65,65,65,6(1.6) Sonstige1,31,31,31,3(2) Konv. Kraftwerke103,574,473,272,8(2.1) Kernenergie9,50,00,00,0(2.2) Braunkohle21,29,49,39,0(2.3) Steinkohle25,013,59,88,1(2.4) Erdgas/Öl34,033,836,437,8(2.5) Sonstige4,36,16,16,1(2.6) Pumpspeicher9,511,611,611,8(3) Alle Kraftwerke216,3243,2275,9295,7

Im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung vom 08. Oktober 2019 wurde für 2030 die installierte Leistung für Wind onshore um gut 10 GW von 81,5 GW auf 67...71 GW verringert, für Wind offshore um 3 GW von 17 GW auf 20 GW erhöht und für Photovoltaik um knapp 7 GW von 91,3 auf 98 GW erhöht.17

Abb. 2.118 gibt eine grafische Veranschaulichung der in Tab. 2.1 gezeigten Werte zur installierten Kraftwerksleistung.

Abb. 2.1: Installierte Kraftwerksleistung in Deutschland 2017 und Ausbauziele bis 2035 laut Netzentwicklungsplan

a) EE-Kraftwerke

b) Konventionelle Kraftwerke

Abb. 2.219 gibt einen Vergleich der installierten Leistungen von konventionellen und von EE-Kraftwerken (Netto-Engpassleistung) für den Zeitraum 2017 bis 2035 laut Netzentwicklungsplan.

Abb. 2.2: Vergleich der installierten Leistungen in Deutschland 2017 und Ausbauziele bis 2035 laut Netzentwicklungsplan

2017 waren die installierten Leistungen von konventionellen und EE-Kraftwerken etwa gleich groß. 2035 wird die installierte Leistung von EE-Kraftwerken mehr als dreimal so groß sein wie die der konventionellen Kraftwerke.

2.2 Stromproduktion laut Netzentwicklungsplan

Tab. 2.220 zeigt die Stromproduktion der EE-Kraftwerke und der konventionellen Kraftwerke in Deutschland im Jahr 2017 und Prognosen bis 2035.

Ergebnis

Die jährliche Stromproduktion aus EE-Kraftwerken verdoppelt sich von 216 TWh in 2017 auf 434 TWh in 2035, wobei die Stromproduktion aus Offshore-Windkraftwerken sich mehr als verfünffacht.

Hingegen halbiert sich die jährliche Stromproduktion aus konventionellen Kraftwerken von 437 TWh in 2017 auf 172 TWh in 2035. Die Kohlestromproduktion wird von 242 TWh in 2017 auf 46 TWh in 2035 reduziert. Nur die Stromproduktion durch Erdgaskraftwerke wird geringfügig von 92 TWh in 2017 auf 112 TWh in 2035 erhöht.

Im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung vom 08. Oktober 2019 wurde für 2030 die prognostizierte Stromproduktion für Wind onshore von 173,8 TWh laut Netzentwicklungsplan auf 140...145 TWh verringert, für Wind offshore von 73,8 TWh auf 79...84 TWh und für Photovoltaik von 86,6 TWh auf 90 TWh erhöht.21

Tab. 2.2: Stromproduktion in Deutschland 2017 und Prognosen bis 2035 laut Netzentwicklungsplan

(1)(2)(3)(4)StromproduktionISTNetzentwicklungsplan[TWh/a]2017202520302035(1) EE-Kraftwerke214,8339,4395,1434,2(1.1) Wind onshore87,9151,9173,8190,8(1.2) Wind offshore17,746,873,8100,7(1.3) Photovoltaik38,070,386,891,9(1.4) Bioenergie45,043,433,824,0(1.5) Wasserkraft20,218,518,518,5(1.6) Sonstige6,08,58,48,3(2) Konv. Kraftwerke431,4268,3244,8172,2(2.1) Kernenergie76,30,00,00,0(2.2) Braunkohle148,464,358,223,6(2.3) Steinkohle92,980,257,322,0(2.4) Erdgas/Öl92,3108,8114,7112,5(2.5) Sonstige21,515,014,614,1(3) Alle Kraftwerke646,2607,7639,8606,3

Abb. 2.322 gibt eine grafische Veranschaulichung der in Tab. 2.2 gezeigten Werte zur Bruttostromerzeugung der EE-Kraftwerke und der konventionellen Kraftwerke.

Abb. 2.3: Stromproduktion der EE-Kraftwerke und der konventionellen Kraftwerke in Deutschland 2017 und Prognosen bis 2035

a) EE-Kraftwerke

b) Konventionelle Kraftwerke

Dieses Kap. 2 zeigte Kraftwerksleistung und Stromproduktion laut Netzentwicklungsplan. Das folgende Kap. 3 erläutert den laut Netzentwicklungsplan erforderlichen Netzausbau.

13 Quelle zu Tab. 2.1: [NEP 2019-2030/vP, S. 20, Szenario B]. Hier und im Folgenden wird immer das mittlere Szenario B verwendet. Die Werte sind identisch mit [NEP 2019-2030/2, S. 30, Tab. 1] und wurden durch das von der Bundesnetzagentur bestätigte Szenario für den Netzentwicklungsplan vorgegeben [NEP 2019-2030/S, S. 4].

