US-Drohneneinsatz von deutschem Boden aus: Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Probleme - Niema Movassat - E-Book

US-Drohneneinsatz von deutschem Boden aus: Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Probleme E-Book

Niema Movassat

4,8

Beschreibung

Seit vielen Jahren wird sowohl in den Medien als auch in der deutschen Politik die Rolle der US Air Base in Ramstein diskutiert. Es geht dabei immer um eine Frage: Ist die von der US-Luftwaffe betriebene Militärbasis am weltweiten militärischen Einsatz von Drohnen beteiligt? Ist sie dafür sogar, wie der ehemalige US-Drohnenpilot Brandon Bryant sagt, "absolut zentral"? Unbestritten ist, dass die USA Kampfdrohnen einsetzen. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 befinden sie sich nach eigenen Worten in einem "globalen Krieg gegen den Terror", bei dem bewaffnete Drohnen aufgrund der technischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte eine erhebliche Bedeutung erlangt haben. So ist Anzahl der US-Drohnen von 50 im Jahr 2000 auf ca. 11.000 im Jahr 2013 gestiegen. Mittlerweile bildet die US-Luftwaffe mehr Drohnenbediener als Kampfpiloten aus. Laut dem Bureau for Investigative Journalism, dessen Zahlen als zuverlässig gelten, sind allein in Pakistan von Juni 2004 bis Mai 2016 zwischen 2.499 und 4.001 Menschen durch US-Drohnen getötet, darunter 424 bis 966 Zivilisten. Die bewaffneten US-Drohneneinsätze weisen zahlreiche völkerrechtliche Implikationen auf, die in diesem Buch umfassend thematisiert werden. Da US-Militärbasen in Deutschland möglicherweise eine wichtige Rolle spielen, stellen sich zudem Fragen hinsichtlich der völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland. Dies ist eine Thematik, die bisher kaum in der Fachliteratur erörtert worden ist, im Rahmen dieses Buches nimmt sie einen gewichtigen Raum ein. Die Arbeit wurde 2016 als Masterarbeit am Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht sowie Völkerrecht an der FernUniversität in Hagen eingereicht und mit "gut" bewertet. Für diese Buchausgabe wurden die Hinweise der Prüfer eingearbeitet.

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Im September 2016 eingereicht als Masterarbeit am

Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Verfassungs-

und Verwaltungsrecht sowie Völkerrecht

der FernUniversität Hagen

Prüfer: Prof. Dr. Andreas Haratsch

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

Vorgehensweise

Technische Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

Die Vor- und Nachteile von Kampfdrohnen

Vorteile

Nachteile

US-Drohneneinsätze von deutschem Boden –Faktenlage und rechtlicher Status

Funktionsweise der US-Drohneneinsätze

Die Bedeutung der US-Militärbasen in Deutschland für die US-Drohneneinsätze

Rechtlicher Status der US-Militärbasen in Deutschland

Bewaffnete US-Drohneneinsätze und das Völkerrecht

Anwendbares Völkerrecht

Der Begriff des bewaffneten Konfliktes

Rechtliche Würdigung des „Krieges gegen den Terror“

Einsatz von US-Kampfdrohnen innerhalb bewaffneter Konflikte

Anwendbare Regeln des ius in bello bei US-Drohneneinsätzen

Mögliche Völkerrechtsverstöße durch US-Drohneneinsätze

Unterscheidungsgrundsatz

aa) Zivile Opfer

bb) Nicht-Soldaten als Angriffsziele

cc) Zwischenergebnis

Verbot unnötigen Leidens und überflüssiger Verletzungen

Perfidieverbot

Pardongebot

Ergebnis

Einsatz von US-Kampfdrohnen außerhalb bewaffneter Konflikte

Gewaltverbot, Art. 2 Nr. 4 UNCh

Begriff der Gewalt

Zielgerichtetheit der Gewaltanwendung

Zwischenstaatlichkeit

Zwischenergebnis

Rechtfertigung durch Zustimmung

Rechtfertigung durch das Selbstverteidigungsrecht

Angriffsintensität

Gegenwärtigkeit des Angriffs

aa) Wiederholungsgefahr bzw. Dauerangriff

bb) Präemptiver Einsatz

Tauglicher Angreifer

aa) Indirekte Gewalt

bb) Zurechnung über „Safe-Haven-Doktrin“

cc) Verzicht auf Zurechnung

dd) Adressat des Selbstverteidigungsrechtes

Ergebnis

US-Drohneneinsätze und Menschenrechte

Anwendbarkeit des IPbpR

Art. 6 IPbpR bei US-Drohneneinsätzen außerhalb bewaffneter Konflikte

Art. 6 IPbpR bei US-Drohneneinsätzen innerhalb bewaffneter Konflikte

Ergebnis

Völkerrechtliche Verantwortung Deutschlands bei US-Drohneneinsätzen

Tatsächlicher Anknüpfungspunkt für Staatsverantwortlichkeit...

Verbot der Beihilfe

Verletzung von Neutralitätspflichten

Anwendbarkeit des Neutralitätsrechts

Neutraler Status

Inhalt der Neutralitätspflicht

Verletzung der Neutralitätspflicht und Folgen

Verfassungsrechtliche Verantwortung Deutschlands bei US-Drohneneinsätzen

Allgemeine Regeln des Völkerrechts als Teil des Bundesrechts, Art. 25 S. 1 GG

Recht auf Leben, Art. 2 II 1 GG

1. Extraterritoriale Gültigkeit von Art. 2 II 1 GG

Anwendbarkeit

Umfang und Bedingung für die extraterritoriale Geltung

2. Schutzbereich

3. Eingriff

4. Erfüllung der Schutzpflicht

Allgemeine Kriterien

Informationsbeschaffungspflicht

Eignung und Effektivität bisheriger Maßnahmen

Vorhandensein alternativer Maßnahmen

Unzumutbarkeit

4. Ergebnis

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

a. A.

andere Auffassung

Abs.

Absatz

AJIL

American Journal of International Law

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

AVR

Archiv des Völkerrechts

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BRJ

Bonner Rechtsjournal

BT-Drs.

Bundestagsdrucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerfGK

Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

bzgl.

bezüglich

bzw.

beziehungsweise

ca.

circa

CIA

Central Intelligence Agency

CSS

Center for Security Studies

d. h.

das heißt

Doc.

Document

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

DJILP

Denver Journal of International Law and Policy

DSF

Deutsche Stiftung Friedensforschung

DVBl

Deutsches Verwaltungsblatt

ebd.

ebenda

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EJIL

European Journal of International Law

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

ES

Europäische Sicherheit

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

f.

folgende (Seite)

ff.

fortfolgende (Seiten)

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

GoJIL

Goettingen Journal of International Law

HGR

Handbuch der Grundrechte

HLKO

Haager Landkriegsordnung vom 18.10.1907 (RGBl. 1910 S. 107)

h. M.

herrschende Meinung

HRC

Human Rights Committee

Hrsg.

Herausgeber

hrsg.

herausgegeben

HStR

Handbuch des Staatsrechts

HuV-I

Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften

ICJ Rep.

International Court of Justice, Reports of Judgements, Advisory Opinions and Orders

ICLQ

International and Comparative Law Quarterly

ICTY

International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia

IGH

Internationaler Gerichtshof

IGHS

Statut des Internationalen Gerichtshofs

IKRK

Internationales Komitee vom Roten Kreuz

ILC

International Law Commission

ILJ

Cornell International Law Journal

ILS

International Law Studies

IntAff

International Affairs

IPbpR

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II, 1533)

IPG

Internationale Politik und Gesellschaft

i. S. d.

im Sinne des

JNSLP

Journal of National Security Law & Policy

JöR

Jahrbuch des öffentlichen Rechts

JR

Juristische Rundschau

JURA

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristen Zeitung

Kap.

