Unter fremden Sternen - Die Frontier-Saga (2) - Ryk Brown - E-Book

Unter fremden Sternen - Die Frontier-Saga (2) E-Book

Ryk Brown

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Beschreibung

Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Aurora und seiner Besatzung...

Die Menschheit ist zu den Sternen aufgebrochen. Die Aurora, das Flaggschiff der vereinten Raumflotte, ist jedoch weit von ihrem geplanten Kurs abgekommen. Angeschlagen und mit hohen Verlusten suchen die Menschen unter dem blutjungen Captain Nathan Scott Zuflucht in einem fremden Sternensystem. Ihre wichtigste Aufgabe: so schnell wie möglich zur Erde zurückzukehren. Die Herausforderung: Keine fremde Macht im All darf von der Existenz der Aurora erfahren …

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Das Buch

Die Menschheit ist zu den Sternen aufgebrochen. Die Aurora, das Flaggschiff der vereinten Raumflotte, ist jedoch weit von ihrem geplanten Kurs abgekommen. Angeschlagen und mit hohen Verlusten suchen die Menschen unter dem blutjungen Captain Nathan Scott Zuflucht in einem fremden Sternensystem. Ihre wichtigste Aufgabe: so schnell wie möglich zur Erde zurückzukehren. Die Herausforderung: Keine fremde Macht im All darf von der Existenz der Aurora erfahren, denn sonst droht eine Invasion der Erde. Doch das ist gar nicht so leicht, ist doch der einzige Ausweg eine Zusammenarbeit mit einem zwielichtigen Händler, der auf einem abgelegenen Planeten Vorräte und Reparaturen für die Aurora organisieren soll. Für Scott und seine Crew beginnt ein riskantes Pokerspiel, denn ein erneuter Angriff auf das Schiff würde nicht nur das Ende für Aurora, sondern wahrscheinlich auch das Ende der Erdbevölkerung bedeuten …

Ryk Browns erfolgreiche Frontier-Saga erzählt die Abenteuer des Raumschiffs Aurora und seiner Crew:

Band 1: Der Flug der Aurora

Band 2: Unter fremden Sternen

Der Autor

Ryk Brown, Jahrgang 1960, ist mit NASA-TV-Übertragungen und Science-Fiction-Serien aufgewachsen und hat bereits in unzähligen Jobs gearbeitet. Zurzeit geht er tagsüber einer Arbeit in der Computerbranche nach, um des Nachts schreiben zu können. Mit seiner Frontier-Saga hat er in den USA einen E-Book-Hit gelandet. Ryk Brown lebt mit seiner Familie in Kalifornien.

www.twitter.com/HeyneFantasySF

@HeyneFantasySF

www.heyne-fantastisch.de

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THE FRONTIERS SAGA EPISODE 2: THE RINGS OF HAVEN

Deutsche Übersetzung von Norbert Stöbe

Deutsche Erstausgabe 04/2014

Redaktion: Werner Bauer

Copyright © 2012 by Ryk Brown

Copyright © 2014 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München

Satz: Schaber Datentechnik, Wels

ISBN: 978-3-641-12325-3V002

www.heyne-fantastisch.de

1

»Erbitte Lagebericht«, sagte Nathan, während er vom Bereitschaftsraum auf die Brücke trat. Obwohl er zu wissen glaubte, was ihn erwartete, war er ein wenig besorgt. Die Zeit war ihnen in den vergangenen Tagen lang geworden, doch nach dem vorausgegangenen Chaos stellte das hier eine willkommene Abwechslung dar.

»Die Nahortung hat ein Signal aufgefangen«, meldete Jessica. »Das betreffende Objekt ist noch ein ganzes Stück entfernt, nähert sich aber rasch.«

»Ist das unser Gast?« Die Frage war an Jalea gerichtet, die soeben die Brücke betreten und neben Nathan und Jessica Position bezogen hatte. Sie schaute auf das vor Jessica befindliche Display der Leitstelle und versuchte, das Schiff zu identifizieren; mit der Informationsdarstellung der bordeigenen Ortungssysteme war sie noch nicht vertraut.

»Wahrscheinlich ist er das«, meinte Jalea, »aber ohne mit ihm gesprochen zu haben, kann ich das nicht zweifelsfrei bestätigen.«

»Ich schlage vor, Gefechtsbereitschaft herzustellen, Sir«, drängte Jessica. »In Anbetracht der dezimierten Crew und der geringen Bewaffnung sollten wir sichergehen.«

»Einverstanden.«

»Captain«, protestierte Jalea, »Sie sollten alles unterlassen, was ihn provozieren könnte. Sollte er es sich anders überlegen, kann ich nicht versprechen, dass uns irgendjemand anders helfen wird.«

»Er ist immer noch unverändert schnell«, gab Jessica zu bedenken.

Nathan hörte die Anspannung aus ihrem Tonfall heraus. Jessica wirkte in Situationen wie dieser meistens ungewöhnlich ruhig, und wenn sie Anlass zur Sorge sah, hielt er es für geraten, ihrem Rat zu folgen.

»Alle Mann auf Gefechtsstation«, befahl er. »Geschütztürme aber noch nicht ausfahren.«

Das war nicht unbedingt das, was Jessica sich erhofft hatte, doch sie hatte Verständnis für seine Beweggründe. Das sich nähernde Raumschiff war verhältnismäßig klein, und abgesehen von seiner hohen Geschwindigkeit wirkte es nicht bedrohlich.

»Alle Mann auf Gefechtsstationen. Kein Waffeneinsatz. Aye, Sir.« Jessica löste den Alarm aus. Die Signalleuchten an den Deckenstreben, über den Luken und an den Wänden und Schotten wechselten von Grün nach Rot, und der Com-Offizier machte eine Durchsage: »Alle Mann auf Gefechtsstation. Ich wiederhole: alle Mann auf Gefechtsstation.«

»Wie lange noch bis zum Erreichen der Abfangentfernung?«

»Eine Minute«, antwortete Jessica. »Er verzögert noch immer nicht.«

»Ist er das?«, fragte Cameron, die gerade die Brücke betrat.

