8,99 €
Er hat ihr Herz schon einmal gebrochen. Aber gegen ihre Gefühle ist sie machtlos ...
Die Architektin Camille Jameson hat nur eine einzige wunderbare Nacht mit dem leidenschaftlichen Fremden verbracht. Doch für sie war es so viel mehr. Dann war er weg, und ihr Herz brach. Jahre später fährt Camille nach Mississippi, um eine alte Plantage zu restaurieren. Dort trifft sie ausgerechnet auf Zack Prescott, den Fremden von einst. Und diesmal verspricht er ihr ewige Liebe! Doch kann Camille seinen Worten noch einmal vertrauen?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 274
Veröffentlichungsjahr: 2012
Eine Nacht hat Camille jamesons Leben für immer verändert: Ein Mal ist sie ihren Gefühlen gefolgt und hat sich einem gut aussehenden Fremden hingegeben. Aber so schnell, wie er in ihr Leben getreten war, war er wieder verschwunden und ließ sie verzweifelt zurück.
Jetzt, Jahre später, glaubt Camille die unglückliche Liebe überwunden zu haben. Sie ist mittlerweile eine erfolgreiche Innenarchitektin, und als sie die Gelegenheit bekommt, eine der stolzesten Plantagen in Mississippi zu restaurieren, nimmt sie den Auftrag begeistert an. Mit Schmetterlingen im Bauch macht sie sich auf den Weg – und trifft in dem prachtvollen alten Herrenhaus auf Zack Prescott, den Fremden von einst. Er ist noch genau so sexy und attraktiv wie in ihrer Erinnerung, und sein wissender Blick zeigt ihr, dass auch er nicht vergessen hat, was sie damals miteinander verbunden hat. Obwohl Camille sich dagegen wehrt, fasziniert er sie noch immer. Das Herz sagt ja, aber ihr Verstand befiehlt, dass Zack und sie für immer Fremde bleiben. Doch das Schicksal scheint ganz andere Pläne für sie zu haben ...
Sandra Brown ist eine der erfolgreichsten Autorinnen der Welt. Jeder ihrer Romane erreichte Spitzenplätze in den englischen und amerikanischen Bestsellerlisten. Ein unnachahmlicher Erfolg, der mit »Verliebt in einen Fremden«, Sandra Browns erstem, noch unter Pseudonym erschienenen Roman, seinen Anfang nahm. Sandra Brown wurde mehrfach preisgekrönt, u. a. mit dem New York Times Award, und ihre Bücher werden weltweit in neunundzwanzig Sprachen übersetzt. In Deutschland feierte Sandra Brown zuletzt mit ihrem Psychothriller »Rage – [Zorn]« einen phänomenalen Bestsellererfolg. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Arlington, Texas.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.sandra-brown.de
Liebe Leserinnen und Leser,
bevor ich mich der allgemeinen Unterhaltungsliteratur zuwandte, habe ich unter mehreren Pseudonymen Liebesromane geschrieben. »Verliebt in einen Fremden« erschien ursprünglich vor über zwanzig Jahren (unter meinem ersten Autorennamen Rachel Ryan).
Die Handlung reflektiert Trends und Lebensart, wie sie seinerzeit aktuell waren – doch bleibt das Thema immer populär und allgemein gültig. Wie in jedem Liebesroman stehen die unglücklich Liebenden im Mittelpunkt. Wir erleben Augenblicke der Leidenschaft und Zärtlichkeit, zwischenmenschliche Spannungen – kurzum sämtliche Facetten der Liebe.
Es macht mir riesigen Spaß, romantische Liebesgeschichten zu schreiben. Sie bestechen durch ihre optimistische Grundhaltung und den unvergleichlichen Charme, der ihnen innewohnt. Probieren Sie es einfach aus. Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Vergnügen bei der Lektüre.
Sandra Brown
Für Michael – You are the sunshine of my life
Als Bridal Wreath vor ihr auftauchte, brachte Camille ihren kleinen Wagen abrupt zum Stehen. Sie war den Hinweisen des Tourismusbüros gefolgt, das seinen Sitz in der altehrwürdigen Stanton Hall hatte, und über die Homochitto Street aus der Innenstadt von Natchez gekommen. Die Dame am Infoschalter hatte ihr erklärt, dass die Allee zu dem alten Herrensitz linker Hand liege, kurz bevor die Landstraße den Highway 65 kreuze.