Kapitel

KritV

Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft

lit.

littera

MRM

MenschenRechtsMagazin

MüKo

Münchener Kommentar

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NATO

North Atlantic Treaty Organization

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

No.

Number

Nr.

Nummer

NSA

National Security Agency

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NTS

NATO-Truppenstatut

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NWVBl

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter

NZWehrr

Neue Zeitschrift für Wehrrecht

o. V.

Ohne Verfasser

Rn.

Randnummer

S.

Seite, Satz

S/RES

Resolution des UN-Sicherheitsrates

StGB

Strafgesetzbuch

SWP

Stiftung Wissenschaft und Politik

u.

und

u. a.

und andere

UN

United Nations

UNCh

Charta der Vereinten Nationen vom 26.06.1945 (BGBl. II, 430)

US

United States

USA

United States of America

v.

von, vom

VG

Verwaltungsgericht

vgl.

vergleiche

VN

Vereinte Nationen

Vorb.

Vorbemerkung

VStGB

Völkerstrafgesetzbuch

WVK

Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.05.1969 (BGBl. 1985 II, S. 927)

YIHL

Yearbook of International Humanitarian Law

ZA-NTS

Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

z. B.

zum Beispiel

ZfAS

Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik

Ziff.

Ziffer

ZP I

Zusatzprotokoll I zu den Genfer Konventionen

ZP II

Zusatzprotokoll II zu den Genfer Konventionen

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZSR

Zeitschrift für schweizerisches Recht

z. T.

zum Teil

A. Einleitung

Ramstein-Miesenbach ist eine Kleinstadt mit etwa 7.500 Einwohnerinnen und Einwohnern. Den meisten Deutschen wäre der Ort in der Nähe von Kaiserslautern vermutlich unbekannt, wenn er nicht regelmäßig in den Medien Erwähnung finden würde. Die Berichte drehen sich meist um eine zentrale Frage: Ist die von der US-Luftwaffe betriebene Ramstein Air Base am weltweiten militärischen Einsatz von Drohnen1 durch die USA beteiligt2? Ist sie dafür sogar, wie ein ehemaliger Drohnenpilot sagt, „absolut zentral“3?

Die Frage bewegt alle drei staatlichen Gewalten. Im Deutschen Bundestag gab es mehrere Kleine Anfragen zu den US-Militärbasen in Ramstein und Stuttgart und ihrer Rolle bei US-Drohneneinsätzen4. Der NSA-Untersuchungsausschuss vernahm Zeugen zu diesem Thema5. Im Bereich der Exekutive hat die Bundesregierung die Thematik gegenüber der US-Regierung zur Sprache gebracht6 und ihr im April 2014 einen Fragenkatalog übersandt7. Auch deutsche Gerichte haben sich mit der Rolle der US-Militärbasen befasst8. Die Generalbundesanwaltschaft leitete sogar ein Ermittlungsverfahren ein9.

Unbestritten ist, dass US-Drohneneinsätze stattfinden10. Seit den Anschlägen vom 11.09.2001 befinden sich die USA in einem globalen „Krieg gegen den Terror“11, bei dem bewaffnete Drohnen aufgrund der technischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte eine erhebliche Bedeutung erlangt haben12. Die Drohneneinsätze scheinen der US-Regierung als geeignetes Mittel zu gelten, einerseits verteidigungspolitische Ziele zu erreichen und gleichzeitig die eigenen Verluste zu reduzieren13. Dies erklärt, warum sich unter Präsident Obama die Zahl der Drohneneinsätze merklich erhöht hat14. Auch ist die Anzahl der US-Drohnen von 50 im Jahr 2000 auf ca. 11.000 im Jahr 2013 gestiegen15. Mittlerweile bildet die US-Luftwaffe mehr Drohnenbediener als Kampfpiloten aus16. Lange gab es keine offiziellen Angaben dazu, wie viele Personen durch US-Drohnen den Tod gefunden haben17. Erst jüngst gaben die USA bekannt, seit dem Amtsantritt von US-Präsident Obama handele es sich um bis zu 2.581 Personen, darunter bis zu 116 Zivilisten18. Da sich diese Zahlen der USA nur auf Länder beziehen, in denen sie nicht an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt sind, sind die Opfer in Afghanistan, Irak und Syrien nicht erfasst19. Zudem weichen die offiziellen Angaben deutlich von anderen Schätzungen ab. So wurden laut dem „Bureau for Investigative Journalism“, dessen Zahlen als zuverlässig gelten20, allein in Pakistan von Juni 2004 bis Mai 2016 zwischen 2.499 und 4.001 Menschen durch US-Drohnen getötet, darunter 424 bis 966 Zivilisten21.

