Unsterbliche Hexenliebe: Mitternachtsthriller Sammelband 4 Romane - Alfred Bekker - kostenlos E-Book

Unsterbliche Hexenliebe: Mitternachtsthriller Sammelband 4 Romane E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Unsterbliche Hexenliebe: Mitternachtsthriller Sammelband 4 Romane von Carol East & Alfred Bekker & Mara Laue & Ann Murdoch Über diesen Band: (399) Dramatische Romantic Thriller in einem Band: Dunkle Geheimnisse, übernatürliche Bedrohungen, mysteriöse Begebenheiten - und eine Liebe, die sich dem Grauen widersetzt. Darum geht in den packenden romantischen Spannungsromanen von Carol East, Alfred Bekker, Mara Laue und Ann Murdoch. Dieses Buch enthält folgende Romane: Carol East: Geliebte Hexe Alfred Bekker: Der See des Unheils Mara Laue: Die Banshee von Blackmore Ann Murdoch: Nur die Liebe ist unsterblich Als Fiona MacDonald mit ihrem Mann Cedric Blackmore auf seinem alten Familiensitz einzieht, glaubt sie, hier für alle Zeiten mit ihm glücklich sein zu können. Doch schon bald stellt sie fest, dass etwas Bedrohliches auf sie lauert und sie zu töten versucht. Schlägt der alte Familienfluch der Blackmores wieder zu? Oder hat die MacDonald-Hexe Fiona die Banshee auf den Hals gehetzt, weil sie gegen den Willen des Clans einen Engländer geheiratet hat? Ehe sie sich versieht, wird sie zum Spielball schwarzer Magie – und der einzige Mann, der ihr helfen kann, ist möglicherweise ihr größter Feind.

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Unsterbliche Hexenliebe: Mitternachtsthriller Sammelband 4 Romane

Alfred Bekker et al.

Published by BEKKERpublishing, 2021.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Unsterbliche Hexenliebe: Mitternachtsthriller Sammelband 4 Romane

Copyright

Geliebte Hexe: Mitternachtsthriller

Dunkle Flüche #2: Drei Romantic Thriller: Cassiopeiapress Spannung

Dunkle Flüche #2 - Drei Romantic Thriller

Copyright

Der See des Unheils

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Die Banshee von Blackmore

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Nur die Liebe ist unsterblich

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Further Reading: 11 Gruselromane zum Fest: 1200 Seiten Spannung

Also By Alfred Bekker

Also By Ann Murdoch

Also By Carol East

Also By Mara Laue

About the Author

About the Publisher

Unsterbliche Hexenliebe: Mitternachtsthriller Sammelband 4 Romane

von Carol East & Alfred Bekker & Mara Laue & Ann Murdoch

Über diesen Band:

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Dramatische Romantic Thriller in einem Band: Dunkle Geheimnisse, übernatürliche Bedrohungen, mysteriöse Begebenheiten - und eine Liebe, die sich dem Grauen widersetzt. Darum geht in den packenden romantischen Spannungsromanen von Carol East, Alfred Bekker, Mara Laue und Ann Murdoch.

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Dieses Buch enthält folgende Romane:

Carol East: Geliebte Hexe

Alfred Bekker: Der See des Unheils

Mara Laue: Die Banshee von Blackmore

Ann Murdoch: Nur die Liebe ist unsterblich

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Als Fiona MacDonald mit ihrem Mann Cedric Blackmore auf seinem alten Familiensitz einzieht, glaubt sie, hier für alle Zeiten mit ihm glücklich sein zu können. Doch schon bald stellt sie fest, dass etwas Bedrohliches auf sie lauert und sie zu töten versucht. Schlägt der alte Familienfluch der Blackmores wieder zu? Oder hat die MacDonald-Hexe Fiona die Banshee auf den Hals gehetzt, weil sie gegen den Willen des Clans einen Engländer geheiratet hat? Ehe sie sich versieht, wird sie zum Spielball schwarzer Magie – und der einzige Mann, der ihr helfen kann, ist möglicherweise ihr größter Feind.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)

© Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Geliebte Hexe: Mitternachtsthriller

Carol East

Geliebte Hexe: Mitternachtsthriller

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Geliebte Hexe: Mitternachtsthriller

Carol East

Im Jahre des Herrn 1562!

Lord Donald Cooper war eine beeindruckende Erscheinung mit einer beispiellosen Karriere vom Bürgerlichen bis hinauf in den hohen Adelsstand. Er war groß, breitschultrig, bewegte sich mit der Geschmeidigkeit eines Tänzers, aber auch mit der ungebändigten Kraft eines ausgewachsenen Bären. Sein rotblonder Bart wirkte wild und war doch gepflegt. Seine eisgrauen Augen schienen Dinge zu sehen, die allen anderen Augen auf ewig verborgen blieben. Sie ließen Frauen wie Männer im gleichen Maße erschauern, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen: Die Männer vor Furcht und die Frauen, weil ihr Herz entbrannte. Sein mächtiger Degen baumelte wie lässig an seiner Seite und wäre für die meisten Degenkämpfer wohl viel zu schwer und unhandlich gewesen. Das wallende Haar, das sonst offen bis zu den Schulterblättern herunterfiel, war jetzt zu einem kunstvollen Zopf geflochten, der unter der leichten Kopfbedeckung hervorbaumelte.

Er zog die Kopfbedeckung mit den feinen Stickereien, sank auf sein rechtes Knie nieder und stützte sich leicht auf das angewinkelte linke Bein ab, als er eine höfische Verbeugung andeutete.

"Eure Majestät?"

Königin Elisabeth rümpfte leicht die Nase, der Situation gemäß - und sie galt als Meisterin der höfischen Verstellung.

"So kurz angebunden, Lord Cooper? Er ist doch sonst nicht auf den Mund gefallen und plappert gern die Ohren Ihrer Majestät zu. Höre ich da nicht auch eine gehörige Portion von Irritiertheit heraus?"

"Mit Verlaub, Eure Majestät, aber ich befand mich auf Euren Auftrag hin bereits an Bord meines Kriegsschiffes, der SWORD FISH. Wir wollten gerade auslaufen, als mich Euer dringlicher Ruf ereilte. Ich..."

"Papperlapapp, so schweige er zu Dingen, nach denen er nicht gefragt wurde! Ihre Majestät, die Königin, läßt ereilen, wie es ihr paßt, hat er das verstanden?"

Lord Donald Cooper wollte etwas sagen, aber sie verbot ihm mit einer herrischen Handbewegung das Wort. Er sah es, obwohl er den Kopf gesenkt hielt, wie es die Situation verlangte. Dabei fragte er sich nicht zum ersten Mal, in welcher Weise er gefehlt hatte, was Ihre Majestät, die Königin, dazu brachte, ihn zu zitieren.

Sie lachte leise, aber das diente ganz und gar nicht dazu, seine Nerven zu beruhigen.

"Er ist einer meiner Berater, nicht wahr?" Eine weitere herrische Bewegung deutete an, daß sie keine Antwort auf diese rein rhetorisch gemeinte Frage erwartete. "Mein wichtigster Berater ist William Cecil, aber nicht nur sein Wort gilt. Ich ließ Lord Cooper allerdings nicht rufen, um seinen Rat einzuholen, sondern weil ich ein wenig... umdisponiert habe."

Er wagte kaum zu atmen. Was folgte jetzt? Die SWORD FISH war klar zum Auslaufen. Ihr Bauch war voll mit genug Proviant für Wochen. Sie hatten soviel Munition an Bord, wie die Lager fassen konnten, als wollten sie in den Krieg ziehen. Dabei ging es lediglich darum, ein englisches Freibeuterschiff zu suchen, zu finden und... aufzubringen. Es war sozusagen in Ungnade gefallen, weil es bevorzugt englische Handelsschiffe überfiel, anstatt spanische. Ausgerechnet dann, wenn die gerade reiche Beute bei spanischen Handelsschiffen gemacht hatten.

"So höre er und spitze dabei ordentlich die Ohren, weil Ihre Majestät, die Königin, nicht gewillt ist, sich zu wiederholen: Der Auftrag lautet nicht mehr, das Piratenschiff aufzubringen, sondern..."

Sie machte eine Kunstpause, während der es so leise im Thronsaal war, daß man eine Nadel hätte fallen hören können.

Der Lord war allein mit seiner Königin. Das war nicht ungewöhnlich, wenn es um ein brisantes Thema ging, an dem keine unbefugten Ohren teilhaben durften. Wenn er ihr aber in dieser Situation zu nahe gekommen wäre, hätte er den Saal nicht mehr lebend verlassen.

Nicht nur deshalb bildete er keinerlei Gefahr für Königin Elisabeth, sondern vor allem, weil er ihr treu ergeben war, bis in den Tod!

"Finde er das Piratenschiff und stelle er es, aber was er anschließend mit der Besatzung macht, das sei ganz ihm überlassen. Hat er verstanden?"

"Aber...?" hub er zu einer ungebührlichen Frage an, die ihm förmlich auf der Zunge brannte, aber er unterbrach sich sofort wieder, weil er spürte, wie sehr eine solche Frage unerwünscht war.

"Ja, ich habe verstanden!" behauptete er deshalb rasch.

"Und WAS hat er verstanden?"

"Der Pirat überfällt englische Handelsschiffe. Das lenkt den Verdacht von England ab. Soweit wäre es positiv. Allerdings auf Dauer ist der Schaden für England zu groß, denn der Pirat ist außerordentlich erfolgreich. Ich sollte es schaffen, das Richtige zu tun."

