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Souverän die nächste Online-Verhandlung meistern Online zu verhandeln ist eine Herausforderung für sich. Da sprechen Sie in schwarze Löcher, weil die Gegenseite die Kamera nicht eingeschaltet hat, Sie bekommen keinerlei Rückmeldung über die Mimik. Versteht die andere Partei Ihren Vorschlag überhaupt? Hört vielleicht sogar jemand mit? Und wer? Oder die Verbindung kommt erst gar nicht zustande oder bricht mitten drin ab. Selbst für erfahrene Verhandelnde ist die neue Art des Verhandelns mit vielen Unsicherheiten verbunden. Noch haben wir nicht genügend Expertise im Remote-Verhandeln entwickelt. Doch wussten Sie, dass große Konzerne bereits Milliardendeals abschließen über MS Teams & Co? Online-Verhandlungen werden uns auch in Zukunft begleiten, denn es spart Ressourcen, wie Reisezeit und Reisekosten. Lernen Sie, wie Sie Ihre Verhandlungstechnik auf das Verhandeln in remote anpassen, wie Sie damit umgehen, wenn E-Mails, Anrufe, Bild- und Tonstörungen, den Flow der Verhandlung unterbrechen. Gewinnen Sie Souveränität in Angesicht von widrigen Umständen und machen Sie sich diese neue Kernkompetenz zu eigen. Das Buch von der Verhandlungsexpertin Jutta Portner richtet sich an alle, die nicht mehr nur von Person zu Person verhandeln. Werden Sie zum virtuellen Verhandlungsprofi!
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Seitenzahl: 301
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Jutta Portner
Online-Verhandlungen optimal führen
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN Buchausgabe: 978-3-96739-164-0
ISBN epub: 978-3-96740-324-4
Lektorat: Doreen Fröhlich, Chemnitz
Umschlaggestaltung: buddelschiff, Stuttgart | www.buddelschiff.de
Autorinnenfoto: Stefanie Aumiller, München
Satz und Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg | www.buch-herstellungsbuero.de
Copyright © 2023 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Das E-Book basiert auf dem 2023 erschienenen Buchtitel "Virtuell verhandeln. Online-Verhandlungen optimal führen." von Jutta Portner ©2023 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.
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Auf ein Wort
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Online-Verhandeln: Ist das überhaupt möglich?
1. Warum das Verhandeln online anders ist als in der analogen Welt
Wir sind ausgelaugt: So viele Eindrücke und alles zugleich
Wir werden abgelenkt: Hier noch eine ankommende Mail, da noch ein Anruf
Wir sind pausenlos online: Kaum Zeit zum Luftholen
Wir verlieren uns in der Komplexität und steigen aus
Wir sind misstrauisch. Wer liest mit? Wer hört mit?
Wir reden ungern oder sprechen gleichzeitig. Virtueller Kontext macht Austausch schwerfällig
2. Was hat die Bedürfnispyramide von Maslow mit Online-Verhandlungen zu tun?
Physiologische Bedürfnisse. Gut hören. Gut sehen … und noch viel mehr
Sicherheitsbedürfnisse. So viel Inhalt. So viel Technik … HELP!
Soziale Bedürfnisse. Teamspirit? Online? Mehr einsame Wölfe denn je
Individualbedürfnisse. Nimm mich wahr … bitte!
Selbstverwirklichung. Gestaltungswillen aktivieren und fördern
3. Gut gerüstet an den Start. Erfolgreiche Vorbereitung von Online-Verhandlungen
Tipp #1: Zuerst entscheiden! Auktion oder Verhandlung? Virtuell oder in Präsenz?
Tipp #2: Die neue Art der inhaltlichen Vorbereitung: Nah am Verhandlungsprozess
Tipp #3: Weniger ist mehr: Die Anzahl der Teilnehmenden limitieren
Tipp #4: Kürzer ist besser: Die Anzahl der Sessions limitieren
Tipp #5: Zeit zum Fokussieren: Aktiv Pausen einplanen
Tipp #6: Safety first! Sicherheitsrisiken minimieren
4. Ganz nah und doch so fern. Kommunikation in Remote-Verhandlungen
Tipp #7: Getting in touch – Keeping in touch
Tipp #8: Small Talk online führen
Tipp #9: Kommunikationsregeln festlegen
Tipp #10: Zusammenfassen. Zusammenfassen. Zusammenfassen!
