Vertrauen ist gut, Verführen ist besser - Barbara Dunlop - E-Book

Vertrauen ist gut, Verführen ist besser E-Book

Barbara Dunlop

0,0
2,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ambers Leben steht kopf: Völlig unerwartet fällt der erfolgreichen Geschäftsfrau die Vormundschaft für ihren Neffen Zachary zu. Der ist nach einem tragischen Flugzeugabsturz Vollwaise und Erbe eines beträchtlichen Vermögens. Schnell entbrennt ein Sorgerechtsstreit. Und dann taucht mit Cole Henderson auch noch ein geheimnisvoller Mann auf, der sich scheinbar sehr für Amber interessiert. Schon nach der ersten lustvollen Nacht mit ihm wünscht sie sich mehr. Aber kann sie ihm vertrauen? Will er wirklich sie, oder ist auch er nur hinter dem kleinen reichen Erben her?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 197

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2014 by Barbara Dunlop Originaltitel: „The Missing Heir“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1955 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Susanna Mewe

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733724351

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

1. KAPITEL

Cole Henderson starrte ungläubig auf die Titelseite der Tageszeitung. In dem Artikel wurde von einem Flugzeugabsturz berichtet, bei dem zahlreiche Menschen ums Leben gekommen waren. Einer von ihnen war Samuel Henderson. Cole wusste, dass er irgendetwas empfinden sollte. Immerhin war Samuel sein leiblicher Vater. Doch er fühlte nichts.

Am anderen Ende des Hangars wurde die Tür aufgerissen, und ein Schwall eiskalter Luft und Schnee wehten in die Halle. Obwohl es bereits zehn Uhr morgens war, herrschte hier oben in Alaska noch tiefste Finsternis.

Luca Dodd lief an einer Passagiermaschine vorbei, die gerade gewartet wurde, und kam direkt auf ihn zu. Luca war sein Geschäftspartner. Gemeinsam leiteten sie Aviation 58, die Fluggesellschaft, die sich Cole vor Jahren selbst aufgebaut hatte.

„Hast du den Artikel gelesen?“, fragte Luca.

„Ja, hab ich.“

Luca zog sich seine Lederhandschuhe aus und streifte seine Wollmütze vom Kopf. „Und was denkst du?“

„Nichts.“ Cole faltete die Zeitung zusammen. „Der Typ ist tot. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“

In der Halle hörte man das Dröhnen einer Bohrmaschine, dann sprang rasselnd der Luftkompressor an, während im Hintergrund zwei Techniker am Flugzeugmotor arbeiteten.

„Er war immerhin dein Vater“, beharrte Luca.

„Er wusste nicht einmal, dass ich existiere.“

„Trotzdem …“

Cole zuckte die Achseln. Die Ehe seiner Mutter Lauren mit dem Billionär Samuel Henderson war kurz und tragisch gewesen. Den Hendersons hatte Coast Eagle Airlines gehört, eine florierende Fluggesellschaft in Atlanta.

„Acht Tote“, las Luca vor. Die Schlagzeile prangte direkt auf der Titelseite.

„Klingt, als wäre in den letzten Sekunden alles zum Teufel gegangen.“ Als ausgebildeter Pilot empfand Cole Mitgefühl mit seinem Kollegen. Sicher hatte der Pilot der Unglücksmaschine bis zum letzten Atemzug gekämpft, um das Flugzeug notzulanden.

„Erste Spekulationen besagen, dass vermutlich eine Kombination aus Luftfahrzeugvereisung und Scherwinden schuld war. So etwas kommt in Atlanta verdammt selten vor.“

„So was kann leicht ins Auge gehen“, stimmte Cole ihm zu.

„Ein Pilot aus Alaska hätte das Flugzeug vielleicht retten können.“

Cole erwiderte nichts. Doch sein Freund hatte recht. Piloten in Alaska hatten auf alle Fälle mehr Erfahrung mit eisigem Wetter.

