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Wir leben in einer Zeit, in der uns die Nachrichten, die täglich auf uns einstürmen, verunsichern und Angst machen – Angst vor Krieg, vor Vertreibung, vor Armut, vor Katastrophen, Angst vor der eigenen Zukunft und der Zukunft unserer Welt. Anselm Grün gelingt es in diesem Buch, die Perspektive zu wechseln und mit dem Leser nicht auf das zu schauen, was schwierig und vielleicht unlösbar ist, sondern auf die Ressourcen, die wir haben, auf die wir zurückgreifen können und die uns wieder ins Gleichgewicht bringen. Denn jeder von uns hat schon schwierige Zeiten erlebt, durchlebt und gemeistert. Jeder hat Stärken, Fähigkeiten, mit denen er etwas zum Besseren verändern kann – man muss sie nur (wieder) entdecken. Ein Buch, das Zuversicht und Kraft schenkt in diesen manchmal so schwierigen und unsicheren Zeiten.
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Seitenzahl: 128
Anselm Grün
Vertraue dem Leben
Vier-Türme-Verlag
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Printausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2023
ISBN 978-3-7365-0517-9
E-Book-Ausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2023
ISBN 978-3-7365-xxxx-x
Alle Rechte vorbehalten
E-Book-Erstellung: Dr. Matthias E. Gahr
Lektorat: Marlene Fritsch
Covergestaltung: Chandima Soysa, Stuttgart
Covermotiv: Val_Iva/shutterstock.com
www.vier-tuerme-verlag.de
Vertrauen ins Leben finden
Wir leben in einer Zeit, in der uns die Nachrichten, die täglich auf uns einstürmen, verunsichern und Angst machen – Angst vor Krieg, vor Vertreibung, vor Armut, vor Katastrophen, Angst vor unserer eigenen und der Zukunft unserer Welt. Manchmal werden wir dabei fast von unseren Sorgen überrollt und wir wissen nicht mehr, wie wir damit umgehen, wie wir weiter unser Leben sinnvoll gestalten sollen. Darüber verlieren wir beinahe unsere Lebensfreude.
Meinungsumfragen, wie sie Forschungsinstitute oder Zeitungen durchführen, zeigen uns, dass das Vertrauen der Menschen in die Zukunft stark gesunken ist. Viele spüren auch, dass ihr Vertrauen in ihre Gesundheit durch die Pandemie gesunken ist und ihre Zukunft verdunkelt hat. Der Klimawandel macht vielen Menschen Angst. Sie haben das Vertrauen in die Erde und ihre Fruchtbarkeit verloren. Und der Kriegsbeginn in der Ukraine hat unser Vertrauen in eine friedliche Welt zutiefst erschüttert. Wir spüren schmerzlich, dass wir abhängig sind von äußeren Faktoren, die wir nicht beeinflussen können. Von außen her kann eine Katastrophe, kann ein Krieg über uns hereinbrechen und uns das Gefühl von Ohnmacht vermitteln. Sie lähmt uns und raubt uns die Freude am Leben. Denn Selbstbestimmung ist eine wichtige Grundlage für ein erfülltes Leben. Doch wir spüren, dass wir immer weniger wirklich selbst bestimmen können.
In diesem Buch möchte ich die Perspektive wechseln und nicht auf das schauen, was schwierig und vielleicht unlösbar ist, sondern welche Ressourcen wir haben, auf die wir zurückgreifen können und die uns wieder ins Gleichgewicht bringen. Denn jeder hat schon einmal schwierige Zeiten erlebt und durchlebt und sie gemeistert. Jeder hat Stärken, Fähigkeiten, mit denen er etwas zum Guten hin ändern kann. Man muss sie nur immer wieder neu entdecken. Zu diesem Perspektivenwechsel gehört, dass wir nicht nur auf all das schauen, was schlecht ist oder falsch läuft, sondern den Blick auch auf das richten, was an Gutem geschieht und wo sich die Welt positiv verändert, wo es auch gute Nachrichten zu verkünden gibt.
