10,99 €
Wer hat diese rätselhaften unterirdischen Anlagen gebaut und wozu?
Seit vielen Jahren beschäftigt sich Reinhard Habeck mit Dingen, die es eigentlich nicht geben dürfte. Im Mittelpunkt seines neuen Buches stehen geheimnisvolle Unterwelten, die in vielerlei Hinsicht unerklärlich sind. Habeck nimmt Sie mit zu den rätselhaften Stätten in Europa, Asien und Afrika: von den »Erdställen« in der Oststeiermark, wo der Sage nach Zwerge lebten, bis zu den Riesengräbern auf Sardinien, die exakt auf bestimmte Sternbilder ausgerichtet sind. Von der Pyramide bei Nizza, die selbst Einheimischen unbekannt ist, bis zu Anlagen bei Neapel, die Besuchern wie die Hölle vorkommen müssen. Von unter der Erde gelegenen Metropolen in Anatolien, die 20.000 Bewohnern Platz boten, bis zu unterirdischen Gängen und Kammern in Gizeh, in denen paranormale Phänomene fast schon Normalität sind.
Eine aufregende Expedition in die mysteriöse Unterwelt
Habeck beschreibt die mysteriösen Gangsysteme, rätselhaften Felsenkammern und Untergrundmetropolen. Geheime Gräber, Kellerlabyrinthe und eine versunkene Wüstenstadt sind nur eine kleine Auswahl der bisher kaum erforschten Welten.
Bauliche Merkwürdigkeiten und Mysterien widersprechen jeder Logik
Etwa, wenn Stollen, die vor vielen Tausend Jahren angelegt wurden, Spuren maschineller Bearbeitung sowie Verglasungen zeigen. Oder wenn jungsteinzeitliche Anlagen in Italien verblüffende Ähnlichkeiten mit vorgeschichtlichen Bauwerken im Zweistromland aufweisen. Immer wieder belegt der Autor, dass offizielle wissenschaftliche Theorien nicht zur Erklärung der unterirdischen Rätsel taugen.
Dabei erörtert Reinhard Habeck auch die entscheidenden Fragen zu den Mysterien in der Tiefe: Wer hat die unterirdischen Anlagen erschaffen? Wie wurden sie erbaut und angelegt? Welchen Zweck erfüllten sie?
Illustriert ist Habecks Buch eindrucksvoll mit aktuellem und historischem Bildmaterial.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
In Memoriam
meinem Freund und Förderer
Wolfgang Schmidt
(1963–2020)
der zeitlebens der Faszination des Unfassbaren folgte und mit der Gründung des Galileo-Parks einen einzigartigen Ort des Staunens und Wunderns realisierte.
»Was man heute als Science-Fiction beginnt, wird man morgen vielleicht als Reportage zu Ende schreiben müssen.«
Norman Mailer (1923–2007) amerikanischer Schriftsteller
Würde mich heute jemand fragen, welcher Autor auf ganz besondere Weise wirklich überirdisch, außerirdisch und unterirdisch zugleich ist, würde mir momentan wohl nur ein Name einfallen – der meines guten und hochgeschätzten Freundes und Kollegen Reinhard Habeck. Denn kaum ein anderer hat sich in den letzten Jahren so unermüdlich durch den Dschungel überirdischer Phänomene, außerirdischer Rätsel und unterirdischer Reiche gekämpft wie er! Was er dabei ausgegraben hat, stellt die Welt auf den Kopf und althergebrachte Weltbilder infrage.
Es kostet schon eine Menge Energie, so tief zu graben und gleichzeitig auch noch gegen den Strom zu schwimmen. So etwas machen eigentlich nur Masochisten – oder Nonkonformisten. Eben Reinhard Habeck, der den Zugang zum geheimen Quell unendlicher Energie gefunden zu haben scheint. Anders kann man sich sein Tun und Nichtlassen kaum erklären.
Das bringt mich auf eine seltsame Geschichte aus Ägypten. Erzählt hat sie mir einst ein leitender Ägyptologe in der Nekropole von Sakkara. Dort entdeckten Forscher bereits vor langer Zeit eine geheimnisvolle Phiole, gefüllt mit undefinierbarer Flüssigkeit. Die Archäologen hatten das kleine Ding aus einem sehr tiefen Schacht ans Tageslicht befördert und rätselten fortan, worum es sich bei jener Essenz handeln könne. Allerdings war niemand in der Lage, die komplette chemische Zusammensetzung zu entschlüsseln. Eines Tages sei das Behältnis mit der mysteriösen Flüssigkeit dann urplötzlich verschwunden, unauffindbar. So blieb das Rätsel ungelöst. Ein Fläschchen Zaubertrank, verloren während der unvergesslichen Ägyptenmission zweier legendärer gallischer Helden? Wer mopste die Phiole? Etwa der humorvolle Schöpfer jenes in Perry-Rhodan- und Paläo-SETI-Kreisen gleichermaßen legendären galaktischen Eulenspiegels »Rüsselmops, der Außerirdische«? Denkbar wäre es – und eine Erklärung für so manches. Nur, sofern wir es hierbei nicht mit dem Grafen von Saint Germain höchstpersönlich zu tun haben, dürfte das Zeitschema nicht so ganz passen. Denn das Fläschchen verschwand bereits in den 1930er-Jahren …
Auch als Redaktionsleiter des populären mystery-Magazins, für das Reinhard Habeck schon seit 2007 tätig ist, greife ich immer wieder mit Freude auf das Habeck’sche Füllhorn zurück, das zuverlässig spannende Neuigkeiten aus aller Herren Länder in unseren geheimnisvollen Blätterwald gießt. Allein die Tatsache der permanenten Vielbeschäftigung meines umtriebigen Autorenfreundes sorgt zuweilen für schier unerträgliche Durststrecken, die unter anderem auch der Entstehung dieses außergewöhnlichen Buches geschuldet waren. Da gibt es dann bange Fragen in buchstäblich jenseitigen Mails – nämlich weit jenseits von Mitternacht: Klappt es für die nächste Ausgabe mit dem Beitrag? Ah, wieder ein neues Buch in Arbeit! Dilemma: Manuskriptabgabe vorvorgestern in einer Woche, Schnittstelle Hirn-Computer – Stau auf der Datenautobahn. Artikel? Ja, liebend gerne. Zeit? Null! Dieses 24-Stunden-Limit, eine unsinnige Erfindung! Artikel – wirklich? Nein, das käme einem Mordanschlag gleich! Also durchhalten bis zur nächsten Ausgabe. Oder klonen …
Unser Planet steckt eben noch voller Rätsel, da geht die Arbeit nicht aus. Rund um den Globus liegen viele Geheimnisse allerdings in unterirdischen Welten, das belegt dieses Buch sehr anschaulich. Zahi A. Hawass, ehedem Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung und wegen seines Egos auch »der letzte Pharao« genannt, erklärte mir einmal: »70 Prozent aller ägyptischen Altertümer ruhen noch unter dem Wüstensand.« Woher auch immer er das wusste, zu entdecken gibt es wahrlich genug.