»Wissen wir noch nicht«, antwortete Nathan.

»Wie kann das sein?«, fragte Cameron verwundert, als sie ihren Platz an der Navigationskonsole einnahm.

»Sämtliche Stationen sind bemannt und gefechtsbereit«, meldete Jessica. »Noch dreißig Sekunden.«

Alle Blicke waren auf den Hauptmonitor gerichtet, der die vordere Hälfte der Brücke einnahm. Das sich nähernde Raumschiff war zunächst nur einer unter vielen Lichtpunkten inmitten der Schwärze des Weltraums, doch es wurde rasch größer, bis seine Form zu erkennen war. Es raste dicht an ihnen vorbei.

»Herrgott noch mal!«, rief Nathan aus. Die Brücke lag im Schiffsinneren, doch jedes Mal, wenn etwas dem Schiff so nahe kam, zog er unwillkürlich den Kopf ein.

»Er schwenkt herum«, meldete Jessica. »Er unternimmt einen neuen Anflug.« Sie verzog das Gesicht und biss die Zähne zusammen. Nathan merkte, dass sie ihre ganze Willenskraft aufbieten musste, um dieses unverschämte kleine Schiff nicht in seine Einzelteile zu zerlegen. »Ganz ruhig, Fähnrich«, murmelte Nathan, beugte sich zum Leitstand hinüber und schaute aufs Display. Jessica grinste nur spöttisch.

»Empfange Funkspruch«, meldete der Com-Offizier.

»Annehmen«, befahl Nathan und richtete sich auf.

»Aurora, hier spricht Tobin Marsh. Ich werde auf dem Flugdeck landen.« Die Verbindung brach gleich wieder ab.

»Kanal ist tot, Sir«, meldete der Com-Offizier.

»Was für ein arrogantes kleines Arschloch«, murmelte Jessica. Nach zwei Jahren bei den testosteronstrotzenden Spezialkräften hatte sie sich noch immer nicht an die zurückhaltenderen Umgangsformen auf der Brücke gewöhnt.

»Er möchte lediglich eine Position der Stärke aufbauen, bevor er mit uns über die Bedingungen für seine Unterstützung verhandelt«, erklärte Jalea. »Damit war zu rechnen.«

»Er macht eine Kehre und verzögert«, meldete Jessica. »Jetzt lässt er den Worten anscheinend Taten folgen. Sieht so aus, als wollte er landen.«

»Geh runter und nimm ihn in Empfang, Jess«, sagte Nathan. »Bring ihn in den Besprechungsraum.«

»Ja, Sir«, sagte sie und ging hinaus.

Nathan wandte sich an Jalea. »Können Sie für den Mann bürgen?«

»Wie ich schon sagte, es ist nicht das erste Mal, dass wir seine Dienste in Anspruch nehmen.«

»Jedenfalls versteht er es, sich einen großen Auftritt zu verschaffen«, bemerkte Cameron.

Am Fuß der Rampe wurde Jessica schon von Enrique Mendez erwartet, ihrem Kollegen von den Spezialkräften. Er hatte eine automatische Nahkampfwaffe geschultert; an seinem Gürtel war ein Pistolenhalfter befestigt.

»Na, hast du mich vermisst?«, Enrique reichte Jessica lächelnd eine Waffe. Er glaubte, mit diesem Lächeln könnte er bei jeder landen, also auch bei ihr. Sie hatte ihm allerdings schon mehr als einmal gesagt, dass es bei ihr nicht funktionierte, doch er wollte nicht auf sie hören.

»Wurdest du schon wieder diensttauglich erklärt?« Sie schaute auf seine Hüfte. Unter der Hose zeichnete sich ein dicker Verband ab.

»Ich habe nicht danach gefragt«, erklärte er. Jessica schüttelte missbilligend den Kopf, als sie die Waffe entgegennahm. »Hey, ich bin wieder voll da, Baby.«

»Ach, wirklich?« Im Vorbeigehen klopfte sie auf die Stelle, an der er sich vor ein paar Tagen verletzt hatte. Er zuckte zusammen.

»Verdammt, Jess. Das war nicht nett«, schimpfte er und schloss sich ihr an.

Sie gingen den Flur entlang und traten durch die Hauptluke in den Hangar. Dort trafen sie auf zwei Marines, Sergeant Weatherly und Sergeant Holmes. Die beiden waren außer ihr selbst die einzigen guten Schützen an Bord.

»Vermutlich hält sich nur eine Person an Bord des Raumschiffs auf«, sagte sie. »Könnte aber sein, dass der Besucher ein bisschen arrogant ist. Jedenfalls wollen wir kein Risiko eingehen. Verstanden?«

»Ja, Sir«, sagten beide.

»Enrique, du und Holmes, ihr übernehmt die Steuerbordseite. Wir gehen nach Backbord. Angriffswinkel fünfundvierzig Grad. Sollte es hässlich werden, versucht den Gegner zu verletzen, aber keinesfalls zu töten.« Sie wartete die Bestätigung nicht ab, sondern trabte gleich nach rechts und rückte an der Hangarwand vor bis zu ein paar großen Containern. Enrique und Holmes gingen an der anderen Seite in Stellung.

»Wir sind in Position«, informierte sie über die Com-Verbindung die Brücke.

»Verstanden. Die Luftschleuse ist fast gefüllt. Das Tor sollte jeden Moment aufgehen«, erwiderte Nathan.

