Vergessene Sternenreiche: 3 Science Fiction Romane - Alfred Bekker - E-Book

Vergessene Sternenreiche: 3 Science Fiction Romane E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Vergessene Sternenreiche: 3 Science Fiction Romane von Alfred Bekker, Wilfried A. Hary Über diesen Band: Dieser Band enthält folgende SF-Romane von Alfred Bekker & Wilfried A. Hary: Planet der Horusmenschen Das Erbe der Altairer Der Seher von Yys Wie eine Perlenkette standen die fünf Monde am Himmel des Planeten Asagol. Ihr Licht schimmerte in verschiedenen Rottönen, von Orange über Purpur bis hin zu sattem Karminrot. Fünf Monde - und einer fehlte noch. Der einzige, der nicht in dieses Bild hineinpassen wollte, zumindest farblich. Er war blau. Blau wie ein großes Auge, das mit intensivem Blick die Geschehnisse auf der Oberfläche dieser ehemaligen Produktionswelt des Altairer-Imperiums beobachtete. Blau wie das Meer, das einst große Teile der asagolanischen Oberfläche bedeckt hatte. Aber das war Äonen her. Das Klima auf Asagol hatte sich verändert, war trockener, wüstenartiger geworden. Die Meere waren dahingeschmolzen und verdunstet. Und was den blauen Mond anging, so legte die Farbe eine Illusion nahe. Die Illusion der Anwesenheit von Wasser. Aber es gab keinerlei H2O auf dem blauen Asagol-Mond. Es waren andere chemische Verbindungen, die für die Farbgebung verantwortlich waren. Maria Tobiasi stand am Rande der alten, verlassenen Altairerstadt Eonix, betrachtete die Monde, die am Horizont aufgingen, und atmete die klare Luft ein. Der Sauerstoffgehalt auf Asagol war geringfügig höher als auf der Erde, Schwerkraft dafür um ein paar Prozent niedriger. Insgesamt eine belebende Mischung, wie Tobiasi fand. "He, träumst du?", fragte Saul Bentor, der Chefkybernetiker des kleinen Forschungsteams auf Asagol, dem auch Tobiasi angehörte.

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Vergessene Sternenreiche: 3 Science Fiction Romane

Alfred Bekker and Wilfried A. Hary

Published by Alfred Bekker, 2022.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Vergessene Sternenreiche: 3 Science Fiction Romane

Copyright

Planet der Horusmenschen: Raumschiff Perendra XX3 Band 1

Planet der Horusmenschen: Raumschiff Perendra XX3 Band 1

Copyright

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Das Erbe der Altairer

Das Erbe der Altairer

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About the Author

About the Publisher

Der Seher von Yys: Science Fiction Roman

Der Seher von Yys: Science Fiction Roman | von Alfred Bekker & Wilfried A. Hary

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Der Roman

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Vergessene Sternenreiche: 3 Science Fiction Romane

von Alfred Bekker, Wilfried A. Hary

Über diesen Band:

Dieser Band enthält folgende SF-Romane

von Alfred Bekker & Wilfried A. Hary:

Planet der Horusmenschen

Das Erbe der Altairer

Der Seher von Yys

––––––––

Wie eine Perlenkette standen die fünf Monde am Himmel des Planeten Asagol.

Ihr Licht schimmerte in verschiedenen Rottönen, von Orange über Purpur bis hin zu sattem Karminrot. Fünf Monde - und einer fehlte noch.

Der einzige, der nicht in dieses Bild hineinpassen wollte, zumindest farblich.

Er war blau.

Blau wie ein großes Auge, das mit intensivem Blick die Geschehnisse auf der Oberfläche dieser ehemaligen Produktionswelt des Altairer-Imperiums beobachtete. Blau wie das Meer, das einst große Teile der asagolanischen Oberfläche bedeckt hatte.

Aber das war Äonen her.

Das Klima auf Asagol hatte sich verändert, war trockener, wüstenartiger geworden. Die Meere waren dahingeschmolzen und verdunstet. Und was den blauen Mond anging, so legte die Farbe eine Illusion nahe. Die Illusion der Anwesenheit von Wasser.

Aber es gab keinerlei H2O auf dem blauen Asagol-Mond. Es waren andere chemische Verbindungen, die für die Farbgebung verantwortlich waren.

Maria Tobiasi stand am Rande der alten, verlassenen Altairerstadt Eonix, betrachtete die Monde, die am Horizont aufgingen, und atmete die klare Luft ein. Der Sauerstoffgehalt auf Asagol war geringfügig höher als auf der Erde, Schwerkraft dafür um ein paar Prozent niedriger. Insgesamt eine belebende Mischung, wie Tobiasi fand.

„He, träumst du?“, fragte Saul Bentor, der Chefkybernetiker des kleinen Forschungsteams auf Asagol, dem auch Tobiasi angehörte.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)

© Roman by Author / COVER ALLAN J. STARK

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

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Alles rund um Belletristik!

Planet der Horusmenschen: Raumschiff Perendra XX3 Band 1

Planet der Horusmenschen: Raumschiff Perendra XX3 Band 1

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2022.

Planet der Horusmenschen: Raumschiff Perendra XX3 Band 1

Roman von Wilfried A. Hary und Alfred Bekker

nach einem Exposé von Alfred Bekker

––––––––

Im Jahre 3009 fliegt das Raumschiff PERENDRA XX3 im Auftrag des Irdischen Weltenbundes den kaum erforschten, 5000 Lichtjahre von der Erde entfernten Perseus-Arm der Milchstraße an. Dort trifft die Besatzung auf fremdartige Alien-Völker und Nachfahren menschlicher Kolonisten, zu denen schon vor Jahrhunderten der Kontakt abbrach. Außerdem treffen sie überall auf die Schiffe der echsenartigen Mharaav, die die Menschen als feindliche Eindringlinge betrachten.

Der Auftrag für die hundert Mann Besatzung der PERENDRA XX3 lautet, so viele Erkenntnisse wie nur irgend möglich über das unbekannte Sternengebiet zu sammeln.

Die PERENDRA XX3 steuert dazu immer wieder einzelne Planetensysteme an, wo die Besatzung Kontakt mit den dortigen Lebensformen und Kulturen aufnimmt. Außerdem sucht man nach Hinweisen auf die Herkunft der kriegerischen Mharaav, die irgendwo in den Tiefen des Perseus-Arms ihr geheimnisumwittertes Sternenreich haben.

––––––––

Seit fünfhundert Jahren leben Siedler auf Bandara III – oder sollten es jedenfalls. Doch weder Energieemissionen noch Lebenssignale lassen sich anmessen. Erst als in einer Skorpionkarawane menschliche Impulse auftauchen, werden die Nachkommen der Siedler gefunden. Bandara II lässt jedoch jede Technik nach kurzer Zeit versagen, auch die der PERENDRA XX3.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)

© Roman by Authors

Serienidee und Exposé: Alfred Bekker

COVER: LUDGER OTTEN

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

1

Der amöbenhafte Nugrou rutschte über den Boden. Sein Körper war amorph. Hin und wieder bildeten sich spontan tentakelartige Fortsätze aus, die ihm bei der Fortbewegung halfen.

Welch eine Wohltat!, dachte er. Meine wahre Gestalt ... Endlich muss ich für eine Weile nicht die äußere Form wahren.

Wenn er in diesem Moment ein menschliches Gesicht gehabt hätte, dann hätte der Nugrou vielleicht gelächelt. An seiner amöbenhaften Gestalt hingegen waren keinerlei Veränderungen zu erkennen, die auf sein inneres Amüsement hingewiesen hätten.

Abgesehen davon waren Nugrou durchaus dazu fähig, sich humorvoll zu äußern. Selbst Ironie war ihnen nicht fremd. Insofern unterscheiden sich Menschen und Nugrou kam voneinander, dachte der Nugrou. Ein Beweis dafür, dass äußere Erscheinungsform und inneres Sein sich nicht unbedingt entsprechen müssen.

Die Kabine an Bord des irdischen Raumschiffs PERENDRA XX3, in der er sich im Moment befand, war natürlich von ihrer Einrichtung her an die humanoide Physiognomie angepasst – nicht an die Amöbenform des Nugrou. Das sogenannte Bett hatte der Nugrou daher unbenutzt gelassen. Der Fußboden war für ihn in seiner Amöbengestalt einfach die angenehmere Ruhefläche. Auf dem Tisch lag ein synthetischer Schokoriegel aus dem 3-D-Drucker bereit. Der Nugrou brauchte jetzt einige Kohlenhydrate, um seinen Stoffwechsel nach der Ruhephase etwas anzukurbeln.

Ein tentakelartiger Greifarm wuchs aus seinem Körper heraus. Eine dreifingrige Greifhand bildete sich und nahm den bereitliegenden Schokoriegel.

Dann führte der Nugrou ihn zu dem Mund, der sich an der Oberfläche seines Körpers gebildet hatte und vertilgte ihn.

Ein schmatzendes Geräusch entstand.

Die äußere Farbgebung seiner Amöbengestalt veränderte sich etwas. Es galt unter Nugrou – zumindest in den meisten Nugrou-Kulturen – als unhöflich, andere an den Stoffwechselvorgängen innerhalb des Körpers visuell teilnehmen zu lassen. Daher war es üblich, bei der Nahrungsaufnahme grundsätzlich die Struktur und Farbgebung der Körperoberfläche so zu modifizieren, dass die Außenhaut nicht transparent war.

Der Nugrou war jetzt zwar allein, aber dieses kulturelle Gebot hatte er so internalisiert, dass er sich auch dann noch daran hielt, wenn er allein in seiner Kabine war.

Der Nugrou wurde etwas wacher.

Der Schokoriegel entfaltete seine belebende Wirkung.

Fast so wie Kaffee.

Aber Kaffee wirkte bei ihm nicht ganz so gut, wie das bei den meisten Menschen der Fall war.

Ein Signal ertönte.

Das Interkom schaltete sich ein.