Wie ein Perspektivenwechsel selbst in schwierigen Zeiten gelingen kann, zeigt uns das Beispiel des römischen Sklaven Publius Syrus. Er stammte aus Syrien und wurde im ersten Jahrhundert vor Christus als Sklave nach Rom verschleppt. Aufgrund seiner Intelligenz und seines Witzes ließ man ihn frei und er schrieb in der Folgezeit zahlreiche Theaterschwänke. Bekannt wurden vor allem seine kurzen Sinnsprüche, die Eingang in die Schulen humanistischer Bildung gefunden haben. In seinen Sinnsprüchen ist immer wieder vom Vertrauen die Rede, zum Beispiel: »Wer Vertrauen verliert, kann nicht noch mehr verlieren.«
Offensichtlich hat Publius Syrus als Sklave erfahren, dass der, der das Vertrauen in sich selbst und in das Leben verloren hat, nichts mehr hat, an dem er sich festhalten kann. Er hat sich letztlich selbst aufgegeben. Und nur der, der das Vertrauen nicht aufgibt, vermag auch Vertrauen bei den Menschen zu finden und sich so aus seiner misslichen Situation zu befreien. In den beiden anderen Sprüchen, die um das Vertrauen kreisen, kommt diese Erfahrung ebenfalls zum Ausdruck: »Wer Vertrauen verliert, womit soll der sich sonst noch retten?« Und: »Vertrauen ist meist für immer hin, wenn es dich einmal verlassen hat.«
Publius Syrus drückt mit seinen Sinnsprüchen seine eigene Erfahrung aus. Als Sklave hätte er keine Chance gehabt, aus seinem Leben etwas zu machen, wenn er nicht am Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten festgehalten hätte. Doch die Sinnsprüche zeigen noch keinen Weg, wie wir solches Vertrauen finden sollen. Sie beschreiben nur, wie wichtig es ist, es nicht aufzugeben. Nur wenn wir die Worte des Publius Syrus auf dem Hintergrund seines eigenen Lebens lesen, können wir darin einen Weg erkennen, wie wir am Vertrauen festhalten können, selbst wenn die äußere Situation aussichtslos erscheint.
Als Sklave hatte man in Rom keinerlei Rechte. Man war der Willkür seines Herrn ausgeliefert. Das Schicksal dieses freigelassenen römischen Sklaven zeigt uns: Selbst wenn die äußere Situation noch so bedrückend ist und es kaum Aussicht auf Änderung zu geben scheint, so ist es doch wichtig, am Vertrauen festzuhalten. In uns ist eine Ahnung, was es heißt, vertrauen zu können. In jedem von uns steckt die Fähigkeit zu vertrauen. Diese Fähigkeit ist oft genug überdeckt von anderen Erfahrungen und Gefühlen. Doch der Blick auf diesen Sklaven, der sich selbst nicht aufgegeben hat, will auch uns einladen, nach innen zu schauen und den Grund zu entdecken, auf den wir bauen können.
Publius Syrus begründet das Vertrauen rein philosophisch – wir Christen begründen es theologisch. Für uns ist Gott der Grund unseres Vertrauens. Dabei zielt es nicht immer auf Gott als dem Du, als dem Vater, als der Mutter, der ich traue. Wir sprechen in diesem Zusammenhang auch von einem unbedingten Vertrauen, das wir Christen Glauben nennen. Es äußert sich als ein umfassendes Vertrauen ins Leben. Ohne das können wir uns gar nicht auf die Straße wagen. Denn es könnte immer etwas passieren. Sobald wir aus dem Haus gehen, haben wir die Situation nicht mehr im Griff. Aber auch im Haus selbst könnten wir ausrutschen und stolpern, uns ein Bein oder den Hals brechen. Wenn wir ängstlich auf all die negativen Möglichkeiten starren, die Wirklichkeit werden könnten, dann machen wir uns das Leben schwer. Daher brauchen wir schon für das alltägliche Leben ein Grundvertrauen, ohne dass wir den Alltag nicht schaffen. Dieses allgemeine Grundvertrauen verweist uns letztlich auf Gott als dessen Grund. Der Theologe Gerd Theissen meint von diesem Grundvertrauen, das letztlich in Gott seinen Grund hat: »In Krisen wirkt religiöses Vertrauen wie Selbstvertrauen, nur dass der Mensch in ihnen außerhalb seiner selbst einen unbedingten Halt sucht. Vertrauen in allen Formen ist auf jeden Fall eine der Grundlagen der Religion, sofern sich das Vertrauen nicht nur auf dieses oder jenes in der Welt, sondern auf die ganze Wirklichkeit richtet« (Theissen 12).
