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Matthias Storck "weiß genau: Geschichte lebt durch Geschichten. Durch persönliche Erlebnisse und Erfahrungen. Deshalb erzählt er sie uns, ganz direkt, sehr emotional, schonungslos offen. Er nimmt uns mit ins Berlin seiner Kindheit und Jugend, in die kargen Zellen der DDR-Zuchthäuser, ins Notaufnahmelager Gießen und schließlich nach Ostwestfalen, wo er nach seinem Freikauf heimisch wird ... Unbarmherzig und willkürlich verfolgte das Regime Andersdenkende, sperrte sie ein und versuchte, sie zu entwürdigen und zu brechen. Politische Haft, so wie Matthias Storck und seine Frau Christine sie erleben mussten, ist damals wie heute eines der wichtigsten Kennzeichen von Diktaturen. Aber auch die Korrumpierung von Menschen durch Druck und Lüge, die manchmal bis zum Verrat an Freunden, ja sogar an Familienmitgliedern führen konnte ..." Rainer Eppelmann, ehem. evangelischer Pfarrer und DDR-Oppositioneller, in seinem Vorwort Nach seinem ersten autobiografischen Band "Karierte Wolken" setzt Matthias Storck hier seine eindrückliche Lebensgeschichte fort.
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Seitenzahl: 234
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Matthias Storck
Erfahrungen eines Freigekauften
Mit einem Vorwort von Rainer Eppelmann
© Brunnen Verlag Gießen 2015
www.brunnen-verlag.de
Umschlagfoto: joexx, photocase
Umschlaggestaltung: Jonas Heidenreich
Satz: DTP Brunnen
ISBN 978-3-7655-4277-0
eISBN 978-3-7655-7356-9
Manchmal genügt ein einziges Jahr, um die Welt zu verändern. Nachdem die Bürgerinnen und Bürger der DDR im Herbst 1989 in einer friedlichen Revolution die Berliner Mauer und die SED-Diktatur gestürzt hatten, wurde am 3. Oktober 1990 die deutsche Einheit verwirklicht. An diesem Tag ging auch die DDR in die Geschichte ein. 25 Jahre ist das nun her. Dieses Vierteljahrhundert, in dem die Menschen in ganz Deutschland in Freiheit und Demokratie leben können, hat es auch mit sich gebracht, dass die Erinnerungen an den „Arbeiter- und Bauernstaat“ und an die deutsche Teilung langsam verblassen. Dies gilt besonders im Hinblick auf junge Menschen, die über keine eigenen Erfahrungen aus dieser Zeit mehr verfügen.
Wenn wir jetzt das Einheitsjubiläum feiern, so freuen wir uns darüber, wie sehr Deutschland in den zurückliegenden 25 Jahren ein Land geworden ist. Doch es gilt auch festzuhalten, dass Erfahrungshorizonte, Denkweisen und Handlungsgewohnheiten zwischen Ost und West teilweise noch immer voneinander abweichen. Das muss uns nach Jahrzehnten der Teilung nicht wundern. Doch es ist wichtig, dass wir es wissen und uns deshalb gegenseitig noch besser kennenlernen. Das kann gelingen, wenn wir miteinander ins Gespräch kommen oder, vielleicht noch besser: einander zuhören. Die aus dem Westen denen aus dem Osten. Und umgekehrt. Damit wir verstehen, wo wir herkommen, wie wir gelebt haben, was uns geprägt hat und was uns wichtig war.
Mein Freund Matthias Storck unterbreitet uns dafür ein unwiderstehliches Angebot. Er weiß genau: Geschichte lebt durch Geschichten. Durch persönliche Erlebnisse und Erfahrungen. Deshalb erzählt er sie uns, ganz direkt, sehr emotional, schonungslos offen. Er lässt uns teilhaben an seinem Leben, nimmt uns mit ins Berlin seiner Kindheit und Jugend, in die kargen Zellen der DDR-Zuchthäuser, ins Notaufnahmelager Gießen und schließlich nach Ostwestfalen, wo er nach seinem Freikauf heimisch wird.