"Und wenn nicht, kostet es seinen Kopf!" Das klang nicht böse, sondern eigentlich ganz neutral. Der Lord jedoch wußte, wie ernst das wirklich gemeint war. Gelang es ihm nicht, die Piraten auf ihre Seite zu ziehen - wie auch immer! -, um sie ebenfalls zu Saboteuren an der spanischen Handelsschiffahrt zu machen, war er selber des Todes.

"Mein Leben für die Königin! Mein Leben für England!" rief er enthusiastisch.

Ein Fingerzeig genügte: Er war hiermit entlassen.

Ohne es zu wagen, auch nur einmal aufzublicken, zog er sich rasch zurück.

Erst draußen entspannte er sich halbwegs. Ja, nur halbwegs, denn ein Gedanke faßte in ihm Fuß, der ihm ganz und gar nicht behagte: >Auf was, um alles in der Welt, habe ich mich da überhaupt eingelassen - wenn auch ohne freien Willen?<

*

Der ursprüngliche Name des schwarzen Schiffes war sorgfältig überpinselt worden. Sein jetziger Name war höchst inoffiziell: "WITCH BURNING", was soviel hieß wie brennende Hexe. Es bezog sich auf den Kapitän des schwarzen Schiffes. Dieser sah eher aus wie ein Jüngling als der Kapitän eines gefürchteten Piratenschiffes. Kein Außenstehender vermochte sich auch vorzustellen, daß es sich in Wahrheit sogar... um eine Frau handelte!

Ihr flammendrotes Haar war der Grund für den Beinamen des Schiffes BURNING - und sie selber stand Patin für das WITCH, denn nicht nur unter vorgehaltener Hand galt der weibliche Kapitän der WITCH BURNING als waschechte Hexe! Wie anders als mit Hexenkräften war sie zu einem gefürchteten Piratenkapitän geworden?

Und sie selber wußte, daß dies alles andere als barer Unsinn war. Wie anders war ihre Fingerfertigkeit im Umgang mit Waffen jeglicher Art, ihre trotz zierlicher Figur enorme Körperkraft und Geschicklichkeit, die sie jedem Mann überlegen machte, denn zu erklären? Jedenfalls hatte sich bisher noch keiner gefunden, der ihr NICHT unterlegen gewesen wäre. Sie brauchte ihre Überlegenheit sozusagen nur zu wollen...

Nur wenn sie unter ihren eigenen Leuten war und ihre Weiblichkeit nicht verstecken mußte, trug sie ihr flammendrotes Haar offen und ließ es im Wind wehen wie züngelndes Feuer, das gierig nach jedem leckte, der sich zu nahe an sie heran wagte.

Zu nahe würde ihr sowieso keiner kommen, jedenfalls nicht unaufgefordert. Sonst bezog er sofort Prügel, falls ihm nicht noch Schlimmeres widerfuhr.

Aufmerksam beobachtete sie mit ihren blaßblauen Augen den Horizont, wie er kreisförmig, wenn auch sehr weiträumig, das schwarze Piratenschiff umschloß wie der flache Rand eines Gefäßes. Diesen Augen entging nichts, aber auch gar nichts. Dafür waren sie berüchtigt.

Die für eine Frau ungewöhnlich hohe Stirn stand im krassen Widerspruch zu der feingeschwungen Nase, die von vielen kleinen Sommersprossen gesäumt wurde. Um ihren vollen Mund spielte ständig ein spöttisch wirkendes Lächeln, aber dafür konnte sie nichts. Die Natur selber hatte dafür gesorgt, und auch dies diente ihr, um sich besser durchsetzen zu können.

Sie trug enganliegende Männerkleidung. Enganliegend deshalb, um sich ungehindert bewegen zu können. An der linken Hüfte baumelte ein leichter Degen in seiner Halterung. Vor dem Bauch, in eine Schärpe gesteckt, trug sie eine Pistole, die stets geladen war. Ihre Leute hatten oft genug erlebt, wie präzise sie damit schießen konnte und wie schnell es ging, diese Pistole mit Schwarzpulver und einer neuen passenden Kugel nachzuladen. Keiner hatte dabei jemals den blitzschnellen Bewegungen mit dem Auge folgen können. Wenn sie ihre Pistole benutzte, war das für die Feinde so, als hätte sie ein ganzes Dutzend von diesen Waffen.

Ihr Wams hatte sie wegen der brütenden Hitze an Bord oben geöffnet, so daß der Ansatz ihrer Brüste zu sehen war. Herrliche Brüste, um die sie die meisten höfischen Damen beneidet hätten, aber die sie bitter haßte, weil sie lieber ein Mann als eine Frau gewesen wäre: Es wäre für sie alles sehr viel leichter gewesen. Ja, nur deshalb. Andererseits war es schon vorgekommen, daß sie einem Mann begegnet war, der ihr besonders gefiel - und dabei war sie dann doch viel lieber eine Frau gewesen... Ja, oft kam so etwas nicht vor. Um nicht zu sagen: viel zu selten! Denn wie konnte sie sich auf einen Mann einlassen, als Kapitän einer so wilden Horde? Höchstens heimlich - und dann durfte es niemand sein, der wußte, wer sie in Wahrheit war.

Ja, viel zu selten ergab sich eine solche Gelegenheit, und was das eigentlich Schlimme daran war: Sie, als Freibeuterin, als Geächtete, Verfolgte, durfte sich auf keinerlei Beziehung einlassen. So blieb jedes Liebesabenteuer von nur äußerst kurzer Dauer.

Es tat jedesmal mehr weh, wenn sie die heimlich ersehnte Liebe fand, um sich anschließend viel zu früh davonzustehlen, zurück in ihr wildes Leben, in dem Liebe ganz und gar keinen Platz haben durfte.

Sie kniff plötzlich die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und beschattete sie zusätzlich mit der linken Hand. Aus dem Sonnenglast, der das Meer wie ein unermeßlicher Juwelenschatz glitzern ließ, kräuselte eine kaum wahrnehmbare Rauchfahne empor. Sie war viel zu weit weg, als daß man sie genau hätte sehen können, aber der Freibeuterin genügte es dank ihrer Hexenkräfte vollkommen: Sie sah den Rauch sogar noch vor dem Mann oben im Ausguck.

"Alarm!" sagte sie ruhig. Sie brauchte nicht herumzuschreien. Dafür hatte sie andere.

Die hatten das Wort sehr wohl gehört und auch verstanden. Sogleich wurde von der Brücke hinuntergebrüllt:

"Alarm! Alle Mann auf ihre Plätze!"

Hektische Betriebsamkeit entstand, trotz der Hitze.

Die meisten Piratenschiffe waren nachts unterwegs, um ihre Opfer im unbedachten Moment zu überfallen. Die WITCH BURNING handelte anders. Kaum einer an Bord war zwar der Meinung, daß dies besser sei, aber so lautete nun einmal der Befehl des Kapitäns.

"Welche Order, Jeannet?" fragte ihr erster Offizier.

Das war das einzige, was sie von ihrem Namen wußten - eben den Vornamen Jeannet, den sie ihrer französischen Mutter verdankte. Ihr Nachname Harris, geerbt von ihrem englischen Vater, hielt sie geheim. Es kam auch keiner auf die Idee, daß sie überhaupt so etwas wie einen Nachnamen trug, denn in jener Zeit war es eher eine Ausnahme, mit dem Nachnamen seine Herkunft zu kennzeichnen. Üblich war es erst recht nicht, sofern man nicht zu den sogenannten Bürgerlichen gehörte. Die meisten Menschen jedenfalls taten dies nicht, und es wußte ja außer ihr niemand, daß sie zwar keine Bürgerliche und erst recht keine Adelige, aber dafür der weibliche Abkömmling einer traditionsreichen Gauklerfamilie war. Ihr Vater hatte sie von Kindesbeinen an auf den Umgang mit Waffen trainiert, und die schlangengleiche Geschmeidigkeit ihres Körpers, die Hexenfähigkeiten und daraus resultierende enorme Kraft hatte sie von der Mutter geerbt: Diese war als Schlangenfrau und Zauberin aufgetreten. Hinzu war ihre Körperbeherrschung gekommen: Sie hatte sozusagen zuerst auf den Händen und dann erst auf ihren Füßen laufen gelernt.

Einerseits würden ihre Eltern stolz sein auf ihre Tochter, weil sie sich so stark durchgesetzt hatte in einer besonders rauhen Männerwelt, aber andererseits würden sie ihre Tochter auch sehr tadeln ob der Taten, die sie vollbrachte...

Manchmal dachte sie daran, aber dies war stets begleitet von großer Bitterkeit, denn sie war noch ein halbes Kind gewesen, als betrunkene Soldaten unter der Führung eines echten Lords das Lager überfielen, die Frauen vergewaltigten und die Männer zu Tode quälten, einfach nur, weil es ihnen Spaß machte.

Nur ein Mensch hatte überlebt: Jeannet Harris! Sie hatte sich zitternd in einem nahen Gehölz verkrochen. Ihr wacher Hexeninstinkt und die körperliche Behendigkeit hatten ihr die rechtzeitige Flucht ermöglicht und somit ihr Leben gerettet. Damit war sie zu diesem Zeitpunkt sogar ihrer Mutter überlegen gewesen.

Ihre Mutter...

Jeannet hatte alles mitansehen müssen. Nicht nur den Tod ihrer Mutter. Die Soldaten hatten letztlich alle umgebracht, um keinerlei Zeugen ihrer Schandtaten zu hinterlassen. Sogar die Kinder. Niemals wieder in ihrem Leben würde das Heulen und Wehklagen der bedauernswerten Opfer in ihren Ohren verstummen, vermischt mit dem rauhen, schadenfrohen Gelächter der Schänder und Mörder.