Doch das Vertrauen in das Leben gründet nicht nur in unserem Vertrauen auf Gott. Es gründet auch auf den Erfahrungen, die wir als Kind gemacht haben. Dabei gibt es zwei Arten: das Vertrauen, in dieser Welt willkommen zu sein, getragen und geliebt zu sein. Man könnte es das mütterliche Vertrauen nennen. Die Mutter vermittelt dem Kind das Urvertrauen, dass es sich getragen fühlt. Der Vater vermittelt eine andere Art von Vertrauen, nämlich etwas zu wagen, in die Welt hinauszugehen, die Welt zu erkunden. Natürlich haben viele Mütter auch väterliche Züge und viele Väter auch mütterliche Züge. Aber grundsätzlich kann man von mütterlicher und väterlicher Energie sprechen, die beide nötig sind, dass wir Vertrauen lernen: in die Welt, in der wir geborgen sind, und in die Welt hinauszugehen und sie zu gestalten.
Ein Beispiel aus der neueren Zeit zeigt uns, wie wir auch heute noch Vertrauen lernen können. Albert Schweitzer, ursprünglich evangelischer Theologe und begnadeter Organist, wollte Menschen helfen, die vergessen am Rand der Gesellschaft leben und für die niemand Sorge tragen wollte. So ging er in das zentralafrikanische Gabun und gründete dort in Lambarene ein Krankenhaus. Schweitzer spricht von der »Ehrfurcht vor dem Leben«. Seine ganze Philosophie gründet auf einer vertieften Weltbejahung. Von ihm stammt der Satz: »Leben erhalten ist das einzige Glück.« Die Ehrfurcht vor dem Leben führt auch zum Vertrauen ins Leben. Schweitzer geht davon aus, dass wir jeder Form von Leben, also auch den Pflanzen und Tieren, Ehrfurcht entgegenbringen müssen. Ehrfurcht meint Bejahung des Lebens in all seinen Facetten. Unser menschliches Sein ist »Wille zum Leben inmitten vom Willen zum Leben«. Das positive Menschenbild Schweitzers könnte gerade heute angesichts der ökologischen Katastrophe unser Vertrauen in die Kräfte der Natur stärken, aber auch das Vertrauen in uns selbst, in das Leben, das Gott uns geschenkt hat. Der amerikanische Neuropsychologe George Eman Vaillant nennt die Ehrfurcht »die spirituellste aller positiven Emotionen« (Bucher 115). Sie schafft Verbundenheit mit etwas Größerem als mit dem Alltäglichen, in dem wir oft untergehen. Und sie fördert das Vertrauen in die Menschen und ein soziales Verhalten ihnen gegenüber.
So möchte ich in diesem Buch verschiedene Wege aufzeigen, wie wir trotz aller Krisen und Gefährdungen Vertrauen ins Leben gewinnen können. Dabei geht es mir nicht um die großen Lösungen, sondern um die kleinen Schritte, die wir gehen können, um unser Leben so zu gestalten, dass wir mitten in dieser gefährdeten und unsicheren Welt vertrauensvoll leben können.