Dabei tauchen ständig neue Rätsel auf, die so gar nicht in unser Weltbild passen wollen. Die meisten Menschen scheren sich nicht darum. Ob nun aus Desinteresse, wegen Vorurteilen oder Berührungsängsten. Es gibt viele Beweggründe, sich vor der Wahrheit zu verschließen. Was nun die Wahrheit ist, darüber lässt sich ohnehin ausgiebig streiten – mit dem ergebnislosen Resultat subjektiver Wahrheiten, auf denen wohl letztlich alle Menschen ihr individuelles Weltbild gründen. Was bleibt, sind jene kaum verlässlicheren Wahrheiten, wie sie uns über die altbekannten (Des-)Informationskanäle vermittelt werden.
Anachronistische archäologische Funde oder seltene Ereignisse, die nur wenige Menschen erleben, sind nicht minder wahr als das Alltägliche, das jedermann begegnet. Doch der durchschnittliche Zweibeiner tendiert dazu, all jene Artgenossen für Fantasten oder Fabulierer zu erklären, die Ungewöhnlicheres gesehen oder erlebt haben als er selbst. Das kann man zwar niemandem verdenken, trotzdem sollte doch kein Zweifler zum Dogmatiker werden, sondern Impulse als Chance wahrnehmen. Impulse, wie sie Autoren à la Habeck ständig geben.
Jeder nur einigermaßen offene Geist dürfte während seiner bioaktiven Verweildauer auf dem Planeten Erde eine Initialzündung erleben, ob nun durch ein aufrüttelndes Buch oder persönliches Erleben. Dann geraten plötzlich Weltbilder ins Wanken. In meinem persönlichen Fall ging das recht einfach – auch wenn ich es damals beinahe nicht überlebt hätte: Eine außerkörperliche Erfahrung in früher Kindheit lieferte den ersten Zündfunken für die Beschäftigung mit dem Ungewöhnlichen. Andere einschneidende Erlebnisse folgten, die mich auf eine ähnliche Spur brachten wie den Autor dieses bemerkenswerten Buches. Und nicht zuletzt liefert die Begegnung mit Reinhard Habeck selbst immer wieder neuen Zündstoff!
Stets auf der Jagd nach den verborgensten Geheimnissen unserer Welt, konnten ihn selbst die Restriktionen in Corona-Zeiten nicht aufhalten. Als Auslandsreisen plötzlich und unerwartet zu einem Ding der Unmöglichkeit wurden, musste es fortan zwangsläufig heißen: Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Geheimnisvolle liegt so nah!
Und es ist in der Tat unfassbar, was Reinhard Habeck in den vertrauten Breitengraden gefunden hat! Insofern hatten die allgemeinen Einschränkungen ausnahmsweise auch einmal etwas Gutes. Davon zeugt das vorliegende Buch! Manchmal führt eben der Zufall, manchmal die Notwendigkeit zu spannenden Entdeckungen. Und zuweilen beides. Nun aber wird es höchste Zeit, in das diesmal gänzlich unterirdische Universum meines lieben Freundes ein- oder besser abzutauchen!
Andreas von Rétyi Coburg im September 2021
»Das Überirdische lebt am stärksten unterirdisch.«
Sigbert Latzel (*1931)tschechischer Philosoph und Aphoristiker
Liebe Leserin! Lieber Leser!
Januar 2020. Da war nicht alles, aber doch vieles noch ganz normal. Mit meiner Partnerin Elvira kroch ich in Ägypten durch enge Pyramidenkorridore und dunkle Tempelkrypten. Das Land der Pharaonen war meine vorerst letzte Studienreise in die Ferne. Nur wenige Wochen später bescherte das Coronavirus der Weltbevölkerung gespenstische Lockdowns und anderweitigen Ärger. Eine bittere Erfahrung für freiheitsliebende Erdenbürger und reiselustige Schriftsteller.
Ich halte mich mit Jammern trotzdem zurück, denn: Als Autor ist man in Pandemiezeiten privilegiert. Sitzt man doch als Schreiberling ohnedies gerne in selbst auferlegter Quarantäne und arbeitet im stillen Kämmerlein an einem neuen Buchmanuskript. Abgesehen von der Liebsten sind meine einzigen Begleiter übersinnliche Phänomene, erstaunliche Entdeckungen und rätselhafte Relikte. Das sind die großen Themenkomplexe, die ich seit Jahren in meiner Sachbuchreihe über Dinge, die es nicht geben dürfte, präsentiere. Zuletzt folgte ich mit Gräber, die es nicht geben dürfte den Spuren geheimnisvoller Mumien und Grüfte. Wer das Buch gerne gelesen hat, wird auch an dem vorliegenden siebten Titel der Serie seine Freude haben. Indem es unterirdische Mysterien in den Fokus nimmt, schließt es thematisch an den Vorgängertitel an.
Doch woher kommen die wundersamen Geschichten, die ich in meinen Büchern thematisiere? Das werde ich von meiner treuen Leserschaft immer wieder gefragt. Die Antwort ist kein Geheimnis: Zeitungsartikel oder Online-News-Portale können ebenso meinen Forschergeist wecken, wie der Tipp eines Kollegen. Lockt das Thema, wird weiter recherchiert. Man stöbert in alten Archiven, studiert Publikationen und befragt Fachexperten und Zeitzeugen. Im Idealfall ermittelt man außer Haus weiter und verschafft sich am »Tatort« einen persönlichen Eindruck. Nicht selten ergeben sich erst vor Ort neue Erkenntnisse, die dem Fall eine unerwartete Wendung verleihen.
Doch die spannendsten Informationen kommen meist von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser! Für dieses Vertrauen bin ich ewig dankbar. Nur dem Gleichgesinnten öffnet man Herz und Verstand. Beinahe täglich erreicht mich Post aus aller Welt. Aufmerksame Zeitgenossen stellen berechtigte Fragen zu meinen Büchern und den grenzwissenschaftlichen Rätseln dieser Welt. Sie versprühen Lob, tadeln mit gut gemeinter Kritik oder machen mich auf ungelöste Probleme aufmerksam, die jenseits aller Logik zum Nachdenken zwingen. Das betrifft bevorzugt archäologische Rätselfunde, für die es bis heute noch keine schlüssigen Erklärungen gibt.
Ab und zu sprechen mich Leute auch direkt an. So war es auch im Mai 2018 im Festsaal Zentrum Simmering in Wien. Damals stand ein Multimediavortrag des ungestümen Schweizer »Alienjägers« Erich von Däniken auf dem Programm. Im Foyer zum Vortragssaal tummelten sich Hunderte Gäste. Ein gut gelaunter Mann trat an mich heran und fragte: »Sie sind doch Herr Habeck?« »Ja, in voller Pracht!«, erwiderte ich keck. »Sehr gut! Mein Name ist Anton Fink aus der Steiermark. Ich bin Tiefbauingenieur und erforsche mit Freunden eines historischen Vereins unterirdische Anlagen in Kirchberg. Vielleicht wäre das ein Thema für Ihre Bücher?« Dabei drückte mir der Steirer seine Visitenkarte sowie Fotos der Geheimgänge in die Hand. Mit Dank versprach ich, mich bei passender Gelegenheit bei ihm zu melden. Schande über mein Haupt, aber es kam prompt so, wie es leicht geschehen kann: Kontaktdaten werden verlegt, interessante Mystery-Fälle landen »für später« im Archiv, und aktuell dringlichere Arbeiten überlagern angesammelte Notizen. Monate vergehen, manchmal Jahre, bis eine Wiederentdeckung gelingt. Dann, wenn der »kosmische Joker« mitspielt und den richtigen Zeitpunkt festmacht.