Tipp #11: Teaminterne Kommunikation sicherstellen
Tipp #12: Vom Mut, Emotionen auch virtuell zu zeigen
5. Das Beste draus machen: Limitation in der Körpersprache überwinden
Tipp #13: Nicht in schwarze Löcher sprechen: Kamera einschalten
Tipp #14: Den Fokus auf den Verhandelnden! Die Position vor der Kamera
Tipp #15: Spot on! Das richtige Licht
Tipp #16: Steigern Sie Ihre Online-Wirkung: Virtuelle Körpersprache
Tipp #17: Der Ton macht die Musik – Ihre Stimme am Mikrofon
6. Doch, es ist möglich! Einflussnahme in virtuellen Verhandlungen
Tipp #18: Die passende Dramaturgie entwickeln
TIPP #19: Wenn Sie kooperieren wollen und Win-win anstreben
Tipp #20: Wenn Sie gewinnen wollen und mit Tricks arbeiten
Tipp #21: Wenn online Schwierigkeiten auftauchen
7. Immer den Überblick behalten: Die Grundregeln des virtuellen Verhandelns
Tipp #22: Von Anfang an führen: Den First Mover Advantage nutzen
Tipp #23: Vertraut mit der Technik sein
Tipp #24: Miro, Mural, Conceptboard: Kerninhalte mit kollaborativen Tools visualisieren
Tipp #25: Entlasten Sie sich: Co-Moderation nutzen
Fazit. Virtuell verhandeln ist nicht schlechter. Es ist anders
Danke
Anhang
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Über die Autorin
Bildnachweise
Liebe virtuell Verhandelnde, liebe Leser:innen,
die Pandemie katapultierte uns in die Digitalisierung, was dazu führte, dass viele Begegnungen in unseren alltäglichen Leben nicht mehr von Angesicht zu Angesicht stattfanden. Davon blieben auch Verhandlungen nicht verschont, die zunehmend virtuell geführt wurden und bis heute werden: Gespräche mit der Chefin, dem Kunden, sogar im privaten Umfeld mit den Eltern, innerhalb des Freundeskreises, mit der Handwerkerin oder dem Dienstleister. Verhandlungen sind ein komplexes Thema, viele Beteiligte, schwierige Themen und das alles im Austausch mit meinem Computer? Ich kann Sie beruhigen: Eine solche Situation bringt Herausforderungen, aber auch Vorteile mit sich. Viele Verhandelnde haben in den letzten Jahren bereits erste Erfahrungen damit gesammelt. Es funktioniert meistens gut, manchmal vielleicht auch nicht. Was ist das Wichtigste, das Sie benötigen, um zu einem virtuellen Verhandlungserfolg zu kommen? Beschreiben Sie das in einem Wort oder einem kurzen Ausdruck! In den letzten Monaten habe ich Teilnehmenden in meinen virtuellen Verhandlungstrainings diese Frage gestellt. Mehr Worte? Braucht es nicht.
Aktiv zuhören. Alternativen. Aufmerksamkeit. Aufrichtigkeit. Ausdrucksstärke. Austausch. Bandbreite. BATNA. Beyond Reason. Computer. Dialog. Direkter Kontakt. Disziplin. Ehrlichkeit. Einbeziehen. Einsatz. Empathie. Erlebnis. Ernst nehmen. Experimentierfreude. Eye-Tracking-Software. Feedback. Feuer. Flexibilität. Fokus. Fragen. Freude. Fruchtbare Ergebnisse. Führung. Fun. Gemeinsam am Ziel arbeiten. Gemuted sein. Getting Past No. Getting to Yes. Glanz in den Augen. Glaubwürdigkeit. Hartnäckigkeit. Information. Intensität. Interessen. Kachel. Kaffee. Kamera. Klare Ziele. Klarheit. Kooperation. Kultur. Lachen. Laptop. Lob. Meeting-Links. Merkwürdigkeiten. Mikrofon. Miteinander. Motivation. Mut. Nachdenken. Nachhaltigkeit. Objektive Kriterien. Offenheit. Öffnung. Online-Plattform. Passion for Success. Rapport. Regeln. Respekt. Richtungen. Ringleuchte. Sharepoint. Small Talk. Softbox. Souveräne Führungskräfte. Spannung. Spaß. Spiel. Spirit. Strategien. Streitkultur. Tatkraft. Teamarbeit. Teamgeist. Tiefe. Überraschungen. Veränderungswille. Verbindlichkeit. Verhandlungsprozess. Verständnis. Vertrauen. Wert. Wertschätzung. Widerworte. Whiteboard. Wille. WLAN. Zeit. Zoom Fatigue. Zuhören. Zusammenfassen. Zusammenhalt.