Ein traumatisches Erlebnis im wahrsten Sinne des Wortes. Und es hatte ihr künftiges leben geprägt: Sie haßte alles Adelige, haßte die Obrigkeit, verkörpert durch Beamte und Soldaten und Polizei...

Es hatte sie zur Freibeuterin werden lassen!

Und es hatte möglicherweise niemals zuvor eine Frau gegeben, die darin so erfolgreich gewesen war wie die Hexe Jeannet "WITCH" Harris!

*

Mit geblähten Segeln und einer Geschwindigkeit, die man dem schwarzen Piratenschiff gar nicht zugetraut hätte, jagten sie auf die Rauchfahne zu, die immer Yard deutlicher zu sehen war. Jedem an Bord war klar, was die Rauchfahne zu bedeuten hatte. Sie waren darauf sozusagen spezialisiert: Dort war ein spanisches Handelsschiff überfallen worden! Und die Rauchfahne bewies, daß es zumindest noch schwimmende Überreste des Schiffes gab. Vielleicht sogar ein führer- und steuerlos dahintreibendes Wrack?

Aber jeder wußte auch, daß dort nichts mehr zu holen war. Darum wunderten sie sich jedesmal aufs Neue, was ihr Kapitän dort überhaupt wollte? Wieso ließ WITCH jedesmal erst das Wrack anlaufen, die Stelle des Verderbens, wie sie es stets nannte? Wieso nahmen sie nicht gleich die Verfolgung des Freibeuters auf, dem dies anzulasten war und der jetzt mit seinem vom Beutegut überladenen Schiff eine relativ leichte Beute wurde? Zumal sie auch ohne die "Stelle des Verderbens" anzulaufen die ungefähre Route ihres potentiellen Opfers kannten: Jeder dieser englischen Freibeuter nahm schnurstracks den Weg zurück in englische Hoheitsgewässer, um nicht von einem spanischen Kriegsschiff aufgebracht zu werden.

"Die Spanier sind auch zu blöd!" murmelte Jeannet "WITCH" tonlos vor sich hin - und meinte damit die spanischen Kriegsschiffe. Anstatt mit ihren Galeonen die gefährdeten Handelsschiffe zu begleiten und zu schützen, kreuzten sie viel lieber weitab der Handelsrouten, um die Freibeuter abzufangen. Wann würden sie jemals dahinter kommen, daß die Freibeuter ihnen bei dieser Strategie haushoch überlegen waren, weil sie jeden einzelnen Schritt der Spanier schon im voraus ahnten?

Sie schüttelte den Kopf und heftete ihren Blick auf die Rauchfahne, bis sie mehr als diese zu sehen bekamen. In voller Fahrt lief die WITCH BURNING auf die Unglücksstelle zu. Die ersten Wracktrümmer schwammen ihnen entgegen, von einer unsichtbaren Strömung getrieben. Aber nicht nur Wracktrümmer, sondern ein dunkel verfärbtes Wasser - dunkel verfärbt vom Blut!

Etwas in Jeannet krampfte sich zusammen. Wieso eigentlich tat sie sich das jedesmal an? Wieso mußte sie dieses Bild des Grauens zuerst in sich aufnehmen, bevor sie die Mörder verfolgte?

Sie wußte die Antwort, hätte es jedoch niemals gegenüber einem anderen Menschen zugegeben: Sie brauchte dies als Rechtfertigung für ihr eigenes Handeln! Sie mußte sehen, was diejenigen angerichtet hatten, ehe sie es fertigbrachte, die Mörder zur Strecke zu bringen.

"Ich, die Meereshexe, bin euer Richter!" sagte sie die beinahe schon ritualisierten Worte. Ihre Leute hatten sie oft genug vernommen und es zog ihnen jedesmal die Nackenhaut zusammen, als wären sie selber als Opfer betroffen und nicht die Vollstrecker des Kommenden: "Das Urteil lautet: Tod! Und ich bin gleichzeitig euer Henker, der hier die Witterung aufnimmt, um euch überall zu finden, wo immer ihr euch auch verkriechen mögt, und gnadenlos zur Strecke bringt!"

Ihre Leute dachten, was sie niemals laut ausgesprochen hätten: "Um anschließend unser eigenes Schiff mit eurer reichen Beute zu füllen!" Drum gehorchten sie dem Ritual ihres weiblichen Kapitäns, obwohl sie es absolut nicht nachvollziehen konnten.

Sie wußten ja nichts vom traumatischen Erlebnis ihrer selbsternannten Meereshexe, denn sie hatte noch niemals zu einem Menschen darüber gesprochen.

Damals war sie davongetaumelt, sobald sich die Mörder und Schänder grölend zurückgezogen hatten. Sie hatte keine Ahnung mehr, wo sich der Ort des Entsetzen damals überhaupt befunden hatte. Sie waren unterwegs gewesen, aber die Geborgenheit in der Gauklertruppe hatte dafür gesorgt, daß sie eigentlich nie genau wußte, wo sie sich gerade befanden. Die Truppe war ihre Familie gewesen. Sie hatte nichts anderes gekannt. Und jetzt war sie allein, das erste Mal in ihrem Leben: völlig allein!

Das Erlebte machte sie nicht nur verzweifelt, sondern trieb sie in eine Art geistige Umnachtung, in deren Schutz sie einfach nicht mehr das Blut sehen und die Schreie hören mußte. So war sie schließlich zu einem kleinen Bauernhof gekommen, hungrig, abgerissen, völlig verwirrt und ohne die Fähigkeit, auch nur einen Ton von sich zu geben, als befürchtete sie immer noch, von den Schändern sonst entdeckt zu werden.

Die armen Bauern hatten sie wie eine Arbeitssklavin gehalten. Schlimmer noch: als Arbeitstier, denn sie hatte bei den Tieren im Stall schlafen müssen. Ihr Bett war der Kot dieser Tiere gewesen.

Später hatte sie nicht mehr sagen können, wie lange dies alles angedauert hatte, bis sie endlich auch daraus floh. Sie war umhergeirrt, war dabei fast verhungert und verdurstet, bis sie in einem Waldgebiet einer Räuberbande in die Hände gefallen war.

Es waren Mordgesellen gewesen im wahrsten Sinne des Wortes, aber die Kleine hatte sich in einem solch erbärmlichen Zustand befunden, daß es sogar die verderbten Seelen von solchem Abschaum gerührt hatte. Sie hatten die Kleine bei sich aufgenommen, hatten sie gewaschen, eingekleidet und versorgt. Lange Zeit hatten sie die Stumme wie eine Art Maskottchen gehalten. Bis sie eines Tages einen großen Hof überfielen - und Jeannet noch einmal mitansehen mußte, wessen sie ihre geistige Verwirrtheit verdankte: Die Räuberbande schändete und mordete vor ihren Augen. Sie taten dasselbe wie es auch ihren eigenen Leuten widerfahren war.

Es war das erste Mal, daß sie wieder zu einem Ton fähig war: Sie schrie sich alles aus dem Leib, was sie empfand - und rannte davon, nun schon das dritte Mal.

Die Mordbuben kümmerten sich nicht um sie. In ihrem Blutrausch hatten sie anderes zu tun.

Sie rannte so lange, bis sie nicht mehr konnte und schluchzend zu Boden stürzte.

Dort lag sie eine Weile - und in dieser Zeit begannen sich, ihre Erinnerungen zu ordnen, zum ersten Mal wieder seit dem traumatischen Erlebnis. Sie begann zu begreifen, daß in dieser Zeit das Rauben, Schänden und Morden beinahe zur Tagesordnung gehörte. Jedenfalls in solch wilden Gegenden.

Jeannet raffte sich wieder auf und beschloß, dem Land für alle Zeiten den Rücken zu kehren. Nein, sie wollte damit nichts mehr zu tun haben, mit Adeligen, die wie Räuber handelten - und Räubern, denen kein Leben heilig war außer dem eigenen. Sie konnte sich nur einen Ort vorstellen, an dem dies alles anders sein mochte: Das Meer!

Sie hatte damals ja noch nichts von Piraten, Kriegsschiffen und dergleichen geahnt...

*

Und jetzt sahen sie auch, woher der Rauch stammte: Aus unerfindlichen Gründen hielt sich ein besonders großes Wrackteil noch über Wasser, wo es allmählich ausbrannte, ehe es für immer im nassen Grab der See versank.

Nein, da hatte niemand überlebt. Die Spuren ließen überdies vermuten, mit welcher Gnadenlosigkeit alle Menschen zu Tode gekommen waren, die sich zum Zeitpunkt des Überfalls auf dem Schiff befunden hatten.

Unter dem schwimmenden Gerümpel, das die Freibeuter nicht hatten mitgehen lassen, weil es ihnen zu wertlos erschienen war, befanden sich auch Kleiderbündel und darin eingeschnürter primitiver Hausrat. Das bewies, daß es sich nicht um ein reines Handelsschiff gehandelt hatte, sondern daß auch Siedler für die sogenannte Neue Welt jenseits vom Atlantik an Bord gewesen waren.