Als ich mit der Vorarbeit zu Unterirdische Anlagen, die es nicht geben dürfte begann, erinnerte ich mich wieder an den Fingerzeig aus der Steiermark. Seit Jahrhunderten wird in regionalen Sagen und Erzählungen von mysteriösen Erdlöchern und einem kilometerlangen, weitverzweigten unterirdischen Gangsystem berichtet. Im Mai 2021 folgte ich dieser vernachlässigten Fährte. Was ich vor Ort und im Untergrund gesehen und erlebt habe, hat mich nicht mehr losgelassen.
Covid-19 führte zu weltweit auferlegten Einschränkungen, die alle Reisevorhaben ins ferne Ausland boykottierten. Meine Recherchen haben sich deshalb auf heimische Gefilde konzentriert. Kein Grund zur Panik, denn Unglaubliches, Außergewöhnliches und Spannendes gibt es auch in vertrauter Nähe zu entdecken! Vieles an den aufgespürten Ungereimtheiten macht Wissenschaftler ratlos und nötigt zum Hinterfragen.
Ganz ähnlich verhält es sich mit den verblüffenden Funden auf und unter dem Gizeh-Plateau am Stadtrand von Kairo. Die jüngsten Pyramidenentdeckungen über verborgene Hohlräume, das ungelöste Geheimnis der »Felsenkammer« sowie unerforschte Schächte und Grotten belegen, dass die Rätsel rund um das Pharao Cheops zugeschriebene Bauwerk noch lange nicht gelöst sind. Warum aber erfährt die Öffentlichkeit kaum etwas über diese drängenden Sachverhalte? Es lohnt sich, den verborgenen Spuren zu folgen, Ungeklärtes zu dokumentieren und kühne Hypothesen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Zudem ist es ein überaus komplexes Thema, das analog zu Steiermarks geheimer Unterwelt nicht auf wenigen Seiten befriedigend dargelegt werden kann. Mehr noch: Als ich mich in die Materie vertiefte, stieß ich auf überraschende Querverbindungen zu weiteren Rätseln.
Im dritten Themenkomplex folge ich unterirdischen Mysterien in nah und fern. Es gibt sie überall, in jedem Winkel der Erde lassen sich verborgene Unterwelten aufspüren. Insofern musste ich eine strenge Auslese treffen. Repräsentativ stelle ich in diesem Band meine persönlichen Highlights vor, die am vertrauten Weltbild rütteln und wissenschaftliche Nachforschungen herausfordern.
Die Spurensuche beginnt am Golf von Neapel und dem Tor zum Hades, führt zu den sardischen Totenstädten der Nuraghen und weiter zu Anatoliens unterirdischen Wohnsilos bis hin zum Kronberger Kellerlabyrinth mit seinen verborgenen Templerschätzen.
Wer auf sensationelle Enthüllungen über antarktische UFO-Basen, Aliens in der Area-51, Geheimlabore von Dr. Mabuse oder Beweise zur »Theorie der hohlen Erde« gehofft hatte, den muss ich enttäuschen. Mein Interesse galt vorrangig archäologischen Rätseln, die ich selbst in Augenschein nehmen konnte und die nicht wegzuleugnen sind. Bei der Interpretation der Funde gibt es freilich facettenreiche Erklärungsbemühungen der Fachwelt. Genau diese Unsicherheit macht das Thema und die Suche nach Wahrheiten so spannend. Nicht alle, aber die meisten vorgestellten Mysterien können von meiner treuen Leserschaft besichtigt und überprüft werden.
Wenn nun Kritiker argwöhnen, der neue Habeck sei »echt unterirdisch«, kann ich es ihnen wirklich nicht verübeln. Es stimmt, auf den folgenden Seiten geht es unter die Erde – vorrangig in meiner Heimat Österreich, aber auch in Ägypten und in Form von kurzweiligen Streifzügen anderswo. Vielleicht sind wertvolle Anregungen in Wort und Bild für eigene Erkundungen dabei? Das wäre eine große Freude! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine vergnügliche und spannende Lesereise ins verborgene Reich der Unterwelt!
Mit besten Wünschen aus der Gruft
Reinhard Habeck Wien im September 2021
»Ob Sonnenschein, ob Sterngefunkel: Im Tunnel bleibt es immer dunkel.«
Erich Kästner (1899–1974) deutscher Schriftsteller
© Dr. Heinrich Kusch
Höhlenforscher Dr. Heinrich Kusch erkundet die Frauenhöhle bei St. Stefan in Hofkirchen
Freitag, 14. Mai 2021: Von Wien aus geht es per Bahn ins südlich gelegene Leobersdorf. Hier treffe ich die Filmemacherin Dr. Johanna Pötsch und steige um ins bequeme »Taxi«. Wir steuern die Ortschaft Kirchberg an. Sie befindet sich am Oberlauf der Raab in günstiger Höhenlage inmitten des steirischen Vulkan- und Thermenlandes. Nur 40 Kilometer östlich von hier liegt die steirische Landeshauptstadt Graz. Nach 2-stündiger Fahrtzeit entlang der Südautobahn E59 erreichen wir unser Ziel. In Kirchberg erwartet uns bereits ein munteres Empfangskomitee aus Vertretern des »Historischen Vereins für das Kirchberger Ländchen«. Mein Informant, der Ingenieur Anton Fink, ist ebenso unter den Teilnehmern wie der Historiker und Obmann Prof. Dr. Johann Köhldorfer. Die derzeit rund 140 Vereinsmitglieder sind engagiert und redlich bemüht, die bewegte Geschichte ihrer Heimatregion bis zurück in prähistorische Zeiten fundiert aufzuarbeiten. »Was wir heute nicht aufzeichnen und festhalten«, mahnt die Kirchberger Forschergruppe, »wird morgen unwiederbringlich verloren sein!«
Genau diese Problemstellung verknüpft sich mit der Kirchberger Unterwelt. Wir wissen, dass das Gebiet von zahlreichen unterirdischen Gängen durchzogen ist wie ein Schweizer Käse. Es sind künstlich angelegte Höhlen, die irgendjemand irgendwann geschaffen hat. Es wird angenommen, dass die Gänge und Stollen aus verschiedenen Zeiten stammen und ebenso unterschiedlichen Zwecken dienten. Konkrete Schriftzeugnisse fehlen. In den letzten Jahren hat der Verein etliche Tunnel unter dem Vulkanland lokalisiert und zugänglich gemacht. Manche sind weiterhin verschüttet, andere wurden wegen akuter Einsturzgefahr wieder versiegelt. Einige Gangsysteme lassen an ihrem vermeintlichen Endpunkt erahnen, dass es dort noch weitergehen müsste. Aber wohin und wie weit?
Bevor wir den Abstieg in die Tiefe wagen, folgen wir der freundlichen Einladung des Kirchberger Bürgermeisters Helmut Ofner. Bei Hades und Pluto! Fast hätte ich es vergessen: Wir befinden uns ja noch mitten in der Coronapandemie! Im Gemeindezentrum herrscht strenge Pflicht zum Tragen einer FFP-2-Maske. Ich lasse meinen ersten »Nasenbohrer-Antigen-Schnelltest« über mich ergehen, werde als »sauber« akzeptiert und darf an der kulinarischen Lagebesprechung teilnehmen. Dabei legen wir fest: Unsere Exkursion soll mit dem Gangsystem Urlas beginnen, das rund 700 Meter südlich des Gemeindeamtes liegt.