Wenn Sie wissen wollen, was genau sich hinter all diesen spannenden Begriffen verbirgt und wie Sie in Ihrem nächsten Workshop, der nächsten Familienkonferenz oder Ihrem nächsten Kundengespräch besser virtuell verhandeln können, nehmen Sie sich ein paar Stunden Muße zum Lesen dieses Buch. Mehr müssen Sie gar nicht tun.
Viel Vergnügen und erkenntnisbringende Aha-Momente wünschen Ihnen
Jutta Portner
& das Team von C-TO-BE. THE COACHING COMPANY
Dieses Buch besteht aus sieben Kapiteln, die in verschiedene Praxistipps unterteilt sind. Das erste Kapitel, »Warum das Verhandeln in Videokonferenzen anders ist als in der analogen Welt«, beleuchtet Unterschiede zwischen Präsenz- und Online-Verhandlungen und beschäftigt sich mit Berührungsängsten mit dieser noch neuen und unerprobten Art des Verhandelns. Das zweite Kapitel, »Was hat die Bedürfnispyramide von Maslow mit Online-Verhandlungen zu tun?«, benutzt genau dieses Modell, das viele von Ihnen aus der Motivationspsychologie kennen, um zu verstehen, welche Bedürfnisse es bei virtuell Verhandelnden gibt und wie Sie diese stillen können. Kapitel 3, »Gut gerüstet an den Start«, zeigt Ihnen, wie Sie sich erfolgreich auf eine virtuelle Verhandlung vorbereiten. »Ganz nah und doch so fern« ist der Titel des vierten Kapitels. Auch in der Online-Welt können wir nicht ohne Kontakt und Kommunikation verhandeln, und doch funktioniert beides in virtuellen Galaxien unterschiedlich. Wie unangenehm es beispielsweise ist, in schwarze Löcher zu sprechen, werden viele von Ihnen schon erlebt haben. Das fünfte Kapitel, »Das Beste draus machen«, gibt Tipps, um die Limitationen der Körpersprache zu überwinden. Auch wenn wir in unserer Kachel leben, können wir sehr wohl eine professionelle Wirkung erzielen. In Kapitel 6, »Doch, es ist möglich! Einflussnahme in virtuellen Verhandlungen«, erfahren Sie, wie Sie virtuell am besten vorgehen, je nachdem, ob Sie kooperativ oder kompetitiv verhandeln wollen. Außerdem untersuchen wir, welche Schwierigkeiten bei Remote-Verhandlungen auftreten können und wie Sie als Verhandelnde:r am besten damit umgehen. Das letzte Kapitel, »Immer den Überblick behalten«, zeigt, wie wichtig es ist, den First Mover Advantage zu nutzen und von Anfang an zu führen. Nur so behalten Sie die Kontrolle in Ihrer virtuellen Verhandlung. Die Begriffe remote, virtuell und online werden in Zusammenhang mit Verhandlungen synonym benutzt.
Folgende Stilmittel machen das Lesen hoffentlich zum Vergnügen:
Insgesamt erhalten Sie in diesem Buch 25 Tipps zu den wichtigsten Themen rund um das virtuelle Verhandeln, umfassend recherchiert und für Sie aufbereitet.
Wissen kann man nie genug. Nehmen Sie sich Zeit und lassen Sie sich inspirieren, tauchen Sie ab in neue Gefilde. Hier finden Sie erste Anregungen, wenn Sie sich weiter mit einzelnen Themen beschäftigen möchten. Jeder Deep Dive hat einen Anfang.