Die Piratenhexe wußte: Das waren die Ärmsten der Armen! Sie versuchten, ihrer ausweglosen Armut zu entrinnen mit Flucht über das große Wasser - hinein in eine sehr ungewisse Zukunft. Viele überlebten die Überfahrt schon deshalb nicht, weil sie total unterernährt und gesundheitlich in desolatem Zustand an Bord gegangen waren. Man nahm beinahe jeden mit - sofern er für die Überfahrt bezahlen konnte. Eine schreckliche Schraube der Ausbeutung: Die hoffnungsfrohen Siedler, die aus ungewissen Quellen Geld zusammenkratzten, um in der Neuen Welt zu überleben, ihre Ausbeuter, denen sie die Überfahrt bezahlten, ob sie nun lebend ankommen würden oder nicht - und die Freibeuter, die das Schiff schließlich überfielen, alles von Wert an sich rissen und niemand lebend davon kommen ließen.

Beinahe hätte Jeannet geweint, aber sie tat es aus zweierlei Gründen nicht: Erstens konnte sie sich das als Kapitän eines Piratenschiffes nicht leisten und zweitens hatte sie schon lange keine Tränen mehr!

Das, was sie mit eigenen Augen sah, war im Grunde dasselbe, was auch zu ihrem lebenslangen Trauma geführt hatte. Die dies getan hatten, waren um keinen Deut besser als die Schänder und Mörder von damals. Und auch die Räuber, denen sie selbst zunächst ihr Leben zu verdanken hatte, waren nicht besser gewesen.

Und jedesmal, wenn sie es sah, spürte sie den unbändigen Haß in ihrem Herzen: Sie mußte jene dafür bezahlen lassen, die anderen Menschen solches antaten! Sie würden stellvertretend für jene sterben müssen, die damals ihren eigenen Clan umgebracht hatten!

Das waren ihre Motive. Deshalb jagte sie statt spanische eben englische Schiffe - und da ausschließlich Freibeuter, die so handelten, wie sie es mit eigenen Augen immer wieder sehen mußte.

Daß sie dadurch im fernen England Königin Elisabeth ein Dorn im Auge geworden war, kümmerte sie nicht, denn England und Elisabeth standen für sie stellvertretend für die schlimmen Ereignisse in ihrer Kindheit. Sie wollte niemals wieder damit zu tun haben.

Gebühre Elisabeth das in ihren Augen verderbte England - und ihr, Jeannet, das Meer!

"Holen wir die Brut ein, noch ehe sie englisches Hoheitsgewässer erreicht hat!" murmelte sie zwischen zusammengepreßten Lippen.

Ihr erster Offizier, einst ein Marshal, der in Ungnade gefallen war, weil er sich "erfolgreich" in die Gattin seines Fürsten verliebt hatte, verstand sehr wohl, denn er hatte nur noch darauf gewartet und gab den Befahl lautstark weiter.

*

Marshal Ben Rider war an ihrer Seite, als die Masten der Verfolgten weit vor ihrem eigenen Bug scheinbar aus den Tiefen des Meeres emporstiegen. Ihr Klüverbaum deutete darauf wie die Pfeilspitze eines Bogenschützen auf die Zielscheibe.

Jeannet warf kurz einen Blick auf den schweigsamen und stets in sich gekehrten Mann. Aber er war kein Mörder, sondern tötete nur, was er haßte - und das war alles, was ihn an das adelige England erinnerte. Weil es ihn gehetzt und verfolgt hatte, als sein ehemaliges wichtiges Mitglied. Es grenzte an ein Wunder, daß er den Häschern seines zurecht eifersüchtigen Fürsten entkommen war. Wahrscheinlich war es ihm nur deshalb gelungen, weil er ihnen immerhin lange Zeit vorgestanden hatte. Vielleicht noch ein Rest von Respekt vor ihrem ehemaligen Marshal?

Doch jetzt war er hier, und das Glitzern in seinen Augen verriet, daß er sich schon auf seine Rache freute - Rache an England, das ihn früher genährt hatte und jetzt ächtete.

Jeannet waren die Motive ihrer Leute egal, so lange sie nicht genauso handelten wie die Schänder und Mörder ihres Clans. Es war das einzige, was bei ihr überhaupt noch zählte. Sie richtete ihren Blick wieder nach vorn, tat dies aber völlig ohne Freude.

Es würde auch diesmal schwer werden. Der englische Freibeuter würde sich nicht freiwillig ergeben. Soviel war klar. Sobald sie der WITCH BURNING ansichtig wurden, wußte jeder an Bord des Freibeuterschiffes: Es ging um ihr nacktes Überleben! Der mörderische Ruf der WITCH BURNING war inzwischen nicht nur auf hoher See bis in die letzte Kajüte vorgedrungen, sondern auch bis in die Adelshäuser von ganz Europa. Sicher sogar bis in die Neue Welt jenseits vom Atlantik! Und wie es bei Gerüchten üblich war: Jeder, der von der WITCH BURNING erzählte, tat sein eigenes hinzu, bis die Taten der WITCH BURNING so fantastisch anmuteten, als säße der Teufel persönlich mit an Bord. Dagegen jedenfalls war der berüchtigte "Fliegende Holländer" beinahe gar nichts...

Jeannet konnte das nur recht sein. Die Angst würde ihren Feind lähmen und zu einer leichteren Beute werden lassen.

"Hisst die Todesflagge!"

Das taten ihre Leute nur zu gern. Ein paar hatten scharfe Messer zwischen ihre Zähne geklemmt und sahen dadurch noch verwegener und furchterregender aus als sowieso schon. Sie hissten die schwarze Totenkopfflagge.

>Eigentlich paßt der Name gar nicht... WITCH BURNING!< dachte Jeannet. >Obwohl er sich auf mich bezieht. Denn das Schiff ist nun mal nicht rot, sondern schwarz - genauso wie die Todesflagge: Ein weißer Totenkopf auf schwarzem Grund!<

Trotzdem würden die Seeleute an Bord des Handelsschiffes sofort wissen, wer die Verfolgung aufgenommen hatte.

Die WITCH BURNING verminderte nicht die Fahrt. Sie pflügte förmlich durch das Wasser. Das war möglich, weil sie voll vor dem Wind stand, genauso wie das verfolgte Schiff. Aber dieses war aus zweierlei Gründen viel langsamer: Erstens, weil es total überladen erschien, denn es hatte wohl mehr als nur ein spanisches Handelsschiff überfallen, und zweitens war es viel größer und damit plumper. Dafür allerdings handelte es sich um einen Viermaster, während die WITCH BURNING nur eine sogenannte Fregatte war, ein Dreimaster also, alle drei Masten vollgetakelt.

"Feindliches Schiff geht DWARS!" meldete der erste Offizier Marshal Ben Rider. Das bedeutete Gefechtsform, rechtwinklig zur Mittschiffslinie.

Jeannet schüttelte wie tadelnd den Kopf. "Sie machen immer denselben Fehler, zeigen uns frühzeitig ihre Breitseite und können sich gar nicht vorstellen, daß dies einem Selbstmord gleich kommt."

Ben Rider dachte indessen: >Kein Wunder, denn wer sonst ist jemals auf die Idee gekommen, die vorderen Kanonen hoch an Bord zu hieven, bugwärts auszurichten und damit zu riskieren, sich den eigenen Bugspriet wegzublasen. Obwohl es bisher noch nie geschehen ist, bleibt es dennoch eine Gefahr, trotz der besten Männer an den Kanonen, die man sich denken kann.<

Halb skeptisch und halb zuversichtlich schaute er nach den Kanonen. Die vorderen standen erhöht, um leichter über die Aufklotzung am Vordersteven hinwegzielen zu können, die man eben Bugspriet nannte.

Der Mann vom Ausguck verließ gerade seinen Platz, um beim bevorstehenden Gefecht nicht in den Tod zu stürzen. Dazu hatte er keinerlei Extraeinladung bedurft. Bei der sogenannten christlichen Seefahrt wäre es ein unverzeihliches Vergehen gewesen, ohne besonderen Befehl so zu handeln, aber an Bord der WITCH BURNING herrschten völlig andere Gesetze, nämlich die von Jeannet "WITCH" Harris.

"Gefechtsbereitschaft!" gab Marshal Rider die Meldungen an Jeannet weiter.

Sie knirschte sehr undamenhaft mit den Zähnen. Es war ja auch sehr undamenhaft, als sie die Hand mit der Pistole hochriß und schrie: "Feuer frei!"

Die bereits ausgerichteten Kanonen spuckten Tod und Verderben.

>Und das aus voller Fahrt heraus!< dachte Marshal Rider, wobei ihm unwillkürlich das Herz stehenblieb. Der erste Schuß war schließlich gefechtsentscheidend.

Der Viermaster, den sie im Visier hatten, zeigte jetzt fast seine volle Breitseite, doch seine Kanonen konnte er erst in einer Minute zum Einsatz gegen den Verfolger bringen. Wenn die Schüsse von Bord der WITCH BURNING ins Leere gingen, wurde das Feuer erwidert, von einem eigentlich überlegenen, weil größeren Schiff! Schließlich handelte es sich nicht um ein halbwegs wehrloses Handelsschiff, sondern um ein Schiff, das ursprünglich für den Krieg gebaut worden war und jetzt eben solche eher harmlosen Handelsschiffe erfolgreich überfiel.

Außer Jeannet wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, mit einer viel kleineren Fregatte einen so stattlichen Viermaster zu überfallen. Es sei denn, er hätte auf die gleiche Strategie gesetzt - und wäre damit auch genauso gut gefahren.

>Eines Tages wird dieses Manöver voll in die HoseN gehen!< vermutete Ben Rider im stillen - und hoffte dabei inbrünstig, daß dieser Tag noch nicht gekommen sein möge.

Und dann waren die bangen Sekunden vorbei, in denen die Kanonenkugeln unterwegs waren.