Erneut las er die Schlagzeile. Natürlich taten ihm die Passagiere leid, die ihr Leben verloren hatten. Doch persönlich bedeutete ihm der Tod von Samuel Henderson nichts. Er war lediglich ein Fremder, der das Leben seiner Mutter vor zweiunddreißig Jahren zerstört hatte.

Ganz anders war es gewesen, als seine Mutter im letzten Jahr an Krebs gestorben war. Damals hatte er tiefe Trauer empfunden.

„Sie haben ein Bild des Babys auf die Webseite gestellt“, sagte Luca.

Im Artikel war erwähnt worden, dass Samuel und seine Frau Coco Eltern eines neun Monate alten Sohnes gewesen waren. Glücklicherweise hatten sie ihn nicht auf die Reise mitgenommen. Doch Samuels Mutter und mehrere leitendende Führungskräfte der Fluggesellschaft waren mit an Bord gewesen.

„Niedlicher Junge“, stellte Luca fest.

Cole warf nur einen flüchtigen Blick auf das Bild. Die Tragödie der Hendersons ging ihn nichts an.

Durchdringend sah Luca ihn an. „Du verstehst, was das bedeutet, oder?“

„Was gibt es da zu verstehen?“ Cole drehte sich auf dem Absatz um und steuerte auf sein Büro zu. Obwohl der November zu den ruhigsten Monaten für Aviation 58 gehörte, gab es immer eine Menge zu tun.

Luca folgte ihm. „Der kleine Zachary ist ihr einziger Nachkomme. Er hat keine Familie mehr.“

„Ich bin mir sicher, dass er gut versorgt ist.“ Auch wenn er nicht stolz darauf war, empfand Cole einen Anflug von Neid.

Kurz nach der heimlichen Hochzeit seiner Eltern in Las Vegas hatte sich Samuel auf Druck seiner Eltern von Lauren scheiden lassen. Seine junge, schwangere Mutter war ganz auf sich allein gestellt gewesen. Mit nur ein paar tausend Dollar in der Tasche hatte sie ein Flugzeug nach Alaska bestiegen. So groß war ihre Angst gewesen, Samuels einflussreiche Familie könnte versuchen, ihr das Baby wegzunehmen.

Als Cole ein Kind gewesen war, hatte seine Mutter jeden Pfennig dreimal umdrehen müssen. Er selbst hatte später Tag und Nacht geschuftet, um seine Pilotenausbildung zu finanzieren. Danach hatte er seine eigene Fluggesellschaft aus dem Boden gestampft. Zachary hingegen würde alles bekommen, was sich ein kleiner Junge nur wünschen konnte – Chauffeure, die besten Privatschulen, Kindermädchen, Skiurlaube in der Schweiz.

„Er ist ganz allein auf der Welt“, riss Luca ihn aus seinen Gedanken.

„Wohl kaum“, gab Cole säuerlich zurück.

„Immerhin ist er dein Halbbruder.“

Cole blieb ungerührt. Es gab nichts, was ihn mit Zachary verband.

„Er ist erst neun Monate alt“, sagte Luca, während sie die riesige Flughalle durchquerten. „Wenn die Hendersons wirklich so schlimm sind, wie Lauren erzählt hat …“ Luca verstummte. Schläge auf Metall und die Rufe der Arbeiter erfüllten die Stille.

„Die Hendersons sind alle tot.“ Cole beschleunigte seinen Schritt.

„Außer dir und Zachary.“

„Ich bin kein Henderson.“

Cole schob die schwere Eisentür auf, die zum Treppenhaus führte.

„Wahrscheinlich kreisen schon die Geier über dem armen Baby. Aber du willst dich aus allem raushalten.“

„Ich muss mich nicht raushalten, denn ich habe nicht das Geringste mit der Sache zu tun.“

In diesem Moment steckte Coles Betriebsleiterin Carol Runions den Kopf zur Tür ihres Büros hinaus. „Flug 172 steht in den Startlöchern.“

Cole warf einen Blick auf die Uhr. Flug 172 war eine Passagiermaschine mit neunzig Plätzen. In zwanzig Minuten sollte sie nach Seattle losfliegen. „Ist die Wartung abgeschlossen?“

„Die Techniker sind gerade auf dem Weg nach draußen. Es gibt ein Problem.“

„Was für eins?“, fragte Luca.

