Veland - Gerhart Hauptmann - E-Book

Veland E-Book

Gerhart Hauptmann

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Beschreibung

Auf einer öden, von Schafen beweideten Insel lebt Veland. Einst ein wohlhabender Schmied, wurde er von König Harald und seinen Männern gefangen genommen und grausam verstümmelt. Seither fristet er sein Dasein in einer unterirdischen Werkstatt und wird streng bewacht - ein Geheimnis umrankt seine Person. Als die Kinder des Königs verschwinden, werden Velands Dienste benötigt.Mit "Veland" schuf Hauptmann eine moderne Adaption der altgermanischen Wielandsage.-

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Gerhart Hauptmann

Veland

Tragödie

Saga

Veland

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1925, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726956979

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Die Idee der Götter ist notwendig für die Kunst.

Jede Idee ist Universum in der Gestalt des Besonderen.

F. W. J. von Schelling, Philosophie der Kunst.

Dramatis personae

König Harald SchönhaarBödwild, seine Tochter Ai, Ingi, seine Söhne Jarl GunnarAtli, Jäger Bui, Boddi, Strandwächter VelandKetill, Schafhirt Mannen des Königs Harald

Erster Akt

Die Schafinsel. Eine flache Ödenei mit spärlichem Graswuchs. Zwischen Blöcken der Eingang in die Werkstatt Velands. Diese selbst ist unterirdisch. Erster und zweiter Strandwächter, Bui und Boddi, schwer bewaffnet, langsam den Strand abschreitend.

Bui

O widerwärtig schauderhafter Dienst, den uns

Harald, der König, aufhalst: immer nur den Strand

von dieser wüsten Insel abzuschreiten.

Boddi

Er

straft uns. Zwar weiß ich nicht, womit wir es versehn

und seine Gnade uns verscherzten; doch wir sind

verbannt, so viel ist sicher.

Bui

Heißt es auch, daß wir

bestellt sind, Veland zu bewachen, dieses Vieh,

das einem Menschen kaum von ferne ähnlich ist:

wir selbst sind die Gefangnen!

Boddi

Und bei alledem

erpreßt man noch von uns den Zoll der Dankbarkeit;

denn, sagt man, dieses Untier zu bewachen, ist

der Tüchtigste, der Tapferste kaum gut genug.

Und eine Last von Ehren sei auf uns gehäuft,

indem man uns zum Wächteramte auserwählt.

Wahrlich, ich wüßte keine Last, die ich so gern

ins Meer versenken würde.

Bui

Aus der Seele hast

du mir gesprochen, Bruder. Oder legte endlich doch

auf andre Harald unsre ehrenvolle Last!

Boddi

Als König würd' ich töten diese Nachtgeburt

Veland! Ich bin ein Krieger zwar, und, weiß es Gott,

Furcht hat sich mir im Schlachtgetümmel nie genaht;

allein, sooft ich diesen bleichen Unhold, dies

gelähmte Scheusal, diesen fürchterlichen Schmied

erblicke, läuft es eisig übern Rücken mir.

Ja schon, wenn seine Höhle in der Nähe ist.

Und dabei heißt es, daß er unsern König haßt

und nur das Leben deshalb trägt, um sich an dem

zu rächen, der so furchtbar ihn verstümmelt hat.

Wer aber tat das?

Bui

König Harald, niemand sonst.

Boddi

Und wo und wie geschah es? Weißt du's, sag es mir.

Bui

Im Wolfstal. König Harald hatte sich im Herbst

mit vielen seiner Mannen dorthin aufgemacht.

Sie ritten viele Tagereisen, ehe sie

am Fuße des Gebirges waren, drin es liegt.

Und manche Tagereise klommen sie hinan,

eh sie das Tal erreichten. Selten nur betritt

das abgelegne, felsumschloßne Menschenfuß,

und außer Atli, der des Königs Koppel führt,

kennt nur der Bär, der Adler nur den Weg dorthin.

Und, sagt man, böse Geister.

Mitteninne nun

im Tal liegt, ewig unbewegt, ein kleiner See.

Die Flut ist grundlos! Und am Ufer fanden wir

die Höhle Velands, aufgetürmt wie diese hier.

Rauch stieg aus ihrem Dache.

Boddi

Also warest du

auch damals von der Fahrt.

Bui

Und nie vergess' ich sie.

Boddi

Und merkte Veland euer Nahn? Des Luchses Ohr

hört nicht so fern Geräusche, als sie seines hört,

und keines Hundes Witterung war je so fein

als seine. Und sein Auge blicket adlerweit.

Bui

Es sollte wohl uns übel ausgeschlagen sein,

wenn er daheim war, der an Kraft ein Riese ist.

Allein, verlassen glimmte nur im leeren Haus

der Herd und sandte durch die Esse dünnen Rauch.