Das verwitterte und von wilden Ranken überwucherte Schild, das auf den unbefestigten Weg hinwies, war so unscheinbar, dass sie es fast übersehen hätte. Während sie über tiefe Schlaglöcher ruckelte, bestaunte sie die riesigen, moosbewachsenen Eichen zu beiden Seiten, die späten Magnolien mit ihren duftenden, pastellfarbenen Blüten und die üppigen Spiersträucher, die der Plantage ihren Namen gegeben hatten. Die schneeweißen Blüten waren in der sommerlichen Hitze längst verblüht, die Zweige jedoch wogten von zartgrünem Laub.
Camille stieg aus dem Wagen, während sie den Motor weiterlaufen ließ. Fachmännisch betrachtete sie die großzügige Anlage, die sich vor ihr erstreckte. Das Haus war 1805 im Kolonialstil erbaut worden und hatte zwei Stockwerke. Die Räume in der ersten Etage gingen auf einen Balkon hinaus, der auf sechs majestätisch weißen Säulen ruhte und das Erdgeschoss auf drei Seiten wie ein Vordach umgab. Das rote Ziegelmauerwerk war im Laufe der Jahre zu einem matten Rosaton verblichen. Drei hohe Fenster mit jagdgrünen Läden schlossen sich jeweils links und rechts des eindrucksvollen weißen Hauptportals an. Und über der Tür hing an einer schweren Kette eine Messingleuchte.
Camille Jameson schwang sich hellauf begeistert wieder auf den Autositz. Während sie erneut Gas gab, rief sie laut lachend: »Scarlett O’Hara, zieh dich warm an!«
Einfach himmlisch, dass man ausgerechnet sie zur Restaurierung des Herrensitzes engagiert hatte. Sie hoffte nur, dass sie der Aufgabe gewachsen wäre und die frühere Schönheit wieder herstellen könnte. Für ihre Karriere als Innenarchitektin wie für ihre finanzielle Zukunft war das immens wichtig.
Camille und ihrer Mutter Martha gehörte in Atlanta ein Einrichtungshaus. Martha Jameson hatte es nach dem Tod ihres Mannes weitergeführt. Zu der Zeit jedoch, als ihre Tochter schließlich das Universitätsdiplom in der Tasche hatte, war das Geschäft auf das Niveau eines Geschenkladens mit preiswertem Kunsthandwerk und ziemlichem Krimskrams herabgesunken. Camille begann umgehend, moderne und qualitativ hochwertige Ausstattungsstücke ins Sortiment aufzunehmen. Sie beriet Kunden bei der Wahl der Tapeten, Teppiche, Gardinen, Möbel und Wohnaccessoires. Ihr guter Geschmack und ihr umgängliches, freundliches Auftreten brachten ihr einen ausgezeichneten Ruf und eine anspruchsvolle Klientel ein. Inzwischen beschäftigte sie zwei weitere Mitarbeiterinnen in ihrem »Studio«, ihre Mutter kümmerte sich um den Ladenverkauf und die Buchhaltung.
Als Mr. Rayburn Prescott aus Natchez, Mississippi, an die junge Innenausstatterin herangetreten war, hatte sie ohne lange zu überlegen zugesagt. Die Renovierung seiner Luxusvilla war ihr bislang lukrativster Auftrag. Sie kannte die historischen Bauten von einem gemeinsamen Urlaub mit ihrer Mutter. Schon damals, als ganz junges Mädchen, war Camille von den prachtvollen Anwesen schwer beeindruckt gewesen.
Rayburn Prescott, ein typischer Südstaaten-Gentleman, behandelte Camille und Martha mit ausgesuchter Höflichkeit. Die beiden Mitarbeiterinnen im Studio hatten heimlich über seinen ungewohnt gedehnten Akzent geschmunzelt. Er war groß, stattlich und unterhaltsam. Dichtes, weißes Haar wellte sich über seiner breiten, hohen Stirn. In den blauen Augen lag ein übermütiges Funkeln, obwohl er um die siebzig sein musste.