Kurz darauf verschwand das große Tor der mittleren Schleuse in der Decke, untermalt vom Betriebsgeräusch der Antriebsmotoren. Dahinter kam das Raumfahrzeug zum Vorschein, das eben noch wie ein zorniges Insekt die Aurora umschwirrt hatte. Sie beobachteten, wie das Raumschiff langsam aus der Schleuse in den Hangar rollte. Hinter ihm senkte sich automatisch das Tor. Zwar waren sie ohne Hilfsshuttle an Bord von der Erde gestartet, doch die Schleusen waren darauf programmiert, Start und Landung von Raumschiffen selbsttätig abzuwickeln.

Anders als vor zwei Tagen, als sie Maraks Raumschiff erwartet hatten, war der Hangar diesmal vollständig erleuchtet, und Jessica verzichtete darauf, sich vor dem Gast zu verstecken. Um sein arrogantes Auftreten zu kontern, wollte sie ihm klarmachen, dass er sie nicht einschüchtern konnte. Das war eine Facette der psychologischen Kriegsführung, die sie bei der Ausbildung der Spezialkräfte gelernt hatte.

Das kleine Raumschiff kam zum Stehen, der Antrieb wurde heruntergefahren und stieß dabei Gase unbekannter Zusammensetzung aus. Der lang gestreckte, zylindrische Rumpf des Schiffes glich einer platt gedrückten Zigarre mit Stummelflügeln und zwei Triebwerken am Heck. Der Rumpf wies zahlreiche Auslässe von Manövrierdüsen auf, doch so weit Jessica das erkennen konnte, war es unbewaffnet.

Einen Meter hinter dem Cockpit schwang eine kleine Luke nach unten und entfaltete sich zu einer Rampe mit kleinen Stufen. Ein schlanker Mann Mitte dreißig, mit tiefschwarzem Haar und melodramatischem Spitzbart, trat aus der Öffnung und schaute sich um. Als er die vier auf ihn gerichteten Waffen bemerkte, hob er sogleich die Arme und zeigte seine leeren Hände vor. »Ich bin unbewaffnet«, sagte er. »Von mir geht keine Gefahr aus.«

»Behalten Sie die Hände oben, damit ich sie sehen kann, dann gibt es keine Probleme«, sagte Jessica selbstsicher.

Der Mann musterte sie einen Moment lang, dann kam er zu dem Schluss, dass sie nicht der Typ war, dem es moralische Skrupel bereitete, notfalls den Abzug zu drücken. »Wie Sie meinen«, sagte er und reckte die Arme noch ein bisschen höher, während er die Rampe herunterstieg. »Bitte nicht schießen. Ich bin auf Jalea Torrens Wunsch hergekommen. Sie befindet sich doch an Bord, oder?«

»Ja«, bestätigte Jessica. Der Mann näherte sich ihr. »Das reicht«, setzte sie in schärferem Ton hinzu. »Bitte legen Sie die Hände auf den Kopf. Bewegen Sie sich nicht, und alles wird gut.« Jessica richtete sich auf, ging auf ihn zu und bedeutete Enrique, es ihr nachzutun. Weatherly und Holmes blieben in Deckung, um den beiden Fähnrichen notfalls Feuerschutz zu geben.

Plötzlich schloss sich die Raumschiffluke selbsttätig, und Jessica blieb abrupt stehen. »Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen sich nicht bewegen!«, sagte sie warnend.

»Das habe ich auch nicht. Ehrlich«, versicherte ihr der Mann. »Die Luke hat sich automatisch geschlossen.«

»Ist damit zu rechnen, dass sich noch irgendwas bewegt – automatisch, meine ich?«, fragte sie, die Waffe auf sein Gesicht gerichtet.

»Nein. Mein Schiff hat sich nur gesichert.«

»Durchsuchen.«

Enrique näherte sich dem Mann vorsichtig und klopfte ihn nach versteckten Waffen ab.

Der Mann reagierte überrascht. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich unbewaffnet bin.«

»Ein Mädchen kann nie vorsichtig genug sein«, meinte Jessica sarkastisch. Der Mann erwiderte ihr Lächeln.

»Stimmt«, sagte er. »Ich nehme an, Sie werden mich jetzt zu Ihrem Captain bringen?«

»Hier entlang«, sagte Jessica und bedeutete dem Fremden, ihrem Teamkollegen zu folgen.

Tobin Marsh betrat selbstsicher den Besprechungsraum. Als er Jalea bemerkte, streckte er die Arme aus, fasste sie bei den Schultern und küsste sie auf beide Wangen, dann begrüßte er sie charmant und freundlich in ihrer Sprache. Jalea wandte sich an Nathan und Cameron, die beide an der anderen Tischseite standen.

»Tobin Marsh«, sagte Jalea auf Englisch, »ich möchte Ihnen Captain Nathan Scott und Commander Cameron Taylor von der Aurora vorstellen.«

»Es ist mir eine große Freude, Ihrer beider Bekanntschaft zu machen«, sagte Tobin in korrektem Englisch. Sein Akzent war ein wenig anders als der von Jalea. Seine Syntax wirkte angestrengter, obwohl er sich merklich bemühte, korrektes Angla zu sprechen. »Ich nehme an, mein unorthodoxer Auftritt hat Ihr Misstrauen geweckt«, setzte er mit einem Seitenblick auf Jessica hinzu, die hinter Nathan und Cameron an der Wand Aufstellung genommen hatte. Tobin schüttelte erst Cameron die Hand und dann Nathan.

»Ja, Ihr Verhalten wirkte ein wenig aggressiv«, bestätigte Nathan höflich, »doch da wir uns in dieser Raumregion nicht auskennen, wollten wir dem keine übergroße Bedeutung beimessen.«

»Ach, Sie sind fremd hier? Das habe ich nicht gewusst.« Tobins Neugier war geweckt. »Aus welcher Region stammen Sie?«

Nathan fing Camerons warnenden Blick auf. »Unsere Heimat ist recht weit entfernt. Dabei wollen wir es für den Augenblick bewenden lassen.«

»Tatsächlich? Das ist ja interessant, Captain. Weshalb machen Sie aus Ihrer Herkunft ein solches Geheimnis?«

»Wir haben uns eben erst kennengelernt, Sir. Unsere Herkunft hat nichts damit zu tun, dass wir Sie um Unterstützung bitten. Es sei denn, Sie machen die Kenntnis unserer Heimatwelt zur Vorbedingung dafür, dass Sie uns helfen. In diesem Fall möchten wir Ihre kostbare Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.« Nathan staunte, wie leicht es ihm fiel, seine Äußerungen mit der entsprechenden Körpersprache zu untermauern. Offenbar hatte in den Jahren, da er seinen Vater in der politischen Arena beobachtet hatte, doch einiges auf ihn abgefärbt.

