(Un)Erfundenheiten - Sonja Nessler - E-Book

(Un)Erfundenheiten E-Book

Sonja Nessler

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Beschreibung

Es handelt sich um Kurzgeschichten, welche teils erfunden sind, teils jedoch tatsächlich erlebt. Ob eine Geschichte wahr oder erfunden ist, wird am Ende des Buches aufgelöst.

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„Es ist ein Moment, in dem die Verrücktheit eintritt.“

Zum Autor

Ottiliana S. N. wurde 1975 in Tirol geboren. Sie wuchs in einer großen Siedlung auf, besuchte die Unterstufe des Gymnasiums, bis sie im Alter von 15 mit ihren Eltern aufs Land in ein Haus zog. Dort lebte sie einige Jahre, absolvierte die Handelsakademie, anschließend das Studium der Betriebswirtschaft.

Dann kehrte sie wieder retour in die Stadt, wo sie bis heute lebt. Absolvierte eine zweite Ausbildung zur Diplomkrankenschwester.

Heute arbeitet sie als Krankenpflegerin in einem Spital und betreut schwer kranke Menschen.

Sie lebt zurückgezogen in Tirol.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die Anmeldebestätigung

Rundfunkgebühren

Keine Wahl

Novitell, der Anfang vom Ende

Der Lehrgangsleiter

Irrtum

Wasser oder Whisky

Zodiac

Der Bambus – ein Gedicht

Servaus

Ein illegaler Hilfsdienst

Parmesan

Vorwort

Danke an alle, die mich zu diesem Werk durch ihr Dasein inspiriert haben. Es waren derer einige.

Danke meinem Freund Rafael für seine genialen Gedanken, Ideen und das Titelbild.

Es war notwendig.

Die Anmeldebestätigung

Es war an einem dieser grauen, mit Nebel verhangenen Tage in Innsbruck. K. schloss das Fenster in ihrer Wohnung, sie hatte immer die größten Ängste, dass Nebel oder gar eine Regenwolke in das Zimmer eindringen könnten. Sie stellte sich dies auf das Furchtbarste vor. Die Nebelwolke zöge ins Zimmer, die Sicht sänke auf unter einen Meter. Sie würde in Folge überall dagegen stoßen, war doch ihr Orientierungssinn nicht mal tauglich für die eigene Wohnung. Oftmals, des nächtens, fand sie nicht zur Toilette, die sie auf Grund einer Gebärmuttersenkung häufiger aufsuchte als Frauen ihres Alters, die niemals zuvor geboren hatten. Das Licht in Kombination mit in der Wohnung angebrachten Beschilderungen, welche die unterschiedlichen Zimmer anzeigten, wiesen ihr den Weg. So war der Gedanke, dass eine Nebelwolke in die Wohnung zog für sie der furchtbarste, wären dann ja die Richtungsschilder bedingt durch die schlechte Sicht auch nicht mehr sichtbar. An dieser Stelle sei erwähnt (ließe es doch auf Grund der Geschehnisse den Trugschluss zu, dass K. an einer gewissen Art der Geistesgestörtheit leide), dass K. an keinerlei pathologisch veränderten Hirnstrukturen litt – nein, es ist und war immer nur der nicht vorhandene Orientierungssinn, der sie in die prekärsten Situationen zwang. Dieses Hirnareal war schlichtweg bei K. nicht angelegt.

Auch die Vorstellung, eine Regenwolke könnte in die Wohnung durch das Fenster einziehen bzw. durchziehen und sich für eine – den Wetterumständen entsprechende - Zeit in ihrer Wohnung aufhalten, trieb sie gedanklich in den Wahnsinn. Würde es dann in ihrer Wohnung doch regnen. Stundenlange Diskussionen mit ihr vertrauten Personen über dieses Thema ließen immer wieder die Vermutung aufkommen, K. leide an Wahnsinn, jedoch war es ihr ernst und mitnichten im Wahnsinn begründet: Warum sollte eine Regenwolke, die ganz tief in Bodennähe hängt, wie sich eine solche oft im Herbst in flussnahen Gebieten findet, nicht durch ein offenes Fenster in eine Wohnung Einzug halten? Wind und Sonnenstrahlen dringen ja bei näherer Beobachtung auch – ob gewollt oder nicht - durch geschlossene Fenster, offene Fenster, Türen, schlechte Dichtungen, etc. in Räume ein, warum also Wolken und Nebel nicht?