„Die Kontrollleuchte für den Kabinendruck blinkt.“

„Wahrscheinlich ein Fehler im Schaltsystem“, meinte Cole. „Lass die Maschine noch einmal überprüfen.“

„In Ordnung“, sagte Carol und verschwand wieder in ihrem Büro.

„Wir können in vier Stunden dort sein“, warf Luca ein.

Verwirrt starrte Cole seinen Partner an. „Was sollen wir in Seattle?“

„Ich spreche von Atlanta“, gab Luca zurück.

Kopfschüttelnd wandte sich Cole ab und ließ seinen Freund stehen.

„Du musst“, rief Luca ihm nach. „Du weißt ganz genau, dass die Geier schon über ihm kreisen.“

„Nicht mein Problem“, rief Cole zurück.

Die Hendersons aus Atlanta waren bislang wunderbar ohne ihn zurechtgekommen. Und das würden sie ohne Zweifel auch weiterhin.

Amber Welsley legte ihre Hände auf die kühle Marmorplatte des Konferenztisches. Im Herrenhaus der Hendersons hatten sich ein Dutzend Leute versammelt; sie alle blickten erwartungsvoll Max Cutter an, der am Kopf des Tisches saß. Max trug einen gut geschnittenen Anzug, hatte graue Haare und markante Züge. Wie immer war seine Miene undurchdringlich, als er einen Stapel Papiere aus seiner Aktentasche zog.

Ambers Freundin Destiny Frost, die auf dem Stuhl neben ihr saß, flüsterte ihr ins Ohr: „Sechs Anwälte in einem Raum. Das kann kein gutes Ende nehmen.“

„Sieben“, flüsterte Amber zurück. „Du bist auch Anwältin.“

„Ja, aber ich bin eine von den Guten.“

Amber lächelte. Sie wusste Destinys Versuch zu schätzen, die angespannte Stimmung ein wenig aufzulockern.

Max war im Begriff, Samuel Hendersons Testament zu verlesen. Für die anderen in diesem Raum stand eine Menge auf dem Spiel – die Leitung von Coast Eagle, um genau zu sein. Doch Amber interessierte nur, was mit Zachary geschehen würde. Sie hoffte, dass sie weiterhin Teil seines Lebens bleiben durfte.

Amber war zehn Jahre älter als ihre Stiefschwester Coco. Die beiden hatten sich nie besonders nahegestanden. Dabei war sie diejenige gewesen, die ihre Schwester und Samuel einander vorgestellt hatte. Erst während Cocos Schwangerschaft war ihr Verhältnis enger geworden. Und ihren Neffen hatte Amber von Anfang an ins Herz geschlossen.

Auf der anderen Seite des Tisches rutschte der Vizepräsident Roth Calvin nervös auf seinem Stuhl hin und her. Bei dem Flugzeugabsturz war auch der Firmenpräsident Dryden Dunsmore ums Leben gekommen. Seitdem hatten die drei Vizepräsidenten den Laden am Laufen gehalten. Samuels letzter Wille würde darüber entscheiden, wer von ihnen das Kommando bei Coast Eagle übernehmen würde.

Für Amber selbst stand nicht so viel auf dem Spiel. Dafür befand sie sich als stellvertretende Direktorin der Buchhaltung mehrere Sprossen zu tief auf der Karriereleiter.

„Zunächst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, dass die Verlesung des Testaments erst jetzt stattfindet“, eröffnete Max die Sitzung. Langsam ließ er den Blick durch den Raum schweifen. „Aber in diesem Fall gibt es aufgrund der Anzahl der Todesfälle mehrere Aspekte, die die Sache verkomplizieren.“

Auf einmal war Ambers Kehle wie zugeschnürt. Die arme Coco war erst einundzwanzig Jahre alt gewesen.