Nachdem sie eine Weile miteinander geplaudert hatten, erzählte er Camille von seinem Haus in Natchez. »Ich muss mich schämen, Miss Jameson. Nach dem Tod meiner Frau«, er seufzte tief, »und das ist jetzt über zwanzig Jahre her, habe ich das Anwesen regelrecht vernachlässigt. Es ist zu einem Junggesellenhaushalt verkommen. Mein Sohn verbringt die meiste Zeit auf der Plantage, ist aber mit mir einer Meinung, dass Bridal Wreath wieder ein Schmuckstück werden muss.«
»So ein schöner Name«, sinnierte Camille, die sich im Geiste bereits ein Bild machte. »Ich nehme Ihren Auftrag natürlich gerne an.«
»Aber wir haben doch noch gar nicht über Ihr Honorar oder andere Details gesprochen!«, rief er.
»Das ist nicht so wichtig. Für mich steht einfach fest, dass ich es machen möchte.« Sie lächelte über sein erstauntes Gesicht, das sich daraufhin in winzige Lachfältchen legte. Sie war ihm von einem Freund empfohlen worden, für den sie ein Restaurant in Peachtree Plaza gestaltet hatte. Rayburn Prescott war von ihren Fähigkeiten überzeugt. Als sie schließlich ihr Honorar verhandelten, war sie verblüfft über die Höhe der Summe. Er stellte ihr ein nahezu unbegrenztes Budget für die Renovierung zur Verfügung. Ganz offensichtlich sah er nicht auf den Pfennig. Er bestand allerdings darauf, dass sie während der Arbeiten in Bridal Wreath wohnte, und versprach, sich um alles Weitere zu kümmern. Sie hatten einen Ankunftstermin festgesetzt, und jetzt war sie hier und stand vor dem Hauptportal. Die Handtasche unter den Arm geklemmt, wartete sie darauf, dass jemand auf ihr Klingeln reagierte. Bei genauer Betrachtung bemerkte sie die abblätternde Farbe, die dunkel angelaufenen Messingbeschläge und die losen Türbretter. Wenn es im Innern genauso schlimm aussähe, hätte sie noch eine Menge Arbeit vor sich.
Heimlich musste Camille lächeln. Immerhin bedeutete die Arbeit ihr alles. Ihr Leben drehte sich um die Karriere, sehr zum Leidwesen ihrer Mutter und enger Freundinnen, die inzwischen verheiratet waren und Kinder hatten. Martha beschwor sie des Öfteren, doch einmal mit den jungen Männern auszugehen, mit denen Camille dienstlich zu tun hatte. Sie blieb jedoch immun gegen sämtliche Flirtversuche, und Martha Jameson war zunehmend frustriert über das fehlende Interesse ihrer Tochter am anderen Geschlecht.
Dieser Umstand bedrückte Camille zwar, sie brachte es aber nicht über sich, ihrer Mutter den wahren Grund für ihre Beziehungsunlust einzugestehen. Sie konnte doch nicht einfach sagen: »Mutter, ich habe mich einmal mit einem Mann eingelassen, und nachher fühlte ich mich verletzt und missbraucht. Das passiert mir nie wieder!« So etwas erzählte man einer Mutter einfach nicht. Camille atmete tief ein, wie um die schmerzvolle Erinnerung auszublenden, als die Tür geöffnet wurde. Sie blickte in ein sympathisch grinsendes Gesicht.
»Guten Tag. Ich bin Camille Jameson.« Lächelnd schüttelte sie ihre dunkel gewellten Haare, auf die das Sonnenlicht schimmernde Reflexe zauberte.
»Hallo, Miss Jameson«, hieß der Mann sie willkommen. »Mr. Prescott erwartet sie bereits. Er ist so aufgeregt wie ein Schuljunge vor dem ersten Tanz. Bin ich froh, dass Sie sicher hierher gefunden haben. Er hat sich schon Sorgen gemacht, dass eine junge Dame wie Sie den ganzen Weg von Atlanta allein fahren musste.«
»Das war völlig problemlos. Ich freue mich schon darauf, Mr. Prescott wiederzusehen.« Der Mann trat beiseite, und sie betrat die Eingangshalle. Beinahe ehrfurchtsvoll schaute sie sich um. Es war genau so wie in ihrer Vorstellung!