»Das ist keine Vorbedingung, Captain«, erklärte Tobin. Er hatte zu viel Erfahrung mit solchen Verhandlungen, um eine unangemessene Reaktion auf Nathans Haltung an den Tag zu legen. »Das war reine Neugier, und dafür entschuldige ich mich.« Tobin zeigte mit einer Neigung des Kopfes an, dass er Nathans Wunsch nach Geheimhaltung respektieren würde. »Und jetzt sagen Sie mir bitte, Captain, auf welche Weise ich Ihnen helfen kann.«

»Diese Leute brauchen viele Dinge«, ergriff Jalea das Wort. »Vor allem einen Ort, wo sie ihr Raumschiff instandsetzen und ihre Nahrungsmittelvorräte aufstocken können.« Jalea blickte Tobin ernst in die Augen. »Und das alles sollte … diskret vonstattengehen.«

»Ja, ja, das haben Sie schon in der Funknachricht anklingen lassen. Es sollte nicht besonders schwierig sein, Ihre Wünsche zu erfüllen«, versicherte ihnen Tobin, »zumal im Hafensystem. Schließlich ist Diskretion der Hauptgrund, weshalb die Leute hierherkommen. Allerdings würde ich ein beträchtliches Risiko eingehen, wenn ich auf Ihre Wünsche eingehe, deshalb muss ich genau wissen, wessen Aufmerksamkeit Sie entgehen wollen.« Tobin lächelte, offenbar entschlossen, in diesem Punkt standhaft zu bleiben.

»Wir hatten unvorhergesehenen – und ich möchte betonen: gänzlich unverschuldeten – Ärger mit einer gewissen Regierung«, erklärte Nathan.

»Ja. Ich habe beim Anflug die Schäden an Ihrem Schiff bemerkt. Offenbar haben Sie sich ganz beträchtlichen Ärger eingehandelt. Ich nehme an, bei der Regierung handelt es sich um dieselbe, mit der auch unsere gemeinsame Freundin Jalea keine guten Beziehungen unterhält?«

Nathan fand es amüsant und ein wenig ernüchternd, dass Verhandlungen hier nach den gleichen Regeln geführt wurden wie auf der Erde. »Diese Annahme ist zutreffend.«

»Verstehe.« Tobin streichelte sich den Spitzbart und tat so, als überlege er. Nathan wusste ganz genau, dass er die gewünschten Dienstleistungen erbringen konnte. Tobin wäre nicht mit einem kleinen Raumschiff über einen Tag lang geflogen, wenn er nicht die Absicht gehabt hätte, mit ihnen ins Geschäft zu kommen.

»Dann sind Sie also in der Lage, unsere Wünsche zu erfüllen?«

»Ja, Captain. Ich glaube, wir können zu einer Vereinbarung gelangen.«

»Und an welche Art von Gegenleistung haben Sie gedacht?« Nathan wollte sich eine böse Überraschung ersparen.

»Bitte, Captain. Ich bin nur deshalb hergekommen, weil ich nicht nur Jalea, sondern auch vielen anderen ihres Volkes gegenüber in der Schuld stehe.«

»Ich bitte um Verzeihung, Tobin, aber es muss doch irgendwie möglich sein, Sie zu entschädigen. Das erscheint mir nur fair, denn uns schulden Sie nichts.«

»Sie haben mich ganz richtig verstanden, Captain. Wie ich sehe, sind Sie klüger, als man aufgrund Ihres Alters erwarten sollte.« Tobin lächelte wieder. Nathan wartete darauf, dass der Besucher die Katze aus dem Sack ließ. »Sie haben recht. Es gibt eine Möglichkeit, wie wir alle mit Gewinn aus dieser … Lage herauskommen. Sagen Sie, Captain, wie viel hat Jalea Ihnen über Safe Haven erzählt?«

»Bislang haben wir kaum über das System gesprochen. Wir waren in den vergangenen Tagen ziemlich beschäftigt. Vielleicht möchten Sie uns ins Bild setzen?«

»Gern.« Tobin lehnte sich zurück. »Safe Haven, unser Safe Haven also, ist eine Art Zufluchtsort. Hierher kommen Menschen und Raumschiffe, die eine diskrete Anlaufstelle suchen. Außerdem ist der Planet ein Freihandelszentrum für verschiedene Waren.«

Nathan lehnte sich zurück, während Tobin mit seiner Beschreibung der Welt fortfuhr. »Das müssen die Weltraumpiraten sein, die du erwähnt hast«, scherzte er halblaut. Cameron rollte mit den Augen und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Tobin, der die Bemerkung nicht mitbekommen hatte.

»Könnten wir uns dort verstecken, obwohl so viele Raumschiffe in dieser Region unterwegs sind?«

»Die meisten Einnahmen erzielt Safe Haven mit der Nutzung seines Ringsystems. Im Hafensystem gibt es nur einen einzigen Planeten, einen Gasriesen mit zahlreichen Monden. Haven City und der einzige Raumhafen des Systems liegen auf einem dieser Monde. In den Planetenringen finden sich alle möglichen Erze, Mineralien und Wassereis. Die Atmosphäre des Planeten enthält zudem viele nützliche Gase. Schiffe aus der ganzen Region füllen ihre Frachträume mit den hier geförderten Ressourcen und entrichten dafür den Mächten, die das System kontrollieren, Zoll.«

»Dann gibt es also eine Regierung?« Nathan hatte Sorge, es könnten sich durch das Vorhandensein einer Bürokratie Komplikationen ergeben.