Entlang der Hauptstraße Kirchberg an der Raab erreichen wir den Urlaswald. Es ist ein Gelände mit auffälligen Einschnitten und erhöhten Plätzen. Johann Köhldorfer erinnert daran, dass »bei archäologischen Ausgrabungen festgestellt wurde, dass es sich bei diesen markanten Erhebungen um keltische Hügelgräber aus der Hallstattkultur handelt, die teilweise Jahrhunderte später in der Römerzeit überbaut wurden.«
© Reinhard Habeck
Eingang in die Unterwelt von Kirchberg an der Raab
Das Areal liegt an einer markanten Stelle, dort, wo von der Landstraße rechtwinklig in Richtung Osten zur Raab der Stadlteichweg 1 abzweigt. Ein paar Meter dieses Weges entlangspaziert, und wir stehen vor der verschlossenen Eisentüre in den Untergrund. Dabei fällt etwas auf: Vom südöstlich gelegenen Nachbarort Berndorf führt ein Pfad namens Urlasweg direkt zum Eingang ins Tunnelsystem! Verlängert man die gedachte Linie nach Nordwesten weiter, landen wir in der Waldung Urlas mit den Hügelgräbern.
Urlaswald? Urlasweg? Urlas-Gang? Urlas ist ein kauziger Name. Davon hatte ich noch nie gehört. Aus der Kirchberger Chronik erfahren wir, dass Urlas der älteste urkundlich nachweisbare besiedelte Platz der Region ist. Ein gewisser Urleug, der anno 1135 Erwähnung findet, wird als Namensgeber angenommen. In der Tat besaß der Edelmann ein Grundstück in der Größe von drei »Königshuben«, das er als königliche Schenkung erhalten hatte. Diese Liegenschaft gilt als Ursprung für das nach ihm benannte Dorf Urlas. Es reichte weit über die heutige Gemeindegrenze von Kirchberg hinaus. Erstmals schriftlich bezeugt wird Urlas anno 1265 als »Urleugsdorf«. Die alten Flurbezeichnungen Urlasberg, Urlaswald und Urlas sind demnach verblasste Erinnerungen an den edlen Urleug, der um 1160 verstarb. Wo sich sein Edelsitz genau befand, weiß man nicht. Die Anhöhe im Urlaswald gilt als Favorit. Das wäre eben jener Platz, wo sich die vorzeitlichen Hügelgräber mit der unterirdischen Anlage befinden. (Siehe Abb. 1 im Farbbildteil)
Aus der Regionalchronik Kirchberg im Wandel der Zeit geht hervor, dass Urlas und Kirchberg lange Zeit annähernd gleich große Dörfer waren. Im 15. Jahrhundert wurde »Urlas der Herrschaft Kirchberg einverleibt und verödete«. Aus dieser Epoche, die auch mit schrecklichen Pestwellen verknüpft wird, werden die letzten Nennungen als »Urleugsdorf«, »Urleinsdorf« und »Urleinsperg« registriert. Gleichbedeutend mit dem verkürzten Namen Urlas? Wahrscheinlich. Folgt man allerdings der älteren Geschichtsschreibung, dann ist Urlas ebenso eine Bezeichnung für »Durchlass«. Das passt zur Tatsache, dass »durch den Urlasberg an der Stelle, wo heute die Gemeindestraße in das Raabtal führt, ein Durchstich erfolgte, der das Tiefernitzbachtal mit dem Raabtal verband«. Ein ehemaliger Schlupf durch den Urlasberg? Das kann als historischer Fingerzeig für die nun freigelegten unterirdischen Gänge verstanden werden.
Professor Köhldorfer greift in seine Manteltasche, holt einen Schlüssel hervor und öffnet uns das Tor in die Unterwelt. Ob der heutige Eingang die ursprüngliche Pforte ins Gangsystem war, ist ungewiss. Als gesichert gilt indes, dass jenes der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Areal nur ein kleiner Abschnitt einer einst wesentlich größeren Anlage gewesen ist. Seitengänge östlich des Eingangsbereichs lassen das erahnen. Sie sind inzwischen verschüttet und nicht mehr begehbar. Ältere Kirchberger erzählen, dass sie als Kinder in diesen Gängen spielten, die damals geschätzt einige 100 Meter weit in den Berg hineinführten. Wegen akuter Einsturzgefahr wurden sie in den 1970er-Jahren geschlossen, bis Vertreter des Historischen Vereins ihre Freilegung und Erforschung beschlossen. Wie vernetzt und weitläufig die Kirchberger Unterwelt ist, bleibt vorerst Spekulation, da die Untersuchung und die Vermessung noch lange nicht abgeschlossen sind.
Was wir derzeit wissen, ist gut dokumentiert: Der Hauptgang führt über einen 10 Meter langen geschützten Stollen schräg hinab in die Tiefe. Etwa 5 Meter unter der Erde geht es auf etwa gleichbleibendem Bodenniveau weiter voran. Insgesamt misst der Hauptgang 28,2 Meter. Bisher sind sechs Seitengänge mit insgesamt 45,9 Metern freigelegt worden. Zwei davon verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit: Der eine wird »Grabgang« genannt. Gleich nachdem man im Untergrund angekommen ist, zweigt er im exakt rechten Winkel nach links ab. Er misst 9,5 Meter und endet direkt unterhalb eines der Hügelgräber im Urlaswald. Zufall? Suchten irgendwann Grabräuber nach begehrten Schätzen? Oder war das Urlas-Gangsystem von Anfang an Bestandteil im Bauplan des darüber liegenden hallstattzeitlichen Hügelgräberfeldes? (Siehe Abb. 2 im Farbbildteil)
Gleichermaßen seltsam ist der sogenannte »Krumme Gang«. Etwa 25 Meter vom Portal geht er 14,6 Meter in einem spitzen Winkel ab und verläuft in einer flachen Kurve weiter ins Berginnere. Am Ende der Krümmung, dort, wo der Gang ungefähr parallel zum Hauptgang weist, aber dann deutlicher nach Norden weiterführt, kann eine Anomalie festgestellt werden. Während in allen Gängen das ganze Jahr über eine konstante Temperatur von 8 Grad Celsius gemessen werden kann, wird es an dieser Stelle plötzlich um 2 Grad kälter! Es heißt, dass sich hier »bei sensitiven Besuchern immer wieder die Gesamtwahrnehmung deutlich verändert.« Ich habe das selbst überprüft. Herr meiner Sinne bin ich geblieben, aber der »Kälteschock« ist tatsächlich spür- und messbar. Was ich noch bemerke: Im gesamten Gangsystem herrscht frische Luft; das Atmen fällt überraschend leicht, viel angenehmer als an der Erdoberfläche. Eine radiästhetisch-geomantische Untersuchung des Phänomens wäre interessant, steht aber noch aus.