„Lieutenant Robert Vancon, hier spricht die Brücke.“

„Lieutenant Vancon hier. Was gibt es, Brücke?“

„Wir brauchen Verstärkung hier. Bitte melden Sie sich umgehend auf der Brücke zum Dienst.“

„Ich habe eigentlich noch frei.“

„Wir brauchen Ihre speziellen Fähigkeiten, Lieutenant Vancon.“

„Bin gleich da. Einen Moment noch.“

„Bis gleich, Lieutenant.“

Das Interkom wurde deaktiviert.

Der Nugrou veränderte seine Gestalt. Zunächst formte sich eine quasi-humanoide Gestalt, deren Oberfläche strukturlos und von einem chaotischen Farbgemisch war. Man hätte nicht sagen können, ob das seine Haut war oder er einen Ganzkörperanzug trug.

Um die DNA eines Menschen exakt nachzubilden und auch jedes Detail seines Körpers und seiner Kleidung brauchte der Nugrou etwas länger. Der Geist beherrscht die Materie, so lautete ein fundamentaler Lehrsatz der Nugrou-Kultur. Die äußere Form ist nur Ausdruck des inneren Seins ...

In den nächsten Augenblicken ging eine weitere Verwandlung mit ihm vor. Der konturlose Humanoide veränderte sich weiter.

Es formten sich menschliche Gesichtszüge.

Schließlich wurde er zu Lieutenant Robert Vancon.

Schon lange lebte der Nugrou unter dieser Identität unter den Menschen. Bislang hatte es keine Probleme gegeben. Er wurde von ihnen als ihresgleichen angesehen. Niemand ahnte, wer er wirklich war. Niemand. Und das sollte auch so bleiben.

Im Grunde genommen war er längst überwiegend zu Robert Vancon geworden.

Nur ab und zu, da gönnte er sich kurze Auszeiten davon.

Dann nahm er seine amöbenhafte Urgestalt wieder an.

Lieutenant Robert Vancon verließ die Kabine. Wenig später erreichte er die Brücke der PERENDRA XX3.

Er nahm Haltung an.

„Captain! Lieutenant Robert Vancon meldet sich zum Dienst!“

Commander Rick Dalbo, der Captain der PERENDRA XX3, musterte ihn kurz. „Übernehmen Sie Konsole drei“, wies er ihn.

„In Ordnung.“

„Es stehen einige planetare Analysen an. Sie kennen sich am Besten mit dem Programm aus.“

„Danke, Sir.“

„Es gibt da ein paar widersprüchliche Daten, aus denen wir im Augenblick noch nicht schlau werden.“

„Ich werde mir die Sache ansehen“, versprach Vancon. „Ich dachte eigentlich, Bandara III sei ... nichts besonderes.“

„Möglicherweise haben wir uns geirrt“, sagte Dalbo.

2

Das Raumschiff schwebte in einem stabilen Orbit um den Planeten Bandara III.

„3.10.3009 Bordzeit Raumschiff PERENDRA XX3!

Wir haben das Sonnensystem mit dem Planeten Bandara III erreicht. Unsere bisherigen Kontaktversuche blieben unbeantwortet. Diese Welt wurde vor nunmehr bereits fünfhundert Jahren neu besiedelt. Niemand weiß, was aus den einstigen Siedlern geworden ist in dieser langen Zeit.

Es ist geboten, in den Orbit von Bandara III zu gehen und einen möglichst genauen Planetenscan durchzuführen, während die Landefähre mit mir, Captain Rick Dalbo, und weiteren neunzehn Besatzungsmitgliedern vorbereitet wird, um gezielt nach etwaigen Lebenszeichen zu suchen und, wenn möglich, persönlichen Kontakt mit den Nachfahren der einstigen Siedler aufzunehmen.

Rick Dalbo, Captain, Ende!“

Dalbo beendete die Aufzeichnung und richtete sich auf. Sein Blick fiel auf die Hauptanzeige. Eingeblendet war dort das Funkzeichen, das leider bedeutete, dass noch immer keinerlei Reaktion erfolgt war von der Oberfläche des Planeten her.

Die ersten Scan-Ergebnisse lagen bereits vor und wurden mit den bereits vorhandenen Aufzeichnungen verglichen. Vor jeder Besiedlung wurde natürlich ein Planet genauestens von mindestens einem Scout untersucht, um festzustellen, inwiefern er überhaupt für die Aufnahme von Siedlern geeignet war. Dies war selbstverständlich auch damals hier auf Bandara III geschehen, um das Siedlerschiff anschließend erst auf den Weg hierher zu bringen.

„Datenanalyse läuft“, meldete Lieutenant Vancon.

„Gut“, sagte Dalbo.

Es handelte sich bei Bandara III um einen sogenannten Wüstenplaneten. Daher hatten die ersten Siedler umfangreiches technisches Equipment mit dabei, um ein begrenztes Terraforming einzuleiten. Es gab allerdings keinerlei Spuren nach den ersten Scans, die darauf hindeuteten, dass die Siedler überhaupt auch nur begonnen hätten mit diesem Terraforming.

Das hieß: Bandara III war nach wie vor ein für irdische Siedler in seinem Naturzustand eher unwirtlicher Planet.

Dass er dennoch zur Besiedlung empfohlen worden war, lag unter anderem an der Zusammensetzung der Atmosphäre, die weitgehend ideal zu nennen war. Auch das war unverändert geblieben.

Commander Dalbo blickte zu Boden.

Etwas rieb sich schnurrend an seinem Bein und lenkte ihn kurz ab.

Lächelnd ließ Captain Rick Dalbo seine linke Hand dorthin gehen, um das wuschelige Fell seiner telosianischen Zweikopfkatze zu streicheln, was sie ganz besonders liebte. Vor allem dann, wenn er eigentlich gar keine Zeit dazu hatte.

„Na, was willst du denn?“, fragte Dalbo.

Überhaupt war Miimii, wie er seine Katze nannte, gewissermaßen mit ihm unzertrennlich. Seit Rick Dalbo sie auf dem Planeten Telos verletzt gefunden und gesund gepflegt hatte.

Eigentlich ein mehr als seltsames Tier mit ungewöhnlichen Eigenschaften. Die beiden Köpfe beispielsweise waren unterschiedlich groß und befanden sich nicht selten in einer Art Widerstreit miteinander. Worum es dabei im Einzelnen ging, hatte bisher niemand auch nur erraten können, sogar Rick Dalbo selbst nicht.

Aber das war ja noch längst nicht alles: Miimii hatte die Fähigkeit, jedweden Laut perfekt nachzuahmen. Triebwerksgeräusche ebenso wie menschliche Sprache.

Manchmal wiederholte sie ganze Gespräche, die sie mit angehört hatte. Was zuweilen zu ziemlich heiklen Situationen führen konnte.

Oder Miimii holte aus ihrem schier unendlich umfangreichen Sprachrepertoire im ungünstigen Moment irgendwelche Beschimpfungen hervor, womöglich der schlimmsten Art sogar.

Ob und inwiefern man Miimii allerdings als wahrhaft intelligent bezeichnen konnte oder ob sie lediglich gleich einem Papagei einfach nur Laute nachahmte, war ein hartnäckiges Rätsel geblieben.

Mit anderen Worten: Es erschien einmal so oder einmal so. Festlegen ließ sich das auf keinen Fall.

Wirklich erlaubt war es natürlich nicht, dass ausgerechnet eine telosianische Zweikopfkatze hier in der Zentrale des Raumschiffs herumstreunte, wie es ihr gerade beliebte. Vor allem nicht in einer solch angespannten Situation, wo es darum ging, nach Siedlern zu sehen, die nunmehr schon seit fünfhundert Jahren als verschollen gelten mussten. Aber Rick Dalbo stand sowieso in dem Ruf, es mit den Vorschriften nicht ganz so genau zu nehmen. Er, als möglicherweise jüngster Captain eines so respektablen Schiffes überhaupt innerhalb der Flotte des Irdischen Weltenbundes.

Zum Leidwesen etwa von Tom Wang, des Ersten Offiziers und Stellvertreters von ihm. Dieser war nicht nur deutlich älter als sein Captain, sondern ärgerte sich insgeheim darüber, dass Rick Dalbo es doch tatsächlich schon weiter gebracht hatte als er. Obwohl er doch alles tat, um genau nach den Buchstaben des Regelwerkes seinen Dienst zu verrichten.

Rick Dalbo wusste das natürlich, obwohl er es sich niemals wirklich anmerken ließ. Es war allerdings schon mehrfach vorgekommen, dass er sich die entscheidenden Worte gerade noch hatte verkneifen können, wenn Tom Wang mal wieder indirekt auf diesen Umstand hinwies, dass er ganz besonders korrekt war als führender Offizier.

Ja, wie hätte er wohl reagiert, wenn er ausgerechnet von seinem Captain daraufhin gehört hätte:

„Vielleicht sind Sie ja genau deswegen der Erste Offizier und ich Ihr Captain?“

Nein, Dalbo behielt eine solche Bemerkung lieber für sich, um nicht noch Öl ins Feuer zu gießen.

Während er weiterhin seine Zweikopfkatze streichelte, schaltete er den Bordsprech ein und benannte jene neunzehn Besatzungsmitglieder, nacheinander, in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Namen, die er mitnehmen wollte an Bord der Landefähre, die bereits vorbereitet wurde.

Unter anderem natürlich Alex Tomlin, der tatsächlich erst 13 Jahre alt war.

Normalerweise hätte er in diesem Alter an Bord eines Schiffes wie der mit hundert Besatzungsmitgliedern nicht gerade kleinen und unbedeutenden PERENDRA XX3 nichts zu suchen gehabt. Aber Alex verfügte über eine besondere Fähigkeit. Als kleiner Junge hatte er einen Unfall mit schweren Kopfverletzungen gehabt. Sein Leben hatte damals nur durch den Einsatz von elektronischen Implantaten gerettet werden können, sogenannten Augmentierungen also, die seitdem einen Teil seiner Gehirnfunktionen übernommen hatten.

Inzwischen waren diese Implantate längst untrennbar mit ihm verwachsen. Sie ermöglichten es ihm, mit Computersystemen aller Art in direkten Kontakt zu treten.