So schloss sie das Fenster, um diesen Gedankenkreis unterbrechen zu können. Anschließend überzeugte sie sich noch eindringlich, dass nicht schon unbemerkt Teile einer Regenwolke oder einer Nebelbank eingedrungen sind. Alles gut, alles sicher!

So orientierte sie sich unbeschwert an den Schildern, die sie sicher durch die Wohnung führten – täglich. Jetzt war es der Weg ins Bad, den sie wählte. Was immer wieder zu großer Verwirrung von Gästen führte, war, dass WC und BAD gemeinsam in einem Raum installiert waren, jedoch nur BAD angeschrieben war. Gäste fanden dann oft das WC nicht, wobei es schon interessant ist, dass, sobald in einer Wohnung Wegweiser angebracht sind, wohnungsfremde Personen sich automatisch von diesen leiten lassen, ohne ihren Verstand einzuschalten. Oft irrten dann diese wohnungsfremden Personen minutenlang durch die Wohnung auf der Suche nach dem WC-Wegweiser, der naturgemäß nicht vorhanden war, denn K. war ja, wie gesagt, geistig nicht beeinträchtigt. So wusste sie ja genau, dass sich ihr WC im Bad befand, sie fand schlichtweg schlecht den Weg.

Im Bad angekommen, entledigte sie sich ihrer Hausschuhe, die – wie jedes Paar ihrer Schuhe- mit einer massiven Rauledersohle ausgestattet waren, um Stürze zu vermeiden. Einmal geschah es, dass sie stürzte, dabei blieb sie mit ihrem stets zu einem massiven Zopf geflochtenen Haar an einem an der Wand angebrachten Nagel hängen, welcher durch unglückliche Umstände unverwendet war. (Es befand sich zuvor ein bronzener Handspiegel daran, welcher aber im Zuge einer eigenartigen Gegebenheit ein paar Nächte zuvor, wie von Geisterhand von eben diesem Nagel fiel und am Boden, wie von einem Magnet angezogen, haften blieb. Im am Boden liegenden Spiegel spiegelt sich, je nach Einfall des Blickwinkels, eine kleine Motte, die an der Decke sitzt – seit schon ca. einem Jahr – denn K. besprühte dieses arme Tier im Moment dessen Entdeckung mit einem Haarspray der Stärke „extra strong“, und seitdem klebt dieses Tier – unbeweglich – an der Decke. Da K. dieses Tier immer sieht, wenn sie am am Boden liegenden Spiegel vorbeizieht und einen Blick darauf wirft, ist es ihr ein Unmögliches, sowohl den Spiegel am Boden, als auch die Motte an der Decke zu entfernen.).

Dabei hing sie nun mit ihrem Zopf an dem Nagel und es lösten sich mehrere Haarsträhnen von ihrem Haarboden, begleitet von einem starken Schmerz, ausgelöst durch die damit einhergehende Dehnung und Zerrung der Kopfhaut. Dies prägte K. in einem solchen Maße, dass sie stets darauf bedacht war, sogenannte „Sturzfallen“ aus der Wohnung zu entfernen bzw. vor diesen mit Schildern zu warnen. Ein solches Schild zum Beispiel war vor dem Spiegel am Boden angebracht mit der Aufschrift: „Achtung, Spiegel am Boden!“

Die Hausschuhe stellte sie also vor der Heizung ab. Ein Geruch von gebrauchten Hausschuhen breitete sich in dem kleinen Badezimmer aus und vermischte sich anschließend mit einem Geruch von Vormittagsharn, nachdem sie das sich – wie bereits erwähnt – im Badezimmer befindliche WC benutzte. Dieser Geruch war nahezu neutral, da sie sehr viel Wasser trank und ja, bedingt durch ihre Gebärmuttersenkung, sehr häufigen Harndrang verspürte und demnach sehr oft das WC benutzte, um dem - auch oft nur Phantom-Drang - nachzugeben. Manchmal betätigte sie nach dem Phantomdrang, bei dem sich oft nur der eine oder andere Tropfen löste, die WC-Spülung gar nicht, um nicht unnötig Wasser zu verprassen. War sie doch sehr umweltbewusst.