© Elvira Schwarz
Gangsystem unterhalb eines Hügelgrabes im steirischen Kirchberg
Könnte es einen Zusammenhang mit der Querung eines tieferliegenden Tunnels am Ende des Hauptgangs geben? Man bedenke: Die Urlas-Gänge haben eine Höhe von 1,6 bis 2,7 und eine Breite von 2,4 bis 3 Metern. Anders beim Quergang, der von östlicher Richtung zum Hauptgang führt und dann schräg vis-à-vis in westliche Richtung weiterverläuft. Die auf Bodenniveau befindlichen Öffnungen beider Röhren haben einen Durchmesser von nicht einmal einem halben Meter. Ihr Inneres, das jeweils links und rechts vom Hauptgang wegführt, ist noch unerforscht. Das liegt wohl daran, dass in ihnen eine Fortbewegung nur kriechend möglich ist. Ich versuche es, komme aber nicht weit. Die bedrückende Enge und das Risiko, womöglich verschüttet zu werden, halten mich von weiteren Nachforschungen ab. Als ich mit der Taschenlampe ins Innere der Tunnel leuchte, kann ich ihr Ende nicht erkennen. Wer weiß, vielleicht führen sie zu einer unbekannten Kammer oder in einen größeren Bereich, der inzwischen eingebrochen ist?
»Bei der Überprüfung des Kanalsystems kommen spezielle Kameras zum Einsatz, die einen elektronischen Tiefblick über mögliche Schäden von Rohrleitungen erlauben«, erklärt Tiefbauexperte Anton Fink. Sein Tipp: »Der Einsatz eines solchen mobilen TV-Miniaturfahrzeuges wäre hier innerhalb der engen Röhren sinnvoll.« Der Verein will diese Idee aufgreifen und demnächst eine digitale Inspektion realisieren, die mehr Licht ins Dunkel der noch unerforschten Gangbereiche bringen soll.
© Reinhard Habeck
Unerforschte Röhren im Urlas-Gang von Kirchberg an der Raab
Skeptiker halten dagegen, die Röhren seien nichts weiter als tierische »Belüftungsanlagen«, die ein Dachs oder Fuchs gegraben hat. Tatsächlich gibt es im strittigen Schlussteil des Hauptgangs auch kleinere Löcher in Bodennähe, deren Durchmesser nicht mehr als 20 Zentimeter betragen. Nicht einmal ein Kleinkind könnte hier hineinkriechen. Es scheint plausibel, dass diese engen Höhlungen von Tieren verursacht worden sind. Bei den größeren Öffnungen, die röhrenartig tief ins Berginnere führen, überzeugt diese Annahme nicht wirklich. Was ebenso nicht recht zur »Tier-These« passen will: Es fehlen verräterische Spuren wie angehäuftes Aushubmaterial oder hinterlassene Fährten.
Das große Rätsel bleibt die Frage nach dem Ursprung des Urlas-Gangsystems. Wer hat es geschaffen – wie, wann, weshalb und mit welchen Mitteln? Es gibt Nischen, die in Spitzbogenform herausgearbeitet worden sind. Ein bautechnisches Merkmal, das an Erdställe erinnert. Der seltsam anmutende Begriff »Erdstall« bezeichnet indes keine unterirdische Behausung für Tiere, sondern eine künstlich angelegte »Stätte unterhalb der Erde«. Erdställe wurden vor allem im nordöstlichen Alpenvorland zahlreich gefunden. Die Konstrukteure und die Funktion dieser künstlichen Labyrinthe sind genauso ungeklärt wie beim Urlas-Gang. Allerdings ist die Raumhöhe bei einem Erdstall meist deutlich geringer als 1,60 Meter. Ein Fortkommen kann nur in Bauchlage oder bestenfalls in gebückter Haltung erfolgen. Das Urlas-Gangsystem hingegen, so wie es sich uns heute präsentiert, erlaubt wesentlich mehr Bewegungsfreiheit.
An den Wänden fallen immer wieder kleine Mulden auf, die aus dem Sandstein herausgearbeitet worden sind. Dienten sie Beleuchtungszwecken? Waren in den Wandvertiefungen einst Öllämpchen oder Kerzen platziert? »Der Gebrauch von Öllämpchen kann in unserer Region vollkommen ausgeschlossen werden!«, stellt Prof. Dr. Köhldorfer klar. »Dazu gibt es nirgendwo Hinweise. Die Verwendung von Kerzen in früheren Zeiten ist aus Kostengründen ebenfalls sehr unwahrscheinlich.«
Doch wie könnten die Höhlen stattdessen beleuchtet worden sein? Der Historiker vermutet, dass »Kienspäne« als Lichtquelle gedient haben. Kien aus Harz und Holz gilt als älteste bekannte Grubenbeleuchtung in Mitteleuropa und ist bereits im bronze- und eisenzeitlichen Salzbergbau in Hallstatt nachgewiesen. Gegenüber einfachem Feuerholz hat Kienspan den Vorteil, dass er kontrolliert abbrennt. Allerdings spendet diese Methode nur für bestenfalls eine halbe Stunde Licht, was bei einem längeren Aufenthalt im Untergrund nicht sehr praktisch ist. Wie wurde das anderswo gelöst? Man denke etwa an die Krypten und Gräber der alten Ägypter, die oft mit prachtvollen Reliefs und bunten Wandmalereien ausgeschmückt sind. Mancherorts fehlt jede Spur von Ruß, was die Ägyptologen ratlos machte. Die Überlegung kreativer Altertumsforscher lautet: Vielleicht verwendeten die Erbauer unterirdischer Anlagen »nichtrußende Fackeln«, oder es kam ein raffiniertes Spiegelsystem zum Einsatz, bei dem Sonnenlicht in die tiefsten Winkel des Untergrunds gelenkt wurde.
Für Kirchbergs finstere Gangsysteme bleiben nicht viele Möglichkeiten: »Falls es eine andere Beleuchtung als Kienspäne gegeben haben sollte, was eigentlich auszuschließen ist, dann allenfalls Unschlittkerzen. Diese Kerzen aus tierischem Talg wurden auch zur Beleuchtung herrschaftlicher Wirtschaftsgebäude verwendet. Das aber war frühestens im 17. und 18. Jahrhundert der Fall. Diese Kerzen haben derart stark gerußt, dass wir ungleich stärkere Rußablagerungen haben müssten als in den Gängen nachgewiesen. Daher ist diese Hypothese nicht wirklich überzeugend. Es bleiben nur die Kienspäne übrig!«
An einigen Stellen sind im Gestein morsche Holzreste festzustellen. Ist es Wurzelwerk vom Urlaswald oder sind es Überbleibsel von Stützpfeilern, die in früheren Jahrhunderten der statischen Absicherung gedient haben? Eine Analyse zur Altersbestimmung sollte möglich sein, liegt aber noch nicht vor. Haben Bauern im 19. Jahrhundert das Höhlensystem angelegt, um Schotter abzubauen? Das wäre die banalste Erklärung für den Urlas-Gang und andere Bergstollen in der Region. Der Haken bei der »Schotter-Theorie«: Warum sollten die Menschen tiefe unterirdische Tunnel graben, um das Baumaterial dann mühsam, weil schräg nach oben, ans Tageslicht zu befördern? Logisch ist das nicht, denn das hätte man wesentlich einfacher haben können: Schon in vorigen Jahrhunderten sind durch Erosion an den Waldhängen Kirchbergs reichlich Schotterbänke freigelegt worden. Dieses Sediment an der Erdoberfläche abzugraben, wäre für Arbeiter wesentlich naheliegender und vor allem leichter gewesen.