Alex erfasste auf diese Weise sogar fremdartige Alien-Technik intuitiv.

Er hatte sich von sich aus beworben, an der sogenannten Perseus-Mission der PERENDRA XX3 teilzunehmen – natürlich ohne Aussicht auf Erfolg. Schließlich hatte er nicht einmal eine abgeschlossene Ausbildung an der Raumakademie hinter sich, aber Captain Dalbo hatte letztlich erfolgreich darauf bestanden, den Jungen allein schon aufgrund seiner wirklich außergewöhnlichen Fähigkeiten mitzunehmen.

Obwohl das Ganze natürlich auch ein gewisses Risiko darstellte, denn obwohl die Fähigkeiten von Alex im Umgang mit technischen Systemen sogar die des Bordingenieurs weit übertrafen, war er trotzdem auch ein ganz normaler Junge seines Alters. Was Captain Dalbo eine ganz besondere Fürsorgepflicht auferlegte.

Zwar war ihr Vorhaben jetzt, mit der Landefähre sozusagen hinabzusteigen in das Unbekannte, nicht ohne Risiken, doch Rick Dalbo wollte den Jungen auf jeden Fall auch deshalb mit dabei haben, weil er ihn dann wenigstens die ganze Zeit über im Auge behalten konnte.

Mit dabei sein bei dieser Exkursion musste außerdem natürlich Jennifer Martin.

Genauso wie Captain Dalbo war sie noch sehr jung für ihren Posten als Expertin für Alien-Sprachen. Zudem war sie an Bord der PERENDRA XX3 für Funkverkehr und Kommunikation zuständig.

Jennifer Martin hielt sich öfter mal nicht an die Vorschriften und geriet deswegen häufiger mit dem Ersten Offizier Wang aneinander.

Captain Dalbo konnte indessen Jennifer gut verstehen. Mehr noch sogar: Insgeheim gab er ihr sogar beinahe in der Regel recht. Allerdings musste er sich das nach außen hin möglichst verkneifen in seiner Rolle als Captain und eher alles tun, um in entsprechenden Situationen vermittelnd einzugreifen.

Einerseits wäre es vielleicht sinnvoll erschienen, sie an Bord zurückzulassen, um von dort aus weiter zu versuchen, Kontakt mit den Siedlern beziehungsweise ihren Nachfahren zu bekommen, sofern es überhaupt noch welche gab, aber in seiner Abwesenheit musste Tom Wang das Kommando übernehmen. Andererseits wollte Rick Dalbo sie jedoch möglichst aus dessen Schusslinie bringen, und außerdem brauchte er eine solche Expertin sicherlich auch an Bord der Landefähre.

Genauso wie Doktor Moran-Dor. Auch dieser war im Grunde genommen etwas ganz Besonderes. Nicht nur als Arzt und Biologe an Bord des Schiffes. Er gehörte nämlich ausgerechnet dem echsenartigen Volk der Mharaav an, das eigentlich mit den Menschen verfeindet war. Denn die Mission der PERENDRA XX3 führte immerhin hier in den fünftausend Lichtjahre von der Erde entfernten Perseus-Arm der Milchstraße. Was von den Mharaav allem Anschein nach als unzumutbare Provokation empfunden wurde.

Obwohl kein Mensch wusste, wo sich das geheimnisumwitterte Sternenreich der Mharaav überhaupt befand. Etwa hier im Perseus-Arm der Galaxis? Und wieso hatte man es bisher noch nicht gefunden, auch und vor allem hier nicht?

Dennoch war eben Doktor Moran-Dor ein so wertvolles Mitglied des Schiffes geworden. Immerhin war er ja selbst ein Mharaav, der niemals bei seinem eigenen Volk gewesen war, sondern immer nur unter Menschen.

Seit er aus seinem Ei geschlüpft war, das man an Bord eines havarierten Raumschiffes der Mharaav gefunden hatte. Niemand hatte die Havarie überlebt, außer eben diesem einen Ei.

Von Anfang an hatte Moran-Dor vor allem die Funktionsweise der artfremden menschlichen Körper interessiert. Eben weil er selbst so völlig anders war.

Mitten unter den Menschen, als der einzige überhaupt seiner Art, erwachte beinahe zwangsläufig dieses ganz besondere Interesse an Biologie und Medizin. Was längst auch über alles hinausging, was das sogenannte Menschliche ausmachte, denn er hatte sich auch intensiv mit der Biologie und Medizin von anderen Aliens beschäftigt.

So war er für die PERENDRA XX3 absolut unersetzlich geworden auf ihrer Mission hier im Perseus-Arm, wobei die Suche nach den Siedlernachkommen auf dem Planeten Bandara III nur eine von schier unzählig vielen war.

„Navigator, bitte die Umlaufbahn um drei Breitengrade nach Süden verändern“, befahl Captain Dalbo.

„Kursänderung eingeleitet.“

„Danke.“

„Darf ich fragen, was der Grund für diese Änderung unseres Orbits ist?“, fragte der Navigator.

„Ich denke, dass wir bessere Scan-Ergebnisse bekommen“, sagte Dalbo.

„Die Verbesserung liegt allerdings rechnerisch in einem Bereich, der in einem krassen Missverhältnis zum Energieaufwand steht.“ Der Navigator war ein Hologramm mit mobilem Emitter, der von einem AKIS (einem Autonomen Künstlichen Intelligenzsystem) gesteuert wurde.

Dalbo lächelte nachsichtig. „Tun Sie es trotzdem, Navigator.“

„Aye, Sir.“

„Trotzdem danke für Ihren Hinweis.“

„Danke, Sir.“

Man könnte fast denken, dass er tatsächlich eine Person ist, dachte Dalbo.

Vielleicht war er es ja auch.

Dalbo war sich da manchmal nicht mehr so ganz sicher in seinem Urteil.

3

Beim Ablegen der Landefähre kam man nicht umhin, die PERENDRA XX3 in ihrer ganzen Pracht von außen zu bewundern. Sie hatte bei etwa einhundert Mann Stammbesatzung eine keilartige Form, die einem Bumerang ähnelte. Es gab mehrere Beiboote an Bord des Raumschiffs, vom kleineren Jäger mit einem beziehungsweise zwei Leuten Besatzung bis hin zu Landefähren mit Platz für bis zu zwanzig Leuten.

Wenn die PERENDRA XX3 einen Planeten anflog, blieb sie in der Regel im Orbit, während jeweils nur ein Landeteam mit einer der Fähren auf der Oberfläche landete.

Eine Planetenlandung der PERENDRA XX3 selbst war zwar grundsätzlich möglich, aber allein schon aufgrund des hohen Energieaufwandes beim Neustart und der späteren Rückkehr in die Umlaufbahn wurde dies möglichst vermieden.

An Bord herrschte permanent künstliche Schwerkraft.

Da die Perseus-Mission der PERENDRA XX3 mehrere Jahre dauern sollte, gab es neben den Kabinen der Besatzungsmitglieder auch Aufenthaltsräume und (wenn auch eher bescheidene) Freizeiteinrichtungen an Bord.

Sowohl das Schiff selbst als auch die Beiboote waren mit Strahlenwaffen zur Verteidigung ausgerüstet.

Das Mutterschiff besaß einen sogenannten Wurmloch-Antrieb für überlichtschnelle Flüge, die Beiboote aber nur einen konventionellen Unterlicht-Antrieb. Der genügte ja auch voll und ganz, um, wie jetzt, auf die Oberfläche des Planeten hinab zu gehen.

Dabei erfolgte unterwegs eine ständige Anpassung der Scan-Ergebnisse, ergänzt mit Scans der Landefähre selbst.

Bis jetzt war immer noch keine Funkverbindung möglich. Als wäre der ganze Planet ein einziges großes Funkloch. Oder aber – Dalbo spürte eine gelinde Gänsehaut auf dem Rücken, wenn er das in Betracht zog – es gab schon lange niemanden mehr, der einen Funkspruch hätte beantworten können.

Dennoch wurden die ersten sogenannten Biomarker entdeckt. Zwar gab es keinerlei Hinweise auf menschliche oder wie auch immer geartete Siedlungen, noch nicht einmal rudimentärer Art, was ja den Verdacht nährte, dass es dort unten ganz einfach gar niemanden – vor allem eben keine Menschen – mehr gab, aber war es dennoch möglich, dass die Hinweise auf so etwas wie intelligentes Leben deuten könnten?

Ob es sich nun um menschliches intelligentes Leben handelte oder nicht war vorerst natürlich auch nicht feststellbar. Somit stand auf jeden Fall das vorerst wichtigste Ziel für die Landefähre fest: Nur wenn sie sich persönlich vor Ort begaben, konnten sie sich mit eigenem Augenschein davon überzeugen, ob es inzwischen tatsächlich so etwas wie intelligentes Leben auf dieser Welt gab.

Etwas, was es vor der versuchten Besiedlung eindeutig und nachweisbar noch nicht gegeben hatte! Sonst wäre nämlich gar keine Besiedlung erfolgt!

Dalbo wehrte sich gegen den Verdacht, dass vielleicht gerade dieses intelligente Leben dafür verantwortlich zeichnete, dass es keine Siedler und deren Nachkommen mehr gab. Was, wenn sogar eine fremde Spezies zeitgleich die Besiedlung durchgeführt hatte und es darüber zu einem blutigen Konflikt gekommen war?

Etwa sogar die Mharaav?

Ein Seitenblick des Commanders traf Doktor Moran-Dor, der diesen Blick erwiderte.

Dalbo hatte im Laufe der Zeit gelernt, so etwas wie ein Mienenspiel bei Moran-Dor zu erkennen. Was in der Regel bei dem Echsenartigen gar nicht möglich erschien. Und jetzt sah es für ihn so aus, als wäre Doktor Moran-Dor tatsächlich auf einen ganz ähnlichen Gedanken gekommen.