Die bewaffneten US-Drohneneinsätze weisen zahlreiche völkerrechtliche Implikationen auf. Da dabei US-Militärbasen in Deutschland möglicherweise eine wichtige Rolle spielen, stellen sich zudem Fragen hinsichtlich der völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland. Beide Themenkreise stehen im Fokus dieser Arbeit.

1 Zum Begriff siehe A. II.

2Bommarius, Christian (2013): US-Kampfdrohnen-Einsätze. Die Mitschuld am Drohnen-Krieg, in: Frankfurter Rundschau, 04.06.2013, http://www.fr-online.de/politik/us-kampfdrohnen-einsaetze-die-mitschuld-am-drohnen-krieg,1472596,23109334.html, zuletzt abgerufen am 27.06.2016; Goetz, John u. a. (2013): Angriffe in Afrika. Drohnentod aus Deutschland, in: Süddeutsche Zeitung, 28.11.2013, http://www.sueddeutsche.de/politik/an-griffe-in-afrika-drohnentod-aus-deutschland-1.1829921, zuletzt abgerufen am 05.08.2016.

3 O. V. (2015): Interview mit dem ehemaligen US-Drohnenpiloten Brandon Bryant: „Ramstein ist absolut zentral“, in: Panorma, 14.10.2015, http://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/Brandon-Bryant-Ramstein-ist-ab-solut-zentral,drohnen250.html, zuletzt abgerufen am 05.08.2016.

4 BT-Drs. 17/13381; BT-Drs. 17/14401; BT-Drs. 18/237.

5 O. V. (2014): Ex-NSA-Mitarbeiter im Untersuchungsausschuss. BND unterstützte Drohnenkrieg der USA, Spiegel Online, 04.07.2014, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ex-nsa-mitarbeiter-drake-bnd-unterstuetzte-drohnenkrieg-der-usa-a-979130.html, zuletzt abgerufen am 26.07.2016; o. V. (2015): Ex-US-Soldat bestätigt Ramsteins zentrale Rolle im Drohnen-Krieg, stern, 15.10.2015, http://www.stern.de/politik/deutsch-land/nsa-untersuchungsausschuss--ex-drohnen-pilot-brandon-bryant--ramstein-ist-immer-involviert-6503394.html, zuletzt abgerufen am 05.08.2016.

6 BT-Drs. 17/14401, Antwort auf Frage 11, S. 5.

7 BT-Drs. 18/2794, Vorbemerkung der Bundesregierung, S. 2.

8 BVerwG, DVBl 2016, S. 849; VG Köln, 4 K 5467/15, Urteil v. 27.04.2016; VG Köln, NWVBl 2016, S. 39.

9 GBA, NStZ 2013, S. 644.

10 Von den USA bestätigt, siehe: Koh, Harold (Rechtsberater der Regierung Obama): The Obama Administration and International Law, Speech, American Society of International Law, Washington D.C., 25. März 2010, http://www.state.gov/s/l/releases/remarks/139119.htm, zuletzt abgerufen am 14.06.2016.

11 National Security Strategy, 17.09.2002, S. 27, http://www.state.gov/documents/organization/63562.pdf, S. 27, zuletzt abgerufen am 18.07.2016; Rede des damaligen US-Präsidenten George W. Bush: „Bush kündigt Beginn eines ‚Kriegs gegen den Terror‘ an“, 20.09.2001, http://usa.usembassy.de/etexts/docs/ga1-092001d.htm, zuletzt abgerufen am 16.08.2016.