Er bietet uns einen lebendigen und authentischen Zugang zur Vergangenheit und wird zum Brückenbauer. Er baut Brücken in die Geschichte und er baut sie zwischen Ost und West. Für die Erlebnisgeneration ebenso wie für die Generation der Nachgeborenen. Mit seinen Geschichten schreibt er im besten Sinne Geschichte.
Wenn wir sein Buch lesen, verstehen wir besser, wie sich die Ereignisse und Entwicklungen konkret auf das Leben und das Schicksal der Menschen ausgewirkt haben, ja sogar, wie sie sich angefühlt haben. Er beschreibt ebenso lesenswert wie eindringlich, wie es einem einzelnen Menschen in der SED-Diktatur ergehen konnte, wenn er sich unangepasst verhielt und das herrschende System mutig zu hinterfragen wagte. Die Konsequenzen konnten schwerwiegend sein, ja das gesamte Leben für immer verändern. Unbarmherzig und willkürlich verfolgte das Regime Andersdenkende, sperrte sie ein und versuchte, sie zu entwürdigen und zu brechen. Politische Haft, so wie Matthias Storck und seine Frau Christine sie erleben mussten, ist damals wie heute eines der wichtigsten Kennzeichen von Diktaturen. Aber auch die Korrumpierung von Menschen durch Druck und Lüge, die manchmal bis zum Verrat an Freunden, ja sogar an Familienmitgliedern führen konnte, ist ein solches Merkmal.
Die Erinnerungen an eine so schmerzhafte Vergangenheit aufzuschreiben und sein Innerstes nach außen zu kehren, kann einem Menschen dabei helfen, wieder frei zu werden in seinem Denken und Handeln. Zugleich zeigt das bewegte Leben von Matthias Storck, wie gewinnbringend es für uns alle zu sein vermag, sich mit individuellen Schicksalen aus der Zeit der DDR zu beschäftigen. Ich bin mir sicher, dass sich Menschen in West- und Ostdeutschland, gerade auch viele junge, dazu ermuntert fühlen werden, in ihrem persönlichen Umfeld Fragen zu stellen und Antworten zu suchen, um das Wesen der SED-Diktatur zu begreifen. Denn erst die individuellen Erinnerungen bilden die Mosaiksteine im Geschichtsbild unseres Landes und zeigen uns, wie dankbar wir heute sein können für ein Leben im vereinten Deutschland in Demokratie und Freiheit.
Rainer EppelmannVorstandsvorsitzender der Bundesstiftungzur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Anfang der 1970er-Jahre saßen zwei Pfarrerskinder in Ostberlin an der Weidendammer Brücke.
Die beiden rauchten heimlich eine Zigarette und hängten ihre Gedanken wie gewohnt in die Spree, die an dieser Stelle von Ost- nach Westberlin floss. Wasser ist ein beruhigender Lehrmeister für den Gang der Welt. Es rückt vieles zurecht. Erst sammelt der Wasserspiegel das Licht ein. Dann Dächer unten, Häuser und Türme. Es folgen Brückenpfeiler, Baumkronen und Ufergras. Selbst Erinnerungen stehen im Fluss auf dem Kopf. Himmelunter schwankt die Stadt merkwürdig. Ganze Straßenzüge haben sich losgemacht von allen Fundamenten und hängen hilflos vom Himmel. So viel trotzige Aufsässigkeit musste den beiden gefallen. Und angesichts dieses Schauspiels schworen sie einander voller Inbrunst drei Lebensgrundsätze:
1. Ich werde niemals Pfarrer.
2. Ich höre niemals freiwillig Johann Sebastian Bach.
3. Meinen 65. Geburtstag werde ich keinesfalls zu Hause feiern. Ich gehe zum Grenzübergang Friedrichstraße und nehme die erste S-Bahn nach Westberlin.
Dieser verzweifelte Schwur lässt deutliche Rückschlüsse auf das Maß kindlicher Leiden im ostdeutschen evangelischen Pfarrhaus zu.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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