Was natürlich nicht zwangsläufig bedeutete, dass dieser Gedanke richtig war. Zumal etwas eindeutig dagegen zu sprechen schien: Wären hier nämlich tatsächlich die Mharaav am Werk gewesen, hätte es durchaus eine Reaktion gegeben. Nämlich eine äußerst feindselige ...

Dalbo bemühte sich jedenfalls, alle Gedanken an diese Möglichkeit gleich wieder zu verdrängen. Zumindest so lange, bis man mehr wusste.

Die Zeit, die sie benötigten, um ihr ungefähres Ziel zu erreichen, verstrich so langsam, als würde sich jede Sekunde zu Minuten und jede Minute zu einer schieren Ewigkeit dehnen. Und noch immer gab es diese nicht ganz eindeutigen Biomarker als vage Hinweise auf so etwas wie intelligentes Leben. Wobei es völlig unmöglich erschien, die Art dieses intelligenten Lebens zu bestimmen.

Schließlich und endlich waren sie nahe genug, um es in der entsprechenden Vergrößerung überdeutlich selbst sehen zu können:

Da gab es ein halbes Dutzend riesige Lebewesen, die an Skorpione erinnerten. Wahrhaft gigantische Skorpione jedenfalls, die träge durch die Wüstenei krochen, ihren angestammten Lebensraum, wie es schien. In einer erstaunlich exakten Formation, als würden sie sich dabei untereinander absprechen.

Und genau von ihnen kamen diese Biomarker!

Tatsächlich!

„Was sagt man dazu“, äußerte sich Doktor Moran-Dor.

Sein echsenhaftes Gesicht veränderte sich auf eine Weise, die man wohl als einen Ausdruck des Erstaunens interpretieren musste.

„Wir werden uns das genau ansehen“, kündigte Dalbo an.

4

Es waren genau sechs. Immerhin so riesig, dass jeder von ihnen ein kleines Dorf hätte aufnehmen können, und als die Landefähre noch näher kam, wurde deutlich, dass genau dies sogar der Fall zu sein schien.

Nicht gerade ein richtiges Dorf, aber offensichtlich hatten sich irgendwelche Parasiten auf den Rücken der Riesenskorpione niedergelassen.

Keine gewöhnlichen „Parasiten“ allerdings, denn die Überraschung war besonders groß, als man in den Bewohnern der Riesenskorpione doch tatsächlich ... Menschen erkannte!

Rick Dalbo konnte sich nicht erinnern, Ähnliches jemals gesehen zu haben. Ein Anblick, der nicht nur für ihn also absolut fantastisch anmutete.

Und die Menschen hockten nicht einfach nur auf den Rücken der Riesenskorpione, sondern sie hatten sich dort im wahrsten Sinne des Wortes häuslich niedergelassen.

Wenngleich wirklich nicht mit einem richtigen Dorf zu verwechseln, aber immerhin mit einer Art von Schutzhütten, die unbedingt fest mit dem Chitinpanzer verbunden sein mussten, denn sie mussten wohl auch Schutz bieten, falls die Skorpione einmal in einen Sandsturm gerieten, und mit solcherlei Unbilden war auf dieser Welt ja tatsächlich häufiger zu rechnen.

Das eigentlich Fantastische dabei war jedoch, dass die Riesenskorpione selbst ganz offensichtlich überhaupt nichts dagegen hatten, obwohl sie solchermaßen von Menschen missbraucht wurden. Als hätten diese Menschen die Riesenskorpione auf irgendeine Art dressiert.

Oder aber, die Menschen waren nicht wirklich wie Parasiten, sondern eher wie ... Symbionten?

Ein Gedanke, der ganz zwangsläufig dem jungen Captain kam. Alles wirkte jedenfalls absolut friedlich. Zumindest aus der Luft gesehen.

Erste Schätzungen ergaben, dass auf jedem der immerhin sechs Riesenskorpione, die sich dort unten in nahezu perfekter Formation durch die endlos erscheinende Wüste schoben, wobei das wie in Zeitlupe wirkte bei ihrer Größe und der dadurch bedingten Trägheit, mindestens einhundert Menschen regelrecht wohnten. Wenn nicht sogar mehr.

Also mindestens so viele, wie es Besatzungsmitglieder an Bord der PERENDRA XX3 gab.

Menschen als Dauerbewohner dieser Riesenskorpione. Aber warum taten sie das überhaupt? Und was waren das für Menschen? Etwa die späten Nachkommen der ersten Siedler auf dieser Welt?

Welche denn sonst?

Dann waren sie inzwischen in tiefste Primitivität zurückgefallen, denn soweit die Beobachter auf der Landefähre mitbekamen, gab es dort unten keinerlei Technik.

Kein Wunder, dass die Funkversuche unbeantwortet blieben. Nicht deshalb, weil es keine Menschen mehr gab auf Bandara III, sondern weil so etwas wie Funk längst von diesen Menschen vergessen worden war.

Innerhalb von nur fünfhundert Jahren?

Der Rückfall in primitivste Urzeit schien aber schon ziemlich schnell passiert zu sein, sozusagen direkt nach der Landung auf diesem Planeten hier, sonst hätte man zumindest rudimentäre Ansätze entdecken können von bereits versuchtem Terraforming. Stattdessen hatten sich die Menschen anscheinend sehr schnell an die hier herrschenden Bedingungen angepasst. Und dazu schien eindeutig zu gehören, diese Art von Symbiose mit den Riesenskorpionen einzugehen.

Doch welchen Vorteil konnte es denn überhaupt bringen, immer unterwegs zu sein auf dem Rücken solcher Riesentiere, anstatt sich irgendwo sesshaft niederzulassen? Zumal auf den Rücken der Skorpione keinerlei Landwirtschaft möglich war oder es ähnliche Möglichkeiten gab, um die Versorgung der Menschen auf Dauer zu sichern.

Rätsel über Rätsel, und keiner an Bord der Landefähre kam dahinter, was dies alles bedeuten sollte, was sie mit eigenen Augen zu sehen bekamen.

Natürlich funkten sie alle Bilder hinauf zur PERENDRA. Nicht nur, um sie im Zentralsystem zu archivieren, sondern vor allem auch deshalb, um die übrige Besatzung über alles in Kenntnis zu setzen.

Der Erste Offizier Tom Wang äußerte sich ausnahmsweise in keiner Weise zu dem, was die Besatzung der Landefähre unter Captain Dalbo vor Ort feststellte.

Inzwischen wurde jedoch anhand der Planetenscans, wie sie von Bord des Raumschiffs aus vorgenommen wurden, deutlich, dass es offenbar mehr als nur diese eine Skorpionformation mit menschlichen Reitern gab, die regelrecht auf dem Rücken dieser Riesentiere auf Dauer zu leben schienen.

Die Gruppen waren über den Planeten weit verteilt. So weit immerhin, dass sie sich wohl nur höchst selten überhaupt begegnen konnten. Auf einer Welt, die zu zwei Drittel aus endlos erscheinenden Wüsten bestand und nur zu einem Drittel von Wasser bedeckt war. Allerdings beinhaltete das Wasser laut der Fernanalyse zu hohe Konzentrationen von für Menschen hochgiftigen Bestandteilen. Es wäre also nicht anzuraten gewesen, etwa eine Siedlung in Küstennähe zu errichten.

Weitere Messungen ergaben, dass die Skorpionkarawanen anscheinend einer festgelegten Route folgten. Jede hatte irgendeine Art Oase zum Ziel, inmitten der Wüstenei.

Lag darin etwa der Grund dafür, dass die Menschen mit den Riesenskorpionen diese wohl ganz besondere Art von Symbiose eingegangen waren?

Welches Geheimnis bargen denn diese Oasen? Beziehungsweise: Was war der Vorteil für beide Parteien, wenn sie solchermaßen zusammenlebten, und welche Rolle spielten diese Oasen dabei?

Tom Wang teilte nun seinerseits seinem Captain auf der Landefähre kommentarlos diese Erkenntnisse mit.

Dalbo blieb nichts anderes übrig, als unmittelbaren Kontakt zu suchen mit den menschlichen Skorpionreitern. Er dirigierte die Landefähre näher heran, wobei sie die Menschen auf den Skorpionrücken keine Sekunde aus den Augen ließen.

Jetzt wurden diese aufmerksam auf die Landefähre. Man sah in einigen Großaufnahmen das Entsetzen in ihren Gesichtern, denn sie konnten sich offenbar gar nicht erklären, was es mit diesem Fluggefährt auf sich hatte. Als hätten sie vollkommen vergessen, dass es so etwas wie Technik und dabei insbesondere Flugtechnik überhaupt gab.

Dalbo wusste, dass sie vorsichtig sein mussten, um keine kriegerische Auseinandersetzung zu provozieren. Sie waren schließlich nicht hier, um gegen die offensichtlichen Nachkommen der damaligen Siedler zu kämpfen, sondern um ihnen ihre Hilfe anzubieten.

5

Es kam völlig anders, als die ersten Reaktionen der Menschen hätten vermuten lassen. Denn beim Näherkommen der Landefähre wich das Entsetzen aus ihren Gesichtern und machte vielmehr einem gewissen Erstaunen Platz. Einem Erstaunen, das sich bald sogar in reine Neugierde verwandelte.

Aus der anfliegenden Landefähre war deutlich zu erkennen, dass sogar die Riesenskorpione langsamer wurden, als würde man regelrecht erwarten, dass sie daneben landeten.

Dalbo war nicht sicher, ob er das nicht eher als bedrohlich werten sollte. Immerhin Nachkommen von Siedlern, die keinerlei Technik kannten, sonst hätten sie doch wohl welche angewendet, nicht wahr?

Eine Art Steinzeitkultur hatte sich auf recht merkwürdige Weise gebildet, und da akzeptierte man einfach so eine anfliegende Landefähre?

Das hatte ja anfangs wirklich ganz anders ausgesehen. Jedoch nur vorübergehend. Anscheinend nur so lange, bis die Menschen von dort unten mehr Einzelheiten hatten erkennen können an dem heranfliegenden Objekt.

Obwohl es dabei blieb: Sie konnten unmöglich so etwas wie eine Landefähre kennen!

