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Auf einer öden, von Schafen beweideten Insel lebt Veland. Einst ein wohlhabender Schmied, wurde er von König Harald und seinen Männern gefangen genommen und grausam verstümmelt. Seither fristet er sein Dasein in einer unterirdischen Werkstatt und wird streng bewacht - ein Geheimnis umrankt seine Person. Als die Kinder des Königs verschwinden, werden Velands Dienste benötigt.Mit "Veland" schuf Hauptmann eine moderne Adaption der altgermanischen Wielandsage.-
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Seitenzahl: 95
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Gerhart Hauptmann
Tragödie
Saga
Veland
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1925, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726956979
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
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Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.
Die Idee der Götter ist notwendig für die Kunst.
Jede Idee ist Universum in der Gestalt des Besonderen.
F. W. J. von Schelling, Philosophie der Kunst.
Die Schafinsel. Eine flache Ödenei mit spärlichem Graswuchs. Zwischen Blöcken der Eingang in die Werkstatt Velands. Diese selbst ist unterirdisch. Erster und zweiter Strandwächter, Bui und Boddi, schwer bewaffnet, langsam den Strand abschreitend.
Bui
O widerwärtig schauderhafter Dienst, den uns
Harald, der König, aufhalst: immer nur den Strand
von dieser wüsten Insel abzuschreiten.
Boddi
Er
straft uns. Zwar weiß ich nicht, womit wir es versehn
und seine Gnade uns verscherzten; doch wir sind
verbannt, so viel ist sicher.
Bui
Heißt es auch, daß wir
bestellt sind, Veland zu bewachen, dieses Vieh,
das einem Menschen kaum von ferne ähnlich ist:
wir selbst sind die Gefangnen!
Boddi
Und bei alledem
erpreßt man noch von uns den Zoll der Dankbarkeit;
denn, sagt man, dieses Untier zu bewachen, ist
der Tüchtigste, der Tapferste kaum gut genug.
Und eine Last von Ehren sei auf uns gehäuft,
indem man uns zum Wächteramte auserwählt.
Wahrlich, ich wüßte keine Last, die ich so gern
ins Meer versenken würde.
Bui
Aus der Seele hast
du mir gesprochen, Bruder. Oder legte endlich doch
auf andre Harald unsre ehrenvolle Last!
Boddi
Als König würd' ich töten diese Nachtgeburt
Veland! Ich bin ein Krieger zwar, und, weiß es Gott,
Furcht hat sich mir im Schlachtgetümmel nie genaht;
allein, sooft ich diesen bleichen Unhold, dies
gelähmte Scheusal, diesen fürchterlichen Schmied
erblicke, läuft es eisig übern Rücken mir.
Ja schon, wenn seine Höhle in der Nähe ist.
Und dabei heißt es, daß er unsern König haßt
und nur das Leben deshalb trägt, um sich an dem
zu rächen, der so furchtbar ihn verstümmelt hat.
Wer aber tat das?
Bui
König Harald, niemand sonst.
Boddi
Und wo und wie geschah es? Weißt du's, sag es mir.
Bui
Im Wolfstal. König Harald hatte sich im Herbst
mit vielen seiner Mannen dorthin aufgemacht.
Sie ritten viele Tagereisen, ehe sie
am Fuße des Gebirges waren, drin es liegt.
Und manche Tagereise klommen sie hinan,
eh sie das Tal erreichten. Selten nur betritt
das abgelegne, felsumschloßne Menschenfuß,
und außer Atli, der des Königs Koppel führt,
kennt nur der Bär, der Adler nur den Weg dorthin.
Und, sagt man, böse Geister.
Mitteninne nun
im Tal liegt, ewig unbewegt, ein kleiner See.
Die Flut ist grundlos! Und am Ufer fanden wir
die Höhle Velands, aufgetürmt wie diese hier.
Rauch stieg aus ihrem Dache.
Boddi
Also warest du
auch damals von der Fahrt.
Bui
Und nie vergess' ich sie.
Boddi
Und merkte Veland euer Nahn? Des Luchses Ohr
hört nicht so fern Geräusche, als sie seines hört,
und keines Hundes Witterung war je so fein
als seine. Und sein Auge blicket adlerweit.
Bui
Es sollte wohl uns übel ausgeschlagen sein,
wenn er daheim war, der an Kraft ein Riese ist.
Allein, verlassen glimmte nur im leeren Haus
der Herd und sandte durch die Esse dünnen Rauch.
Wir traten unbehindert in das Innre ein. –
O Himmelsvater, welch ein Reichtum glänzte da
dem Jarl ins Auge! Aus geschwärzter Wölbung hing,
auf Lindenbast gereiht, der Ringe goldner Hort:
Armring und Fußring, Zauberring und Siegelring.