12Ceccoli/Bing, Studies in Conflict & Terrorism 38 (2015), S. 146 (147); Dickow/Linnenkamp, SWP Aktuell 75, 2012, S. 3; Nowrot, S. 6; Orr, ILJ 2011, S. 729 (730).

13Orr, ILJ 2011, S. 729 (730); Vogel, DJILP 2011, S. 101 (102); siehe auch B. I.

14Benjamin, S. 107 f.; Ceccoli/Bing, Studies in Conflict & Terrorism 38 (2015), S. 146 (147); Orr, ILJ 2011, S. 729 (730); Rudolf, SWP Aktuell 37, 2013, S. 5.

15Pedrozo, in: Pedrozo/Wollschlaeger, S. 217 (217).

16 Ebd.

17 Vgl. Frau, VN 2013, S. 99 (100); Heyns, Rn. 80 f.

18 O. V. (2016): US-Regierung veröffentlicht erstmals Zahlen. Bis zu 116 Zivilisten durch Drohnen getötet, tagesschau.de, 02.07.2016, https://www.tagesschau.de/ausland/us-drohnenangriffe-101.html, zuletzt abgerufen am 05.08.2016.

19 Ebd.

20Rudolf, SWP Aktuell 37, 2013, S. 5.

21 Weitere Zahlen finden sich für Jemen, Afghanistan und Somalia, siehe: Bureau for Investigative Journalism, https://www.thebureauinvestigates.com/category/projects/drones/drones-graphs/, zuletzt abgerufen am 18.07.2016.

I. Vorgehensweise

Um die Beweggründe der USA für den zunehmenden Einsatz bewaffneter Drohnen zu verdeutlichen, beginnt die Arbeit mit einem kurzen Überblick über die Vor- und Nachteile ihres Einsatzes (B.). Es folgt eine Darstellung der Faktenlage zum US-Drohneneinsatz vom deutschen Boden (C.).

Anschließend geht es um die rechtlichen Fragestellungen, die den Schwerpunkt dieser Arbeit bilden. Für die USA liegt die juristische Grundlage für den weltweiten Einsatz bewaffneter Drohnen in der „Authorisation for the Use of Military Force“22. Aufgrund der Terroranschläge des 11.09.2001 berufen sich die USA auf ein Selbstverteidigungsrecht gegen Terrororganisationen wie „Al-Qaida“, welches auch den Einsatz von Kampfdrohnen legitimiere23. Ob ein solches Selbstverteidigungsrecht tatsächlich besteht und inwieweit US-Drohneneinsätze mit dem Völkerrecht und den Menschenrechten vereinbar sind, ist Gegenstand einer umfassenden Analyse (D.). Im Anschluss wird die Frage behandelt, welche eigenen völker- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der US-Drohneneinsätze einhalten muss (E., F.).

II. Technische Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

Der Begriff „Drohne“ bezeichnet ein unbemanntes Luftfahrzeug24. Unter einem unbemannten System wird „ein zumeist wiederverwendbares angetriebenes Gerät, das keinen Bediener trägt und autonom oder ferngesteuert Missionen durchführt“25 verstanden. Die heute eingesetzten Drohnen agieren allerdings nicht autonom26, sondern werden von Piloten ferngesteuert27. So sitzen im Fall der US-Drohnen die Bediener in Militäreinrichtungen in den USA28.

Drohnen können unterschiedliche Ausstattungen haben. So gibt es Drohnen mit Kameras für Aufklärungs- und Überwachungsmissionen29. Für Kampfeinsätze verfügen Drohnen zudem über Waffen wie die Luft-Boden-Rakete „Hellfire“ oder lasergelenkte Bomben30. Diese auch als „Kampfdrohnen“31 bezeichneten Luftfahrzeuge werden entweder als Ergänzung zu anderen militärischen Maßnahmen oder zur gezielten Tötung mutmaßlicher Terroristen genutzt32. Diese Ausarbeitung behandelt den Einsatz bewaffneter Drohnensysteme durch die USA.