Danach orientierte sie sich anhand ihrer Schilder und ging Richtung Garderobe, zog sich ihre Jacke und Schuhe an und verließ die Wohnung. Sie ging die Stiegen runter. Am Weg nach unten musste sie mehrmals kontrollieren, ob sie in die richtige Richtung ginge, hatte sie – was durch ihre Orientierungsschwierigkeiten bedingt war – doch auch die größten Schwierigkeiten mit oben und unten und naturgemäß mit links und rechts. Jedoch auch da waren in regelmäßigen Abständen Hilfsschilder angebracht. Schilder in Form von einem Pfeil, der nach unten zeigte mit der Aufschrift „unten“ und genauso Pfeile, die nach oben zeigten, mit der Aufschrift „oben“. Dies war für K. sehr hilfreich in ihrem Alltag. Als sie unten angekommen war, tat sie das, wofür sie nach unten gegangen war. Sie öffnete den Postkasten mit einem Schlüssel, der in seiner Form den Schlüsseln der anderen Briefkästen sehr ähnlich war. Oftmals verstand sie nicht, wie Schlüssel, die sich in ihrer Form nur in den winzigsten Ritzen und Millimeterfetzchen unterschieden, Zugang zu so verschiedenen Welten gewähren können. Man stelle sich nur vor, der Schlüssel öffne einen anderen Postkasten und man bediene sich dessen Inhalt und lebe dann gemäß genau diesen anderen Inhalten, so könnte es doch sein, dass sich ein Leben innerhalb von Sekunden zu einem ganz anderen entwickle. Anstatt Werbung fände man beispielsweise die Benachrichtigung eines Gewinnspiel-Gewinnes. Anstatt eines Kontoauszuges eines Kontos, auf dem sich gerademal der Betrag der Grundsicherung befindet, lebe man plötzlich mit dem Auszug eines Kontos eines sehr erfolgreichen Kaufmanns von nebenan. Und das alles steht und fällt mit den winzigen Ungleichheiten von so kleinen Schlüsseln, welche den Zugang zu eben diesen Welten ermöglichen oder eben verunmöglichen – so dachte sie diesen Gedankenkreis wie täglich zu Ende, schon mit dem Wissen, dass es am Schlüssel allein wohl nicht hinge.

So öffnete sie den ihr zugehörigen Postkasten und entnahm die Post. Heute nur ein Kuvert. Entlang der Schilder orientierte sie sich wieder in Richtung Wohnung, wieder mit mehrmaliger Kontrolle, ob die Richtung, in die sie ging, wohl die richtige war und fand sich nach einigen Treppen wieder vor ihrer Wohnungseingangstüre. Sicherheitshalber läutete sie bei den Nachbarn, das machte sie immer, denn wenn die Nachbarn öffneten, wusste sie, dass sie hier nicht zu Hause war, das war ihre Bestätigung und sie konnte sich darauf verlassen, dass die Tür, an der ihr Name stand auch wirklich ihre Wohnungseingangstüre war und diese, an der der Name der Nachbarn stand, auch wirklich die Wohnungseingangstüre der Nachbarn war. Denn niemand wusste besser als sie, dass nichts schneller ausgetauscht sein könnte, als Schilder.

Anhand der Schilder orientierte sie sich und fand den Weg in die Küche, dort öffnete sie mit den Fingern das Kuvert. Sie nahm das im Kuvert befindliche Schreiben heraus und legte es auf den Tisch. Es war eine Anmeldebestätigung. Eine Anmeldebestätigung für einen Orientierungslauf.

Rundfunkgebühren

Über die Sinnhaftigkeit der in Österreich für den österreichischen Rundfunk eingehobenen Rundfunkgebühren lässt sich ja stets diskutieren, und ein jeder kann dazu stehen, wie er mag, dennoch bringt die Art der Eintreibung manch einen doch in die prekärsten Situationen. Wie zum Beispiel meine liebe Freundin Ina.