Oder vielleicht doch? Obwohl es allem widersprach, was sie bisher herausgefunden hatten über die Menschen auf ihren Riesenskorpionen?

Nun, es war ja nicht wirklich viel. Bisher hatten sie das sozusagen nur von Ferne betrachtet. Aber konnten sie es wirklich wagen, unvoreingenommen die Landefähre zu verlassen, um persönlich Kontakt aufzunehmen?

Immerhin eine totale Übermacht. Selbst wenn ihre Waffen noch so primitiv anmuteten, gegen gerade mal zwanzig Leute in der Landeeinheit eben doch eine nicht zu unterschätzende Gefahr.

Zumal sie selbst ja jetzt nicht gerade mit drohenden Waffen aussteigen wollten.

Der Befehl Dalbos an die kleine Besatzung der Landefähre war dennoch einfach und präzise:

„Bereit halten zum Alarmstart! Aussteigen werden lediglich Jennifer Martin und ich. Unbewaffnet!“

Kein Wort von wegen schussbereit halten, obwohl natürlich auch die Landefähre über Strahlwaffen verfügte.

Niemand widersprach, als Rick Dalbo sein Vorhaben nach der erfolgten Landung schließlich in die Tat umsetzte. Auch Jennifer Martin nicht.

Auf einen zusätzlichen Schutzanzug verzichteten sie beide, denn die Luftanalyse hatte eindeutig ergeben, dass es keinerlei schädliche Bestandteile gab.

Trotzdem hielt Rick Dalbo unwillkürlich den Atem an, als sich vor ihm die Außenschleuse öffnete, denn die hereinströmende Luft war zwar nicht direkt schädlich, roch jedoch stickig und fühlte sich so heiß an wie aus einem sprichwörtlichen Backofen.

Er sah zu Boden, denn natürlich war auch Miimii mit von der Partie. Sie hatte er nicht extra erwähnen müssen. Sie hatte jedenfalls keinerlei Probleme mit der heißen Luft und rieb schnurrend einen ihrer beiden Köpfe an seinem Bein.

Rick Dalbo und Jennifer Martin zumindest würden Mühe haben, sich den Bedingungen dort draußen anzupassen ohne technische Hilfsmittel. Soviel stand jetzt schon fest. Aber sie hatten keine andere Wahl, als so zu handeln.

Die Möglichkeit, gar per Außenlautsprecher mit den Menschen hier in Kontakt zu treten, hatte Dalbo von vornherein schon gar nicht in Betracht gezogen. Diese Menschen hier mussten erkennen, dass es tatsächlich ebenfalls Menschen waren, die sich an Bord dieses Flugobjektes befanden. Vielleicht würde das von vornherein bereits entscheidend sich auswirken?

Wie auch immer: Es durfte ja nicht vergessen werden, dass diese Menschen dort draußen, die doch tatsächlich auf den Rücken von einer Art Riesenskorpionen lebten, keinerlei Technik kennen konnten.

Wie gesagt: Sonst hätte sie solche ja sicherlich auch angewendet!

Captain Rick Dalbo fühlte sich ziemlich verloren, als er so vor der Landefähre stand. Nur Jennifer Martin an seiner Seite erschien erstaunlich gefasst. Zumindest dem Anschein nach. Was wirklich in ihr vorging in dieser mehr als eigentümlichen Situation, konnte man höchstens erahnen.

Miimii zu seinen Füßen tat merkwürdigerweise so, als müsste sie besonders vorsichtig sein, indem sie hinter ihrem Herrchen gewissermaßen Deckung suchte. Sie war doch sonst nicht ängstlich, wenn es darum ging, neues Terrain zu betreten. Was war los mit ihr?

Fünf Menschen verließen den Rücken des nächsten Riesenskorpions. Das Tier wies tatsächlich enorme Ähnlichkeit auf mit seinem irdischen Äquivalent. Es fehlte noch nicht einmal der riesige Stachel, der allerdings nicht die Menschen auf dem Rücken des Tieres bedrohte, sondern tatsächlich ihrer Verteidigung zu dienen schien.

Der Riesenskorpion hatte sich niedergekauert und würde sich wieder schaukelnd auf seine acht Beine erheben müssen, wenn es weitergehen sollte. Dennoch gab es einen Höhenunterschied zu überwinden für die fünfköpfige Delegation der Menschen von schätzungsweise sieben Metern. Dafür benutzten sie eine Art Strickleitern. Für jeden einzelnen aus der Delegation eine eigene wohlgemerkt.

Dalbos Augen verengten sich unwillkürlich zu schmalen Schlitzen, denn es erstaunte ihn ein wenig, dass die fünfköpfige Delegation aus drei Frauen und zwei Männern bestand. Wobei sich eine der Frauen sogleich nach dem Abstieg an die Spitze der Gruppe setzte und anscheinend das Sagen hatte. Für eine steinzeitliche Kultur war das zumindest ungewöhnlich, wie er fand.

Allerdings: Was an der Gesamtsituation war denn eigentlich nicht ungewöhnlich zu nennen?

Dalbo wartete nicht, bis die Gruppe näher kam, sondern setzte sich in Bewegung, um ihr entgegen zu treten. Jennifer folgte nicht nur, sondern rückte zu ihm auf, so dass sie gewissermaßen gleichberechtigt wirkten. Während Miimii sich immer noch zurückhielt, als befürchtete sie, von der kleinen Delegation entdeckt zu werden. Und in der Tat, sie wurde tatsächlich nicht bemerkt von ihnen.

Noch nicht zumindest!

Unterwegs überlegte Dalbo ernsthaft, ob er nicht zusätzlich drei weitere Besatzungsmitglieder hätte bestimmen sollen für diese Begegnung der merkwürdigen Art, wie er es nannte. Sozusagen zum Ausgleich zu der fünfköpfigen Delegation.

Jetzt war es zu spät für eine solche Entscheidung. Er hatte ja nicht vorher schon wissen können, dass sie gleich fünf der hier beheimateten Menschen begrüßen würden.

Ein Seitenblick auf Jennifer Martin. Sie war ja die Expertin für Aliensprachen. Ob sie diese Fähigkeit hier überhaupt nutzbringend anwenden konnte? Nicht dann, wenn es sich tatsächlich um Nachkommen der einstigen Siedler handelte, jedenfalls.

Aber noch einmal: Worum denn sonst?

Obwohl Dalbo nicht umhin kam, auch noch andere Optionen in Betracht zu ziehen, und würden sie noch so fantastisch anmuten. Es musste sich ja nicht zwangsläufig um die Nachfahren der Siedler handeln. Eigentlich sprach sogar einiges dagegen, genauer betrachtet.

Dalbo bemühte sich, all diese Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen, denn es brachte nichts, sich noch weiter in sinnlose Spekulationen zu ergehen, ehe man mehr Informationen bekommen hatte. Und zu diesen Informationen gehörte beispielsweise auch, welche Sprache die Menschen hier sprachen.

Kaum waren sie sich nahe genug gekommen, lächelte die Sprachführerin der Delegation die beiden ungebetenen Gäste an und sagte: „Seid gegrüßt, Fremde! Ihr verzeiht unser Erstaunen und vor allem unsere Neugierde, aber dass ausgerechnet Menschen zu uns kommen, ist mehr als unerwartet für uns alle.“

Dalbo musste zugeben, dass dies zwar einige Informationen waren über diese Menschen, aber leider keine, die auch nur rudimentär von ihm oder von Jennifer Martin begriffen werden konnten.

Er hatte natürlich schon im Vorfeld überlegt, was er eigentlich zu ihnen sagen sollte, doch nichts davon wollte jetzt so recht zur Situation passen, fand er. Also entschloss er sich für Spontanität, wobei er natürlich auch in Betracht ziehen musste, dabei vielleicht die falschen Worte zu wählen:

„Wir sind gekommen, weil es keinerlei Kontakt gibt zu dieser Welt. Um zu sehen, was geschehen ist.“

Die Frau sah ihn erst reichlich verdutzt an. Doch dann begann sie auf einmal schallend zu lachen.

Ihre vier Begleiter fielen in dieses Gelächter mit ein. Sie lachten alle wie über einen riesigen Spaß.

Nicht nur Dalbo selber irritierte das natürlich zutiefst. Auch Jennifer Martin neben ihm starrte die fünf Menschen vor sich an, als würde es sich um hochgradig Irre handeln.

Und schon hörte Dalbo in seinem winzigen Ohrhörer die Stimme von Tom Wang an Bord der PERENDRA: „Was geht dort unten eigentlich vor?“

Dalbo hätte ihm wirklich gern geantwortet, doch er wusste es ehrlich gesagt selber nicht.

Bis sich die Heiterkeit der Delegation endlich wieder legte.

„Entschuldigung!“, bat die Wortführerin, noch immer leicht glucksend. „Niemand wollte euch etwa auslachen. Ganz im Gegenteil. Seht es als eine Art Mischung aus Erleichterung und Wahnsinn an. Es ist tatsächlich ziemlich wahnsinnig, dass nunmehr nach immerhin fünfhundert Jahren endlich einmal hier eine Landefähre auftaucht, um doch tatsächlich nach dem Rechten zu sehen. Gewissermaßen aus heiterem Himmel sogar!“

„Sie wissen, was eine Landefähre ist?“, wunderte sich jetzt Dalbo und schnitt dabei anscheinend eine ziemlich dümmliche Miene, denn abermals hatte die Delegation Mühe, eine zu große Heiterkeit zu unterdrücken.

„Bitte, nicht falsch verstehen“, bat jetzt die Wortführerin, „aber es mutet schon recht merkwürdig an, dass ...“

Dalbo konnte nicht länger an sich halten. Obwohl es nicht gerade diplomatisch erschien, fiel er der Frau ins Wort: „Aber wir sahen Entsetzen in euren Gesichtern beim Anflug!“

„Ach ja, das meinen Sie ...“ Die Wortführerin machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wir haben nicht sofort gesehen, dass es sich um eine irdische Landefähre handelt.“

„Worum denn sonst?“, hakte Dalbo sogleich nach.