Deutlich sah man, wie und vor allem wo sie auftrafen: Sie knallten voll in das feindliche Schiff hinein, beinahe sogar mittschiffs.

Es hatte verheerende Folgen, denn die gegnerische Crew hielt Kanonenkugeln und Pulver bereit, um damit den Verfolger loszuwerden. Ein Teil des Pulvers ging hoch und riß achtern den Schiffsrumpf auf. Wäre es nicht noch zu weit gewesen und hätte die steife Brise nicht die Schreie der Sterbenden und Schwerverletzten mit sich gerissen, hätte man sie bis zur WITCH BURNING hören können.

"Wir werden diese mörderische Brut auslöschen!" murmelte Jeannet an Riders Seite, und er pflichtete ihr bei: "Sie sollen bezahlen - für alles!" Daß er damit auch meinte, sie für seine eigene Situation bezahlen zu lassen, brauchte er nicht extra zu erwähnen, das wußte Jeannet auch so.

Es war ihr nach wie vor egal! Denn sie wußte, ihrem Ersten Offizier konnte sie blind vertrauen, und er war ein beispielloser Kämpfer, der noch niemals unterlegen gewesen war.

Sonst hätte er nicht mehr gelebt!

Denn das war ehernes Freibeutergesetz. Zumindest was die Besatzung der WITCH BURNING betraf, der meistgehaßten Besatzung innerhalb und außerhalb englischer Hoheitsgewässer!

*

Mit unverminderter Geschwindigkeit fuhr die WITCH BURNING auf die feindliche englische Galeone zu. Durch die Treffer drohte das ein wenig dickbauchige Schiff abzudriften. Ruderer versuchten, das aus einer Galeere entwickelte Kriegsschiff wieder DWARS zu lenken, um endlich die schweren Geschütze in Stellung gegen den Angreifer zu bringen.

Doch da wich die WITCH BURNING leicht backbords (also nach links) aus. Die Bewegung des angeschlagenen Kriegsschiffs vor ihnen war sehr träge und es würde ihm schwerlich gelingen, den Ausweichkurs der wendigeren und schnelleren Fregatte durch ihre eigene Drehung auszugleichen.

"Refft die Segel!" kam Jeannets entscheidender Befehl. Ihre Leute befolgten ihn - und schon verminderte sich die Fahrt ihres Schiffes.

"Position!" berichtete der Erste Offizier Marshal Ben Rider.

"Feuer frei!" schrie Jeannet, abermals die rechte Hand mit der Pistole hochreißend.

Die Kanonen unterdecks waren gemeint, denn jetzt war die WITCH BURNING ihrerseits DWARS gegangen.

Sie brüllten los und spien den Tod gegen die Galeone.

Diese war ohnehin schon angeschlagen, aber das Hauptziel des neuerlichen Beschusses lag bugseits, denn Jeannet wußte aus Erfahrung, daß viele Kriegsschiffe dort leichte Geschütze plaziert hatten. Sie eigneten sich nicht auf weite Entfernung, aber wenn man einer Galeone zu nahe kam... Fast waren sie in Reichweite jener Geschütze, sofern es sie überhaupt gab. Also mußten sie vorbeugen und die Gefahr eliminieren, ehe sie greifen konnte.

Die Kugeln verfehlten auch diesmal nicht ihr Ziel. Jeannet konnte mächtig stolz auf ihre Kanoniere sein. Sie hatte wirklich die besten bekommen, die man sich denken konnte. Ohne sie wäre die WITCH BURNING nicht nur weniger erfolgreich gewesen, sondern keiner von ihnen würde überhaupt noch leben!

Die Kugeln rasierten den Bugspriet der Galeone weg. Der vordere Mast brach wie ein Streichholz. Und Jeannet hatte recht mit ihrer Vermutung, daß dort leichtere Geschütze plaziert waren: Das ebenfalls vorhandene Pulver ging hoch und schaffte es beinahe, den Bug bis zum Kiel aufzuspalten.

Dort würde keiner überleben.

>Je weniger Überlebende, desto weniger stellen sich uns entgegen!< dachte Jeannet grimmig.

Und dann kam ihr nächster Befehl: "Enterkurs!"

Ein Jubel brach an Bord aus. Ihre Leute schrien ziemlich undiszipliniert durcheinander, als würden sie sich auf den bevorstehende Kampf auf Leben und Tod gegen die Galeonencrew schon mächtig freuen. In Wahrheit löste sich dadurch nur ihre innere Anspannung, denn dieser Befehl bedeutete auch, daß ihnen die Galeone in ihrem angeschlagenen Zustand nicht mehr gefährlich werden konnte. Das Schiff war weitgehend unmanövrierbar geworden. Sie würden es bugseits entern, um nicht in Reichweite der Kanonen zu gelangen. Der Crew würde nichts anderes übrigbleiben, als sich ihnen persönlich und direkt entgegenzustellen, um so wenigstens eine Chance zu erhalten, ihrem Tod zu entgehen.

Und noch etwas kam hinzu: Weiterer Beschuß hätte die Galeone vielleicht zu sehr beschädigt. Dann wäre auch die wertvolle Ladung verlorengegangen. Vielleicht gelang es ja sogar, die Galeone ins Schlepptau zu nehmen, um so nicht auf einen Großteil der Ladung verzichten zu müssen, die sonst an Bord der WITCH BURNING nicht untergebracht hätte werden können?

Das alles ließ die Leute jubelnd schreien, während der Steuermann die Fregatte einen sanften Bogen beschreiben ließ. Anschließend wurden die Segel vollständig gerefft. Den Rest des Weges mußten sie sich auf die eigenen Ruderer verlassen. Aber die waren stark und bereit. Sie legten sich kräftig in die Riemen, die sichere Beute vor Augen. An ihnen jedenfalls würde es nicht scheitern. Und wenn sie die Galeone erreicht hatten, würden die Ruderer selber zu den Waffen greifen, um bei dem Gemetzel mitzumischen.

Keiner an Bord des gegnerischen Schiffes durfte überleben. So lautete der Befehl von ihrem Kapitän Jeannet "WITCH". Sie hatte sich zur Richterin über die Galeone ob deren blutiger Taten erhoben und das Todesurteil bereits ausgesprochen. Ihre Vollstrecker warteten auf die Gelegenheit zum Vollzug.

Egal, wie groß und verzweifelt auch der Widerstand werden sollte, den man ihnen entgegenbrachte.

*

Erst auf hoher See gelang es Lord Cooper, seine wirren Gedanken zu ordnen. Er hatte zwar keine Lust, jetzt schon zu sterben, aber nach dem Befehl von seiner Königin würde es wohl keinen anderen Ausweg geben.

Wie sollte er es denn jemals schaffen, ein Piratenschiff, das allgemein als so überlegen angesehen wurde wie noch nie zuvor ein Schiff mitsamt Besatzung, zu kapern und anschließend dazu zu bringen, im Sinne der englischen Krone zu handeln?

Nein, es würde ein Kampf auf Leben und Tod werden - und er konnte dabei nur verlieren. Entweder, indem die Piraten von vornherein siegten, oder wenn er sie tötete... Ja, dann wartete in London bereits das Henkersbeil auf ihn!

Was für ein ruhmloses Ende für einen Lord, der eine solche Karriere gemacht hatte, daß er sogar bis in den Kreis der engsten Berater der Königin hatte aufsteigen dürfen! Da war es ihm wirklich lieber, im Kampf zu sterben.

Allerdings nicht ganz freiwillig, denn auch Selbstmord wäre für ihn einfach zu ruhmlos.

Ein schlimmer Konflikt für einen als unbesiegbar geltenden Kämpfer für England und die Ehre. Mehr noch: Ein völlig unlösbarer Konflikt!

Er konnte sich eigentlich nur noch darauf verlassen, daß die Piraten wirklich so unbesiegbar waren, wie es allgemein hieß.

Aber dazu mußte er sie erst einmal finden.

Er hatte sich schon bei den ersten Vorbereitungen eine Strategie zurechtgelegt. Zwar paßte sie jetzt nicht mehr so völlig ins Konzept, da er seinen eigenen Tod halbwegs mit einplanen mußte - gezwungenermaßen, wie er fest glaubte! -, aber leider gab es keine andere Möglichkeit, denn wo sollten sie dem schwarzen Piratenschiff auf offener See begegnen? Niemandem war es bislang gelungen, dem Schiff und seiner Besatzung zuvorzukommen.

Nein, das durfte man von vornherein gar nicht in Betracht ziehen. Es sei denn, man legte es auf einen glücklichen Zufall an. Der konnte aber auf sich warten lassen. Sollten sie denn jahrelang die See befahren, um auf diesen Zufall zu hoffen? Das hätte die Königin sicherlich schon vor der Zeit dazu bewogen, ihn einen Kopf kürzer machen zu lassen.

Seine Überlegungen gingen in eine völlig andere Richtung: Wie man erzählte, handelte es sich um eine wendige und äußerst schnelle Fregatte. Sicherlich keine Standardbauweise, bei dem, was dieses Schiff angeblich alles vermochte. Aber wo mochte wer ein solches Schiff in seinem Sinne modifizieren? Doch wohl kaum auf offener See! Und wohin sollte man die Schätze bringen, die man anderen gestohlen hatte? Auch die würden die Piraten nicht einfach auf dem Meer deponieren können. Mit anderen Worten: Sie brauchten einen Unterschlupf, wo sie Ruhe fanden, ihre Schätze lagerten, neuen Proviant an Bord nahmen, auch Frischwasser...