22 Beschlossen am 14.09.2001 als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11.09.2001 durch den US-Kongress, https://www.congress.gov/bill/107th-congress/senate-joint-resolution/23, zuletzt abgerufen am 14.06.2016.

23Koh, Harold, Speech (Fn. 10).

24Richter, SWP Aktuell 28, 2013, S. 1; Städele, S. 24.

25 Definition nach Petermann/Grünwald, S. 6.

26Arendt, in: Frau, S. 19 (21); Banaszewska, in: Frau, S. 59 (62 f.).

27Frau, HuV-I 2011, S. 60 (60); Schönfeld, BRJ 2015, S. 25 (26).

28Orr, ILJ 2011, S. 729 (735); Schönfeldt, BRJ 2015, S. 25 (26); Schörnig, in: Schmidt-Radefeldt/Meissler, S. 33 (37 f.).

29 z. B.: deutsche Polizeidrohne MD4-1000, militärische Drohne Global Hawk.

B. Die Vor- und Nachteile von Kampfdrohnen

I. Vorteile

Einer der Vorteile von Kampfdrohnen ist, dass ihre Waffenwirkung im Vergleich zu Kampfflugzeugen punktgenauer ist, wodurch die Zahl ziviler Opfer vermindert wird33. Zudem sind sie aufgrund ihrer Sensortechnik zu einer genauen Zielaufklärung in der Lage. In Verbindung mit ihren Präzisionswaffen können Kampfdrohnen dadurch Ziele nahezu zeitgleich zur Aufspürung ausschalten; die Zeitspanne zwischen der Entdeckung des Zieles und seiner Bekämpfung ist auf wenige Sekunden verkürzt34.

Zudem sind Drohnen in der Lage, sehr lange in der Luft zu bleiben35. Die US-Drohne „Predator“ kann z. B. 24 Stunden ohne Unterbrechung fliegen36. Dies ermöglicht eine längere bzw. ständige Beobachtung des Zielobjektes. Für die USA ist dies bedeutsam, da der Gegner in den Kriegen in Afghanistan und dem Irak oft „unsichtbar“ war bzw. ist und sich unter die Zivilbevölkerung mischt37.

Einer der wichtigsten Vorteile ist, dass eigene Soldaten keiner physischen Gefahr ausgesetzt sind, da sich die Piloten tausende Kilometer entfernt auf sicherem Gebiet, zumeist im eigenen Staat, befinden38. In Zeiten, in denen die Bevölkerung Kriegseinsätze immer skeptischer gegenübersteht, ist dies aus Sicht politischer Entscheidungsträger ein nicht zu unterschätzender Vorteil39.

Hinzu kommt, dass bewaffnete Drohnen in finanzieller Hinsicht preiswerter sind als Kampfflugzeuge40: Eine „Reaper“ Drohne kostet $ 28,4 Millionen41, ein F-22 Kampfjet $ 150 Millionen.

II. Nachteile

Die Verlustgefahr ist bei Drohnen höher als bei Kampfjets, da erstere recht langsam fliegen und so für Radarschirme leicht erkennbar und für Luftabwehrsysteme gut erfassbar sind42. Die Netzwerktechnik ist durch Hacker angreifbar43. Auch ist das Einsatzgebiet von Drohnen begrenzt: Sie sind nicht so beweglich wie und langsamer als Kampfflugzeuge44.

Auf kriegspsychologischer Ebene wird befürchtet, dass Drohnen zu einer Enthemmung der Gewalt führen können45. Einerseits, weil die Kriegsführenden weit weg vom Schlachtfeld sind und eigene Soldaten durch Entscheidungen nicht gefährdet werden46. Andererseits, da eine „Playstation“-Mentalität auftreten könnte, indem bei den Piloten das Gefühl entsteht, nicht real zu handeln, sondern sich in einem virtuellen Videospiel zu befinden47; die Folge wäre eine emotionale Distanz zum Opfer48.