»Mein Name ist Simon Mitchell, Miss Jameson. Wenn Sie etwas brauchen, wenden Sie sich ruhig an mich«, fuhr der Mann fort, womit er sie aus ihren intensiven Betrachtungen riss.
»Danke, Mr. Mitchell.« Sie strahlte aufrichtig.
»Nennen Sie mich ruhig Simon. Bitte, nehmen Sie doch Platz. Inzwischen hole ich Mr. Prescott. Vermutlich ist er draußen und gießt seine Pflanzen.«
»Lassen Sie sich Zeit. Es macht mir nichts aus zu warten.« Nach einem kurzen Nicken verschwand er durch die ausgedehnte Halle im hinteren Teil des Hauses. Camille hätte zu gern einen Blick in die Räume geworfen, die rechts und links des langen Ganges abzweigten, fand aber, dass sie warten sollte, bis ihr Gastgeber und vorübergehender Chef sie überall herumführte. Südstaatler wie Rayburn Prescott legten großen Wert auf Stil und Etikette.
Sie setzte sich auf einen Stuhl in der Halle und nahm die damenhafte Haltung an, die Martha ihr förmlich eingeimpft hatte: Rücken gerade, Knie zusammen, Hände locker im Schoß. Unvermittelt wünschte sie sich ein aparteres Aussehen. Sie war mit dunklem, lockigem Haar geschlagen, das sie mittellang trug und an feuchten Tagen zu einem Knoten frisierte, da es sich sonst ungebändigt um ihren Kopf kringelte. Dazu diese frische Pfirsichhaut, nicht dunkel genug, um olivfarben zu sein, aber auch nicht richtig hell. Sie beneidete ihre Freundinnen um den matten Teint, der zart bräunte. Ihrer hingegen wurde im Sommer schmutzig braun. Und dann diese Augen! Wieso konnten sie nicht strahlend blau, meergrün oder dunkelbraun sein oder einfach braun ohne diese albernen goldenen Sprenkel? Andere hatten geheimnisvoll dunkle Augen, aber ausgerechnet in ihren musste dieses vorwitzige Funkeln liegen. Wie sie dies hasste! Lange, dunkle Wimpern, sinnlich volle Lippen und eine kleine Stupsnase gaben ihrem Gesicht etwas Exotisches. Ihr Vater hatte sie oft scherzhaft seine kleine Vagabundin genannt.
Da sie an ihrem natürlichen Äußeren nichts ändern konnte, legte sie großen Wert auf ihre Kleidung. Ihr Faible für Farben und Muster offenbarte sich auch in ihrer Garderobe. Eben zog sie den Rock des sonnengelben Leinenkostüms über die Knie. Am liebsten hätte sie die Jacke ausgezogen und nur in der zart bedruckten Seidenbluse dagesessen. Die Luftfeuchtigkeit von Natchez ließ ihre Kleidung knittern, gar nicht daran zu denken, was sie mit ihren Haaren anstellte, die Camille am Morgen mühsam gebändigt hatte. Vermutlich kräuselten sie sich mal wieder wild um ihren Kopf.
Das Geräusch quietschender Reifen drang von der Auffahrt zu ihr herein, dann knallte eine Autotür. Schritte knirschten über den Kies, die Haustür wurde schwungvoll aufgerissen, prallte vor die Wand. Ein riesiger Schatten schob sich über die sonnendurchflutete Schwelle und tastete nach der Klinke hinter sich. Er stapfte in die Eingangshalle und hinterließ schmutzige Schuhabdrücke auf dem Eichenparkett. Der geschmeidige Gang kam Camille irgendwie vertraut vor, aber sie war so verärgert über das rücksichtslose Verhalten, dass sie ohne nachzudenken herausplatzte: »Kein Wunder, dass das Haus in einem so schlechten Zustand ist. Wenn sich jeder so benehmen würde wie Sie, wäre es wahrscheinlich längst zusammengekracht!«
Der Mann blieb abrupt stehen und warf einen hastigen Blick durch die Halle, verblüfft über die Frauenstimme, die ihn da zusammenstauchte. Da er eben aus dem strahlend hellen Licht hereingekommen war, blinzelte er einen kurzen Moment, bis er sie in dem dämmrig kühlen Raum entdeckte. Wortlos nahm er seinen breitrandigen Strohhut ab und wischte sich mit dem Ärmel die schwitzende Stirn. Den Hut weiterhin umklammernd, stemmte er die Hände in die Hüften und musterte sie eindringlich.