»Von einer Regierung würde ich nicht sprechen, Captain. Es handelt sich eher um ein Familienunternehmen. Jedenfalls würde ich Ihnen raten, ihm den gleichen Respekt entgegenzubringen wie einer legitimen Regierung, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Gewiss.«

»Und was die Geheimhaltung betrifft, so geht es allein darum, die Ringe nutzen zu dürfen wie jedes andere Schiff. Glauben Sie mir: Solange Sie einen gültigen Transponder zur Identifizierung an Bord haben, wird niemand Notiz von Ihnen nehmen. Tag für Tag fliegen hier so viele Raumschiffe ein und aus, dass es niemanden kümmert, was Sie hier tun, solange Sie nicht um sich schießen.«

»Und inwiefern profitieren Sie von diesem Arrangement?«

»Ah, ja.« Tobin grinste schief. »Sollten Sie zusätzliche Güter von den lukrativen Märkten von Haven City benötigen, müssen Sie dafür bezahlen. Nichts für ungut, Captain, aber Ihr Schiff macht nicht den Eindruck, als habe es große Reichtümer an Bord. Wenn Sie sich als Ernteraumschiff tarnen, schicke ich Ihnen ein Ernteteam von Safe Haven hoch. Das würde Ihr Schiff dann als Basis für den Ernteeinsatz nutzen. Ein Teil der geernteten Materialien kann für den Erwerb der von Ihnen benötigten Vorräte verwendet werden. Und Sie müssen natürlich auch die Arbeiter entlohnen und mich für meine Vermittlertätigkeit entschädigen.«

»Verstehe.« Nathan sah Cameron und Jalea an. Beide ließen nicht erkennen, wie sie zu Tobins Vorschlag standen. Er zögerte, Jessica anzusehen, denn er ahnte, was sie davon halten würde, noch mehr Fremde an Bord zu holen. »Das ist ein sehr interessanter Vorschlag«, erwiderte er schließlich. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich mich kurz mit meiner Crew bespreche.«

»Ganz und gar nicht, Captain. Ganz und gar nicht.«

»Danke.« Nathan wandte sich an Jalea. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, unseren Gast ein wenig herumzuführen? Wir geben Ihnen Bescheid, sobald wir die Unterhaltung fortsetzen können.«

»Wie Sie wünschen, Captain.« Jalea erhob sich und wandte sich zum Ausgang.

»Ich bin gespannt auf Ihre Entscheidung, Captain«, sagte Tobin und erhob sich ebenfalls.

»Ich werde mich bemühen, Sie nicht lange warten zu lassen.« Nathan nickte ihm lächelnd zu, dann verließen Tobin und Jalea den Raum, gefolgt von einem der Marines. Nathan bedeutete Jessica und Cameron mit erhobener Hand zu warten, bis die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte.

»Okay, dann schießt mal los«, sagte er, als die Tür ins Schloss gefallen war.

»Ich traue beiden nicht«, sagte Cameron.

»Das versteht sich von selbst«, meinte Nathan und lehnte sich zurück. »Aber wir müssen irgendetwas tun. Wir können nicht einfach nur herumsitzen und Däumchen drehen.«

»Warum eigentlich nicht?«, fragte Cameron. »Es muss ja nicht ewig so bleiben. Warum sollten wir nicht hier warten und alle Schäden beheben, bevor wir weiterfliegen? Das ist weniger riskant, als in ein System einzufliegen, von dem wir nicht wissen, was uns da erwartet.«

»Und wovon sollen wir leben, Cam? Wir ernähren uns jetzt schon von Nüssen und Dörrobst. Und selbst das reicht nur noch ein, zwei Tage.«

»Ich weiß es nicht, Nathan. Vielleicht könnten wir irgendetwas gegen Nahrung eintauschen. Vielleicht könnte dieser Tobin uns Vorräte bringen.«

»Ich glaube nicht, dass er dazu bereit wäre. Offenbar hat er einen größeren Deal im Sinn.«

»Ja, das fürchte ich auch«, sagte Cameron.

Nathan wandte sich an Jessica. »Du bist so still. Du hast doch bestimmt auch eine Meinung dazu.«

Jessica, die bis jetzt an der Wand gelehnt hatte, kam herüber, setzte sich auf die Tischkante und schaute sie beide an. »Ich finde, die Sache stinkt; das ist offensichtlich. Andererseits haben wir wohl keine Wahl. Wir brauchen dringend Nahrungsmittel. Wir müssen unsere Vorräte aufstocken. Vor allem aber brauchen wir Informationen, und zwar eine ganze Menge mehr, als Jalea preisgibt. Wir können nicht zur Erde zurückspringen oder uns den Weg freischießen, nein, wir müssen uns etwas überlegen. Und deshalb müssen wir genau wissen, woran wir sind. Das heißt, wir können uns nicht hier draußen im leeren Raum verstecken. Wir müssen mit den Einheimischen auf Tuchfühlung gehen. Wir müssen mit ihnen interagieren. Das ist die einzige Möglichkeit, verlässliche Informationen zu bekommen.«

Nathan sah Cameron an. »Ich glaube, sie hat recht.«

»Ja, ich weiß.« Cameron war offensichtlich frustriert. Sie flogen ins Unbekannte, und das behagte ihr nicht. »Mir wär’s lieber, wir könnten vorher mehr in Erfahrung bringen.«

»Ich denke, das ist der Punkt.« Nathan wandte sich wieder Jessica zu. »Was also schlägst du vor?«

»Wir müssen ein Bein auf den Boden kriegen. Mit unseren eigenen Augen und Ohren so viele Informationen sammeln wie möglich.«

»Willst du auf dem Planeten landen?«

»Ich schlage vor, dass wir beide dort landen, natürlich nicht ohne Rückendeckung.«

»Wir beide? Warum gerade ich?« Ihr Vorschlag kam für Nathan völlig überraschend.