Die Last war groß und für zwölf Rosserücken wohl
zu schwer. Solch eine Goldlast sah ich nie seitdem.
Vergessen war da ganz im Augenblick die Jagd.
Was war uns jetzt der Höhlenbär und jedes Wild
außer das goldne: die bequeme Beute, die
uns ohne Hatz und ohne Kampf ins Eisen sprang
und jede Faust besinnungslos zum Raube trieb.
Allein, Jarl Harald hatte kaum die Wut erkannt,
als er mit harter Stimme jeden Griff verbot
ins fremde Gut des Schmiedes, und er sagte so:
»Der Schmied gilt mehr als hundertfach des Schatzes Wert,
ihn und nicht Gold, das doch von Hand zu Händen geht,
sollt ihr mir fangen und zu ew'ger Knechtschaft mir
heimschleppen. Dann erst nehmt, was er im Hause hat,
und teilt es nach gerechtem Spruche unter euch!« –
Und so geschah's. Wir hielten lange lauernd uns
versteckt im Hinterhalt, bis Veland endlich kam.
Da zagte mancher, der ihn sah und der das Wild,
den Bären, sah, der seine breite Schulter kaum
zu drücken schien, so ungebunden war sein Schritt.
Denn damals stand er ja noch aufrecht, war noch nicht
wie jetzt durch König Haralds List verstümmelt und verschrumpft.
Boddi
Geschah das gleich, durchschnitt man gleich die Sehnen ihm
an seiner linken Ferse und am rechten Knie?
Bui
Wir banden ihn, als er ermüdet von der Jagd
in unerwecklich tiefem Schlafe röchelnd lag.
Und erst hier auf dem Holm, als man die Fesseln ihm
abnahm, damit er durch die Werke seiner Kunst
sich nützlich mache, hat man ihm den Fuß gelähmt.
Boddi
Sein Los ist bitter. Und mich kommt es bitter an,
des vordem Freien schmähliche Gefangenschaft
bewachen, drin zum Tiere er entartet ist.
Doch sieh, dort kommt des Königs Jäger, Atli, her.
Wer hat sein Boot ihm durch des Sundes Eis gezwängt
Und wichtig muß die Botschaft sein, die er uns bringt.
Atli
ist eilenden Schrittes herangekommen
Ahoi, ihr Männer! Seid ihr's wirklich? Seid
ihr die Strandwächter, die ich suche, oder
nur wieder Schatten, die im Nebel schwinden?
Bui
Wir sind die Wächter, Bui und Boddi, fürchte nichts.
Boddi
Wer Bui und Boddi trifft, der ist in guter Hut.
Was aber, Atli, willst du auf dem Holme wohl
jagen? Denn weder Bär noch Eber gibt es hier.
Hier haust nur Seegevögel, und du wärest nie
ein Mann, der gerne Vögel oder Fische fing.
Atli
Wie gerne fing' ich Fisch und Vogel und
was für ein zahmes Wild ihr immer wollt,
müßt' ich nur nicht auf dieser Wildspur keuchen,
die nun der Drost samt allen seinen Dienern
seit Tagen schon in bittrer Not verfolgt.
Ihr Männer, Ai und Ingi sind verschwunden.
Bui
Die Königsknaben, Ai und Ingi, meinst du sie?
Boddi
Die Sprossen meinest du aus Harald Schönhaars Blut,
wovon des Königs ganzer Stamm ergrünet war,
die Augensterne Älruns, unsrer Königin?
Atli
Ja, sie! Sie eben mein' ich, niemand sonst.
Nach ihnen haben wir, der König selbst,
des Königs Mannen, haben Knecht und Magd
das Land auf allen Wegen abgesucht,
auf manchem tagereiseweiten Ritt
und Gang Gebirge, Wald und Feld durchforscht.
Das Schleppnetz suchte sie am Meeresgrund
und tief im Bett von Flüssen und von Seen.
Bui
Traf König Harald Schönhaar solch ein Schicksalsschlag,
so wird das höchste Glück von Göttern wohl gewährt,
damit, in trügerische Wonnen eingewiegt,
der Mensch nur um so sichrer ihrem Haß erliegt.
Boddi
Ist irgend etwas noch, das leise Hoffnung gibt,
sie doch noch, und noch lebend, aufzufinden? Sprich.
Atli
Ein andres Etwas jeden Augenblick.
Der Jarl fährt immer wieder jäh empor
vom Sitz und herrscht uns an: »Fahrt hier-, fahrt dorthin!«
Ai liebte den und Ingi jenen Ort.
Ein Fischer sah die Königskinder fischen,
ein Jäger Fallen stellen, und so fort.