Ein YouTube-Video zur Auswahl des besten Mikrofons? Für Sie getestet von ausgewiesenen Profis. Ein Clip zum Einsatz von Conceptboard in virtuellen Verhandlungen? Der Link zum Experten für Sie ausgewählt. Nicht umsonst steht QR für »Quick Response«, also »schnelle Antwort«. Sie brauchen nur den QR-Code zu scannen und werden automatisch weitergeleitet, um auf schnellstem Weg alle benötigten Informationen zu finden, übersichtlich verpackt.
Hinter C-TO-BE. THE COACHING COMPANY steckt ein großes Team. Unsere Expert:innen zu den unterschiedlichsten Themen bringen sich mit ihrem Wissen in kurzen Interviews ein. Freuen Sie sich auf Empfehlungen von einem Business-Schauspieler, einem Yoga-Lehrer und zwei Verhandlungsexpert:innen. Außerdem haben wir einen Experten zum Thema Täuschung in Verhandlungen sowie eine erfahrene virtuelle Verhandlerin eines großen deutschen Unternehmens für Sie interviewt.
Die Theorie zu kennen ist schön und gut. Viel wichtiger ist es, zu überprüfen, ob die Empfehlungen Ihnen auch helfen, in Ihrer virtuellen Galaxie zu bestehen. Selbstreflexion ist der Schlüssel zur Veränderung – und der große Unterschied zwischen Erfahrung und Expertise. Nur wer sich Zeit nimmt, sich selbst zu überprüfen, wird besser und zu einem echten virtuellen Verhandlungsprofi werden. Am Ende jedes Kapitels haben Sie Zeit dazu.
In a Nutshell oder Deep Dive? Schnell und auf einen Blick finden Sie in diesem Buch Empfehlungen unter dem Stichpunkt VIRTUELL VERHANDELN. BEST PRACTICE. Möchten Sie abtauchen in die Tiefen des Expertentums, dann gibt es immer mal wieder VIRTUELL VERHANDELN. LESEFUTTER.
VIRTUELL VERHANDELN. BEST PRACTICE
»Best Practices« sind empfohlene Vorgehensweisen. Der Begriff stammt aus der angloamerikanischen Betriebswirtschaftslehre und bezeichnet praktische Erfolgsmethoden oder -modelle der Corporate-Welt. Sie könnten auch Erfolgsrezepte genannt werden. Viele Strategien, Taktiken und Tools sind beim Verhandeln in Präsenz und online im gleichen Maße wirksam, und doch gibt es immer wieder Unterschiede. Genau diese finden Sie nach einem meist vorangehenden Input zur allgemeinen Verhandlungstheorie unter VIRTUELL VERHANDELN. BEST PRACTICE zusammengefasst.
Der oder die hungrige Leser:in bekommt von mir wertvolle Empfehlungen für weiterführende Literatur, die Ihnen hilft, noch tiefer in die Gesamtzusammenhänge einzusteigen. Es werden Appetizer serviert, die die Lust anregen, mehr zu wissen, und ab und zu auch mal raffinierte Häppchen, über die wir staunen, weil sie uns überraschen.
Vielen Dank an Lisa Kohlrusch von PACTUM als Ideengeberin für die Herausforderungen in Online-Verhandlungen. In ihrem Blogbeitrag 13 Tipps, um erfolgreich zu verhandeln hat die Prozessbegleiterin und Mediatorin bereits während der Pandemie wertvolle Empfehlungen gegeben.1
Seit eh und je wird in der Geschichte der Menschheit verhandelt. Die alten Germanen nahmen wochenlange Märsche auf sich, um bei Volksversammlungen über wichtige Belange zu entscheiden. Marco Polo reiste im 13. Jahrhundert entlang der Seidenstraße bis nach China, um Geschäftspartner zu treffen. Und heute ist die gamescom in Köln die größte Messe für Unterhaltungselektronik, in der nicht nur Onlinespiele vorgestellt, sondern auch mit Partnern aus aller Welt Lizenzen verhandelt werden. Natürlich persönlich, vor Ort, bei Kaffee oder Kölsch – trotz astronomischer Hotelpreise. Über Jahrtausende haben wir uns persönlich getroffen, wenn es um wichtige Verhandlungen ging. Kuriere, Briefe, Telefonate und in jüngster Zeit auch E-Mails oder Skype-Calls waren meist nur schmückendes Beiwerk persönlicher Geschäftstreffen.