»Du verstehst dich anscheinend auf Verhandlungsführung. Du kommst gut mit Menschen klar. Aber du bist kein besonders guter Beobachter.«

»Ich werde dran arbeiten, versprochen«, sagte er.

»Da komme ich ins Spiel.«

»Und du glaubst, es gäbe genug Platz in seinem kleinen Raumschiff für drei Personen?«, wandte Cameron ein.

»Wenn nicht, kann er bestimmt ein passendes besorgen«, entgegnete Jessica. »Offenbar ist es nicht besonders weit bis zu diesem SicherenHafen.«

»Dann machen wir das so«, sagte Nathan und sah beide nacheinander an. Mit Jessica war er sich einig. Cameron sah die Sache anders.

»Tut mir leid, Cam. Zwei zu eins; du bist überstimmt.« Er lächelte. »Ruf sie wieder rein«, sagte er zu Jessica.

»Das hier ist keine Demokratie«, rief Cameron ihm finster in Erinnerung. »Du bist der Captain. Du brauchst nicht abstimmen zu lassen.«

»Hey, ganz locker. Ich bin noch neu im Job, hast du das vergessen?«

Kurz darauf kehrten Tobin und Jalea mit ihrer Eskorte in den Besprechungsraum zurück. Nach dem Austausch einiger Höflichkeitsfloskeln kam Nathan zur Sache. »Wir haben uns entschieden, Ihr Angebot anzunehmen, Mister Marsh. Aber es gibt ein paar Bedingungen.« Da Tobin schwieg, fuhr Nathan fort: »Erstens darf sich das von Ihnen zur Verfügung gestellte Personal ausschließlich im Hangar aufhalten. Wer sich außerhalb des Hangars herumtreibt, wird festgesetzt. Zweitens werden alle Aktivitäten im Hangar von unserem bewaffneten Personal beobachtet, das Anweisung hat, notfalls tödliche Waffen einzusetzen.« Nathans Miene wurde ernst. »Diese Punkte stehen nicht zur Disposition. Wir befinden uns in einer unbekannten Raumregion. Ihrer Schilderung nach ist Safe Haven alles andere als ein sicherer Ort, zumal für Fremde wie uns. Ich hoffe, unsere Bedingungen sind für Sie akzeptabel.«

»Natürlich, Captain. Ich habe Verständnis für Ihren Wunsch, die Sicherheit Ihres Raumschiffs zu gewährleisten, zumal in Anbetracht der Verwicklungen in jüngster Vergangenheit«, sagte er diplomatisch.

»Und noch etwas: Falls Sie genug Platz in Ihrem Raumschiff haben, würden zwei von uns Sie gerne zur Stadt begleiten und sich dort ein wenig umschauen.«

Das passte Tobin anscheinend gar nicht. »Captain, Sie selbst haben gerade auf die in Haven City für Ortsfremde bestehenden Gefahren hingewiesen. Ein Besuch scheint mir zu diesem Zeitpunkt zu riskant. Auf Safe Haven ist es manchmal ausgesprochen gefährlich.«

»Ich glaube, wir können auch mit unerwarteten Ereignissen umgehen. Aber ich weiß Ihre Besorgnis zu schätzen.«

Tobin sah ein, dass Nathan sich von einem Besuch auf Safe Haven nicht würde abbringen lassen, deshalb stellte er seinen Widerstand ein. »Wie Sie wollen, Captain. Ich kann mit meinem Raumschiff bis zu sechs Passagiere befördern. Aufgrund des beschränkten Raumangebots würde ich vorschlagen, dass wir erst dann an Bord gehen, wenn Sie Ihr Schiff in den Ringen von Safe Haven in Position gebracht haben.«

»Einverstanden«, sagte Nathan. »Und was Ihre Aufwandsentschädigung angeht: Wir beanspruchen nur so viel von den geernteten Ressourcen, wie wir für die Bezahlung der erworbenen Vorräte benötigen. Den gesamten Überschuss können Sie aufteilen, wie es Ihnen zweckmäßig erscheint.«

Tobin staunte kurz über Nathans überraschendes Angebot. »Das ist sehr großzügig von Ihnen, Captain. Dürfte ich fragen, wie lange Sie in unserem System zu bleiben gedenken?«

»Solange es nötig ist, um die benötigten Vorräte aufzunehmen. Länger zu bleiben, wäre … unklug.« Nathan lächelte.

»Na schön, Captain. Dann sind wir uns also einig«, sagte Tobin, erhob sich und streckte die Hand aus.

»Ich denke schon«, sagte Nathan und schüttelte Tobin die Hand.

»Wie lange werden Sie brauchen, um Safe Haven anzufliegen?«

Nathan blickte Cameron fragend an. »Etwa sieben Stunden«, sagte sie.

»Sie haben erwähnt, Sie hätten uns einen Transponder mitgebracht.«

»Ja. Das Gerät wird Sie als volonesisches Frachtschiff ausweisen«, erklärte Tobin. »Die kommen in unterschiedlichen Typen vor und sind häufig in dieser Raumregion anzutreffen. Selbst wenn jemand Ihr Schiff in Augenschein nehmen sollte, würde er kaum Verdacht schöpfen. Und falls doch, so ist Volon ausreichend weit entfernt. Ihre Identität zu bestätigen würde länger dauern als Ihr Aufenthalt im System.«

»Und wie lange dauert es, das Gerät zu installieren?«

»Eine knappe Stunde, würde ich sagen. Dazu benötige ich die Unterstützung eines Ihrer Techniker.«

»Darum kümmere ich mich«, versprach Nathan. »Jalea, würden Sie Mister Marsh bitte in den Maschinensektor bringen? Ich benachrichtige in der Zwischenzeit den Leitenden.«

Jalea nickte, erhob sich und geleitete Tobin hinaus, auch diesmal wieder gefolgt von der bewaffneten Eskorte. Als sie gegangen waren, wandte Nathan sich an Jessica.