„Ich werde mit Jackie Hendersons letztem Willen anfangen“, erklärte Max. „Danach widme ich mich dem Testament ihres Sohnes Samuels das er gemeinsam mit seiner Frau Coco aufgesetzt hat. Zusätzlich gibt es noch einen Nachtrag zu berücksichtigen, der von Coco allein stammt. Ich möchte Sie alle warnen, keine vorzeitigen Schlussfolgerungen zu ziehen, bis ich alle drei Testamente verlesen habe.“

Max räusperte sich. „Abgesehen von ein paar kleineren Summen, die an langjährige Freunde und Angestellte gehen, sowie einer großzügigen Spende an den Kunstverein von Atlanta hat Jackie Henderson ihr gesamtes Vermögen ihrem Sohn Samuel hinterlassen. Das beinhaltet auch die fünfundzwanzig Prozent Teilhaberschaft an Coast Eagle.“

Keiner im Raum wirkte erstaunt. Es war keine Überraschung, dass Mrs. Hendersons Vermögen in erster Linie an ihren Sohn ging. Sie war eine arrogante, launenhafte alte Frau gewesen. Aber immerhin eine Kunstmäzenin.

„Kommen wir nun zu Samuel Hendersons letztem Willen …“, fuhr Max fort.

Sofort wurde es still im Raum.

„Mr. Hendersons Testament sieht ebenfalls Spenden an verschiedene wohltätige Zwecke vor. Unter anderem an den Kunstverein von Atlanta. Außerdem stiftet er der Pilotenvereinigung von Georgia ein Stipendium im Wert von zehn Millionen Dollar.“

Max nahm einen Schluck aus seinem Wasserglas. „Was den Hauptteil von Mr. Hendersons Vermögen angeht, so werde ich ab jetzt direkt aus dem Dokument vorlesen: Mein gesamtes Vermögen soll in einen Fonds gehen, der in gleichen Teilen an meine leiblichen Kinder verteilt wird. Bis zum Zeitpunkt ihrer Volljährigkeit wird meine Frau Coco Henderson die Vormundschaft über meine Kinder haben. Alle Geschäftsentscheidungen, die den Anteil meiner Kinder an Coast Eagle Airlines betreffen, sind von Dryden Dunsmore zu treffen.“

Im Raum erhob sich Gemurmel.

„Da haben wir die Komplikation“, flüsterte Destiny Amber ins Ohr.

Samuel hatte nicht wissen können, dass Dryden Dunsmore mit ihm zusammen sterben würde.

„Sollte meine Frau vor mir sterben“, las er vor, „soll Roth Calvin die Vormundschaft für meine Kinder bis zu ihrer Volljährigkeit übernehmen.“

Alle Blicke waren auf Roth gerichtet. Volle zehn Sekunden gelang es ihm, keine Miene zu verziehen. Doch dann verzogen sich seine dünnen Lippen zu einem selbstzufriedenen Lächeln, und in seinen hellblauen Augen blitzte Genugtuung.

Roth wandte sich an den Anwalt zu seiner Rechten. Obwohl er leise sprach, konnte Amber jedes Wort hören. „Jetzt, wo Dryden tot ist, gehören mir seine Anteile.“

Der Anwalt nickte.

Roths Lächeln wurde noch breiter.

„Kommen wir zum Nachtrag“, fuhr Max fort.

„Dazu muss ich ein bisschen ausholen … Es tut mir leid, dass ich so sachlich über eine Angelegenheit sprechen muss, die viele der hier Anwesenden sicher schmerzlich berührt. Samuel Henderson wurde bereits am Unfallort für tot erklärt. Coco Henderson starb auf dem Weg in die Klinik.“

Amber zog sich der Magen zusammen. Man hatte ihr zwar versichert, dass Coco ihr Bewusstsein nach dem Absturz nicht wiedererlangt hatte. Trotzdem musste sie immer wieder daran denken, welche Angst ihre Stiefschwester in ihren letzten Minuten ausgestanden haben musste.