Die streng geometrische Anordnung der Gänge und ihre topografische Ausrichtung zur höchsten Stelle des Ortes Kirchberg lässt einen anderen älteren Verwendungszweck vermuten. Hinzu kommt, dass niemand mit Bestimmtheit zu sagen vermag, wie die Gänge ursprünglich ausgesehen haben. Genauso wie die keltischen Hügelgräber im Urlaswald nachweislich in der Römerzeit überbaut worden sind, könnte das Gangsystem darunter von späteren Generationen umgestaltet worden sein. Ich halte es für wahrscheinlich, dass die originalen Wände und Decken erst in späteren Zeiten vergrößert worden sind und die Räume beispielsweise als Zufluchtsort oder für den Bergbau Verwendung fanden.
Mit Dr. Köhldorfer betrete ich den Urlaswald, der nur wenige Schritte entfernt von jener Pforte beginnt, wo es hinab in die Unterwelt geht. Oder anders ausgedrückt: Teile des geheimnisvollen Urlas-Gangsystems liegen etliche Meter tief unterhalb des Gehölzes. Zahlreiche Legenden ranken sich um diesen Wald, der sich von den Niederungen des Raabtales hinauf zum Kirchberger Friedhof erstreckt. Es heißt, es sei das Besitztum des edlen Urleug gewesen. Angeblich soll sich irgendwo im Gehölz sogar das Grab von Attila dem Hunnenkönig aus dem 5. Jahrhundert verstecken. Tatsächlich erlebte die Oststeiermark zwei Schreckenszüge des Herrschers und seiner Kriegerschar. Bis heute weiß man nicht, wo Atilla beerdigt liegt. Ein Dutzend Orte in der Schweiz, in Deutschland, Österreich und Ungarn reklamieren Attilas letzte Ruhestätte für sich. Das Kirchberger Ländchen konkurriert mit ihnen.
In den Jahren 2005 und 2007 leitete Dr. Georg Tiefengraber archäologische Untersuchungen im Urlaswald. Dabei rekonstruierte er nahe zur Gemeindestraße insgesamt acht unterschiedlich große Hügelgräber. Ihre Durchmesser variieren heute zwischen 5–30 Metern und erreichen eine maximale Höhe von bis zu 8 Metern. Straßenbau, Planierungen, Begradigungen und ältere Grabungen haben das ursprünglich kuppelartige Erscheinungsbild mancher Erdaufschüttungen maßgeblich verändert. »Wie viele Gräber es anfänglich im Urlaswald und insgesamt in der Region Kirchberg gegeben hat, ist nicht genau bekannt, aber es waren bestimmt weit mehr als die heute lokalisierten«, sagt Johann Köhldorfer.
Eine Überraschung brachte die Untersuchung von »Hügel 5«. Er wurde in der römischen Kaiserzeit genau über einem rund 900 Jahre älteren Keltengrab errichtet und diente offenbar einer Familie als letzte Ruhestätte. An zwei Stellen innerhalb des Grabhügels konnten in unterschiedlicher Tiefe hitzegerötete Brandflächen festgestellt werden. Es sind jene Bereiche, in denen sich die Scheiterhaufen zur Verbrennung der Verstorbenen befanden. In der Aufschüttungsschicht wurden Bruchstücke von Tongefäßen, Trinkbechern, Töpfen und Dachziegeln gefunden. Originell: Eine Scherbe weist den Abdruck einer Hundepfote auf! Vermutet wird, dass die Relikte zu Totenopfern gehören oder Überreste eines Totenmahls sind, die abschließend ins Grab gelangten. Weitere Brandgräber werden innerhalb des künstlichen Erdkegels vermutet.
Könnte es eine bautechnische Beziehung zwischen Totenhügel und Urlas-Gangsystem geben? Johann Köhldorfer darauf angesprochen, will diese Möglichkeit nach derzeitigem Wissensstand nicht gänzlich ausschließen, aber »einen kausalen Zusammenhang können wir streng wissenschaftlich nicht herstellen«. Was dafür spricht, ist die räumliche und örtliche Nähe zueinander. Ob Plan oder bloße Zufälligkeit, können im besten Fall nur weitere Forschungen klären. (Siehe Abb. 5 im Farbbildteil)
Die Urlas-Gänge waren nach ihrer Wiederentdeckung ohne Funde, aber ihr rechtwinkliger Grundriss ist charakteristisch und folgt einer strengen Geometrie. Bis auf den »Krummen Gang« führen alle Seitengänge links und rechts im 90-Grad-Winkel vom Hauptgang ab. Das bedeutet, die Tunnel sind nicht einfach wild in den Untergrund gegraben worden, sondern entsprechen einem beabsichtigten Konzept früher Vermessungsingenieure.
Was zudem beeindruckt: Verlängert man die Richtung des Hauptgangs mit dem darüber befindlichen Hügelgräberfeld in einer gedachten Linie nach Nordwesten, landen wir einen Kilometer weiter auf dem Gipfel von Kirchberg. Hier liegt der Ortskern mit dem nur 200 Meter weiter nordöstlich thronenden Kirchberger Schloss. Der markante Hügel mit dem Barockjuwel überragt das Tal um 70 Meter. Es ist naheliegend, dass man sich die günstige Höhenlage und ihre Schutzfunktion bereits vor Jahrtausenden zunutze gemacht hat. Die archäologische Spurensuche lässt vermuten, dass einst keltische Stämme wie die Noriker auf dem Kirchberg eine Siedlung besaßen.
© Wikimedia gemeinfrei
Schloss Kirchberg anno 1681. Kupferstich von Georg M. Vischer. Unterirdische Tunnel sollen mit der Pfarrkirche verbunden gewesen sein. Heute existieren nur mehr Reste des Barockjuwels.
Was könnten Archäologen alles finden, wenn sie rund um das Kirchberger Wahrzeichen mittels Bodenradar unbekannte Hohlräume lokalisieren und mit Baggern tiefe Löcher buddeln könnten? Eventuell wären die privaten Eigentümer über derart massive Eingriffe nicht sonderlich amüsiert, geschichtlich interessant wäre eine Untergrundinspektion aber allemal. Wir wissen aus historischen Quellen, dass das Schloss dem Kirchberger Feldmarschall Sigbert Graf Heister (1646–1718) gehörte. Er kaufte die Herrschaft Kirchberg für 60000 Gulden und ließ 1704 den verfallenen Bau früherer Herren abreißen. An dessen Stelle ließ er durch italienische Baumeister das heutige Schloss mit zwei Seitenflügeln um einen Ehrenhof, vier Türmen, Basteien, Gärten und Teichen errichten. Heute ist von der ehemaligen Erhabenheit leider nur mehr der Mitteltrakt erhalten.
Von Abriss und Zerstörung blieben auch die ältesten Zeugnisse unserer Ahnen nicht verschont. Von der keltischen Hallstattzeit bis zu den Römern war die Beisetzung in Grabhügeln weitverbreitet, besonders in der Steiermark und im Südostalpenraum. Wenn heute Tumuli untersucht werden, dann lässt bereits ihre äußere Erhabenheit Rückschlüsse auf die Bedeutung der darin bestatteten Person zu. Wird eine Grabkammer gefunden, sollten die Votivbeigaben Auskünfte über den Verstorbenen geben können. Sollten. Doch nicht alles, was bisher aus hallstattzeitlichen »Fürstengräbern« geborgen wurde, wird von Archäologen in seiner ursächlichen Bedeutung verstanden. Das gilt besonders für Gegenstände, die mit Kult und Magie verknüpft werden. Warum wurden sie den Toten auf ihre Reise in die »Anderswelt« mitgegeben? Welche Weltanschauung, welche Religion verbirgt sich dahinter? Weshalb wurde den Ahnen geopfert? Welchen Göttern hat man gehuldigt?