»Du brauchst gar nichts zu sagen«, meinte sie beim Hinausgehen. »Ich sorge schon dafür, dass sie unter ständiger Beobachtung stehen.«

»Danke.« Nathan wandte sich an Cameron. Ihrem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass sie seinen Plan missbilligte. »Ich weiß, Cam. Ich bin auch nicht gerade begeistert von der Sache. Sag Abby, sie soll für den Notfall einen Sprung berechnen und sich bereithalten.«

»Da kannst du dich drauf verlassen«, sagte sie und erhob sich.

»Wir fliegen los, sobald der Transponder installiert und einsatzfähig ist.«

»Ja, Sir«, sagte sie widerstrebend und wandte sich zum Ausgang. »Ich hoffe, du weißt, was du tust.«

»Allerdings«, erwiderte er. Nathan lehnte sich zurück und atmete langsam aus. Ihm schwirrte der Kopf bei dem Gedanken an das, was vor ihnen lag. Erst vor wenigen Tagen waren sie von der Erde zu einem Testflug gestartet. Nach einer Reihe unvorhergesehener Ereignisse waren sie mit einem schwer beschädigten Schiff und stark dezimierter Besatzung tausend Lichtjahre von der Heimat entfernt gestrandet. Die Nahrungsvorräte waren so gut wie erschöpft, und sie hatten noch immer keine Ahnung, wie sie wieder nach Hause gelangen sollten. Jetzt sah es wenigstens so aus, als müssten sie nicht verhungern.

»Vielleicht haben Sie ja den falschen Code eingegeben.« Wladimir war frustriert. Schon seit über einer Stunde bemühten sie sich, Tobins Transponder mit dem Navigationsstrahl der Aurora zu verbinden, und allmählich verlor er die Geduld mit der unbekannten Technik.

»Es wird schon funktionieren«, beharrte Tobin. »Es braucht eben seine Zeit. Ihr Schiff befindet sich weit außerhalb des Systems. Es dauert mehrere Stunden, bis das Signal Safe Haven erreicht, und die gleiche Zeit, bis das Bestätigungssignal bei uns ankommt.«

»Und wozu brauchen wir das Gerät?«

»Alle Raumschiffe, die ins System einfliegen, müssen sich bei der Systemaufsicht registrieren. Das beinhaltet einen mehrstündigen Aufenthalt im Raumhafen, eine gründliche Inspektion und die Einrichtung von Handelskonten. Die Prozedur ist ziemlich umständlich und mit Ihrem Wunsch nach Diskretion unvereinbar. Dieses Gerät weist Ihr Schiff als Eigentum einer kleinen Gesellschaft aus, die hin und wieder in den Ringen tätig ist. Wenn das Transpondersignal empfangen wird, loggt die Aufsicht Sie in ihr Trackingsystem ein und berechnet Gebühren für die Dauer Ihres Aufenthalts im System. Niemand wird das je überprüfen.«

»Gebühren? Wir müssen Gebühren bezahlen? Und was ist, wenn wir nicht zahlen können?«, fragte Wladimir. Er war sich ziemlich sicher, dass die Aurora keine nennenswerten Zahlungsmittel an Bord hatte.

»Das wäre nicht gut«, antwortete Tobin. »Die Familie, die Safe Haven gegenwärtig kontrolliert, ist nicht gerade für ihre Rücksichtnahme bekannt.«

»Woher haben Sie das Gerät?«

»Jeder kann sich einen Transponder kaufen«, erklärte Tobin. »Einen Code ohne Registrierung zu erwerben, das ist schon schwieriger. Zum Glück kenne ich die richtigen Leute, die an den richtigen Stellen sitzen.«

»So einfach ist das?« Wladimir traute dem Fremden nicht.

»Dass es einfach wäre, habe ich nicht gesagt«, entgegnete Tobin, »aber Safe Haven hat vieles zu bieten, wenn man weiß, wo man suchen muss.«

Wladimir lächelte ebenfalls, als ihm klar wurde, dass es überall, wo man hinkam, einen Schwarzmarkt gab. Das war in diesem Teil der Galaxis anscheinend auch nicht anders.

»Ich glaube, alles läuft gut«, versicherte ihm Tobin, während er einen Code eingab. Als er die letzte Taste drückte, wurde der Bildschirm schwarz, dann wurde ein einzelnes Wort angezeigt. Es war fett geschrieben und blinkte dreimal, bevor die Anzeige konstant blieb. Doch es war in Angla geschrieben, dessen Buchstaben trotz aller Ähnlichkeiten mit dem gesprochenen Englisch ein wenig fremdartig wirkten.

»Was bedeutet das?«, fragte Wladi.

»Das Gerät ist jetzt gesperrt«, antwortete Tobin unbekümmert.

»Gesperrt? Was heißt das?« Wladimir gefiel der Klang des Wortes nicht.

»Solange es nicht mit dem Code gesperrt wurde, kann es von der Aufsicht nicht validiert werden.«

Wladimir gefiel die Vorstellung, dass etwas gesperrt wurde, noch immer nicht, doch Tobins Erklärung erschien ihm triftig. »Wie erfahren wir, dass wir gefahrlos in das System einfliegen können?«

»Wenn Sie bei der Annäherung an Safe Haven nicht angegriffen werden, wissen Sie es.«

Wladimir hob skeptisch eine Braue.

»Keine Sorge; es wird schon gutgehen. Ich mache das nicht zum ersten Mal«, versicherte ihm Tobin.