„Somit ist – technisch gesehen – Samuel vor seiner Frau verstorben. Deswegen ist der Nachtrag von Coco Henderson rechtskräftig. Er modifiziert das gemeinsame Testament in einem Punkt.“ Er las vor: „Ich übertrage die Vormundschaft für mein Kind oder meine Kinder an meine Stiefschwester Amber Welsley.“

Amber konnte förmlich die Schockwelle spüren, die den Raum durchlief. Auf einmal waren alle Blicke auf sie gerichtet. Die Feinseligkeit in Roths Blick traf sie mit voller Wucht.

Unter dem Tisch griff Destiny nach ihrer Hand.

„Was ist mit den geschäftlichen Entscheidungen?“, stieß Roth zwischen zusammengepressten Lippen hervor. „Diese Frau ist nicht in der Lage, die Firma zu leiten. Sie ist nur eine Stellvertreterin.“

„Stellvertretende Direktorin der Buchhaltung“, korrigierte Destiny ihn.

Immerhin war Amber in einer leitenden Führungsposition und keine Bürohilfskraft.

Roth verzog das Gesicht zu einem höhnischen Grinsen. „Samuel wollte jemanden, der in der Lage ist, qualifizierte Geschäftsentscheidungen für seinen Sohn zu treffen.“

„Ganz genau“, pflichtete Max ihm bei. „Für den Moment hat Amber Welsley die Vormundschaft für Zachary. Somit fällt diese Aufgabe ihr zu.“

„Aber …“, begann Roth.

Doch Max ließ sich nicht unterbrechen. „Für jede Änderung des Testaments ist die Entscheidung eines Richters nötig.“

„Wir ziehen vor Gericht“, stieß Roth hervor. Es fiel ihm sichtlich schwer, die Beherrschung zu wahren.

„Was hat das alles zu bedeuten?“, flüsterte Amber ihrer Freundin zu.

„Es bedeutet, dass du gerade einen neuen Todfeind gewonnen hast. Und dass du das Sorgerecht für Zachary hast.“

Amber atmete auf. Zachary würde bei ihr bleiben. Nichts anderes spielte im Moment eine Rolle.

Cole blickte sich im überfüllten Festsaal des Hotels um, in der die jährliche Spendengala der Pilotenvereinigung ausgerichtet wurde. Heute fand die offizielle Würdigung des neuen Samuel-Henderson-Stipendiums statt. Folglich würde alles, was bei Coast Eagle Rang und Namen hatte, im Saal versammelt sein.

Luca trug einen eleganten Anzug und wirkte sehr aufgeregt: „Du wirst mir noch dankbar sein, dass du auf mich gehört hast.“

„Ich werde dir dankbar sein, wenn du endlich die Klappe hältst.“

Luca hatte ihm volle drei Wochen lang mit der Sache in den Ohren gelegen.

Schließlich hatte Cole nachgegeben und den Artikel zu Ende gelesen. Dabei hatte er erfahren, dass bereits ein Streit um die Vormundschaft für Zachary entbrannt war.

Widerstrebend hatte er sich auf den Weg nach Atlanta gemacht. Selbstverständlich hatte er nicht vor, sich als lange verlorener Sohn zu erkennen zu geben. Er kam inkognito. Und sobald er sicher war, dass Zachary gut versorgt war, würde er guten Gewissens nach Alaska zurückkehren.

„Das da drüben ist Amber Welsley.“ Luca zeigte auf eine junge Frau mit langen braunen Haaren, die direkt am Bühnenrand saß.

Ihr Diamantschmuck blitzte im Licht der Kristalllüster. Sie hatte weiche, angenehme Gesichtszüge, fand Cole. Ihr klassisch geschnittenes schwarzes Kleid hatte einen tiefen Ausschnitt und betonte ihre schlanke Taille. Überhaupt sah sie ganz anders aus, als er sie sich vorgestellt hatte.