Das Festland kam dafür nicht in Frage. Die wilde Küste Englands ließ sich recht gut überwachen. Piraten hatten da wenig Chancen, auf Dauer einen guten Unterschlupf zu finden, zumal ihr Hauptoperationsgebiet die Atlantikroute der Spanier war. Aber auch die Kanarischen Inseln wären wenig geeignet gewesen, nicht nur, da sie Hoheitsgebiet der Spanier waren. Genauso wenig wie die Azoren...

Lord Donald Cooper war fest überzeugt davon, daß die Piraten ihr geheimes Versteck innerhalb von Englands Hoheitsgewässern unterhielten. Dafür gab es nur eine einzige Möglichkeit, doch diese war geradezu hervorragend geeignet: Die vorgelagerten englischen Kanalinseln! Dort wagte kaum ein englisches Kriegsschiff zu kreuzen, weil das Franzosen oder Spanier als Provokation hätten empfinden können. Aber auch die Franzosen selber und die Spanier hielten sich zurück, weil sich diese Inseln in englischen Hoheitsgewässern befanden: Sie waren sozusagen die sichtbare Grenze.

Eine schnelle und wendige Fregatte, schwarz wie die Nacht... Wer würde sie schon bemerken, wenn sie eine der Inseln anlief, die als unbewohnt galt? Und man würde auch kaum den Piraten dort eine Falle stellen können, wenn man dazu sein eigenes Kriegsschiff benutzen wollte: Die Piraten würden rechtzeitig bemerken, daß da schon jemand auf sie lauerte.

Es sei denn, man wußte haargenau, wo man zu suchen hatte. Dann würde man genügend Leute absetzen, die sich auf die Lauer legten, während ihr Schiff sich in sicherem Abstand abwartend verhielt.

Ein Grundgedanke, mehr nicht, denn erstens hatte Lord Cooper keine Ahnung, um welche der Inseln es sich nun handelte. Außerdem hätte er auch dann nicht gewußt, wie lange seine Leute hätten warten müssen. Vielleicht drei Wochen? Vielleicht länger? Und wenn er dann vor der Zeit die Insel wieder anlief, um seine Leute und die besiegten Piraten aufzunehmen - und jene noch gar nicht zurückgekehrt waren?

Der Lord hatte anderes im Sinn: Er würde das Piratenschiff bei der Heimkehr stellen, also wenn es die vorgelagerten Kanalinseln anlief. Dabei mußte er sich darauf verlassen, daß es möglichst die einfachste und günstigste Route nahm.

Der Lord war ein erfahrener Seefahrer und in dieser Eigenschaft nicht umsonst Berater der Königin geworden, auch wenn es ihm in dieser Eigenschaft niemals vergönnt war, in die Admiralität emporzusteigen. Nein, gegenüber den Admirälen war er als königlicher Berater sozusagen außer Konkurrenz. Andererseits hatte er in dieser Eigenschaft Möglichkeiten, die sogar den Admirälen versagt blieben. Vor allem hatte er mehr Freiheiten.

>Auch wenn mich das letztlich den Kopf kosten wird!< fügte er in Gedanken ein wenig bitter hinzu.

"Wir haben Position erreicht", meldete sein erster Offizier. "Sollen wir die errechnete Route kreuzen oder habt Ihr anderslautende Befehle, Mylord?"

"Nein, es bleibt dabei: Kreuzen! Dabei nähern wir uns allmählich spanischem Hoheitsgewässer. Aber ich möchte dort nicht eindringen. Die Gefahr ist zu groß, während dem bevorstehenden Konflikt mit den Piraten die Aufmerksamkeit einer spanischen Galeone zu erregen. Die Spanier hätten das Recht, uns zu beschießen, weil wir ihr Seerecht verletzen..."

"Aye, Sir! Mylord: Wie Sie befehlen..."

Der erste Offizier salutierte und machte auf dem Absatz kehrt. Er stiefelte davon.

Der Lord schaute ihm leicht kopfschüttelnd nach. Er mochte die militärische Etikette nicht sonderlich. Deshalb gönnte er sich den Luxus, als Kommandant eines Kriegsschiffes Ihrer Majestät, der Königin, in Zivil zu bleiben. Die hohe Admiralität hatte sich schon mehrmals die Mäuler darüber zerrissen, doch das kümmerte ihn wenig. Er trug das am Leib, was er am bequemsten empfand. Nein, die offizielle Uniform würde ihn in einem Nahkampf nur unnötig behindern. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man auch die Uniformen der Soldaten ziviler gestaltet, was sie sicherlich noch besser hätte kämpfen lassen im Ernstfall. Schade, daß die Herren Admiräle das anders sahen und sich auch Ihre Majestät in keiner Weise diesbezüglich von ihm beeinflussen ließ...

Lord Donald Cooper schaute sinnierend über das Meer, das endlos sich auszudehnen schien, und fragte sich, wo sich das gesuchte Piratenschiff wohl zur Zeit befand und was es gerade tat. Vielleicht überfiel es in diesem Augenblick sogar ein Schiff, um die Besatzung blutig niederzumetzeln und anschließend alles zu rauben, was ihnen von Wert erschien?

Wie recht er mit dieser Annahme hatte, konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal ahnen.

*

Sobald der Abstand knapp genug war, warfen die Piraten ihre Enterhaken und zurrten die Seile fest. Die WITCH BURNING schrammte gegen die feindliche Galeone, bewegte sich noch ein paar Yards, bis die Seile sich spannten und das Schiff stoppen ließen.

Sogleich sprangen die Ruderer auf und eilten zu ihren Waffen, um damit rechtzeitig auf Deck zu erscheinen.

Von den Verteidigern war nichts zu sehen - vorerst noch nicht. Aber das durfte die Piraten nicht unvorsichtig werden lassen, denn gewiß besaßen die Freibeuter der Königin Feuerwaffen und Armbrüste, mit denen sie auf der Lauer lagen.

Jeannet war mitten unter ihnen, die Pistole in der Rechten, schußbereit. Ihren Augen entging nichts. Und da sah sie, wieso die Verteidiger noch nicht erschienen waren: Nicht weil sie auf der Lauer lagen, sondern weil die Panik ihre Sinne vernebelte und teilweise zur heillosen Flucht zwang.

Ja, in der Tat, ein großer Teil der Besatzung nahm reißaus. Sie sprangen im hohen Bogen ins Meer. Dabei wußte die Piratenführerin aus Erfahrung, daß die meisten überhaupt nicht schwimmen konnten. Und auch um diejenigen, die schwimmend entkamen, brauchten sie sich nicht mehr zu kümmern. Lange würden sie nicht durchhalten. Falls sie nicht vor der Zeit schon von Haien gefressen wurden, die das Blut anlockte, das in den nächsten Minuten fließen würde.

Aber ein paar Bedachte hatten sich trotzdem auf die Lauer gelegt, ganz gewiß. Ihnen galt es, nicht vor das Rohr zu kommen.

Jeannet brauchte keine Befehle zu erteilen. Ein jeder wußte selber, was zu tun war. Sie enterten nicht zum ersten Mal ein feindliches Schiff.

Hinter einer der Aufbauten war eine rasche Bewegung.

Jeannet sprang blitzschnell aus der Schußlinie und ließ gleichzeitig ihre eigene Pistole losbellen.

Schon als Kind war sie im Scharfschießen ausgebildet worden. Für sie in der Rolle als Piratenführerin von überlebenswichtiger Bedeutung.

Schon ihr erster Schuß traf. Der Getroffene war zwar nicht sofort tot, aber er hatte nicht mehr die Kraft zu einem weiteren Versuch, sich der Angreifer zu erwehren.

Jeannet erreichte ihn als erste. Sie steckte im Laufen die Pistole in die Schärpe zurück und zog den leichten Degen. Eine blitzschnelle Bewegung.

Unbewegt stellte Jeannet ihren Fuß auf den Sterbenden, erlöste ihn und zog ihren Degen wieder aus der tödlichen Wunde. Sie hatte keine Gnade mit dieser Brut, die imstande war, arme Aussiedler abzuschlachten wie Vieh - genauso wie sie es mit ihren Leuten damals gemacht hatten. Sie hatte es als halbes Kind mitansehen müssen, und diese Bilder machten sie grausam gegenüber allen, die genauso handelten wie die Soldaten und ihr schrecklicher Lord damals.

Mit einem gellenden Schrei auf den Lippen sprang sie weiter. Vor ihr tauchten zwei Männer auf, die ihre Pistolen bereits leergeschossen hatten, offensichtlich ohne auch nur einen einzigen der angreifenden Piraten zu treffen, weil sie einfach zu zittrig beim Schießen gewesen waren. Jetzt hoben sie ihre Degen und stellten sich Jeannet in den Weg. Deren Kampfschrei hatte sie entlarvt: Sie hatten erkannt, daß sie "nur" eine Frau war, und glaubten wohl, mit ihr leichtes Spiel zu haben.

Sie lachte verächtlich und ließ den Degen wirbeln.

Beinahe hätte sie ein blitzschneller Streich des Linken am Bein getroffen, aber auch nur beinahe. Sie hatte die Bewegung aus den Augenwinkeln gesehen und sprang senkrecht in die Luft.

Eine solche Behendigkeit hätten ihr die beiden Angreifer nicht zugetraut, doch sie hatten keine Zeit, darob verduzt zu sein, denn dem ersten hieb Jeannet quer durch das Gesicht. Sie hätte ihn genauso gut auch gleich töten können, aber das wollte sie nicht. Wie eine Katze, die mit der unterlegenen Maus spielt.