»Verzeihung, ich wollte nicht Ihre Kompetenz anzweifeln. Mir kommt das bloß ein bisschen zu einfach vor.«

»Ja, natürlich. Aber Sie sollten wissen, dass die Familie gar nicht so genau wissen will, ob Sie tatsächlich der sind, für den Sie sich ausgeben. Ihr ist allein an der Bezahlung gelegen. Solange Sie die Gebühren entrichten, wird man Ihre Identität nicht in Zweifel ziehen.« Tobin erhob sich, zufrieden damit, dass die Installation abgeschlossen war. »Sie können Ihrem Captain jetzt sagen, dass er problemlos in das System einfliegen kann.«

»Maschinenraum an Brücke«, tönte Wladimirs Stimme aus dem Lautsprecher.

Nathan stand neben dem Com-Offizier, der so lange, bis die eigentliche Com-Station im hinteren Teil der Brücke instandgesetzt war, die backbordseitige Hilfsstation nutzte. Er bedeutete dem Offizier, die Verbindung herzustellen, dann sagte er: »Ich höre, Wladi. Schieß los.«

»Nathan, der Transponder ist installiert und funktioniert angeblich. Tobin meint, wir können jederzeit loslegen.«

»Ausgezeichnet. Brücke, Ende.« Nathan wandte sich wieder an Jessica, die an der Leitstelle stand. »Irgendwelche Ortungen?«

»Seit Tobins Landung hat sich nichts mehr getan«, antwortete sie.

»Kaylah, sendet das Ding?«, fragte Nathan Fähnrich Yosef, die Wissenschaftsoffizierin, die seit ein paar Tagen die Sensoren beaufsichtigte.

»Ja, Sir, es sendet. Regelmäßige Impulse, Breitband, ungerichtet. Allerdings wird es ein paar Stunden dauern, bis das Signal Safe Haven erreicht, Sir.«

»Dann würden wir also kurz nach dem Eintreffen des Signals dort ankommen?«

»Ja, Sir, ein paar Stunden später, abhängig von unserer Annäherungsgeschwindigkeit.«

Nathan drehte sich zu Jalea herum, die in der Nähe des Backbordeingangs stand. »Kann man uns hier draußen orten?«

»Ich glaube nicht, dass der weitere Umkreis des Systems regelmäßig gescannt wird. Dafür gibt es keinen Anlass. Und selbst wenn, wäre ein einzelnes Raumschiff in dieser Entfernung schwer zu orten, zumal wenn es sich bewegt.«

»Vielleicht wäre es besser, wenn wir nicht ständig an derselben Stelle hocken würden«, setzte Jessica hinzu. »Das könnte Verdacht erregen.«

»Gutes Argument«, meinte Nathan. »Cameron, ich nehme an, du hast den Kurs ins System bereits berechnet.«

»Selbstverständlich«, antwortete sie. »Schon vor Stunden.«

»Doktor Sorenson«, sagte Nathan, »haben Sie einen Fluchtsprung berechnet?«

»Etwa ein Dutzend Varianten, verteilt über die gesamte Länge des Anflugkurses«, antwortete sie.

»Ausgezeichnet.« Nathan überlegte einen Moment, denn er wollte keinen Fehler machen. »Dann los. Com-Offizier, machen Sie eine Durchsage, dass alle sich auf die Beschleunigung vorbereiten sollen.«

»Aye, Sir«, bestätigte der Com-Offizier.

»Navigation, Kurs nehmen auf Safe Haven. Bring das Schiff schnellstmöglich auf Maximalgeschwindigkeit und verzögere dann kontinuierlich. Ich möchte, dass es so aussieht, als wären wir gerade erst mit ÜLG hier angekommen.«

»Aye, Captain. Beschleunige auf maximale Unterlichtgeschwindigkeit.« Während Cameron an der Navigationsstation die Befehle eingab, forderte der Com-Offizier die Besatzung mit einer Durchsage auf, sich auf plötzliche Beschleunigung gefasst zu machen. Die Inertialdämpfer der Aurora waren noch nicht wieder voll funktionsfähig, und Nathan musste sich am Leitstand festhalten, als der Hauptantrieb unvermittelt auf Vollschub hochgefahren wurde. Das Schiff beschleunigte rasch, und Nathan taumelte zum Kommandosessel.

»Wie lange werden wir bis nach Safe Haven brauchen?«, fragte er und ließ sich in seinen Sessel in der Mitte der Brücke fallen.

»Etwa sechs Stunden.« Da sie stark unterbesetzt waren, musste Cameron zusätzlich zu ihren Aufgaben als Erster Offizier die Rolle des Piloten und des Navigators übernehmen. Nathan hatte ihr angeboten, selbst die Navigation zu übernehmen, doch solange die Lage es nicht erforderlich machte, erledigte sie das lieber allein. Nathan war unbestreitbar der geborene Pilot, aber von seinen Fähigkeiten als Navigator war sie weniger überzeugt.

Nach einer kurzen Beschleunigungsphase hatte das Schiff maximale Unterlichtgeschwindigkeit erreicht. »Wir fliegen mit fünfundsiebzig Prozent LG«, meldete Cameron. »Hauptantrieb ist offline. Beginne Verzögerung.«

Mit abgeschaltetem Hauptantrieb verzögerte sie mit dem vorderen Bremstriebwerk. Der Vorgang würde fünf Stunden dauern, erst dann wäre ihre Geschwindigkeit so weit abgesunken, dass sie von der Gravitationssenke des Gasriesen eingefangen würden. Verglichen mit dem Hauptantrieb war die Verzögerung kaum wahrzunehmen, sodass die Besatzung sich im Schiff bewegen konnte, ohne befürchten zu müssen, das Gleichgewicht zu verlieren.

»Sehr schön. Beschleunigungswarnung aufheben.«

»Wir fliegen jetzt ins Hafensystem ein, Captain«, meldete Fähnrich Yosef.

»Dann wollen wir hoffen, dass alles gut geht«, murmelte Nathan.