»Verzeihung«, sagte er, bemüht, seine Verärgerung zu überspielen. Er trat auf sie zu und blieb kurz vor ihrem Stuhl stehen. Ihre Blicke trafen sich, und beide atmeten scharf ein, während sie einander betreten anstarrten.
Es konnte und durfte nicht sein! Was machte er hier? War er es wirklich? Ja! Nein! Eine Katastrophe! Camilles Mund war plötzlich staubtrocken, und sie schluckte krampfhaft. Ihr rasendes Herzklopfen war vermutlich sogar durch den dünnen Blusenstoff hindurch erkennbar. Ihr wurde heiß und kalt. In ihren Ohren rauschte es, als wäre dicht neben ihr eine Bombe explodiert. Seine schockierte Miene verriet, dass es ihm nicht anders erging.
Er sah noch genauso aus wie damals in Utah, beinahe zwei Jahre zuvor. Vielleicht ein paar spinnwebfeine Fältchen mehr um die Augen, die Iris jedoch strahlend blau, funkelnd, stechend, hypnotisierend. Camille wusste um die hypnotisierende Wirkung dieser Augen! War er größer als in ihrer Erinnerung? Nein. Vermutlich kam ihr das nur so vor, weil sie wie festgeklebt auf ihrem Stuhl saß. Wäre sie aufgestanden, hätte sie ihm allerdings auch nur bis ans Kinn gereicht. Er war breitschultrig, mit schmalen Hüften, sein athletischer Körperbau hatte sie noch monatelang in ihren Träumen verfolgt. Das braune Haar war von der Sonne gebleicht, die sportlich gebräunte Haut unterstrich das irisierende Blau seiner Augen, die Camilles fassungsloses Starren nicht minder entgeistert erwiderten.
Diesmal trug er keine engen Skihosen und weiche Wollpullover, sondern schmal geschnittene Bluejeans und Cowboystiefel – lehmverkrustete Stiefel, die auf dem Parkett unübersehbare Spuren hinterlassen hatten. Sein blaues Baumwollhemd war bis zum Brustbein aufgeknöpft, die Ärmel hochgerollt. Schweißspuren zeichneten sich unter den Achseln ab. Die Haare auf Armen und Brust waren zu einem hellen Blond ausgebleicht, in seinem gelockten Brustflaum schimmerte ein goldener Anhänger, an den sich Camille wehmütig erinnerte. Das fein ziselierte Kreuz hatte seiner verstorbenen Mutter gehört, wirkte an der schweren Goldkette aber überhaupt nicht feminin.
»Zack Prescott?«, brachte sie mühsam hervor. Als Mr. Rayburn Prescott sich ihr seinerzeit vorgestellt hatte, hatte sie bei der Erwähnung des Namens automatisch einen schmerzhaften Stich in der Herzgegend verspürt, wie jedes Mal, wenn sie wieder an jenen Skiurlaub erinnert wurde, den sie sich im Anschluss an ihr Studium gegönnt hatte. Trotzdem hätte sie sich nicht vorstellen können, dass diese beiden Männer miteinander verwandt wären. Zack hatte ihr nie von seiner Heimat erzählt. Hatte sie je danach gefragt? Hatte es sie interessiert?
»Kennen wir uns nicht von irgendwoher?« Für seine filmreife Darstellung des zynischen Hollywood-Cowboys hätte er einen Oscar verdient, überlegte Camille zähneknirschend.
Das Engegefühl in ihrer Kehle ließ nach, und sie sagte beiläufig: »Du hast mir zwar erzählt, dass du Farmer bist, aber ich dachte, das wäre ein Scherz.« Der Versuch eines Lächelns misslang, da ihre Lippen leicht zitterten. Ihre Gesichtsmuskulatur ließ sich nicht kontrollieren.