Und dann kam die Pandemie. Über Nacht veränderte sich unsere Welt. Wir wurden in die digitale Welt katapultiert, mit all ihren noch unerprobten Gesetzmäßigkeiten. Heute sind Online-Verhandlungen aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, und sie werden zukünftig weiterhin eine tragende Rolle spielen. Auch wenn wir uns wieder persönlich treffen können und dürfen. Online zu verhandeln ist jedoch für viele eine Herausforderung. Selbst brillante Verhandlungsprofis verzweifeln daran, dass ihre jahrzehntelange Erfahrung bei Videokonferenzen nicht den gewohnten Erfolg bringt. Es funktioniert einfach anders, fühlt sich anders an, und richtig viel Expertise hat noch niemand.
Vertrauen und Verlässlichkeit sind unverzichtbare Elemente erfolgreichen analogen Verhandelns. Dazu treffen sich Verhandlungspartner:innen auf ein Getränk, setzen sich gemeinsam an den Verhandlungstisch, verhandeln auf Augenhöhe, besiegeln ihre Vereinbarung mit einem Handschlag. Im Anschluss lädt man zu einem gemeinsamen Abendessen ein und stößt auf den Erfolg an. All das ist bei Online-Verhandlungen nicht möglich. Statt Geschäftsessen in schicker Businesskleidung und mit gepflegter Konversation schwappt jetzt unweigerlich unser Privatleben aus dem Homeoffice in die Verhandlung. Ihr kleiner Sohn winkt in die Kamera? Die Katze strawanzt durchs Bild auf der Suche nach Streicheleinheiten? Das ist überhaupt nicht schlimm, im Gegenteil: Das ist sogar ganz wunderbar! Denn ein bisschen reales Leben bei aller Professionalität macht uns menschlicher und schafft Nähe. Nähe, die wir für vertrauensvolle Verhandlungen gut brauchen können. Im Zuge der Pandemie ist es tatsächlich bereits zur Gewohnheit geworden, in der Corporate World via Bildschirm zu kommunizieren. Wir sind zwischenzeitlich schon recht gut darin, Teammeetings virtuell stattfinden zu lassen. Auch die meisten Verhandlungen werden heute per Videocall geführt, nur fehlt es da oft noch an Professionalität und Leichtigkeit. Wenn es um viel geht, dann bringen Online-Verhandlungen neben technischen auch weniger offensichtliche Herausforderungen mit sich:
Wir sind überlastet: Viele Eindrücke und alles zugleich prasselt auf Verhandelnde ein. Wir sind unkonzentriert: Hier noch eine ankommende Mail, da noch ein Anruf. Wir sind dauerhaft online und vergessen dabei, genügend Pausen zu machen. Wir sind unsicher: Wer liest mit? Wer hört mit? Wir reden wenig oder alle gleichzeitig. Der virtuelle Kontext macht Kommunikation und Einflussnahme schwerfällig.
Selbst für erfahrene Verhandelnde ist dies mit Unsicherheiten verbunden. Noch haben wir nicht genügend Expertise im remoten Verhandeln entwickelt. Die Quadriga Hochschule in Berlin führte in Zusammenarbeit mit dem C4 Center for Negotiation eine branchenübergreifende Befragung von 185 Unternehmen durch, in der Verhandelnde zu ihren Erfahrungen mit digitaler Verhandlungsführung befragt wurden.
Hier einige ausgewählte Ergebnisse des Surveys:
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Bei 75 Prozent der befragten Unternehmen lag der Anteil von digitalen Verhandlungen vor der Pandemie lediglich bei maximal 25 Prozent.
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Während der Pandemie führten hingegen fast 75 Prozent der Befragten 75 bis 100 Prozent aller Verhandlungen ausschließlich digital.
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Über 70 Prozent halten die digitale Verhandlungsführung für deutlich stärker herausfordernd als die Präsenzverhandlung.