Die fünf wurden auf einmal sehr ernst, was im krassen Widerspruch zu ihrem vorherigen Verhalten stand.

„Um eine Landefähre der Mharaav beispielsweise!“, gestand die Wortführerin.

„Mharaav?“, echote Dalbo verblüfft.

Die Wortführerin nickte heftig.

„Vor einiger Zeit havarierte ein Schiff dieser Echsenwesen auf unserer Welt. Wir boten ihnen unsere Hilfe an, obwohl sie sich uns gegenüber doch tatsächlich als Feinde der Menschheit bezeichneten. Was sollten wir auch anderes tun? Hätten sie uns angreifen wollen, wäre unsere Chance wohl nahe Null gewesen bei unseren primitiven Waffen. Und die Bordwaffen des havarierten Raumschiffes funktionierten zu diesem Zeitpunkt anscheinend noch.

Aber die Mharaav verhielten sich nach dieser zutiefst beunruhigenden Eröffnung überraschend friedlich. Wohl deshalb, weil sie sich unversehens in der gleichen Situation wie wir befanden. Sie lehnten jedoch jegliche Hilfe unsererseits rigoros ab.

Später verließen sie ihr Schiff, das nicht mehr starten konnte, weil es irreparabel geworden war, und verschwanden mit unbekanntem Ziel. Das heißt, die ungefähre Richtung kennen wir ja. Wir haben sogar versucht, ihnen zu folgen. Doch sie verschwanden in einer Gegend, die sogar für unsere Skorpione nicht zugänglich ist. Dort gibt es weder für sie noch für uns ein Überleben. Deshalb begreifen wir bis heute nicht, wieso diese Echsenwesen ein solches Risiko überhaupt eingingen.“

„Dann waren sie zwar nicht gerade aggressiv, aber doch ziemlich feindselig euch gegenüber gewesen?“

„Oh, ja, das kann man eigentlich so sagen. Obwohl es letztendlich keine Auseinandersetzung gegeben hat. Wir haben sie dann einfach ziehen lassen. Was hätten wir sonst denn machen können?“

„Vor einiger Zeit ist das gewesen, sagten Sie? Aber unser planetarer Scan hat nichts dergleichen ergeben!“, gab Dalbo zu bedenken.

„Weil es denen eben genauso erging wie unseren Vorfahren nach ihrer Landung hier: Keinerlei Technik funktioniert mehr. Schon nach recht kurzer Zeit. Nichts, also absolut gar nichts.“

„Soll das heißen, dass auch eure Vorfahren damals hier havarierten?“

„Äh, ja, genau das wollte ich damit sagen!“, bestätigte die Wortführerin.

Sie tat auf einmal erschrocken und tippte sich bedeutsam an die Stirn.

„Verzeihung, aber wo bleiben eigentlich meine Manieren? Jetzt habe ich doch tatsächlich versäumt, mich vorzustellen: Mein Name ist Kerstin Rush, meines Zeichens gewählte Bürgermeisterin auf diesem Skorpion hier hinter uns, der uns freundlicherweise durch diese ziemlich unfreundliche Wüste zu tragen bereit erklärt hat.“

„Bürgermeisterin?“, wunderte sich Dalbo. „Äh, ich muss mich selbst entschuldigen bei Ihnen, weil ich mich noch nicht vorgestellt habe: Mein Name ist Rick Dalbo. Ich bin Captain des Raumschiffes PERENDRA XX3 der Raumflotte des Irdischen Weltenbundes. Hier, an meiner Seite, das ist Jennifer Martin. Sie ist unter anderem Expertin für Aliensprachen.“

„Oh, tatsächlich?“, wunderte sich jetzt Bürgermeisterin Kerstin Rush. „Da haben Sie anscheinend tatsächlich damit gerechnet, hier auf Aliens zu treffen?“

Sie lachte belustigt, winkte sogleich aber mit beiden Händen ab.

„Verzeihung, es sollte wirklich nicht anzüglich klingen, aber ich sehe schon, es gibt noch einiges zu erzählen. Sie werden sich sicherlich auch darüber wundern, wieso wir zwar zurückgefallen sind in die völlige Primitivität, aber dennoch alles wissen über die Herkunft unserer Vorfahren, die damals hierher kamen, um diese Welt zu besiedeln. Anscheinend waren die vorangegangenen Untersuchungen dieses Planeten nicht so ganz sorgfältig, sonst hätte man bereits gewusst, dass dies ein enormes Risiko sein würde.“

Sie machte eine umfassende Geste.

„Wobei Sie sich natürlich mit eigenem Augenschein davon überzeugen können, dass wir die Lage dennoch weitgehend gemeistert haben.“

Sie winkte Dalbo und Jennifer Martin zu.

„Also, kommt bitte mit hinauf. Dort oben können wir es uns gemütlich machen und über alles dies reden.“

Ein Blick auf die Landefähre hinter Dalbo und Jennifer Martin.

„Ich nehme an, dort drin sind noch mehr Leute? Falls es denen langweilig werden sollte, sind sie natürlich ebenfalls herzlich eingeladen.“

Ein weiterer Blick, der diesmal wieder Dalbo gewidmet war: „Falls Ihr Captain dies zulassen sollte, heißt das!“

Dalbo dachte daran, dass sich auch Doktor Moran-Dor mit an Bord befand. Immerhin ein Mharaav. Zumindest sah er so aus, obwohl er ja ausschließlich unter Menschen aufgewachsen war. Und entschied sich dagegen.

Kerstin Rush sah, dass er keinerlei Anstalten machte, nach dem Rest der Besatzung zu rufen, und wandte sich gemeinsam mit ihrer Delegation zum Gehen.

Rick Dalbo und Jennifer Martin folgten ihnen. Dies war der Augenblick, an dem überraschend Miimii in Erscheinung trat. Beinahe hätte Dalbo sie tatsächlich vergessen, was bei einer so unwirklichen Situation wie der Begegnung mit dieser überaus seltsamen fünfköpfigen Menschendelegation nicht weiter verwunderlich war.

Miimii überholte nicht nur Dalbo und Jennifer Martin, sondern auch die überraschte Delegation. Nur um zu dem Riesenskorpion zu eilen und diesen anzubellen wie ein riesiger Hund.

So klang es zumindest, was bei einer eher kleinen, wenngleich doppelköpfigen Katze allerdings ziemlich absurd wirkte.

„Was ist das denn?“, entfuhr es Kerstin Rush unwillkürlich.

„Darf ich vorstellen?“, antwortete Dalbo nur: „Miimii, meine telosianische Zweikopfkatze!“

„Aha?“, konterte Kerstin Rush. „Also doch noch ein Alien auf diesem Planeten?“

Dalbo wusste nicht, ob er das jetzt wirklich für witzig halten konnte oder ob diese Szene die Absurdität der gegenwärtigen Situation nicht auch noch erhöhte.

Miimii ihrerseits hörte jedenfalls auf zu bellen und sah mit beiden Köpfen Kerstin Rush an: „Seid gegrüßt, Fremde! Ihr verzeiht unser Erstaunen und vor allem unsere Neugierde, aber dass ausgerechnet Menschen zu uns kommen, ist mehr als unerwartet für uns alle ...“

„Das waren doch nicht etwa meine eigenen Begrüßungsworte?“, entfuhr es der Bürgermeisterin, wie sie sich nannte. Mehr oder weniger fassungslos schüttelte sie den Kopf.

Und dann begann Miimii genau dasselbe Gelächter nachzuahmen wie es die fünfköpfige Delegation von sich gegeben hatte. So perfekt, als würde es sich um eine technische Aufzeichnung handeln.

Kerstin Rush lachte jetzt ebenfalls wieder.

„Meine Güte, so etwas hat uns wahrlich noch gefehlt. Miimii heißt du? Ich glaube kaum, dass es ein Wesen gibt in diesem ganzen Universum, das dir jemals böse sein könnte!“

Dalbo äußerte sich nicht dazu. Er nahm Miimii auf den Arm. Es würde schwierig sein, gemeinsam mit ihr diese Strickleiter hinaufzuklettern, aber es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, denn Miimii selbst würde sich mit Sicherheit standhaft weigern, es auch nur zu versuchen.

6

„Unmöglich!“

Der Erste Offizier der PERENDRA XX3 schüttelte den Kopf.

Tom Wang gefiel das alles nicht. Ganz und gar nicht. Sie waren hierhergekommen, um sozusagen nach dem Rechten zu sehen. Und er hatte ja jedes Wort mitgehört, was dort unten gesprochen worden war. Und er hatte die Übertragung gesehen. Selbstverständlich hatte er das! Deshalb empfand er es als höchst unwürdig, wie sein Captain sich da aufgeführt hatte. Zumal er doch tatsächlich in einer dermaßen verfänglichen Situation auch noch sein Haustier mit dabei hatte.

Allerdings hütete er sich davor, irgendetwas dazu zu sagen, denn er wusste aus bitterer Erfahrung, wie beliebt Captain Rick Dalbo bei der gesamten Besatzung war. Es hätte möglicherweise niemanden gegeben, der dem Ersten Offizier recht gegeben und dieses Vorgehen ebenfalls als inakzeptabel empfunden hätte.

Außerdem kam er nicht umhin, zuzugeben, dass sich das Ganze tatsächlich in einem Maße entwickelt hatte, wie es niemand hätte voraussehen können. Wie hätte er denn eigentlich selbst sich verhalten in dieser Situation?

Allein nur, weil er das selbst nicht zu sagen vermochte, konzentrierte er seine ganze Aufmerksamkeit jetzt darauf, wie es weiterging. Die technischen Mittel der Landefähre reichten aus, um alles genauestens mitbekommen zu können.

Dabei hatte Tom Wang reichlich Gelegenheit, das bisher Gehörte und Gesehene auch noch sorgfältig zu überdenken.

Dann war also vor fünfhundert Jahren das Siedlerraumschiff hier havariert? Es mussten die Siedler selbst die Havarie auf jeden Fall überstanden haben, sonst hätte es ja heute nicht diese Nachfahren von ihnen gegeben.