Die Königin ist still, der Jarl bleibt ruhlos,
das Unabänderliche faßt sein Kopf nicht.
So hat er jetzt mich auf den Holm gesandt,
nach den Vermißten umzufragen. Und
ich frage, frage aber hoffnungslos.
Bui
Wie kämen Ai und Ingi auf den Velandsholm –
für Knabenhände eine allzu harte Fahrt!
Und dann ist hier der undurchdringlich strenge Wächterring,
dem nichts, was sich dem Ufer naht, entgehen kann.
Nie hat der Königskinder Fuß es je berührt.
Atli
Ich weiß es, weiß, daß du die Wahrheit sagst.
Fänd' ich die Knabenleichen angespült
im Sande hier und brächte sie dem König,
es überträfe schon mein Hoffen weit.
Denn mit den Toten brächt' ich ihm die Ruhe.
So aber: Ungewißheit zehrt ihn auf
und trinkt sein Blut gleich einer Otter, die
sich in die Brust ihm einbiß und nicht losläßt.
Wo kommt der Rauch her, der dort drüben aufsteigt?
Boddi
Aus Velands Schmiede. Hörst du denn sein Hämmern nicht?
Bui
Hör, Boddi, ein Gedanke schießt mir durch den Sinn.
Warum hat man bei Veland noch nicht Rats erholt?
Es geht die Rede, daß er manches andre noch
versteht als nur die Kunst, die Gold und Eisen schweißt,
und eine Greisin hört' ich von ihm sagen einst,
er wisse das Verborgne, was im Bauch der Erde, was
in Luft und Himmel waltet, in Vergangenheit
und Zukunft sich versteckt hält. Und so ist es auch:
mir hat er meines Weibes Tod vorausgesagt.
Boddi
Warum gedachte wohl der König Velands nicht,
der doch des Schmieds geheime Kräfte besser kennt
als irgendwer, und klagte ihm nicht seine Not?
Bui
Warum nicht? Du hast recht. Wär' ich in gleicher Not
als wie der Jarl, vor allem forscht' ich Veland aus.
Atli
Wenn sich's verhält, ihr Wächter, wie ihr sagt,
dann kam ich doch wohl nicht vergeblich her,
und ohne weiter einen Augenblick
durch Schwatzen zu vergeuden, laßt uns gleich
und unverzüglich zu dem Schmied hineingehn.
Bui
Man merkt, du kennst das Tier noch nicht, von dem du sprichst.
Viel eher pressest du den Bauern Hof und Feld
ab, eh du, gegen seinen Willen, diesem Wicht
ein Wort abzwingst. Nur List vermag das und Geduld.
Er haßt die Rede, wie uns immer wieder scheint:
die eigne Rede und die fremde Rede mehr.
Nicht anders als ein Stummer lebt er jahrelang,
und grimmig, zähnefletschend tritt er vor das Tor,
wenn Menschenrede Menschennähe ihm verrät.
Boddi
Und wenn sich endlich würgend Laute seiner Brust
entwinden und du aus des Höhlenbärs Gebrumm'
etwas zu hören glaubst, das einem Worte gleicht,
so schwitzt es, hinterhältig, Gift und Tücke aus
und hält den Sinn geheimnisvoller noch versteckt
als Schweigen.
Bui
Atli, er hat recht: so ist der Mann.
Noch immer muß man ihn belauern, will man ihm,
es sei nun, was es immer sei, abnötigen.
Und deshalb folgt mir, denn am längsten kenn' ich ihn,
ich kenne seine Schliche seit dem Wolfstal schon.
Wir liegen hier geduldig still im Hinterhalt.
Sie treten hinter Steinblöcke, von wo sie ungesehen den Eingang der Höhle überblicken können.
Aus der Schmiede tritt nun Veland der Schmied: ein mächtiges menschliches Urtier. Rostrote, langzottelige Behaarung bedeckt fast seinen ganzen Körper. Er schleppt einen Fuß nach. Er erklettert die Spitze eines Porphyrblockes und hockt dort nieder, in die trübe, zur Meereswoge sinkende Sonne starrend und von ihr blutig blaß beleuchtet.
Veland
Verdammte Schöpfung, bist du immer noch ringsum
bewegt von deines Erbfluchs ungebrochner Kraft?
Luft, die mein Fell zaust und die Brust mir nährend füllt!
Meer, frönend allen Stürmen, selber stürmend auch
und Blöcke gleichsam schleudernd flüssigen Gesteins
wider den fluch- und grambeladenen Velandsholm! –
Und du, du Erde, wüster Schauplatz einer Wut,
die sich in Zeugung spaltet und Vernichtung! Auf
was wartet ihr, das nicht schon längst vollendet ist?
Atli
Dies wäre Veland, der kunstreiche Schmied,