Der nächste Streich traf den anderen zwischen den Beinen.

Sein Schrei ging in dem Kampfgetümmel völlig unter. Aber Jeannet ließ ihn nicht lange leiden. Sie riß den Degen hoch und zerschnitt ihm die Kehle. Gleichzeitig wich sie dem Streich des anderen aus.

Sein blutiges Gesicht war haßverzerrt.

Jeannet stach zu und schrie dabei: "Das für meine Mutter, die ihr vergewaltigt und anschließend umgebracht habt!"

Als sei der Freibeuter vor ihr damals persönlich mitbeteiligt gewesen.

Er fragte sich nicht mehr, wie sie das überhaupt meinte, denn diesen Stich überlebte er nicht.

Im nächsten Moment sah sich Jeannet von Angreifern regelrecht umzingelt. Keiner ihrer Leute kam ihr zu Hilfe. Jeder hatte sozusagen seine eigene Front, und sie wußten, daß ihr weiblicher Kapitän sowieso keinerlei Hilfe bedurfte. Da war eher sie es, die anderen half, ehe es für diese zu spät war.

Sie duckte sich ab und ließ die blitzenden Degen ins Leere gehen, die gleichzeitig gegen sie geführt wurden.

Die Angreifer zogen ihre Degen zurück, und Jeannet wirbelte in der Hocke einmal um sich selber. Ihre Degenspitze zerschnitt dabei nicht nur Beinkleider, sondern auch Fleisch. Die Verletzten schrien, kümmerten sich jedoch nicht um ihre Verletzungen, sondern griffen umso wütender an.

Aber dort, wo Jeannet noch Sekundenbruchteile vorher gewesen war, befand sie sich nicht mehr. Sie war flach auf den Boden geglitten mit der Geschmeidigkeit einer Schlange. Genauso, wie die Mutter es sie gelehrt hatte. Blitzschnell wand sie sich zwischen den Beinen hindurch und befand sich außerhalb des Angreiferrings, ehe die überhaupt begriffen, wie ihnen geschah.

Einer verlor das Gleichgewicht und stürzte genau in die Degenspitzen seiner Kumpane. Einen anderen stach Jeannet hinterrücks nieder: "Das für meinen Vater, den ihr zu Tode gequält habt. Ihr habt dabei gelacht und euch amüsiert, aber jetzt werdet ihr nichts mehr zu lachen haben. Sterbt im Namen aller Geschändeter und Ermordeter dieser Welt. Sterbt!"

Noch während sie diese Worte schrie, die immer über ihre Lippen sich drängten, wenn sie sich nach dem Entern eines feindlichen Schiffes mitten im Gemetzel befand, wirbelte ihr Degen mal dahin und mal dorthin.

Röchelnd starben ihre Gegner. Es blieben nur noch drei übrig, die sich beim Angreifen aber gegenseitig behinderten.

Jeannet glitt in ihrer unnachahmlichen Geschmeidigkeit wieder zu Boden und rollte gegen ihre Beine. Sie stürzten über sie, purzelten übereinander.

Jeannet stand plötzlich daneben, wie aus dem Boden gewurzelt, und wartete, bis sie sich ihr zuwandten. Sie wollte ihnen in die Augen sehen, während sie starben. Sie wollte sehen, was Mörder empfanden, wenn sie ihr Leben aushauchten. Dabei wußte sie längst, daß ihre Angst genau dieselbe war wie die ihrer einstigen Opfer. Es gab keinen Unterschied zwischen Unschuldigen und Schuldigen, wenn sie eines gewaltsamen Todes starben.

Doch Jeannet war durch ihre Erlebnisse als halbes Kind so geprägt, daß sie dennoch nicht das geringste Mitleid empfand. Aber auch keine Genugtuung oder gar Schadenfreude.

Es war jedesmal dasselbe. Sie ließ die Mörder und Schänder mit ihrer Hand sterben, um Rache für alle Ermordeten und Geschändeten zu üben, aber tief in ihrem Unterbewußtsein regte sich der Verdacht, daß all diese Rache keinem Geschändeten und Ermordeten mehr etwas nutzen konnte. Somit war diese Art von Blutrache im Grunde genommen... sinnlos. Eigentlich genauso sinnlos wie die Taten derer, die sie auf diese Weise richtete...

*

Der Kampf ging weiter. Jeannet "WITCH" Harris hatte keine Zeit, sich in Philosophien über den Sinn des Todes ihrer Feinde zu ergehen, während um sie herum das Blut in Strömen floß und auch ihre eigenen Leute nicht ganz ohne Verluste blieben. Zwar waren viele Verteidiger ins Meer gesprungen in ihrer Panik, aber die große Galeone hatte so viele Besatzungsmitglieder, daß die Verteidigungsfront scheinbar gar nicht zu knacken war.

Jeannet sprang katzengleich an der Takelage empor und krallte sich mit der freien linken Hand fest, während sie in der Rechten den blutigen Degen hielt. Aus dieser Position heraus konnte sie sich einen besseren Überblick verschaffen und sah sogleich, wo die Verteidigungsfront am schwächsten war. Sie ließ sich einfach los und landete behende auf Deck.

Gerade rechtzeitig, denn mehrere Kugeln gleichzeitig pfiffen über sie hinweg. Zwar hatte sie von oben einen besseren Überblick sich verschaffen können, aber sie war gleichzeitig auch von den Verteidigern besser gesehen worden. Einige von ihnen hatten wohl Reservepistolen eingesteckt, die sie dabei zum Einsatz brachten.

Ohne Erfolg, wie Jeannet zufrieden feststellte. Sie sprang seitlich weg und entging so der nächsten Kugel.

Aha, die Verteidiger hatten begriffen, daß sie die Anführerin der Piraten war. Sie wollten die Angreifer demoralisieren, indem sie sich bemühten, ihre Anführerin zu töten.

"Verdammte Narren!" schimpfte Jeannet halblaut vor sich hin. Sie wollten ihr ans Leder? Sie hatte sich ein einziges Mal in ihrem Leben verkrochen - nämlich damals, als alle sterben mußten, außer ihr. Später hatte sie sich oft genug gefragt, warum sie nicht besser alles getan hatte, um ebenfalls zu sterben. Dann hätte sie nicht mit diesen schrecklichen Erinnerungen weiterleben müssen. Aber dann redete sie sich ein, wichtig zu sein für die Welt, indem sie Schänder und Mörder zur Rechenschaft zog, unerbittlich, tödlich.

Und dann handelte sie wieder als Piratenführerin, wie es ihrem üblen Ruf entsprach.

Obwohl keiner außer ihren Getreuen überhaupt wußte, daß der berüchtigste Piratenführer dieser Zeit ausgerechnet... eine Frau war. Ein jeder, der bisher im Kampf ihre Bekanntschaft gemacht hatte, war anschließend gestorben und hatte diese Erkenntnis mit in sein feuchtes Grab genommen.

Jeannet sprang hinter einem der Aufbauten in Sicherheit, aber nicht, um sich dort zu verkriechen, sondern um empor zu springen, sich am Rand des Aufbaus hochzuziehen, hinaufzuklettern und weiterzuhetzen.

Im nächsten Augenblick war sie über den Männern, die sie hatten abknallen wollen und sie jetzt mit drohenden Degen erwarteten - allerdings aus der falschen Richtung. Ehe sie ihren Irrtum begriffen, war sie mitten unter ihnen. Noch im Sprung zuckte ihr Degen nieder, um zwei von ihnen zu töten.

Sie kam unten auf und kauerte sich zusammen zu einem kleinen Bündel Mensch, damit sämtliche gegen sie ausgeführten Hiebe ins Leere gingen. Und dann explodierte sie förmlich, sprang umher wie der sprichwörtliche Derwisch, ließ ihren Degen sprechen mit einer Virtuosität, der keiner der Männer gewachsen war. Sie wollten ihre Schläge parieren, starben jedoch, ehe es ihnen gelingen konnte.

Und dann wälzten sich die letzten von ihnen sterbend in ihrem eigenen Blut, während Jeannet die Szene verließ und weiterging, mit aufs äußerste angespannten Hexensinnen. Sie hatte plötzlich das Gefühl, hier würde etwas nicht stimmen. Von oben hatte es so ausgesehen, als sei genau hier die Verteidigungsfront am schwächsten. Dann waren die Schüsse erfolgt. Nein, das waren keine Waffen, die jene in Reserve gehalten hatten, sondern sie hatten sich in Deckung gekauert, so daß sie nicht einmal von oben gesehen werden konnten. Hier hatten sie sich konzentriert. Sie hatten an der allgemeinen Verteidigung überhaupt nicht teilgenommen.

Wieso?

Welchen Grund mochten sie gehabt haben?

Dafür gab es nur einen einzigen: Hier war etwas, was besonders hatte verteidigt werden sollen. Und sie konnte sich nicht vorstellen, daß es ansonsten keine weiteren Verteidiger mehr hier gab.

Kurz warf sie einen Blick zurück. Nein, ihre Leute brauchten im Moment noch nicht ihre Unterstützung. Sie konnte sich auf eigene Faust auf die Suche nach jenem Besonderen machen.

Vor ihr war die Back, der Aufbau auf dem Vorderschiff. Sie sicherte nach oben. Wenn sich hier das Besondere befand, wie sie es vermutete, dann konnte vom Backdeck aus ein Angriff erfolgen.

Sie schrie ihren Kampfschrei und trat gegen die Tür, die in die Back führte. Sie war verschlossen und ließ sich nicht durch einen einzigen Tritt öffnen.