Um seine Mundwinkel legte sich ein harter Zug. »Was hast du denn noch so von mir ›gedacht‹? Würde mich brennend interessieren.«
Der ironische Unterton irritierte Camille, und sie zuckte kaum merklich zusammen. Augenblicklich fühlte sie wieder den Schmerz und die Demütigung, die sie mühsam überwunden hatte. Ihre goldgesprenkelten Tiefen funkelten ärgerlich auf, als sie ihn anfauchte: »Was soll ich schon von einem Mann denken, der ein unschuldiges Mädchen leichtfertig verführt?«
»Das Gleiche, was ein Mann von einer Frau denkt, die sich leichtfertig verführen lässt.« Seine Reaktion verursachte ihr körperliche Schmerzen. Sie schoss hoch und baute sich vor ihm auf.
»Du … du bist abscheulich und unmoralisch, absolut gewissenlos. Ich hasse dich für das, was zwischen uns gewesen ist…«
»Das glaub ich dir nicht, Camille«, fiel er ihr ins Wort, und sie hätte ihm liebend gern in sein überhebliches Gesicht geschlagen. Doch beim Klang ihres Namens aus seinem sinnlich geschwungenen Mund überlegte sie es sich anders. Es fehlte nicht viel, und sie hätte ihm über die kantige, gebräunte Wange gestreichelt. Sie ballte jedoch die Fäuste, um den Impuls zu unterdrücken. Während sie einander unablässig fixierten, vernahmen sie Simons Schritte im Gang. Camille wirbelte herum, krampfhaft um Haltung bemüht.
»Miss Jameson, Mr. Prescott möchte Sie begrüßen. Hallo, Zack. Hast du dich Miss Jameson schon vorgestellt?« Camille stand mit dem Rücken zu ihm, vermutlich hatte Zack bejahend genickt, denn er sagte nichts. »Na, dann kommen Sie mal mit, Miss Jameson. Zack kann später auf einen Drink zu Ihnen stoßen. Mr. Prescott hofft, dass es Ihnen nichts ausmacht, mit ihm auf der Terrasse zu plaudern.«
»N… nein, das ist mir durchaus angenehm.« Um von diesem grässlichen Typen wegzukommen, wäre ihr alles recht gewesen. Ohne Zack noch eines Blickes zu würdigen, folgte sie Simon durch die Halle.
Sie durchquerten eine lange, überdachte Veranda, die auf der Rückseite des Hauses verlief und den Blick auf die herrliche Aussicht freigab. Simon hielt ihr galant eine der Schatten spendenden Blenden auf, woraufhin Camille auf die geflieste Terrasse trat. Mr. Rayburn erhob sich höflich aus seinem Schaukelstuhl und kam mit ausgestreckten Armen auf sie zu.
Er fasste ihre Hände. »Miss Jameson, ich freue mich, Sie wiederzusehen. Willkommen auf Bridal Wreath.« Seine Stimme klang so sanft und melodisch, wie sie in ihrer Erinnerung immer wieder geklungen hatte. Sie erwiderte sein aufrichtiges Lächeln und vergaß dabei sogar fast die niederschmetternde Begegnung mit Zack.
»Danke, Mr. Prescott, aber nennen Sie mich doch Camille. Ich liebe Ihr Haus. Es ist noch schöner, als ich es mir vorgestellt habe.«
Er schüttelte bedenkenvoll den Kopf. »Wenn meine verstorbene Frau Alice das hier sehen könnte, wäre sie bestimmt sehr böse mit mir. Nach ihrem Tod litt ich jahrelang unter Depressionen. Zachary, mein Sohn, war mir zwar ein Halt im Leben, trotzdem konnte er sie mir nicht ersetzen. Ich habe meine ganze Kraft auf die Plantage konzentriert und war damit schließlich erfolgreich, aber darüber wurde das Haus vernachlässigt. Deshalb sollen Sie es jetzt für mich restaurieren. Es verfügt natürlich über alle modernen Annehmlichkeiten, es müsste nur neu gestaltet werden. Und da vertraue ich Ihrer Erfahrung und Ihrem Geschmack.«
Lächelnd führte er sie zu einem Glastisch, auf dem ein eisgekühlter Krug Limonade und ein paar Gläser standen. Sie schimmerten im Sonnenlicht, das durch die Zweige der alten Bäume fiel. Er rückte ihr einen Stuhl zurecht und bot ihr ein Glas Limonade an. Camille nickte zustimmend.