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Nur 7 Prozent empfinden die digitale Verhandlung als weniger herausfordernd.
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In etwa der Hälfte der Unternehmen wurden Verhandlungsteams für Präsenzverhandlungen geschult und/oder weiterqualifiziert.
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Für digitale Verhandlungen wurden lediglich 23 Prozent geschult und/oder weiterqualifiziert.
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Als größten Nachteil der digitalen Verhandlungsführung erleben fast 85 Prozent der Befragten das Fehlen des persönlichen Kontaktes.
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Für über 80 Prozent stellt die fehlende Möglichkeit, die Körpersprache des Gegenübers gut zu erkennen, eine Einschränkung in der digitalen Verhandlung dar.
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61 Prozent erleben in der digitalen Verhandlung das Aufbauen einer Vertrauensebene als sehr schwierig.
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Mehr als ein Drittel sehen die Vielzahl von Missverständnissen als großes Hindernis in der digitalen Verhandlung.
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Insgesamt ziehen über 62 Prozent die persönliche Verhandlung jeder anderen Verhandlungsform vor. Nur 20 Prozent der Befragten bevorzugen digitale Verhandlungen mit Online-Meeting-Systemen. Die Telefonverhandlung ist gerade einmal für knapp 8 Prozent der Teilnehmenden die bevorzugte Form.
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In »Virtuell verhandeln. Online-Verhandlungen optimal führen« lernen Sie, wie diese Herausforderungen überwunden werden können. Es lohnt sich, denn online verhandeln wird bleiben. Es ist die neue Art des Verhandelns, die nicht nur auf ihre ganz eigene Art Erfolg versprechend ist, sondern auch Ressourcen spart: Reisezeiten werden reduziert, die gewonnene Zeit kann effizienter genutzt werden. Reisekosten werden vermieden, das geschonte Budget kann anderweitig eingesetzt werden. Nur wer die Best-Practice-Tipps kennt, wird zum virtuellen Verhandlungsprofi.
Virtuell verhandeln ist neu. Verhandelnde haben noch wenig Expertise und sind unsicher. Bauen Sie Unsicherheiten durch Wissen ab und werden Sie zu einem Pionier auf diesem Gebiet.
Das virtuelle Verhandeln hat sich als entscheidender Bestandteil unserer alltäglichen Businesspraktiken etabliert. Investieren Sie in diese Kompetenz und eignen Sie sich eine positive Haltung an.
Best-Practice-Tipps sind übersichtlich strukturiert, von Profis für Profis erarbeitet und für Sie leicht anwendbar.
Bevor wir tiefer einsteigen, lassen Sie uns zunächst ein paar grundlegende Begriffe klären: Handelt es sich bei jedem Gespräch, jeder Diskussion, jeder Besprechung automatisch auch immer um eine Verhandlung?
Wir sprechen im klassischen Sinne von »Verhandeln«, wenn Personen/Parteien unterschiedliche Interessen haben und miteinander kommunizieren, um zu einer Einigung zu kommen.
Dazu benötigt es immer vier Bedingungen:
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eine wechselseitige Abhängigkeit
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einen Interessenkonflikt
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ungefähr gleiche Machtverhältnisse
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eine Übereinkunft wird als Ziel der Verhandlung gesehen
Auch wenn es natürlich im privaten Kontext Interessenkonflikte und im Idealfall den Wunsch nach einer Übereinkunft geben kann, werde ich mich in diesem Buch überwiegend auf den beruflichen Rahmen einer Verhandlung beziehen: Wenn wir mit Dienstleistenden den nächsten Auftrag verhandeln, einen Pitch ausschreiben oder einen Preis für unsere Produkte und Dienstleistungen festlegen wollen. Aber auch im Business Development mit potenziellen Partner:innen wird verhandelt, oder Sie moderieren als Vorgesetzte:r einen Teamkonflikt.