14 Tab. 2.1, Z. (1).

15 Tab. 2.1, Z. (2).

16 Der Szenariorahmen ist vom 15. Juni 2018 und konnte deshalb den Kohleausstiegsbeschluss [Kohleausstieg 2019] vom Januar 2019 noch nicht berücksichtigen. Die Bundesnetzagentur hat in ihrer vorläufigen Prüfung Zusatzberechnungen zum Kohleausstieg veröffentlicht [NEP 2019-2030/vP, S. 40f.].

17 [Klimaschutzprogramm 2019a, S. 39].

18 Quellen: IST-Werte für 2017 und Prognosen für 2025, 2030 und 2035 laut Tab. 2.1. Dazwischen liegende Werte wurden linear interpoliert. Alle Kernkraftwerke werden schrittweise bis Ende 2022 stillgelegt.

19 Quelle: Tab. 2.1.

20 Quelle zu Tab. 2.2, Sp. (1): [BDEW 2019]; die dort für Laufwasser angegebenen 20,2 TWh/a (siehe Tab. 2.2, Z. (1.5), Sp. (1), Wasserkraft) beruhen wohl auf einer etwas anderen Abgrenzung als in [NEP 2019-2030/2, S. 104, Abb. 38] und sind deshalb nicht direkt mit den Zahlenwerten ab 2025 vergleichbar. Quelle zu Tab. 2.2, Sp. (2) bis Sp. (4): [NEP 20192030/2, S. 104, Tab. unter Abb. 38].

21 [Klimaschutzprogramm 2019a, S. 39].

22 Quellen: IST-Werte für 2017 und Prognosen für 2025, 2030 und 2035 laut Tab. 2.2. Dazwischen liegende Werte wurden linear interpoliert. Alle Kernkraftwerke werden schrittweise bis Ende 2022 stillgelegt.

3 Erforderlicher Netzausbau laut Netzentwicklungsplan

In diesem Kapitel wird der bis 2035 erforderliche Netzausbau zum einen laut Übertragungsnetzbetreibern, zum anderen laut Bundesnetzagentur dargestellt:

Am 15. April 2019 wurde von den Übertragungsnetzbetreibern der 2. Entwurf des Netzentwicklungsplans veröffentlicht

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Am 06. August 2019 wurden die vorläufigen Prüfungsergebnisse der Bundesnetzagentur zu diesem 2. Entwurf des Netzentwicklungsplans veröffentlicht

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3.1 Netzausbau ohne Netzanbindung der Offshore-Windkraftwerke

3.1.1 Laut Übertragungsnetzbetreibern bis 2035 erforderlicher Netzausbau ohne Netzanbindung der Offshore-Windkraftwerke

Die Übertragungsnetzbetreiber unterscheiden in ihrem Netzentwicklungsplan zwischen Startnetz und Zubaunetz:

Das Startnetz umfasst das bestehende Netz zzgl. der in Umsetzung befindlichen Netzausbaumaßnahmen.

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Das Zubaunetz umfasst alle nicht im Startnetz enthaltenen Maßnahmen für den Netzausbau.

Tab. 3.126 zeigt den laut Übertragungsnetzbetreibern bis zum Jahr 2035 erforderlichen Netzausbau (ohne Netzanbindung der Offshore-Windkraftwerke).

Ergebnis

Bis 2035

Gleichstrom

-Netzausbau mit 4.960 km Trassenlänge und Investitionskosten von 35 Mrd. €.

Bis 2035

Wechselstrom

-Netzausbau mit 7.710 km Trassenlänge und Investitionskosten von 33 Mrd. €.

Bis 2035

gesamter

Netzausbau mit 12.670 km Trassenlänge und Investitionskosten von 68 Mrd. €.

Tab. 3.1: Laut Übertragungsnetzbetreibern bis 2035 erforderlicher Netzausbau (ohne Netzanbindung der Offshore-Windkraftwerke)

(1)(2)(3)(4)(5)TrassenlängeZu-/ UmbeseilungNeubau in BestandstrasseNeubau in neuer TrasseSummeInvestitionskosten[km][km][km][km][Mrd. €](1) Gleichstrom-Netzausbau(1.1) Startnetz002502501,5(1.2) Zubaunetz bis 2030300403.5303.87028,5(1.3) Zubaunetz 2031-203505403008405,0(1.4) Summe3005804.0804.96035,0(2) Wechselstrom-Netzausbau(2.1) Startnetz1301.6506002.38011,0(2.2) Zubaunetz bis 20301.7602.8304305.02020,0(2.3) Zubaunetz 2031-2035-102001203102,0(2.4) Summe1.8804.6801.1507.71033,0(3) Summe Netzausbau(3.1) Startnetz1301.6508502.63012,5(3.2) Zubaunetz bis 20302.0602.8703.9608.89048,5(3.3) Zubaunetz 2031-2035-107404201.1507,0(3.4) Summe2.1805.2605.23012.67068,0

Zum Vergleich: 2018 waren etwa 18.800 km Höchstspannungsleitungen in Betrieb.