Wir traten unbehindert in das Innre ein. –

O Himmelsvater, welch ein Reichtum glänzte da

dem Jarl ins Auge! Aus geschwärzter Wölbung hing,

auf Lindenbast gereiht, der Ringe goldner Hort:

Armring und Fußring, Zauberring und Siegelring.

Die Last war groß und für zwölf Rosserücken wohl

zu schwer. Solch eine Goldlast sah ich nie seitdem.

Vergessen war da ganz im Augenblick die Jagd.

Was war uns jetzt der Höhlenbär und jedes Wild

außer das goldne: die bequeme Beute, die

uns ohne Hatz und ohne Kampf ins Eisen sprang

und jede Faust besinnungslos zum Raube trieb.

Allein, Jarl Harald hatte kaum die Wut erkannt,

als er mit harter Stimme jeden Griff verbot

ins fremde Gut des Schmiedes, und er sagte so:

»Der Schmied gilt mehr als hundertfach des Schatzes Wert,

ihn und nicht Gold, das doch von Hand zu Händen geht,

sollt ihr mir fangen und zu ew'ger Knechtschaft mir

heimschleppen. Dann erst nehmt, was er im Hause hat,

und teilt es nach gerechtem Spruche unter euch!« –

Und so geschah's. Wir hielten lange lauernd uns

versteckt im Hinterhalt, bis Veland endlich kam.

Da zagte mancher, der ihn sah und der das Wild,

den Bären, sah, der seine breite Schulter kaum

zu drücken schien, so ungebunden war sein Schritt.

Denn damals stand er ja noch aufrecht, war noch nicht

wie jetzt durch König Haralds List verstümmelt und verschrumpft.

Boddi

Geschah das gleich, durchschnitt man gleich die Sehnen ihm

an seiner linken Ferse und am rechten Knie?

Bui

Wir banden ihn, als er ermüdet von der Jagd

in unerwecklich tiefem Schlafe röchelnd lag.

Und erst hier auf dem Holm, als man die Fesseln ihm

abnahm, damit er durch die Werke seiner Kunst

sich nützlich mache, hat man ihm den Fuß gelähmt.

Boddi

Sein Los ist bitter. Und mich kommt es bitter an,

des vordem Freien schmähliche Gefangenschaft

bewachen, drin zum Tiere er entartet ist.

Doch sieh, dort kommt des Königs Jäger, Atli, her.

Wer hat sein Boot ihm durch des Sundes Eis gezwängt

Und wichtig muß die Botschaft sein, die er uns bringt.

Atli

ist eilenden Schrittes herangekommen

Ahoi, ihr Männer! Seid ihr's wirklich? Seid

ihr die Strandwächter, die ich suche, oder

nur wieder Schatten, die im Nebel schwinden?

Bui

Wir sind die Wächter, Bui und Boddi, fürchte nichts.

Boddi

Wer Bui und Boddi trifft, der ist in guter Hut.

Was aber, Atli, willst du auf dem Holme wohl

jagen? Denn weder Bär noch Eber gibt es hier.

Hier haust nur Seegevögel, und du wärest nie

ein Mann, der gerne Vögel oder Fische fing.

Atli

Wie gerne fing' ich Fisch und Vogel und

was für ein zahmes Wild ihr immer wollt,

müßt' ich nur nicht auf dieser Wildspur keuchen,

die nun der Drost samt allen seinen Dienern

seit Tagen schon in bittrer Not verfolgt.

Ihr Männer, Ai und Ingi sind verschwunden.

Bui

Die Königsknaben, Ai und Ingi, meinst du sie?

Boddi

Die Sprossen meinest du aus Harald Schönhaars Blut,

wovon des Königs ganzer Stamm ergrünet war,

die Augensterne Älruns, unsrer Königin?

Atli

Ja, sie! Sie eben mein' ich, niemand sonst.

Nach ihnen haben wir, der König selbst,

des Königs Mannen, haben Knecht und Magd

das Land auf allen Wegen abgesucht,

auf manchem tagereiseweiten Ritt

und Gang Gebirge, Wald und Feld durchforscht.

Das Schleppnetz suchte sie am Meeresgrund

und tief im Bett von Flüssen und von Seen.

Bui

Traf König Harald Schönhaar solch ein Schicksalsschlag,

so wird das höchste Glück von Göttern wohl gewährt,

damit, in trügerische Wonnen eingewiegt,

der Mensch nur um so sichrer ihrem Haß erliegt.

Boddi

Ist irgend etwas noch, das leise Hoffnung gibt,

sie doch noch, und noch lebend, aufzufinden? Sprich.

Atli

Ein andres Etwas jeden Augenblick.

Der Jarl fährt immer wieder jäh empor

vom Sitz und herrscht uns an: »Fahrt hier-, fahrt dorthin!«

Ai liebte den und Ingi jenen Ort.