Das Gute sehen
Viele Menschen werden Tag für Tag im Fernsehen und anderen Medien mit negativen Meldungen geradezu bombardiert: In den Nachrichten wird über den Krieg in der Ukraine und die willkürliche Zerstörung von Wohnungen, Krankenhäusern, Kindergärten und Museen berichtet. Je mehr dieser Meldungen sie sehen oder lesen, desto pessimistischer werden sie. Sie verlieren alle Hoffnung und reagieren oft mit ohnmächtiger Wut, die aber nichts bewirkt, sondern nur die eigene Stimmung vergiftet. Damit geben sie den Nachrichten zu viel Macht über sich.
Andere schauen auf die Zerstörungen durch Wirbelstürme, Trockenheit, Waldbrände oder durch Überschwemmungen. Sie verlieren jedes Vertrauen in das Leben und das Vertrauen in die Erde. Sie lassen sich von Untergangsszenarien lähmen und verlieren alle Kraft. In der Zeit der Pandemie erzählte mir eine Frau, dass ihr Mann ständig vor dem Fernseher sitze und die Nachrichten über die Ausbreitung der Pandemie anschaue. Das nahm ihm alle Kraft zum Arbeiten. Er ist selbstständig, aber war dadurch wie gelähmt, hatte keine Kraft mehr für seine berufliche Arbeit. Er versank in seiner Ohnmacht, die sich dann auch in der Unfähigkeit zu arbeiten äußerte.
In der Folge entwickeln Menschen häufig Verschwörungstheorien und machen bestimmte Gruppen in der Gesellschaft für den augenblicklichen Zustand der Welt oder das Virus verantwortlich. Oder aber sie zeichnen apokalyptische Bilder und sehen den Untergang der Welt schon kommen. Eine Frau erzählte mir, dass ihr ein Mann riet, sie solle ihr Haus verkaufen, denn in zwei Jahren gäbe es eine große Überschwemmung in ihrem Wohngebiet. Obwohl die Frau spürte, dass dieser Mann in seinen Untergangsfantasien gefangen war, wurde sie durch solche Vorhersagen doch verunsichert. Aber Menschen, die den Untergang voraussagen, sagen dadurch mehr über sich selbst und ihre Ängste aus als über den Zustand der Welt.
Die schlechten Nachrichten, die uns heute dank den modernen Medien jede Katastrophe, jedes Unglück, jeden Unfall in der ganzen Welt vor Augen führen, überfordern uns. Entweder wir verschließen uns diesen Katastrophen oder aber wir lassen uns dadurch lähmen. Solche Nachrichten verstärken in uns die Angst vor der Zukunft. Es gibt sicher viele Gründe, Angst vor der Zukunft zu haben. Doch durch die Fixierung auf die negativen Meldungen übersieht man das Gute, das auch in der Welt geschieht und in Zukunft möglich ist.
Der Tagesschausprecher Constantin Schreiber hat lange in den arabischen Ländern gelebt. Wenn er mit seinem Taxi ungeduldig im Stau stand und spürte, dass er es nicht pünktlich zu seinem Termin schaffen wird, schaute ihn der Taxifahrer ganz entspannt an und sagte: »Es wird schon werden, inschallah!« »Inschallah« heißt: So Gott will. Doch meistens gebraucht man es im Sinn von: »Es wird alles gut.«
Constantin Schreiber erzählt in einem Artikel der »Zeit«, dass er als Tagesschausprecher ständig mit negativen Nachrichten konfrontiert ist. Und er erfährt in seiner Umgebung, dass viele immer wieder sagen: »Es ist schrecklich.« Er spricht von dem Phänomen, das die Engländer »Doomscrolling« nennen: »Das englische Wort doom bedeutet so viel wie ›Weltuntergang‹. Beim Dauerkonsum von Katastrophenmeldungen schüttet der Körper mehr Stresshormone aus. ›Doomscroller‹ schlafen schlechter, sind ängstlicher und neigen zu Depressionen. Andere wenden sich ganz ab vom Nachrichtengeschehen. Auch dafür gibt es einen Namen: ›News-Fatigue‹, Nachrichtenerschöpfung« (Zeit vom 30. März 2023).