Einige Beispiele für keltische Grabfunde mit Erklärungsbedarf: »Zeremonienstäbe« mit ungeklärter Funktion, Stierkopf-Gefäße für einen mutmaßlich »kultisch-magischen Umtrunk«, Gewandnadeln mit vieldeutiger geometrischer Symbolik aus der keltischen Mythologie oder Scheibenfibeln mit filigraner Zirkelornamentik, die an moderne Computerfraktale erinnern. Zu den rätselhaftesten Kultobjekten, die in den letzten 160 Jahren bei Ausgrabungen zutage gefördert wurden, gehören »Mondhörner« mit wiederkehrenden Mustern, Löchern und Kerben. Die Archäologie zerbricht sich den Kopf über Sinn und Zweck dieser Artefakte, die mal als »Feuerbock«, mal als »Schutzzeichen«, »Kopfstütze«, »Kultgeräte« oder »astro-geodätische Instrumente« gedeutet werden.
Ein dreibeiniges »Mondhorn«, das in einem Kirchberger Hügelgrab entdeckt wurde, hat der Historische Verein zu seinem Logo gemacht. Das originale Kultobjekt wird im Grazer Universalmuseum Joanneum aufbewahrt.
© Dr. Johann Köhldorfer
Welche Funktion hatten bizarre Kultobjekte wie das »Kirchberger Mondidol«?
Hier kann auch eine weltweit einzigartige Grabbeigabe eines keltischen Adeligen aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. bewundert werden: der 50 Zentimeter lange und 33 Zentimeter hohe (ohne Kesselaufsatz) bronzene »Kultwagen von Strettweg«. Dieses Meisterwerk eisenzeitlicher Handwerkskunst wurde 1851 in der Stadtgemeinde Judenburg beim Planieren eines Hügelgrabes entdeckt. Seit der Auffindung zerbrechen sich Gelehrte den Kopf über den Sinn und Zweck des Artefakts. Die Darstellung einer »rituellen Opferprozession« wird vermutet, aber die tatsächliche Funktion dieser und ähnlicher vierrädriger »Kesselwagen« ist bis heute unbekannt. Beim Strettweger Wagenmodell thront im Zentrum eine barbusige weibliche Figur, die mit erhobenen Händen die Schale für den »Kessel« hält. Egal, ob Hohepriesterin oder Göttin: Die Dargestellte muss eine hochverehrte Persönlichkeit gewesen sein. Sie ist umgeben von symmetrisch angeordneten Figuren: berittene Krieger, ein Mann und eine Frau, sowie geschlechtslose Gestalten, die einen Hirsch am Geweih fassen. Die Bodenplatte ist sternförmig durchbrochen. (Siehe Abb. 4 im Farbbildteil)
Ein vergleichbares Prunkstück aus Bronze soll bei der Abtragung eines Hügels nördlich von Schloss Kirchberg gefunden worden sein. Es gilt seit etwa 150 Jahren als verschollen. Niemand weiß, was alles vom Erbe unserer Urväter zerstört wurde, welche sagenhaften Wunderwerke aus dem Erdreich geborgen und welche Schätze längst verhökert worden sind. Aufzeichnungen aus dem ausklingenden 19. Jahrhundert wecken eine dunkle Ahnung. In der Kirchberger Pfarrchronik ist vermerkt:
»Um 1820 standen auf dem Lebernfeld noch viele Kögel, als man nach und nach abgrub, wurden viele merkwürdige und kostbare Sachen ausgegraben […] 1840 standen nur 3 Kogel und vom Jahr 1865 bis 1866 nur mehr ein einziger nennenswert; etliche bildeten nur mehr Erhöhungen auf dem Ackerfelde […] Funde wurden bei der Abgrabung der Kogel sehr viele gemacht, was von denselben brauchbar, wurde verwendet und benutzt zum Beispiel Ziegel, Bausteine; ganze Geschirre, Eisen und Metallgeräte; mit Ziegel-Geschirrtrümmern und dgl. wurden die Wege beschottet; die Kostbarkeiten wurden ehestens verkauft, manches Stück davon etwa dem Bezirksgericht Kirchberg überlassen.«
Das Gelände liegt etwa 2 Kilometer südöstlich vom Urlaswald entfernt. Von der Hügelgräbergruppe sind nur mehr karge Reste vorhanden, darunter prähistorische Scherben, römerzeitliche Bruchstücke und verbrannte Knochen. Genauso schmerzlich wie andernorts in unserer Welt haben auch in Berndorf Plünderer, Schatzjäger und Flurbereiniger ganze Arbeit geleistet.
In Reichweite der Kirchberger Totenhügel hält sich hartnäckig die Sage vom »schwarzen Mann«. Erzählungen über diese zwielichtige Spukgestalt sind im deutschsprachigen Sagenschatz weitverbreitet, aber wenig erforscht. Das Schattenwesen wird meist als große, düster anmutende Person mit Hut und Mantel beschrieben. Spezifische Gesichtsmerkmale sind nicht erkennbar – der Unbekannte ist einfach nur schwarz und erscheint gerne bei Dunkelheit und in der Dämmerung. Nicht nur, aber besonders Kinder berichten von unheimlichen Begegnungen mit diesem Phantom, das meist urplötzlich aus dem Nichts auftaucht und bald darauf ebenso blitzartig wieder verschwindet. In Kirchberg wird ab dem Jahre 1865 über dieses Phänomen berichtet. Die Erscheinungen treten entlang des Urlasweges auf, der in Berndorf beginnt und direkt zur unterirdischen Urlas-Anlage führt. Exakt in diesem Abschnitt mit dem Urlaswald und seinen Hügelgräbern, häufen sich die mysteriösen Vorkommnisse. »Bei diesem Hohlwege«, so heißt es in einem der frühesten Schilderungen, »geht des Nachts öfters ›der schwarze Mann‹ heraus und begleitet die Leute, die nach Kirchberg gehen, auf der Straße hinauf. Oben, wo der Wald zu Ende ist, verschwindet er.«
Ein Augenzeuge der seltsamen Vorgänge ist Anton Meixner, der als Gelehrter und Pfarrer bis 1903 in Kirchberg wirkte.