Sie war jung, hübsch und ziemlich sexy.

„Willst du nicht rübergehen und Hallo sagen?“, fragte Luca.

Die ehrliche Antwort lautete Nein. Was Cole wirklich wollte, war, in ein Flugzeug zu steigen und nach Alaska zurückzufliegen.

Doch er konnte es ebenso gut hinter sich bringen. Schließlich war er extra hergekommen, um Amber unter die Lupe zu nehmen. Genau wie die anderen Figuren, die in diesem Familiendrama eine Rolle spielten.

„Okay“, sagte er.

„Roth Calvin sitzt am Nebentisch“, raunte Luca ihm zu, während sie auf Amber Welsley zusteuerten. „Er spricht gerade mit dem rothaarigen Kerl im grauen Anzug.“

„Ich glaube, du hast deinen Beruf verfehlt. Du hättest Spion werden sollen.“

Luca grinste. „Vielleicht. Übrigens möchte ich schon mal mein Interesse an Destiny anmelden.“

„Wer ist Destiny?“

„Sie stand auf ein paar Fotos neben Amber Welsley und ist absolut heiß. Außerdem sollte man einer Frau mit so einem Namen definitiv eine Chance geben.“

„Sie gehört ganz dir, Kumpel“, erwiderte Cole kopfschüttelnd. „Ich bin nur hier, um sicherzugehen, dass es dem Kind gut geht.“

„Deinem kleinen Bruder.“

„Diese Bezeichnung sollten wir in der Öffentlichkeit besser vermeiden. Ebenso wie meinen Namen. Nenn mich Cole Parker. Parker ist mein zweiter Vorname.“

„Kein Problem, Cole Parker.“

An den Tischen vorm Bühnenrand hatte sich die Belegschaft von Coast Eagle versammelt. Je näher sie kamen, desto schöner erschien ihm Amber. Ihr Haar war nicht einfach braun, sondern von einem leuchtenden Kastanienton. Es schimmerte im Licht der Scheinwerfer. Und ihr Ausschnitt enthüllte ihre zarte milchig weiße Haut.

Unwillkürlich fragte er sich, wie sie wohl nackt aussah.

Amber schenkte ihm ein offensichtlich geübtes Lächeln, als er auf sie zutrat. In den vergangenen Wochen hatten ihr vermutlich Tausende Leute ihr Beileid ausgesprochen.

„Amber Welsley?“, fragte er und streckte ihr die Hand hin.

„Genau die bin ich.“

„Ich bin Cole Parker von Aviation 58. Ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen.“

„Vielen Dank, Mr. Parker“, sagte sie und schüttelte seine Hand.

Bei der Berührung richteten sich die Härchen an seinen Armen auf. Es zuckte um ihre Mundwinkel. Kurz fragte er sich, ob sie es auch gespürt hatte.

„Das hier ist Luca Dodd, mein Geschäftspartner“, erklärte Cole schnell, bevor sie sich dem Nächsten zuwenden konnte.

„Aviation 58 möchte gerne einen Beitrag zum Samuel-Henderson-Fond leisten“, sagte Luca.

„Es ist auf jeden Fall für eine gute Sache.“ Amber lächelte. Doch dann bemerkte sie Coles Gesichtsausdruck. „Stimmt irgendetwas nicht?“

„Nein, nein“, erwiderte er schnell.

Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu. „Finden Sie nicht, dass das Pilotenstipendium eine gute Sache ist?“

„Ich glaube, was Luca eigentlich sagen wollte, war, dass wir überlegen, einen eigenen Fonds auf die Beine zu stellen. Für Piloten aus Georgia, aber nicht notwendigerweise …“

„Nicht notwendigerweise zu Ehren von Samuel Henderson?“, beendete Amber seinen Satz.