Wie wir alle wissen, ist es ja durchaus eine Möglichkeit, den Fernsehgebühren zu entkommen, in dem man sie schlichtweg nicht bezahlt. Der Preis dafür: die Unmöglichkeit des Öffnens der Wohnungstüre, wenn es läutet. Denn wie sich erzählt wird, fahren in regelmäßigen Abständen dafür eigene Automobile mit sogenannten „Peilsendern“ durch die Straßen und messen das Vorhandensein von Fernsehgeräten bzw. Frequenzen des österreichischen Rundfunks. Dies geht mit einem gleichzeitig stattfindenden Abgleich von Informationen über Haushalte, die, wie es sich für den braven österreichischen Bürger gehört, die Gebühren bezahlen, einher und daraus resultierend erhält man Informationen über Haushalte, die wohl laut Signal den österreichischen Rundfunk nutzen – man stelle sich vor es reicht ja sogar ein Radio im Automobil dazu – dafür aber nicht bezahlen.

Schon läutet es dann an der Türe. Öffnet man diese unbedacht, wird sogleich höflichst gefragt, ob man ein Fernsehgerät oder einen Radio besäße, da für diesen Haushalt noch keine Registrierung existiere. Meist schallt im Hintergrund der Fernseher oder bei all denjenigen, die sich bewusst vom Medium Fernsehen etwas distanzieren oder dessen Nutzung auf ein Minimum reduzieren (zum Beispiel nur auserwählte, auserlesene und wissenschaftlich hochwertige Dokumentationen ansehen, um nicht zu verblöden), hört man diskrete Geräusche, die auf die Nutzung eines Radios hinweisen könnten.

Die Aussage, dass man keinen österreichischen Sender höre – niemals – zählt dabei nicht.

Ja, so erzählt man sich.

Daher: Als Schwarzseher niemals die Wohnungstüre öffnen, wenn es läutet!

Neben dem, dass das Kind völlig hysterisch, ohne erkennbaren Grund, schreit, entledigt es sich dabei auch noch seiner Exkremente, dies geht meist mit einem Schreianfall einher, vermutlich deshalb, da durch das Schreien die Bauchpresse aktiviert wird. Die Großmutter überfordert, versucht das Kind zu beruhigen, dabei wechselt sie die volle Windel, was unweigerlich dazu führt, dass sie den unangenehmen Milchgeruch, der sich mittlerer Weile langsam in der ganzen Wohnung ausbreitet, nicht riechen kann, zu dominant ist der direkt unter der Nase der Großmutter vorherrschende Geruch von Enkel-Exkrement. Erst, als das Kind wieder sauber ist und sich beruhigt hat, besinnt sich die Großmutter: „Da war doch was, was wollte ich machen? Oh mein Gott, die Milch“. Als sie das extra für das Enkelkind eingerichtete Babyzimmer nun schnellen Schrittes verlässt, das Kind am Arm, erkennt sie aus der Küche austretende, sich durch alle Ritzen drängende Rauchschwaden. Sie reißt die Küchentüre auf, außer Rauch und Flammen ist nichts zu erkennen. Hat doch ein oberhalb des Herdes aufgehängter, von der Mutter des Kindes selbst entworfener und zu Weihnachten an die stolzen Großeltern geschenkter, Wochenkalender – jede Woche ein neues nettes Bildchen von dem geliebten Kind - bereits Feuer gefangen und vermutlich der nahe dem Herd hängende Vorhang auch. (Dazu sei gesagt, dass es auffallend ist, dass ab dem Moment, in dem ein Kind geboren wird, sämtliche Verwandte – egal ob eng oder zugeheiratet oder einfach nur vorhanden – meist nur noch Bilder des Kindes bzw. Gegenstände mit Bildern von dem Kind - zu sämtlichen Anlässen geschenkt bekommen. Auch gibt es dann keine neutralen

Glückwunsch-/Weihnachts-/Geburtstags-/Neujahrs-/Oster-/ etc.-Karten mehr, nur noch Abbildungen und Darstellungen des Kindes zu den unterschiedlichsten Anlässen. Und gerade im Falle von Großeltern sind diese verpflichtet, den Gegenstand an einem gut sichtbaren Ort zu drapieren, um ihn stetig und immer wieder bewundern zu können. Dann erst ist die Mutter des Kindes glücklich.)