»Eines Nachmittags im Oktober 1900 musste ich von Kirchberg in Amtssache zu einem Hause nach Berndorf gehen und machte mich um 5 Uhr auf den Rückweg«, notiert Meixner in der Pfarrchronik. Und weiter: »Als ich schon in der halben Entfernung gegen Urlas war, sah ich ein Schulmädchen von etwa zwölf Jahren weinend daher laufen, das zwei Pakete Spezereiwaren trug, die es in Kirchberg gekauft hatte. Hinter dem Kinde sah ich einen großen schwarzen Mann daher gehen, etwa 30 Schritte entfernt. Es war etwas neblig, so dass ich ihn nicht genau ausnehmen konnte; ich hatte auf ihn auch nicht geachtet. Ich fragte das Mädchen: ›Warum weinst du denn?‹ ›Da geht mir immer ein schwarzer Mann nach; ich fürchte mich vor ihm‹, gab es zur Antwort. Da sagte ich: ›Tue unterwegs immer etwas zum heiligen Schutzengel beten, wenn du ausgehen musst, dann wird dir nichts geschehen.‹ Ich fragte noch: ›Wem gehörst du?‹ und es sagte: ›Dem Johann Kien‹ (einem braven Bauern in Berndorf); damit entließ ich es. Indes hätte jener Mann längst zu uns kommen müssen, allein als ich aufschaute, war er weg. An der Straße sind nur Äcker und diese waren abgeleert, so dass man Jeden schon von weitem sehen musste; der Mann war nirgends zu sehen. Auf einem einzigen Acker in der Nähe standen noch schüttere dürre ›Mais-Stangen‹, die eine volle Durchsicht gestatteten; es war auch kein Mann sichtbar, als ich vorbeiging. Dass sich der Mann in der kurzen Zeit dahin geflüchtet und in eine Furche gelegt habe, ist nicht möglich gewesen. – Überhaupt ist mir auf dem Heimweg in dortiger Gegend gar kein Mensch begegnet.«
Was hat Pfarrer Meixner gesehen? Wer verfolgte das Mädchen? Spielte ihnen das Gehirn einen Streich, indem es nebulose Schatten mit Bildern und Formen aus dem Unterbewusstsein verglich, die dem Gedächtnis vertraut sind? In diesem Fall statt Wolkenfetzen, die an Gesichter oder Tiere erinnern, das Schattenbild eines schwarzen Mannes? Viele Beobachtungen, die dem Übersinnlichen zugeschrieben werden, finden als Aberglaube, Einbildung oder optische Täuschung eine vernünftige Erklärung. Aber eben nicht alle. Was beim Urlas-Spuk stutzig macht: Die Erscheinungen sind ortsgebunden und wiederholen sich seit rund 160 Jahren bis in die Gegenwart.
Es wird gegenüber Ortsfremden nicht gerne darüber gesprochen, aber Johann Köhldorfer bestätigt, dass es zwischen Berndorf und Urlas noch heute zu Begegnungen mit dem »schwarzen Mann« kommt. Der Historiker aus Berndorf ist ein rational denkender Mensch, aber bei den paranormalen Sichtungen kommt auch er ins Grübeln. Der Forscher erinnert sich an eine Episode vor einigen Jahren, als er unvermittelt selbst mit dem gespenstischen Phänomen konfrontiert wurde. Damals nahm Köhldorfer nahe dem Urlaswald die »dunkle Silhouette« eines Mannes wahr, der sich vor seinen Augen in Luft aufzulösen schien. Was oder wer der Fremde war, blieb ungeklärt.
Johann Köhldorfer weiß von einem weiteren Augenzeugen der Gegenwart. Diese Beobachtung ist mit einem Suizid im Urlaswald verbunden. Demnach habe »Monate nach dem tragischen Ereignis nächtens einige Male ein ›Schwarzer Mann‹ vor dem Haus der betroffenen Familie gestanden. Der Wohnsitz ist nur einen Steinwurf vom Urlaswald entfernt. Die dunkle Gestalt reagierte auf keinerlei Anrufe und verschwand spurlos, wann immer man sich ihr näherte. Die Gestalt war ›einfach plötzlich weg‹– nicht fortgegangen, nicht langsam verblasst, nein, einfach weg.«
Der »schwarze Mann« wird in Erzählungen häufig als »Kinderschreck« dargestellt. Wer unerwartet Bekanntschaft mit dem Unfassbaren macht, ist verständlicherweise verblüfft, erstarrt und vielleicht auch ängstlich. Mir ist aber keine Episode bekannt, wo sich das gesichtete Schattenwesen bösartig verhalten hätte. Es lässt sich nur »sehen« und begleitet still und stumm die Wanderer ein Stück ihres Weges. Die Berichte über den »schwarzen Mann« in Kirchberg passen nicht zu einer klassischen Gruselgestalt. Die wiederkehrende Erscheinung entspricht eher der Vorstellung eines Wächters oder Schutzgeistes.
Doch wenn es keine Halluzinationen waren, was war es dann? Zieht man Paranormales in Betracht, dann könnten es Projektionen von vergangenen Ereignissen sein, die an einem bestimmten Ort – ähnlich einem Fehler in der Matrix – immer wieder auftreten. Das Phänomen ist mit einem Hologramm vergleichbar, das in einer Zeitschleife gefangen ist und unter bestimmten Voraussetzungen von sensitiven Menschen wahrgenommen werden kann. Das Problem bei dieser Hypothese ist die Überprüfung: Die Projektionen lassen sich nicht auf Knopfdruck herbeiführen oder im Labor experimentell verifizieren. Das Schattenwesen tritt spontan und eigenständig in Erscheinung und bleibt unfassbar.
Für kühne Geisterjäger wäre es ebenso denkbar, dass der »schwarze Mann« die Seele eines Totengräbers ist, der zu Zeiten der Pest von der Seuche hingeraffte Menschen einsammelte. Von ortsgebundenem Spuk wird oft behauptet, dass er seine Kraft aus den Energien ehemaliger Schlachtfelder, von Friedhöfen und historischen Stätten schöpft, die Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte später für Momente freigesetzt und beobachtet werden können. Sucht der rabenschwarze Urlas-Geist womöglich bis auf den heutigen Tag nach Opfern des »Schwarzen Todes«?
Zugegeben, das ist reine Spekulation. Doch wie real ist das, was wir für die Wirklichkeit halten? Historisch belegt ist: Das zauberhafte Raabtal, so wie es sich heute Einwohnern und Touristen präsentiert, war in vergangenen Jahrhunderten Schauplatz blutiger Kriege und fürchterlicher Schicksale. Von den Einfällen der Hunnen, Türken, Franzosen, Kuruzen bis hin zu diversen Adelsfehden, Hexenprozessen, Religionskriegen und Kämpfen mit der Roten Armee blieb den Menschen dieser Region nichts erspart. Hinzu kommen schwerste Verwüstungen durch Wetterkatastrophen, Hagelstürme, Überschwemmungen, Erdrutsche, Feuersbrünste und Heuschreckenplagen. Nicht zu vergessen die Pest-Epidemien des Mittelalters und der Renaissance mit verheerenden Bevölkerungsverlusten, die auch zum Aussterben des Dorfes Urlas führten.
Lässt sich in den Schicksalswirren irgendwo ein besonders merkwürdiger oder tragischer Todesfall festmachen, der vielleicht mit dem Phänomen des »schwarzen Mannes« verknüpft werden könnte? Ich frage Dr. Köhldorfer, ob ihm dazu aus der Kirchberger Geschichte etwas Ungewöhnliches bekannt ist. Der Historiker gibt offen zu, dass er sich darüber noch nie Gedanken gemacht hat. Nach kurzem Sinnieren fällt ihm ein Name ein: Johann Uhl aus Urlas! Er soll ein auffällig großer Mann gewesen sein, der Ende des 19. Jahrhunderts als katholischer Priester in Pfarreien der Region wirkte. Sein Leben endete auf tragische Weise am 28. Juni 1909: Der Geistliche erhängte sich wenige Tage vor seinem 42. Geburtstag in Kogelhof bei Birkfeld. Er soll an einem »bösen Kopfleiden« gelitten haben.