Cole schwieg. Er wollte sie weder anlügen noch beleidigen.

„Können Sie wie Coast Eagle einfach so zehn Millionen lockermachen?“

„Das ist nicht ganz meine Preisklasse“, gab Cole zu.

Sie musterte ihn mit scharfem Blick. „Haben Sie Samuel gekannt?“

„Ich bin ihm nie begegnet.“

Trotz ihres argwöhnischen Gesichtsausdrucks fand er sie noch immer wunderschön. Zum Küssen, um genau zu sein.

„Also mögen Sie ihn nicht, obwohl sie ihn nicht kannten.“ Es war eine Feststellung.

„Ich habe nicht gesagt …“ Dieses Gespräch wurde von Minute zu Minute schlimmer.

„Amber?“, sagte da plötzlich ein Mann, der an ihrer Seite aufgetaucht war. „Fünf Minuten für jeden.“

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Cole zu. „Es sieht so aus, als müsste ich mich verabschieden. Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Cole Parker.“

Cole ärgerte sich über sich selbst. „Ich wollte nicht, dass unser Gespräch so verläuft.“

„Vielleicht können wir es ja ein andermal erneut versuchen.“

„Haben Sie später noch etwas vor?“ Seine Frage klang zweideutiger, als er beabsichtigt hatte.

„Ja“, sagte sie, ohne zu zögern. „Ich werde einen Krabbencocktail essen und Hühnchen Kiev. Dann werde ich eine kurze, aber tiefschürfende Rede im Namen der Henderson-Familie halten und das Kindermädchen erlösen.“

„Würden Sie später noch mit mir tanzen?“

Belustigt lächelte sie ihn an. „Meinen Sie, Sie können da noch Punkte gutmachen?“

„Ich werde mir zumindest die größte Mühe geben, den verstorbenen Ehrengast nicht zu beleidigen.“

„Setzen Sie sich nicht zu hohe Ziele.“

In diesem Moment legte ihr der Mann von eben mahnend die Hand auf den Arm. „Amber?“

„Ich muss mich verabschieden“, sagte sie.

„Was, zum Teufel, war denn das?“, murmelte Luca, als sie sich zum Gehen wandten.

„Du willst, dass wir uns an seinem Stipendium beteiligen?“, fragte Cole. „Das werde ich ganz sicher nicht tun.“

„Ja, das hast du klargestellt.“

2. KAPITEL

Amber konnte es kaum abwarten, endlich die Feier zu verlassen. Am liebsten wäre sie am Samstagabend zu Hause bei Zachary geblieben und hätte es sich mit einer heißen Schokolade vor dem Fernseher gemütlich gemacht. Aber sie war nun einmal das einzig verbliebene Mitglied der Henderson-Familie; jemand musste den Dank der Pilotenvereinigung entgegennehmen.

Im Gegensatz zu ihrer Schwester war Amber Anlässe wie diese nicht gewohnt. Folglich war jedes einzelne Kleidungsstück, das sie heute Abend trug, brandneu. In dem engen Kleid, das Destiny für sie ausgesucht hatte, konnte sie sich kaum bewegen. Das Schlimmste aber waren die Schuhe. Diese absurd hohen Absätze brachten sie beinahe um.

Endlich war auch die letzte Rede gehalten und der Applaus verklungen. Die Musik spielte auf, und es durfte getanzt werden.

Mit einem erleichterten Seufzer erhob sich Amber. Jetzt musste sie sich nur noch möglichst unauffällig auf den Weg zum Ausgang machen. Dann konnte sie sich ein Taxi nehmen.

Eine Frau in den Fünfzigern, deren Gesicht ihr vage bekannt vorkam, ergriff Ambers Hand. „Eine schöne Rede, Miss Welsley.“

„Vielen Dank.“

Das Gesicht der Frau nahm einen feierlichen Ausdruck an. „Trotz der tragischen Umstände hat die Henderson-Familie noch immer einen positiven Einfluss auf uns alle.“

„Samuel war ein sehr großzügiger Mensch“, spulte Amber ihre Standardantwort ab. In Wahrheit hatte sie so ihre eigene Meinung über Samuels Charakter. Immerhin hatte er ihre hübsche, impulsive Schwester geheiratet, als sie erst neunzehn gewesen war.