Ein Fischer sah die Königskinder fischen,

ein Jäger Fallen stellen, und so fort.

Die Königin ist still, der Jarl bleibt ruhlos,

das Unabänderliche faßt sein Kopf nicht.

So hat er jetzt mich auf den Holm gesandt,

nach den Vermißten umzufragen. Und

ich frage, frage aber hoffnungslos.

Bui

Wie kämen Ai und Ingi auf den Velandsholm –

für Knabenhände eine allzu harte Fahrt!

Und dann ist hier der undurchdringlich strenge Wächterring,

dem nichts, was sich dem Ufer naht, entgehen kann.

Nie hat der Königskinder Fuß es je berührt.

Atli

Ich weiß es, weiß, daß du die Wahrheit sagst.

Fänd' ich die Knabenleichen angespült

im Sande hier und brächte sie dem König,

es überträfe schon mein Hoffen weit.

Denn mit den Toten brächt' ich ihm die Ruhe.

So aber: Ungewißheit zehrt ihn auf

und trinkt sein Blut gleich einer Otter, die

sich in die Brust ihm einbiß und nicht losläßt.

Wo kommt der Rauch her, der dort drüben aufsteigt?

Boddi

Aus Velands Schmiede. Hörst du denn sein Hämmern nicht?

Bui

Hör, Boddi, ein Gedanke schießt mir durch den Sinn.

Warum hat man bei Veland noch nicht Rats erholt?

Es geht die Rede, daß er manches andre noch

versteht als nur die Kunst, die Gold und Eisen schweißt,

und eine Greisin hört' ich von ihm sagen einst,

er wisse das Verborgne, was im Bauch der Erde, was

in Luft und Himmel waltet, in Vergangenheit

und Zukunft sich versteckt hält. Und so ist es auch:

mir hat er meines Weibes Tod vorausgesagt.

Boddi

Warum gedachte wohl der König Velands nicht,

der doch des Schmieds geheime Kräfte besser kennt

als irgendwer, und klagte ihm nicht seine Not?

Bui

Warum nicht? Du hast recht. Wär' ich in gleicher Not

als wie der Jarl, vor allem forscht' ich Veland aus.

Atli

Wenn sich's verhält, ihr Wächter, wie ihr sagt,

dann kam ich doch wohl nicht vergeblich her,

und ohne weiter einen Augenblick

durch Schwatzen zu vergeuden, laßt uns gleich

und unverzüglich zu dem Schmied hineingehn.

Bui

Man merkt, du kennst das Tier noch nicht, von dem du sprichst.

Viel eher pressest du den Bauern Hof und Feld

ab, eh du, gegen seinen Willen, diesem Wicht

ein Wort abzwingst. Nur List vermag das und Geduld.

Er haßt die Rede, wie uns immer wieder scheint:

die eigne Rede und die fremde Rede mehr.

Nicht anders als ein Stummer lebt er jahrelang,

und grimmig, zähnefletschend tritt er vor das Tor,

wenn Menschenrede Menschennähe ihm verrät.

Boddi

Und wenn sich endlich würgend Laute seiner Brust

entwinden und du aus des Höhlenbärs Gebrumm'

etwas zu hören glaubst, das einem Worte gleicht,

so schwitzt es, hinterhältig, Gift und Tücke aus

und hält den Sinn geheimnisvoller noch versteckt

als Schweigen.

Bui

Atli, er hat recht: so ist der Mann.

Noch immer muß man ihn belauern, will man ihm,

es sei nun, was es immer sei, abnötigen.

Und deshalb folgt mir, denn am längsten kenn' ich ihn,

ich kenne seine Schliche seit dem Wolfstal schon.

Wir liegen hier geduldig still im Hinterhalt.

Sie treten hinter Steinblöcke, von wo sie ungesehen den Eingang der Höhle überblicken können.

Aus der Schmiede tritt nun Veland der Schmied: ein mächtiges menschliches Urtier. Rostrote, langzottelige Behaarung bedeckt fast seinen ganzen Körper. Er schleppt einen Fuß nach. Er erklettert die Spitze eines Porphyrblockes und hockt dort nieder, in die trübe, zur Meereswoge sinkende Sonne starrend und von ihr blutig blaß beleuchtet.

Veland

Verdammte Schöpfung, bist du immer noch ringsum

bewegt von deines Erbfluchs ungebrochner Kraft?

Luft, die mein Fell zaust und die Brust mir nährend füllt!

Meer, frönend allen Stürmen, selber stürmend auch

und Blöcke gleichsam schleudernd flüssigen Gesteins

wider den fluch- und grambeladenen Velandsholm! –

Und du, du Erde, wüster Schauplatz einer Wut,

die sich in Zeugung spaltet und Vernichtung! Auf

was wartet ihr, das nicht schon längst vollendet ist?

Atli

Dies wäre Veland, der kunstreiche Schmied,