Schreiber hat für sich einen Weg gefunden, gegen diese pessimistische Weltuntergangsstimmung anzugehen und bewusst das Gute zu sehen. Ein Weg ist für ihn die Musik. Er spielt Klavier. Wenn er gefragt wird, wie er die schlechten Nachrichten aushält, die er als Tagesschausprecher verlesen muss, dann antwortet er: »Ich spiele dagegen an … Ich bin glücklich in Zeiten des Unglücks.« Ein anderer Weg ist für ihn die Natur. Dort entdeckt er seine Spiritualität, die ihn mit allem verbindet, was ihn umgibt. Und er erzählt eine wichtige spirituelle Erfahrung, die er in Syrien in einem orthodoxen Gottesdienst gemacht hat: »In der syrisch-orthodoxen Kirche ist alles auf das Transzendente ausgerichtet. Der Gottesdienst dort kam mir mystisch vor. Eine Brücke in eine andere Welt« (ebd.). Wir brauchen Abstand zu den vielen negativen Nachrichten. Und eine Weise, sich davon zu distanzieren, kann der Gottesdienst sein. Für andere ist es die Natur oder die Musik.
Wir sollen die Augen nicht verschließen vor dem Leid und den Katastrophen in dieser Welt und die Gefahren eines Krieges oder einer Klimakatastrophe nicht verdrängen. Aber wir können uns nicht immerzu mit ihnen beschäftigen. Es gibt verschiedene Reaktionen, die möglich sind. Eine ist, das Leid in der Welt und die künftigen Gefahren durch den Klimawandel wahrzunehmen und sie als Einladung zu sehen, für die leidenden Menschen und für die Zukunft der Welt zu beten, dass Gottes Segen stärker ist als die negativen Kräfte, die in dieser Welt am Werk sind. Die andere Reaktion ist, den Sorgen um die Zukunft der Welt nur einen begrenzten Raum zuzugestehen. Dann sage ich beispielsweise »Stopp!« zu den Sorgen. In diesem Moment haben sie dann keinen Zutritt zu meinem Denken und zu meinem Herzen. Ich lasse mich ganz auf das ein, was gerade dran ist, auf den Menschen, mit dem ich spreche, auf meine Arbeit. Das bedeutet nicht, die Augen zu verschließen, sondern eine gesunde Distanz zu den Problemen dieser Welt zu schaffen.
Wenn ich vor lauter Mitleid mit dem Leid in der Welt selbst zerfließe, helfe ich damit niemandem. Wenn ich in der Angst vor der unheilvollen Zukunft versinke, geht von mir keine positive Energie aus und ich kann nichts bewirken. Ich bin gelähmt und lähme damit häufig auch noch andere. Ich gönne ihnen ihr Leben und ihre Fröhlichkeit nicht und argumentiere dann gleich moralisierend: In dieser leidvollen Zeit dürfen wir nicht Fasching begehen, da können wir nicht fröhlich Ostern oder Weihnachten feiern. Durch die Fixierung auf das Leid schneiden wir uns vom Leben ab und bewirken in unserer Umgebung selbst Leid. Diese Fixierung auf die Katastrophen in unserer Welt macht die Menschen hart und unfreundlich. Sie kreisen nur noch um sich und die schrecklichen Dinge, von denen sie ständig hören. Constantin Schreiber nennt im Einklang mit manchen Experten diese Einstellung zur Welt »Verbitterungsstörung«: »Der verbitterte Mensch sieht sich als Opfer böser Kräfte und fühlt sich ungerecht behandelt. Alles Denken kreist um dieses Gefühl« (Zeit vom 30.3.23). Verbitterte Menschen impfen häufig anderen in ihrer Umgebung Schuldgefühle ein, dass sie zu wenig Verantwortung für die Welt übernähmen, dass man in dieser Situation gar nicht feiern dürfe. Aber eine Welt ohne Feier wird immer trauriger und aggressiver und pessimistischer. Einer Welt ohne Feste fehlt der Halt mitten in der Unsicherheit und Bedrohtheit des Lebens.