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Geschichten und Gedichte über das Leben
Das E-Book Viele kleine Schritte... wird angeboten von tredition und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Geschichten, Gedichte, Märchen
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Seitenzahl: 71
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Katja Hildebrand
Viele kleine Schritte…
Geschichten und Gedichte
© 2018 Katja Hildebrand
Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-7469-8062-1
Hardcover:
978-3-7469-8063-8
e-Book:
978-3-7469-8064-5
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Viele kleine Schritte…gehe ich seit vielen, vielen Jahren und versuche, so wie andere Künstler dies mit Farben und Formen auszudrücken versuchen, das Gesicht dieser Welt ein Stück zu prägen oder zu verändern. Als ich etwa fünf Jahre alt war, hatte ich begriffen, dass man aus Buchstaben Wörter bilden kann und dass daraus Mitteilungen entstehen. Plötzlich konnte ich Briefe schreiben, Wunschzettel (als Kind hat man bekanntlich viele Wünsche) und natürlich auch geheime Gedanken. Ich begann, meiner Fantasie freien Lauf zu lassen und kritzelte unzählige Seiten leerer Schulhefte mit Geschichten voll, zumeist über Mädchen und Pferde oder andere Tiere. Später entdeckte ich, wie heilsam es sein kann, Tagebuch zu schreiben und in der Schule hatte ich das Glück, einen Deutschlehrer zu haben, der meine Neigung zum Schreiben zu fördern wusste. Plötzlich begann ich auch, Gedichte zu verfassen, auch kritische Gedanken zu verschiedenen Themen in Form von Kurzgeschichten zu Papier zu bringen und wurde ermutigt, an Wettbewerben teilzunehmen und das ein oder andere auch zu veröffentlichen. So wie ein Maler zu Pinsel und Farben greift und aus einer bunten Palette ein neues Bild entsteht, so konnte ich mit Buchstaben und Wörtern jonglieren und meine Gedanken über die Menschen und ihren Umgang mit der Schöpfung, über Politisches, Geschichtliches oder über Zwischenmenschliches auf diese Art manifestieren. Viele kleine Schritte… das ist ein bisschen was von allem und vor allem was von mir.
wirhaben nurdiese eineWeltwie langenoch
Über’m See
tief über den Bäumen
senkt die Sonne ihre Strahlen
in den See
ganz tief hinein
und ganz unten
betanken sie das Wasser
mit neuer Kraft
für den nächsten Tag
tief hinter den Bäumen
hebt die Sonne ihre Strahlen
aus dem See
ganz hoch empor
und ganz oben
begrüßen sie den Tag
voll heller Freude
Es heißt Weihnachten
Es hatte überhaupt nicht geschneit, obwohl er sich so gewünscht hatte, am Weihnachtsmorgen aufzuwachen und am Fenster Eisblumen sehen zu können. Er hatte sich vorgestellt, wie er an dem Eisblumenfenster hauchen würde, so dass ein Guckloch entstand, durch das er dann nach draußen sehen könnte. Und draußen wäre alles mit einem wunderbar weißen Glitzerschneeteppich überzogen gewesen. Aber es hatte nicht geschneit und durch das eisblumenlose Fenster sah er, wie draußen der Regen in traurigen Tropfen vom Himmel fiel. Lukas war enttäuscht und rollte sich wieder in seine Decke ein. Wenn das so war, dann wollte er auch nicht aufstehen. Dann wollte er auch kein Weihnachten. Schnee hatte er sich gewünscht. Und – hatte er ihn bekommen? Dieses ganze Weihnachten war also reiner Humbug, nichts weiter. Lukas schob schmollend seine Unterlippe vor. Weshalb gibt es eigentlich Weihnachten? Während er überlegte, konnte er die geschäftigen Geräusche von Thea hören. Thea war ihre Haushälterin. „Weihnachten, pffh!“, schnaubte Lukas verächtlich und war schrecklich unzufrieden mit sich im Speziellen und der Welt im Allgemeinen. Draußen war so richtiges Schmuddelwetter. Der Himmel zeigte sich grau in grau anstatt schön blau und schneekalt zu sein. Die Fichten im Garten ließen trostlos den Regen an sich heruntertropfen. Wie schön hätten sie doch aussehen können, hätte es heute Nacht geschneit. Dann wäre heute wenigstens Weihnachten.
Der Staubsauger dröhnte durchs ganze Haus und machte es furchtbar ungemütlich im Bett. Lukas hörte unten seinen Vater fluchen – wahrscheinlich war der Weihnachtsbaum wieder einmal zu lang und passte nicht in den Ständer. Die Mutter verhandelte mit Thea, was heute noch alles zu tun war und seufzte die ganze Zeit. Lukas verstand nicht, weshalb seine Mutter immer seufzen musste, wo doch sowieso Thea die ganze Arbeit tat. Und überhaupt, seinetwegen müsste man dieses Jahr gar kein Weihnachten feiern.