Während sie den hübschen Garten betrachtete – er war bei weitem gepflegter als die Grünflächen vor dem Haus –, sann sie fieberhaft auf eine plausible Erklärung, um den Auftrag im Nachhinein noch abzulehnen. Unter gar keinen Umständen mochte sie auf Bridal Wreath leben und arbeiten, ausgerechnet in der Nähe der Person, die sie um nichts in der Welt hatte wiedersehen wollen. Allein die Vorstellung, Zack mehrfach täglich über den Weg zu laufen und jedes Mal schamesrot zu werden, weil die gemeinsame Affäre wieder in ihr hochkochte. Nein, niemals! Aber wie brachte sie es diesem netten alten Herrn bei, dass sie ihn ihres unversehrten Seelenlebens wegen enttäuschen müsste? Je eher sie diesem Haus und seinem unsäglichen Sohn den Rücken kehrte, umso besser. Der Gedanke war niederschmetternd. Was würde dann aus ihrer Karriere? Wie konnte sie diese einmalige Chance ausschlagen?
»Gefällt Ihnen mein Garten?« Mr. Prescotts Frage holte sie aus ihren brütenden Überlegungen, indem er eine ausladende Geste in Richtung der großflächig angelegten Beete machte. »Ich bin sehr stolz auf meine Pflanzen. Da ich nicht mehr auf den Feldern der Plantage arbeiten kann – Zack hat es mir ausdrücklich verboten –, verbringe ich die meiste Zeit mit meinen Pflanzen. Schauen Sie mal, da hinten stehen ein paar prachtvolle Tomaten.« Er deutete auf einige riesige Holzkübel an einer Ecke der Terrasse, und Camille nickte bekräftigend.
»Das sind ja richtige Prachtexemplare. So große Tomaten habe ich noch nie gesehen. Vermutlich schmecken sie auch so gut, wie sie aussehen.«
Er strahlte. »Zum Abendessen gibt es Tomatensalat. Es macht mir Spaß, Gemüse anzupflanzen, aber an meinen Blumen hänge ich genauso.«
Camille bestaunte die vielen Blumenbeete, Hängeampeln und Töpfe mit ihrer Blütenfülle. Es schimmerte in sämtlichen Regenbogenfarben. Von den Baumästen hingen an langen Ketten Drahtkörbe mit Farnen herab, sattgrün und so üppig, dass Camille sie mit den Armen nicht hätte umspannen können. Es sah aus wie in einem Tropenparadies.
»Sie vermissen die Arbeit im Freien doch sicher, wenn es kälter wird, nicht?«, fragte sie behutsam.
Der alte Herr nickte. »Ja, aber dann kümmern Simon und ich uns im Haus um die Pflanzen. Wir bringen die meisten Farne und Tropengewächse in die warmen Räume. Zack droht mir dauernd mit Auszug, weil überall Kübel herumstehen.« Mr. Prescott wollte ihr nachgießen, aber sie lehnte dankend ab. Er war so aufmerksam und nett. Wie konnte sie es ihm nur schonend beibringen?
Seitdem sie dort zusammensaßen, redete er pausenlos von Zack. Wieso hatte er ihn nicht schon in Atlanta erwähnt? Da wäre sie sofort hellhörig geworden und hätte bestimmt einen triftigen Grund gefunden, den Auftrag abzulehnen.
Auf ihrer Stirn bildeten sich winzige Schweißperlen, die mit Unmengen Haarspray gebändigte Frisur löste sich allmählich in Wohlgefallen auf. Zweifellos sah sie entsetzlich aus. Und ihre Nervosität machte es nur schlimmer. Sie befeuchtete sich die Lippen und hob zaghaft den Blick. »Mr. Prescott, ich muss Ihnen leider etwas sagen…«
»Da bist du ja, Zack! Komm, ich stell dich unserem Hausgast vor.« Rayburn Prescott spähte über ihren Kopf hinweg, woraufhin sie das unverkennbare Schlurfen von Cowboystiefeln hinter sich vernahm.