Zudem werden Zweifel geäußert, ob Drohnen überhaupt geeignet sind, den Terrorismus zurückzudrängen. Denn die ständige Gefahr, Opfer eines Drohnenangriffes zu werden, könnte in einigen Ländern als Rekrutierungsargument für Terrorgruppen dienen49.

30 Bekannteste Modelle sind die US-Drohnen MQ-1B Predator („Raubtier“) und MQ-9 Reaper („Sensenmann“).

31Nowrot, S. 5 f.

32Benjamin, S. 28; Dickow/Linnenkamp, SWP Aktuell 75, 2012, S. 3.

33Richter, SWP Aktuell 28, 2013, S. 8; Schönfeldt, BRJ 2015, S. 25 (27).

34Schönfeldt, BRJ 2015, S. 25 (27); Schörnig, in: Schmidt-Radefeldt/Meissler, S. 33 (40).

35Bieri/Dickow, CSS, Nr. 164, S. 2; Richter, HuV-I 2011, S. 105 (106).

36Vogel, DJILP 2011, S. 101 (104).

37Benjamin, S. 27.

38Benjamin, S. 28; Bieri/Dickow, CSS, Nr. 164, S. 2; O’Conell, Unlawful Killing, S. 5.

39Schörnig, in: Schmidt-Radefeldt/Meissler, S. 33 (47).

40Boor, HuV-I 2011, S. 97 (97); Frau, VN 2013, S. 99 (99).

41Benjamin, S. 29.

42Bieri/Dickow, CSS Nr. 164, S. 2; Schörnig, in: Schmidt-Radefeldt/Meissler, S. 33 (36).

43 O. V. (2009): Irakische Aufständische hacken US-Militärdrohnen, in: Spiegel Online, 17.12.2009, http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/bla-mage-fuer-amerikanische-air-force-irakische-aufstaendische-hacken-us-militaerdrohnen-a-667648.html, zuletzt abgerufen am 21.08.2016.

44Frau, VN 2013, S. 99 (99).

45Dickow/Linnenkamp, SWP Aktuell 75, 2012, S. 4; Stroh, in: Frau, S. 137 (144); Vogel, DJILP 2011, S. 101 (124).

C. US-Drohneneinsätze von deutschem Boden –Faktenlage und rechtlicher Status

I. Funktionsweise der US-Drohneneinsätze

Die US-Programme im Kampf gegen den Terror sind geheim50. Vor kurzem aber kam es zur Veröffentlichung der offiziellen US-Richtlinien für den Einsatz von Drohnen außerhalb von Kriegsgebieten51. Schon vorher war bekannt geworden, dass die USA eine geheime Liste („Joint Effects List“) führen, auf der die Zielpersonen erfasst sind, die mittels Drohne ausgeschaltet werden sollen52. Diese Operationen, die als „targeted killing“53 bezeichnet werden, führt sowohl das US-Militär als auch der US-Geheimdienst CIA aus, der hierfür eine eigene Zielpersonen-Liste führt54.

Es ist nicht bekannt, nach welchen Kriterien Personen auf die Ziellisten aufgenommen werden55. Die Presidential Policy Guidance sagt dazu nur, dass es sich um „hochrangige Terroristen“ („high-value terrorist“) handeln müsse56. Allerdings ist publik geworden, dass bereits bestimmte Bewegungs- und Verhaltensmuster Personen zu Zielobjekten machen können („signature strikes“)57.

Für die Zielauswahl sowohl des US-Militärs als auch der CIA gibt es eine umfassende Befehls- und Überprüfungskette58. Unabhängige Gerichte sind an diesem Prozess allerdings nicht beteiligt. Die Letztentscheidung bei Drohneneinsätzen außerhalb offizieller Kriegsgebiete liegt beim US-Präsidenten59