Aber hatte diese Kerstin Rush denn nicht behauptet, die Technik hätte bereits kurz danach versagt? Also nach der Landung irgendwann? Ja, was, wenn die Landung vorschriftsmäßig erfolgt und der Ausfall der Technik tatsächlich nach und nach später erfolgt war?

Tom Wang musste dem nachgehen. Außerdem musste er sämtliche Möglichkeiten des Raumschiffs PERENDRA XX3 dafür einsetzen, um die Mharaav zu finden, die angeblich vor einiger Zeit schon ebenfalls hier havariert waren. Zumindest ihr Raumschiff müsste eigentlich unübersehbar sein.

Es gab keinerlei Marker, die auf irgendeine weiter entwickelte Technik hinwiesen. Der gesamte Planet war laut ihrer Messung garantiert technikfrei. Anders konnte man es gar nicht bezeichnen. Sogar die Landefähre, die Dalbo benutzt hatte, stach bei dem Scan überdeutlich als die absolute Ausnahme hervor.

Der nächste Schritt war, nach außergewöhnlicher Metallanhäufung zu suchen. Etwa wie es typisch gewesen wäre für ein Raumschiff der Mharaav.

Wieso waren sie überhaupt hier gelandet? Wenn sie den Planeten nur hätten besuchen wollen, wäre von ihnen doch auch nur eine Landeeinheit eingesetzt worden?

Tom Wang überlegte fieberhaft, fand aber keine Erklärung dafür. Und es gab auch keinerlei Erklärung für etwaige technische Probleme, ob es sich nun um die Technik der Mharaav handelte oder auch um die menschliche Technik. Jedenfalls funktionierte auch die Landefähre bisher einwandfrei.

Tom Wang setzte sich mit dieser in Verbindung und verlangte Doktor Moran-Dor zu sprechen. Als dieser in den Erfassungsbereich des Übertragungsgerätes trat, fragte er ihn ganz direkt: „Was halten Sie denn von alledem? Wie kann es sein, dass angeblich ein Raumschiff der Mharaav hier havarierte, ohne dass es den geringsten Hinweis darauf gibt?“

„Und ausgerechnet von mir erwarten Sie deshalb eine Antwort auf diese Frage, weil ich selber ein Mharaav bin? Obwohl ich davon nicht die geringste Ahnung haben kann, weil ich nun einmal leider, und Ihnen durchaus bekannt, ausschließlich unter den Menschen aufwuchs?“, konterte Doktor Moran-Dor ungerührt.

Tom Wang stutzte nur kurz. Dann unterbrach er einfach die Verbindung wieder.

Doktor Moran-Dor empfand das als ziemlich unhöflich, gelinde ausgedrückt, aber eigentlich hatte er sich längst an die Eigenarten von Tom Wang gewöhnt. Außerdem hatte er gelernt, in den Gesichtern von Menschen zu lesen wie im sprichwörtlichen offenen Buch, und das hatte ihm im Fall von Tom Wang gesagt, dass der Erste fieberhaft nach Erklärungen suchte. Also war sein Verhalten nicht wirklich unhöflich, sondern Tom Wang wurde das selbst gar nicht bewusst.

Der Doktor wandte sich an Alex Tomlin.

„Was hältst du denn eigentlich von der These, dass damals sämtliche Technik zu versagen begonnen hat, wie von dieser Kerstin Rush behauptet?“

Alex schüttelte den Kopf.

„Also, ich habe wirklich jetzt noch einmal alles hier überprüft, aber nichts Ungewöhnliches festgestellt. Es ist hier allerdings die einzige Technik anscheinend auf dieser ganzen Welt, die funktionsfähig ist.“

„Ohne jegliche Einschränkung?“, vergewisserte sich Doktor Moran-Dor.

„Bisher jedenfalls: Ja!“, bestätigte Alex. „Und wenn auch Tom Wang oben im Schiff nichts findet ...“

Da meldete sich abermals die PERENDRA. Diesmal nicht Tom Wang persönlich, sondern einer der Ortungsoffiziere: „Nur zur Info vorerst: Wir haben das Raumschiff der Mharaav gefunden! Aber es ist nur noch ein großer Haufen totes Metall. Gewissermaßen. Anscheinend haben sie es verlassen müssen, weil nichts mehr funktionierte. Dafür benutzten sie wohl eine ihrer Landefähren, die wir ebenfalls in der Nähe gefunden haben.“

„Nicht funktionsfähig?“, vermutete Alex.

„Richtig. Ebenfalls nur noch ein toter Haufen Metall. Und niemand befindet sich noch dort. Also keiner der Mharaav.“

„Sind Sie denn sicher, dass die Mharaav damit das Raumschiff verließen? Also mittels Landefähre nach der Landung auf dieser Welt? Es hat aus dem Mund von dieser Kerstin Rush für mich eigentlich mehr danach geklungen, als wären die Echsenwesen sozusagen zu Fuß losgezogen, um in jener Gegend zu verschwinden, die angeblich niemand sonst überleben kann.“

„Moment mal!“, bat der Ortungsoffizier knapp.

Tom Wang mischte sich ein. Er erschien sogar persönlich in der Erfassung.

„Das ist ziemlich beunruhigend!“, behauptete er.

„Was denn?“, erkundigte sich Alex Tomlin mit einem unschuldigen Augenaufschlag.

Man konnte vom Ersten Offizier Tom Wang behaupten, was man wollte, aber Tatsache war, dass er Alex Tomlin trotz seiner Jugend voll und ganz akzeptierte, was eigentlich jeden an Bord schon verwundert hatte. Aber Tom Wang schätzte anscheinend besondere Fähigkeiten, und die hatte Alex ja in der Tat schon oft genug unter Beweis stellen können.

Und jetzt redete er mit Alex sozusagen wie mit seinesgleichen, nicht wie der ranghöchste Offizier an Bord mit irgendeinem Untergeordneten.

„Wenn ich das richtig interpretiere, landeten die Mharaav tatsächlich mit dieser Landefähre. Mit dem Raumschiff kamen sie nur deshalb, um die Besatzung der Fähre gewissermaßen zu retten, weil deren Technik ausgefallen ist. Dabei havarierten sie selbst. Das heißt, sie stürzten nicht etwa ab, weil das Raumschiff vollkommen unbeschädigt wirkt. Also fiel die Technik an Bord erst nach der Landung aus, genauso wie wohl auch bei der Landefähre.“

„Es hat nur keinerlei Technik mehr funktioniert, glauben Sie?“, vergewisserte sich Alex.

„Ja, so zumindest scheint es. Und seitdem sitzen die Mharaav hier fest. Wir wissen leider viel zu wenig über sie, um begreifen zu können, wieso sie zu Fuß ausgerechnet in diese Gegend gezogen sind, die ja laut Kerstin Rush so ganz besonders unwirtlich zu sein scheint. Ich werde jedenfalls alles von hier oben aus tun, um sie ausfindig zu machen.“

Tom Wang unterbrach wieder die Verbindung.

Alex sah zu Moran-Dor hin. Der Doktor sah sich indessen bemüßigt zu sagen: „Immerhin ist der Metabolismus von unsereins anders als der menschliche.“

„Aber so gravierend, dass die Mharaav eine Umgebung überleben könnten, die sogar für diese Riesenskorpione tödlich wäre?“

„Es kommt ganz auf die Art der Umweltbedingungen an. Vielleicht irgendwelche giftige Dämpfe, die aus dem Boden steigen? Giftig vielleicht sogar für einheimisches Leben hier wie die Riesenskorpione und natürlich für Menschen, aber womöglich gerade für Mharaav besonders gut geeignet?“

„Wenn du es sagst ...“, meinte Alex leichthin. „Ich bin hier ja nur das technische Genie. Von solchen Dingen habe ich leider keine Ahnung. Darin bist du mir auf jeden Fall weit überlegen.“

Moran-Dor lachte nur leise. Es klang wie bei einem normalen Menschen.

7

Die Geschichte der menschlichen Siedler von Bandara III mutete so fantastisch an, wie man sie hier auch noch heute erlebte: Nachdem damals ihre Technik komplett ausgefallen war, aus Gründen, die sie auch nach fünfhundert Jahren immer noch nicht verstanden, mussten sie um ihr schieres Überleben kämpfen.

Die mitgeführten Vorräte waren natürlich begrenzt gewesen. Da entdeckten sie allerdings diese Oasen. Womit sie sich die einzige Möglichkeit eröffneten, um auch noch auf Dauer überleben zu können.

Allerdings erwies sich das Ökosystem dieser Oasen als ungemein empfindlich, weshalb die Menschen niemals lange vor Ort bleiben durften. Sie mussten weiterziehen, um der Oase genügend Gelegenheit zu geben, sich von ihrer regelrechten Heimsuchung wieder zu erholen.

Ein äußerst beschwerlicher Marsch durch die mörderische Einöde, nicht nur bedroht von streunenden und äußerst hungrigen Tieren, die in ihnen willkommene Beute witterten, sondern auch noch von gnadenlos tosenden Sandstürmen, gegen die es unterwegs keinerlei wirksamen Schutz gab.

Und da kamen die Riesenskorpione ins Spiel. Diese Tiere hatten seit Urzeiten nichts anderes getan, als von Oase zu Oase zu ziehen.

Aus denselben Gründen wie die Menschen jetzt: Weil sie nur dank der Oasen auf Dauer überhaupt überleben konnten. Dabei durften sie niemals das Ökosystem der Oasen überstrapazieren, um sich nicht dieser einzigen Lebensgrundlage selber zu berauben.

Mehr noch als dies: Sie hatten mit ihren gewaltigen Körpern um die Oasen herum riesige Schutzwälle errichtet aus losen Steinen, die sie immer wieder neu zusammenschoben, um den Schutz gegen die umgebende Wüste aufrecht zu erhalten.

Es war wie eine funktionierende Symbiose zwischen den Riesenskorpionen und diesen Oasen und dem Leben, das es darin gab. Für ihren besonderen Schutz durften sie sich am nur hier vorhandenen Trinkwasser laben und von den Pflanzen fressen, denn die Riesenskorpione waren reine Vegetarier.