Doch das war auch gar nicht die Absicht von Jeannet gewesen. Sie wich blitzschnell zur Seite hin aus und schmiegte sich an die Wandung.

Keine Sekunde zu früh, denn oben tauchten gleichzeitig zwei Männer auf. In jeder Hand hielten sie eine Pistole. Sie schossen genau dorthin, wo Jeannet sich Sekundenbruchteile vorher noch befunden hatte.

Jeannet ließ ihren Degen nach oben zucken, und einer der beiden röchelte sein verruchtes Leben aus. Der andere griff blitzartig nach hinten und brachte eine weitere Pistole zum Vorschein. Ehe er jedoch den Abzug betätigen konnte, trennte ihm Jeannet mit einem einzigen Hieb die Hand ab. Sie fiel mitsamt geladener Pistole nach unten. Als sie auf Deck aufkam, entlud sich die Waffe, aber die Kugel fuhr ins Leere.

Jeannet wartete gar nicht ab, bis die abgetrennte Hand das Deck erreichte. Sie griff schon vorher nach oben, erwischte den verhinderten Schützen am Rockaufschlag und riß ihn mit einem einzigen Ruck zu sich herunter.

Soviel Kraft hätte der Angreifer gar nicht in der Frau vermutet, obwohl er gewiß aus seiner Deckung heraus gesehen hatte, mit welcher Überlegenheit Jeannet zu kämpfen vermochte. Aber er machte sich weiter auch keine Gedanken darüber. Dafür sorgte der höllisch schmerzende Armstumpf.

Jeannet trat ihn rücklings zu Boden und stellte brutal ihren Fuß auf seine Kehle. Mit der Degenspitze zielte sie abwechselnd auf seine weitaufgerissenen Augen.

"Was bewacht ihr hier?" geiferte sie ihn an.

Er versuchte, zu spucken, aber Jeannet hatte rechtzeitig begriffen, daß der Mann nicht reden würde, und bereitete seinem Leben ein rasches Ende - schneller als er es eigentlich verdient hatte, ihrer Meinung nach.

Sie heftete ihren Blick auf die geschlossene Tür. Jeden weiteren Angreifer hätte sie aus den Augenwinkeln erkannt, aber es gab niemanden mehr, der die verborgene Kostbarkeit mit seinem Leben verteidigen wollte.

Jeannet nahm Anlauf und sprang mit beiden Füßen gleichzeitig gegen die Tür.

Es krachte zwar fürchterlich, aber die stabile Tür blieb verschlossen.

Jeannet wandte sich ab und sah nach ihren Leuten.

Egal, die Kostbarkeit konnte warten. Wenn sie erst mal im Besitz der Galeone waren und alle Verteidiger im Meer schwammen, war immer noch Zeit genug, die Tür aufzubrechen.

Schon wollte sie sich endgültig abwenden, als sie trotz des Kampfgetümmels mit ihren empfindlichen Ohren deutlich ein lautes Wimmern vernahm.

Sie blieb wie angewurzelt stehen und wandte sich erneut der Tür zu.

Das war von dort drinnen gekommen, ganz eindeutig!

Wer befand sich dort?

"Hilfe! So helft mir doch!" hörte sie jetzt den verzweifelten Ruf in schlechtem Englisch, gefärbt mit starkem spanischem Akzent.

"Siehe da", murmelte Jeannet unwillkürlich. "Dann ist diese behütete Kostbarkeit ganz schön lebendig und außerdem von spanischem Geblüt! Waren das doch nicht nur arme Aussiedler gewesen, die man auf dem Handelsschiff der Spanier abgeschlachtet hat? Aber was tat denn eine Frau auf jenem Schiff, die kostbar genug erschien, um sie als Gefangene mitzunehmen?"

Daß es sich um eine Frau handelte, war klar, aber Jeannet zügelte vorerst ihre Neugierde, um ihren Leuten zu Hilfe zu eilen, sofern diese überhaupt noch ihrer Hilfe bedurften.

Sie lief von der Tür fort, um den restlichen Verteidigern der Galeone wie ein wütender Berserker in den Rücken zu fallen.

Bevor diese überhaupt begriffen, daß jetzt die tödliche Gefahr auch aus einer ganz anderen Richtung drohte, waren sie bereits durch ihre Hand gestorben.

Achtlos stiegen die Piraten über sie, auf der Suche nach weiteren Überlebenden der Besatzung. Sie würden das ganze Schiff durchkämmen, damit ihnen auch ja kein einziger entkam. Erst wenn dies erledigt war, würden sie sich daran machen, die Ladung zu sichten und zu überlegen, wie man sie am besten in den eigenen Besitz brachte. Vielleicht würden sie auch am Ende versuchen, die Galeone ins Schlepptau zu nehmen, falls man sie nicht notdürftig manövrierfähig machen konnte? Dann würde ihnen nichts von der wertvollen Ladung entgehen, was sie hätten zurücklassen müssen, weil sie an Bord ihrer Fregatte keinen Platz mehr dafür hatten.

Jeannet winkte zwei ihrer kräftigsten Leute herbei und deutete auf die Tür.

"Dahinter verbirgt sich ein kleines, aber sehr lebendiges Geheimnis. Ein paar der Freibeuter haben es mit ihrem Leben verteidigt. Schade, daß davon am Ende nichts mehr übrigblieb."

Die beiden lachten häßlich, wie über einen Witz. Dann sahen sie sich nach einem von der geborstenen Schiffswandung übriggebliebenen Spriet um, den sie als Rammbock mißbrauchen konnten.

Lange zu suchen brauchten sie nicht. Damit machten sie sich daran, die Tür aufzubrechen.

Das Schreien und Wimmern auf der anderen Seite der Tür war verstummt. War die Gefangene vor Angst ohnmächtig geworden oder hoffte sie gar, das Aufbrechen der Tür würde ihre Rettung bedeuten?

>Sei da mal nicht so sicher!< dachte Jeannet im stillen, obwohl sie von vornherein wußte, daß sie der Gefangenen kein Härchen krümmen würde. Wieso auch? Sie war eine Unschuldige. Sie hatte gewiß nichts zu tun mit dem Schänden von Frauen und dem Abschlachten Unschuldiger.

Dennoch: >Mal sehen!<

*

Endlich gab die stabile Tür nach. Der gepanzerte Eingang zu einem Gefängnis hätte nicht hartnäckiger sein können. Sie zersplitterte am Ende regelrecht in ihrem Rahmen.

Drinnen blieb es verdächtig ruhig. Halbdunkel herrschte.

Jeannet kniff ihre blaßblauen Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Für einen Augenblick befürchtete sie, die wertvolle lebende Fracht der gekaperten Galeone hätte gar Selbstmord begangen, um einem vielleicht sogar noch schlimmeren Schicksal zu entgehen. Doch dann beruhigte sie sich selber: Nein, die Gefangene hatte keinen Grund, an eine Verschlimmerung ihrer Lage zu glauben. Bisher hatte man ihr jedenfalls keinen Grund gegeben.

Sie trat langsam näher und gebot den beiden, die in ihrem Auftrag die Tür aufgebrochen hatten, zurückzutreten. Nein, sie würde persönlich nachsehen. Keiner sonst sollte dies tun.

Mit angespannten Sinnen blieb sie kurz vor der Türhöhle stehen. Es war nichts zu sehen. Erst mußten sich die Augen an das Halbdunkel gewöhnen. Aber so lange wollte Jeannet nicht warten. Sie verließ sich dabei eben nicht allein auf ihre Augen, sondern auf alle anderen Sinne, die sie stets rechtzeitig vor Gefahren warnten.

Sie tat den entscheidenden Schritt - und duckte sich im gleichen Augenblick ab, weil sie mit ihrem übersensiblen Gehör ein verräterisches Zischen gehört hatte, als würde etwas mit tödlicher Präzision durch die Luft sausen. Es war ihr nicht entgangen, obwohl gleichzeitig rein zufällig irgendwo in der stark beschädigten Galeone mehrere Schreie aufgellten, um alles andere zu übertönen.

Noch im Abducken glitt sie gedankenschnell zur Seite. Dann drehte sie sich um sich selbst. Ihre Füße schabten über die Planken, als wollte sie darauf eislaufen. Ihr Körper bog sich schlangengleich, erreichte endlich die richtige Position - und das war neben der dunklen Gestalt, die aus der Deckung heraus in der Absicht angegriffen hatte, jeden Eindringling auf der Stelle zu töten. Aber die Angreiferin - denn es handelte sich mit Sicherheit um die Frau, die vorher so erbärmlich geklagt hatte, wie Jeannet überzeugt war - hatte nicht mit der unglaublichen Geschicklichkeit ihres Opfers gerechnet.

Alles nahm nur Sekundenbruchteile in Anspruch. Die Angreiferin hatte noch gar nicht begriffen, daß ihr tödlicher Stich ins Leere gegangen war, da wechselte ihre Waffe bereits die Besitzerin, bekam sie einen hart ausgeführten Stoß, der sie durch die Tür nach draußen taumeln ließ und erschien Jeannet hinter ihr, um triumphierend ihr Beutestück hochzuhalten: Ein abgebrochenes Stuhlbein, das so spitz war, daß man damit auch einen ausgewachsenen Stier hätte abstechen können.

Jeannet schürzte die Lippen und sah zu, wie sich die Gefangene fing, um den drohenden Sturz zu verhindern.

Wie eine Wildkatze, genauso fauchend, wirbelte sie um sich selbst und wollte erneut gegen Jeannet vorgehen, doch diese lachte nur schadenfroh.