Verjährt - Annemarie Nikolaus - E-Book

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Annemarie Nikolaus

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Verjährt

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Cornwall 1072 – Schwaben 1754 – Paris 1795 – Luzern 1824

Wer ist eigentlich der Verbrecher? Wann heiligt der Zweck die Mittel?

Notwehr, Selbstjustiz oder doch nur ein gewöhnliches Verbrechen – alles längst verjährt ...

Annemarie Nikolaus

Verjährt

– Kurzgeschichten –

Copyright 2013 Annemarie Nikolaus, Frankreich

Cover: Annemarie Nikolaus, Raik Thorstad/Pixabay.com

Inhalt

Die zwölfte Nacht

 Fromme Gaben

 Brot

 Die Mühlen der Justiz

 Über die Autorin

 Weitere Titel

Die zwölfte Nacht

Treganna, Cornwall, Weihnachtsabend 1072

Ein mächtiger Sturm toste um die Große Halle von Treganna und übertönte wieder und wieder den Lärm der feiernden Dienstboten des Schlosses. Manch einem blieb dann das Lachen im Halse stecken; andere bekreuzigten sich und blickten erschreckt umher. Die Hunde, die sich an anderen Tagen um die Knochen balgten, lagen friedlich unter den Tischen und machten nur mit einem gelegentlichen Winseln auf sich aufmerksam.

Das Feuer in den beiden mächtigen Kaminen hatte Mühe, sich gegen den stetigen Druck des Windes zu behaupten. Rauch trieb bis hinüber zu dem Hohen Tisch, an dem Sir Geoffroi, der neue Herr von Treganna Castle, mit seiner Familie saß.

Der kleine Amis, sein Sohn, hustete, als er den Rauch einatmete. Als er immer angestrengter um Luft rang, klopfte Caitlin ihm auf den Rücken und hielt ihm dann einen Becher Wasser hin.

Sorge stand in ihren Augen und sie lächelte mitleidig. „Trink; dann geht es dir gleich besser.“ Hoffentlich erstickte er daran. Wie sie ihn hasste, ihren Stiefbruder; mehr noch als den Normannen, der ihre Mutter zur Ehe gezwungen hatte. Mochte Gott verhüten, dass diesem Schwächling eines Tages Treganna zufiel, das doch ihr Erbe war.

Amis überlief ein Schauer, als der Sturm plötzlich eine Tonlage höher pfiff.

„Frierst du?“ Sir Geoffroi wickelte ihn fester in seinen warmen Plaid.

„Nein, Vater. Ich habe mich erschrocken.“

„Vor dem bisschen Wind?“ Sir Geoffroi klang nun doch ein wenig ungehalten. „So nahe am Meer hat er mehr Kraft, als du es von ... Zuhause ... gewohnt bist.“

„Nay, Mylord.“ Wieder setzte Caitlin ein sorgenvolles Gesicht auf. „Das ist nicht der Sturm, der da draußen singt. Das sind ...“ Sie ließ ihre Stimme verklingen.

Amis wurde bleich und starrte sie aus weit aufgerissenen Augen an.

„Caitlin! Du wirst diesem Aberglauben keine Nahrung geben.“

„Wie könnt Ihr das sagen, Mylord! Was wisst Ihr von unserem Land!“ Caitlin sprang empört auf und ließ sich auch nicht vom zornigen Ruf ihrer Mutter zurückhalten.

Nicht lange darauf kam Amis in Caitlins Schlafzimmer. „Schwester, was ist es, was du mir nicht sagen darfst?“

Caitlin verdrehte die Augen über die verhasste Anrede. „Was wohl? Dein Vater will nicht, dass ich dir erzähle, was du von ihm nicht erfahren kannst.“ Sie winkte ihn näher ans Feuer und senkte die Stimme. „Wind, ja; so kann man es wohl nennen. Aber er kommt nicht vom Meer. Es ist die Wilde Jagd, die in den Nächten bis Epiphania ihre Rache sucht.“

Der Junge räusperte sich und versuchte, seiner Stimme einen tieferen, erwachsenen Klang zu geben. „Caitlin, das ist wirklich ein Aberglaube.“

Sie zog ihn neben sich auf die Fensterbank und wisperte:„Hast du nicht die Furcht in den Gesichtern der Dienstboten gesehen?“ Caitlin unterdrückte ein triumphierendes Lächeln, als der Blick des Jungen unsicher zu flackern begann. „Aber du brauchst dich nicht zu ängstigen. Du bist doch nur ein kleiner Junge. Du kannst nichts für das, was geschehen ist.“

Amis fuhr empört hoch.

„Es sind unsere erschlagenen Krieger.“ Caitlin lächelte. „Und mein Vater führt sie. Ihr habt unser Land gestohlen. Und seine Frau.“

„Aber du sollst dich nicht fürchten müssen.“ Sie stand auf und öffnete ihre Truhe. „Darum gebe ich dir mein Geschenk schon heute.“ Sie hielt ihm ein rotes Band entgegen, an dem eine Gemme aus einem dunklen Stein hing.

Amis streckte die Hand aus. „Was ist das?“

„Ein Schutz, mächtiger als das Kreuz der C [...]