Es wäre eigentlich an der Zeit gewesen, aufzustehen, doch der Gedanke an die hektische Stimmung im ganzen Haus, die nur auf den einen Punkt hin konzentriert war, nämlich am Abend in einem vor Sauberkeit strahlenden Haus vor einem festlich geschmückten Baum ein paar alte Lieder zu singen und dann Geschenke auszupacken, schreckte Lukas davor ab, aus dem Bett zu steigen. Sobald er sein Bett verließe, das wusste er, wäre er mitten in dieser grauenvollen Hektik gefangen. Sie würde ihn überrollen, einnehmen, festhalten. Dann wäre auch der letzte Rest von Vorfreude erstickt. Natürlich freute er sich auf die Geschenke, aber er hatte sich Schnee dazu gewünscht. Nur wegen der paar Geschenke bräuchte keine solche Hektik gemacht werden, fand er. Er fand außerdem, dass man die Geschenke ja nicht unbedingt heute auszupacken bräuchte, wo doch ohne Schnee ohnehin nicht richtig Weihnachten war. Man könnte doch mit den Geschenken warten, bis das Wetter die richtige Weihnachtsstimmung brachte. Lukas war ganz fasziniert von dieser Idee und wollte sie gleich seinen Eltern unterbreiten. Vorsichtig stieg er die breite Treppe hinunter und sah seinen Vater, der immer noch leise vor sich hinfluchend mit dem Weihnachtsbaum beschäftigt war. Als er Lukas sah, hielt er erschrocken inne und setzte sein Weihnachtsgesicht auf. „Na, du Langschläfer! Heute ist Weihnachten!“, begrüßte er Lukas und legte einen frohlockenden Ton auf das letzte Wort. „Ja, aber warum ist ausgerechnet heute Weihnachten?“, entgegnete Lukas, anstatt sich darüber zu freuen, dass eben am heutigen Tage Weihnachten war. Der Vater zog erstaunt die Augenbrauen hoch und war für Augenblicke sprachlos. „Na, weil heute der 24. Dezember ist, Lukas“, erklärte er, ohne die Frage seines Sohnes verstanden zu haben. Lukas ließ nicht locker. „Nein, ich meine, wieso muss immer am 24. Dezember Weihnachten sein? Es hat doch nicht mal Schnee.“ „Was weiß denn ich, es ist einfach so. Freu‘ dich doch, Kind. Wir haben so schöne Geschenke für dich gekauft. Was sollte aus denen wohl werden, wenn heute nicht Weihnachten wäre?“ Lukas überlegte kurz, zuckte dann mit den Schultern und beschloss, seinen Vorschlag anzubringen: „Die Geschenke könntet ihr mir doch geben, wenn es mal Schnee hat.“ Der Vater sagte nun gar nichts mehr. Lukas konnte nicht verstehen, weshalb sein Vater so unverständig reagierte. „Ich hab keine Lust auf so ein Weihnachten“, nölte er. „Dann such dir doch ein besseres“, schimpfte der Vater zurück. Da ging Lukas einfach. Er ging nach draußen und schlenderte die Straßen entlang, da wo er sich auskannte und mit seinen Eltern schon oft entlanggegangen war.
Es war wirklich ungemütlich nasskalt. Lukas vergrub seine Hände tief in den Taschen seines Anoraks. Wenn er ausatmete, bildeten sich Dampfwölkchen und Lukas sah ihnen nach, bis sie sich aufgelöst hatten. Es machte Spaß! Aber dann machte es keinen Spaß mehr, denn die Leute, die an ihm vorübergingen, hatten keinen Sinn für Dampfwölkchengucker oder hatten keine Zeit, ihm auszuweichen und sie stießen ihn von einer Gehsteigseite auf die andere und beinahe auf die Straße. „Nicht mal das darf man an Weihnachten!“, dachte Lukas ärgerlich und blieb einfach stehen, direkt vor einem Schaufenster. Als er näher hinsah, entdeckte er, dass er vor einer Tierhandlung stand und seine Augen wurden ganz groß, als sein Blick auf ein Knäuel junger Kaninchen fiel, die im Sägemehl herumtollten. Lukas vergaß augenblicklich seinen ganzen Ärger mit Weihnachten und war so versunken in den Anblick der Tiere, dass er gar nicht bemerkte, wie auf einmal jemand neben ihn trat und ihn belustigt musterte. „Na, die gefallen dir wohl.“ Lukas sah erstaunt hoch, denn die Stimme kam ihm bekannt vor.
Das war Onkel Peter, Papas Bruder. „Was machst du denn hier ganz alleine, Lukas?“, wollte Onkel Peter wissen. Lukas zuckte mit den Schultern und kickte verlegen einen kleinen Stein mit der Stiefelspitze gegen die Mauer. „Ich wollte einfach mal draußen sein“, meinte er. Onkel Peter ist ein Spinner, hatten seine Eltern ihm gesagt…sie hatten nicht viel mit ihm zu tun und deswegen kannte Lukas ihn nicht wirklich gut. Lukas war vorsichtig. Eigentlich wirkte der doch ganz nett? Onkel Peter stellte sich neben Lukas und betrachtete ebenfalls die Kaninchen. Lukas blickte verstohlen zur Seite. Grobe Lederstiefel, eine braune Cordhose und ein grob gestrickter Wollpullover, der ganz warm aussah, dazu eine lustige Pudelmütze – das war Onkel Peter. Eine ganze Weile standen die beiden inmitten der hektisch treibenden Menschen und keiner von beiden sagte auch nur ein Wort. Doch auf einmal sagte Onkel Peter ganz leise, mehr zu sich selbst: „Wenigstens die Tiere kennen keine Hektik. Ein Segen!“