Damals hatte Amber ihre Entscheidung bereut, Coco zur Firmenfeier mitgebracht zu haben. Nachdem sie und Samuel dann ein Paar gewesen waren, hatte sich Amber stets bemüht, Abstand zu ihnen zu halten. Doch dann wurde Coco schwanger, und schon bald steckte Amber bis zum Hals in Cocos kompliziertem Leben.

„Entschuldigen Sie, Miss Wesley“, erklang da eine Männerstimme direkt neben ihr.

„Guten Abend.“ Amber lächelte, doch innerlich fluchte sie. In diesem Tempo würde es ewig dauern, bis sie den Ausgang erreichte. Und sie konnte sich schon jetzt kaum noch auf den Beinen halten in diesen verdammten Schuhen.

„Ich bin Kevin Mathews von Highbush Unlimited. Ich habe mich gefragt, ob ich Ihnen meine Karte geben darf.“

Amber lächelte ihn an. „Aber natürlich, Mr. Mathews.“

„Wir sind eine Wohltätigkeitsorganisation und haben uns auf den Umweltschutz konzentriert.“

Amber bezweifelte stark, dass Samuel sich in seinem Leben viele Gedanken um die Umwelt gemacht hatte. Er war mit einem Privatjet durch die Gegend geflogen, hatte eine ständig auf Hochtouren laufende Klimaanlage in seinem Haus gehabt und ein halbes Dutzend benzinschluckender Luxuskarossen besessen.

Dennoch nahm sie die Karte des Mannes mit verbindlichem Lächeln entgegen. „Ich gebe sie gerne an die Presseabteilung von Coast Eagle weiter.“

Das Lächeln des Mannes erstarb. „Wenn Sie jetzt ein paar Minuten für mich Zeit hätten, könnte ich Ihnen erklären …“

„Da sind Sie ja“, ertönte da eine tiefe männliche Stimme hinter ihr. „Ich glaube, es ist Zeit für unseren Tanz.“

Es war Cole Parker.

Amber zögerte. Würde auch er versuchen, ihr etwas zu verkaufen? Mit einem schnellen Blick stellte sie fest, dass die Tanzfläche zumindest ein ganzes Stück näher am Ausgang lag. Das gab den Ausschlag.

„Bitte, entschuldigen Sie mich“, sagte sie zu Kevin, dessen Miene sich schlagartig verdüsterte.

Cole führte sie durch die Menge an den Rand der Tanzfläche. Er lief so zügig, dass niemand es wagte, sie anzusprechen. Ambers Zehen schmerzten in den engen Schuhen, und sie hatte Mühe mitzuhalten.

„Bin ich gerade vom Regen in die Traufe gekommen?“, fragte sie.

„Ich will Sie sicher nicht um eine Spende bitten, wenn Sie das meinen“, erwiderte er.

„Gut zu wissen.“ Doch irgendetwas musste er von ihr wollen. Sonst wäre er nicht so hartnäckig.

„Ich habe Ihnen ein kleines Geschenk mitgebracht“, sagte er.

„Sie wollen mich bestechen?“ Misstrauisch sah sie ihn an.

Er hielt etwas in den Händen, das wie ein Paar Socken aussah.

„Ballettschläppchen. Ich habe sie aus dem Münzautomaten in der Lobby.“ Er warf einen abschätzigen Blick auf ihre goldenen Pfennigabsätze. „Was Sie da an den Füßen haben, nennt man Zwei-Stunden-Schuhe.“

Sie schnitt eine Grimasse. Das war auf jeden Fall eine sehr passende Bezeichnung.

Obwohl sie wusste, dass sie ihm nicht vertrauen durfte, war sie dankbar.