»Camille Jameson, ich darf Sie mit meinem Sohn Zack bekannt machen.«
Camille, intensiv ihre Handtasche fixierend, die sie auf dem Schoß umklammert hielt, hob den Blick und stellte fest, dass der Mann dicht vor ihrem Stuhl stehen blieb. »Wir haben uns bereits kennen gelernt, Dad.« Zack machte eine viel sagende Pause und setzte dann hinzu: »Vorhin in der Halle.«
»Schön, schön. Möchtest du ein Glas Limonade?«
»Ja bitte. Es ist glutheiß, verfl …«
»Zack! Vergiss nicht, dass wir ab jetzt eine Dame im Haus haben«, schalt Rayburn ihn scherzhaft.
»Soll nie wieder vorkommen. Ich bitte um Vergebung.« Zack verbeugte sich spöttisch vor Camille. »Ist Ihnen nicht zu heiß, Miss Jameson? Darf ich Ihnen die Jacke abnehmen?«
Bevor sie etwas sagen konnte, glitt er hinter sie und legte seine großen, kraftvollen Hände auf ihre Schultern. Sie erschauerte unter der Berührung und hätte beinahe vor unterdrücktem Ärger aufgestöhnt, weil sie so sensibel auf ihn reagierte. Seine Finger umspannten den Jackenstoff und verharrten länger als nötig, bevor er ihr das Kleidungsstück herunterstreifte. Dabei glitten seine Hände über ihre Arme, bis sie aus den Ärmeln geschlüpft war. Er hing die Jacke auf ihre Stuhllehne und setzte sich ihr gegenüber. Nach einem gemurmelten Danke beobachtete sie ihn verstohlen durch ihre gesenkten Wimpern hindurch.
Zack hatte geduscht, die noch feuchten Haare fielen ihm in die Stirn. Die Bluejeans hatte er gegen ein Designermodell getauscht, das seine schmalen Hüften und die trainierten Schenkel unterstrich. Er fixierte sie mit heimlicher Schadenfreude. Er machte sich lustig über sie! Ihre Unsicherheit amüsierte ihn. Er war ein echt mieser Typ, der Frauen nur benutzte und sich ganz offensichtlich an seinen zweifelhaften Erfolgen hochzog. Sie straffte die Schultern und blitzte ihn giftig an, bevor sie sich erneut Rayburn zuwandte, der die Spannungen zwischen seinem Sohn und seiner Innenarchitektin gar nicht realisierte.
Geistesgegenwärtig schnappte Camille eben noch das Ende von Rayburns Satz auf: »… weiß ich, dass Sie einen ausgezeichneten Geschmack haben und Ihre Sache gut machen, und von daher wäre ich bestimmt der Letzte, der Ihnen Vorschriften machen würde.«
»Was Daddy damit sagen will, Miss Jameson«, warf Zack ein, »ist, dass das Haus nachher auf gar keinen Fall wie ein aufgemotztes Bordell an der Bourbon Street aussehen darf.«
»Zachary, so redet man nicht mit einer Lady! Du warst wohl zu lange draußen auf den Pflanzungen«, protestierte sein Vater.
»Verzeihen Sie, Miss Jameson.« Zacks Entschuldigung klang aufrichtig, doch signalisierte ihr sein Blick, dass er sie bestimmt nicht für eine Lady hielt. Schließlich setzte er dem Ganzen noch die Krone auf, indem seine Augen auf
Die amerikanische Originalausgabe erschien 1981 unter dem Titel »Love’s Encore« bei Warner Books Inc., New York.
1. Auflage Deutsche Erstveröffentlichung Mai 2006 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.
Copyright © by Sandra Brown 1981
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2006 by Verlagsgruppe Random House GmbH Umschlaggestaltung: Design Team München Umschlagfoto: Zefa/Emely TKL/MD · Herstellung: Heidrun Nawrot Satz: Uhl + Massopust, Aalen
eISBN 978-3-641-10334-7
www.blanvalet-verlag.de
www.randomhouse.de
Leseprobe