Sie hatten dabei nur ein einziges und immerwährendes Problem: Unmengen von Parasiten, die sich gern an ihrem riesigen Chitinpanzer festsaugten, um sich an ihren Körperflüssigkeiten zu nähren.

Diese riesigen Tiere waren halbwegs hilflos den Parasiten ausgeliefert und wurden von denen schon immer gnadenlos gepeinigt.

Bis die Menschen einschritten. Denn die ersten Siedler hatten bald erkannt – ja, erkennen müssen! –, welchen Vorteil die Riesenskorpione ihnen bieten würden. Sie bekämpften erfolgreich deren Parasiten und befreiten sie auf Dauer von der immerwährenden Plage. Aus Dankbarkeit dafür durften sich die Menschen auf ihren Rücken häuslich niederlassen.

Und dies nun schon seit fünfhundert Jahren!

Aber wieso hatten die Mharaav nicht auch einen solchen Weg beschreiten wollen? Immerhin waren sie doch genauso Gestrandete auf diesem Planeten wie die Menschen.

Das allerdings wusste niemand zu beantworten. Auch nicht, was die Mharaav ausgerechnet in jener noch unwirtlicheren Gegend zu suchen hatten.

Für die Siedlernachkommen ergab das jedenfalls nicht den geringsten Sinn.

Rick Dalbo erfuhr auch von der Bürgermeisterin dieses Skorpions namens Kerstin Rush, dass jeder Skorpion tatsächlich in gewisser Weise eine kleine Dorfgemeinschaft trug. Und in jeder gab es ein gewähltes Oberhaupt, das man einfach Bürgermeister nannte, nicht etwa Häuptling.

Darauf angesprochen hatte Kerstin Rush wieder einmal lachen müssen.

„Wir sind zwar notgedrungen in die Primitivität von Urmenschen zurückgefallen, weil unsere mitgebrachte Technik einfach nicht mehr funktionieren wollte, doch wir haben uns über die fünfhundert Jahre unsere mitgebrachte Kultur erhalten. Keiner von uns ist etwa total verdummt, falls Sie das annehmen sollten, Captain Dalbo. Ganz im Gegenteil: Wir wissen genau, wer wir sind und wer unsere Vorfahren waren. Alles wurde haarklein überliefert. Wir besitzen sogar immer noch die Logbücher des Schiffes, mit dem unsere Vorfahren hierher kamen.“

„Aber die waren doch sicherlich elektronischer Art?“, vermutete Dalbo.

„Natürlich! Aber großenteils wurden sie schriftlich noch einmal fixiert, nachdem sämtliche Technik ausgefallen war. Gewissermaßen als Gedächtnisprotokoll damals in geraffter Form. Und wir schreiben auch heute noch nieder, was für uns wichtig genug ist, um es als Wissen für nachfolgende Generationen zu erhalten.“

„Dann könntet ihr alle jederzeit wieder irdische Technik anwenden, sofern sie funktionieren würde?“, erkundigte sich Jennifer Martin.

Sie sprach nur sehr wenig bei alledem und überließ lieber ihrem Captain die Wortführung. Aber diese eine Frage hatte sie sich nicht länger verkneifen können.

Kerstin Rush bejahte dies.

„Deshalb wussten wir ja sehr bald, dass dieser Flugkörper eindeutig eine Landefähre ist. Weil wir Bilder davon in unserem Besitz haben. Nicht nur das: Unser Raumschiff existiert ja nach wie vor – und mit ihm auch alle Beiboote. Nichts davon funktioniert allerdings.

Und nicht vergessen: Wir kennen ja auch das Raumschiff der Mharaav und ihre Landefähre.“

Dalbo sah es an der Zeit, sich erneut zu entschuldigen für seine anfängliche Unwissenheit.

Kerstin Rush klopfte ihm beinahe kameradschaftlich auf die Schulter.

„Alles gut, mein lieber Captain Dalbo von der PERENDRA XX3, längst schon vergeben und vergessen. Ich muss mich vielmehr umgekehrt für unser eigentlich ziemlich unpassendes Gelächter entschuldigen. Wir wollten keineswegs euch zur Begrüßung auslachen, aber Sie können jetzt, im Nachhinein, sicherlich verstehen, dass wir den Ablauf unserer ersten Begegnung anfangs ziemlich erheiternd fanden.“

„Obwohl wir eigentlich hierhergekommen sind, um euch zu helfen?“, warf Jennifer kühn ein.

„Zu helfen? Uns?“ Kerstin Rush schüttelte auf einmal betrübt den Kopf. „Noch funktioniert die von euch mitgebrachte Technik zwar, aber glauben Sie mir: Niemand weiß, wie lange das noch gut geht. Vielleicht wäre es sogar besser gewesen, Sie beide wären gemeinsam mit der armen Miimii schleunigst wieder von hier weggeflogen, anstatt sich hier aufzuhalten.“

Jetzt war es an Dalbo, den Kopf zu schütteln.

„Es ist nicht wirklich zu begreifen: Wieso funktioniert seit nunmehr fünfhundert Jahren die gesamte mitgebrachte Technik nicht mehr, aber wir können unsererseits bei unserer Technik nicht die geringste Störung feststellen?“

Kerstin Rush zuckte die Achseln.

„Wie schon erwähnt: Keine Ahnung! Das konnten wir auch nach fünfhundert Jahren nicht herausfinden. Nur eines ist anscheinend klar dabei: Wäre das Mharaav-Schiff nicht hier gelandet, um die Besatzung ihrer Landefähre zu retten, und wäre einfach nur wieder weggeflogen, hätte es hier nicht stranden müssen.“

„Es scheint fast so“, meinte jetzt Dalbo gedehnt, wobei er lediglich den Gedanken aussprach, der ihm bei diesem Gespräch unwillkürlich gekommen war: „als wäre dies kein natürlicher Vorgang!“

„Wie bitte?“, wunderte sich Kerstin Rush über diese Worte. „Kein natürlicher Vorgang, meinen Sie? Was denn sonst? – Also, falls Sie dabei an die Mharaav denken: Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie sich das selber eingebrockt haben sollten.“

„Nein, die meine ich gar nicht.“

„Wen denn sonst? Also, ich kann Ihnen versichern, dass uns in fünfhundert Jahren niemals jemand anderes hier begegnet ist. Also außer eben den Mharaav, wie schon beschrieben. Hier gibt es ansonsten nichts und niemand.“

„Es ist zumindest nichts und niemand feststellbar!“, relativierte Dalbo ungerührt diese Behauptung. „Was nicht wirklich bedeuten muss, dass es auch tatsächlich nichts und niemanden gibt. Und vielleicht denken ja die Mharaav ebenso und sind allein schon deshalb in diese besonders unwirtliche Gegend gegangen?“

„Sie meinen, dort sei möglicherweise sogar der Ursprung des ganzen Desasters zu finden?“, rief Kerstin Rush ungläubig. „Auf diese Idee ist von uns bisher noch keiner gekommen. Aber wenn ich mir das jetzt so überlege ...“

Sie wirkte dabei ziemlich ratlos.

Dalbo fuhr indessen fort: „Allerdings, falls ich wirklich recht haben sollte, dann wäre dies gewissermaßen eine dritte Institution, die sich sicherlich nicht so ohne Weiteres in die Karten blicken lässt. Sonst hätte sich seit der Havarie der Mharaav wohl etwas geändert, nicht wahr?“

„Sie meinen, falls diese wirklich nur deshalb dorthin sind, um sich auf die Suche nach der eigentlichen Ursache zu machen, haben sie womöglich bis heute nichts gefunden beziehungsweise zumindest nichts erreichen können?“

„So sieht es jedenfalls aus“, bestätigte Dalbo.

„Aber die von euch mitgebrachte Technik funktioniert nach wie vor einwandfrei“, widersprach Kerstin Rush jetzt vehement. „Wenn ich an die diesbezüglichen Aufzeichnungen unserer Vorfahren denke ... Sie haben davon berichtet, dass die von ihnen mitgebrachte Technik schon recht bald versagte.

Außerdem, wenn ich das jetzt auch noch mit der Havarie der Mharaav vergleiche: Eigentlich sind Sie mit Ihrer Landefähre bereits deutlich über der Zeit! Tut mir leid, wenn ich das so sagen muss, aber es scheint mir, als hätten die Mharaav vielleicht doch einen gewissen Erfolg gehabt inzwischen. Hätten wir das nur ahnen können, wären wir längst zu unserem alten Schiff hin, um dies zu überprüfen.“

„Was wir ja durchaus jetzt nachholen können!“, schlug Dalbo vor.

Kerstin Rush musste nicht lange überlegen. Sie sprang tatkräftig auf.

„Guter Vorschlag“, lobte sie euphorisch. „Ich werde mit Ihnen gehen. Ich nehme doch an, wir nehmen die Landefähre? Immerhin, solange die noch fliegen kann ...“

„Wenn wir dort noch jemanden aufnehmen, wird es zwar ein klein wenig enger, aber immerhin kann ich mir niemanden vorstellen, der besser geeignet wäre dafür, uns zu begleiten.“

„Ich allein genügt voll und ganz!“, entschied die Bürgermeisterin und erteilte ihre Befehle für die Zeit ihrer persönlichen Abwesenheit.

Captain Dalbo und Jennifer Martin hatten es bereits mitbekommen: Vom Rücken dieses einen Skorpions aus wurde mittels einer schrillen Lautfolge an den nächsten Skorpion berichtet. Es war wie eine eigene Sprache, die von den Siedlernachkommen entwickelt worden war, um auf diese Entfernung hin einwandfrei und ohne jegliche technische Unterstützung kommunizieren zu können.

Alles, was von hier aus berichtet wurde, gab man vom Nachbarskorpion aus weiter. So dass am Ende alle sechs „Skorpionsiedlungen“ im Bilde waren.

Anschließend war Kerstin Rush mehr als bereit aufzubrechen, und Captain Dalbo gemeinsam mit Jennifer Martin ebenfalls.