Viele virtuell Verhandelnde berichten von einer großen Erschöpfung. Die Teilnahme an etlichen virtuellen Meetings über den Tag zieht ein stundenlanges Sitzen am Schreibtisch nach sich. Abends schmerzt der Rücken, sind Hals und Nacken verspannt, die Augen brennen, und der Kopf ist leer. Dieses Phänomen ist international beobachtbar und hat sogar schon einen Namen: Zoom Fatigue. Der Begriff setzt sich zusammen aus dem Namen des amerikanischen Softwareunternehmens Zoom und dem französischen Wort »fatigue«, was »müde« oder »erschöpft« bedeutet. Natürlich taucht Zoom Fatigue auch bei MS Teams, Google Meet, Webex und Skype for Business auf. Die Symptome sind immer die gleichen. Auf Dauer remote zusammenzuarbeiten ist anstrengend und stresst. Von den Ergebnissen, die in Businessverhandlungen erzielt werden, hängt allerdings viel ab. Und natürlich werden bessere Ergebnisse erzielt, wenn virtuell Verhandelnde nicht ausgelaugt und ausgepowert sind. Lassen Sie uns einen Blick darauf werfen, was genau die Stressoren sind und wie virtuell Verhandelnde professionell mit ihnen umgehen, ohne Zoom Fatigue zum Opfer zu fallen.
Wer kennt es nicht? Dieser komplette Overload: Zu viele Fenster sind offen, zu viele Tasks poppen auf, zu viele Aufgaben sind zu erledigen, und dann versagt auch noch die Technik. Gerade hat es noch funktioniert, und plötzlich geht nichts mehr. Es hilft kein Klicken, kein Neustart. Der Computer streikt. Haben wir das Problem endlich in den Griff bekommen, manchmal ohne genau zu wissen, wie, hat das Meeting längst begonnen. Wir stammeln eine Entschuldigung und sind gestresst, noch bevor wir überhaupt anfangen.
Je mehr Verhandelnde an einer Session teilnehmen, desto mehr Kacheln sehen wir auf unserem Bildschirm. Da die Reihenfolge der Anzeige nach der Reihenfolge des Einloggens erfolgt, vermischt sich unser eigenes Team mit dem der Gegenseite. Eine klare optische Zuordnung der Verhandlungsparteien ist auf den ersten Blick nicht möglich.
Wir wissen gar nicht, wo wir unsere Aufmerksamkeit zuerst hinwenden sollen: Wir haben die Kamera an, die Gegenseite hat die Kamera aus. Gleichzeitig arbeiten wir oft mit mehreren elektronischen Geräten. Wir benutzen einen zweiten Bildschirm und kommunizieren gleichzeitig über WhatsApp mit den Kolleg:innen. Da kann sich schon mal Verzweiflung breitmachen. Um die Kontrolle zu behalten und trotz eines möglicherweise holprigen Starts erfolgreich ins Geschehen einsteigen zu können, müssen wir der Überforderung Einhalt gebieten. Doch wie?
Wichtig ist, sich zunächst zu versichern: Ein bisschen Stress schadet nicht und ist auch normal. Er fordert Verhandelnde, lässt sie sich aktiviert, stark und fokussiert fühlen. Herausgefordert zu sein ist hilfreich, um eine Verhandlung voranzutreiben. Doch wenn wir den Punkt erreichen, an dem es kippt, dann übernimmt die Orientierungslosigkeit das Ruder, denn Überforderung – und hier steckt es ja schon im Wort – ist das Zuviel. Wir machen einen inneren Abgleich, wie viel Kraft, Energie und Aufmerksamkeit wir haben. Dies stellen wir den momentanen Anforderungen gegenüber. Wenn wir dann das subjektive Gefühl haben, dem Ganzen nicht mehr gewachsen zu sein und nicht genügend Ressourcen zur Bewältigung zu haben, dann sind wir eben überfordert, und der Körper reagiert. Wir werden immer nervöser, fahriger und realisieren gleichzeitig unser Verhalten. Das kann dann zu einer Stressspirale beitragen. Je gestresster unser Körper ist, desto schlechter können wir komplexe kognitive Vorgänge bewältigen. Stress ist eine Alarmfunktion. Die Ausschüttung von Cortisol und Adrenalin bereitet uns seit jeher auf Angriff und Flucht vor. Doch Wegrennen oder Angreifen bringt uns am Schreibtisch nicht weiter, auch Gedanken wie »Ich habe das nicht im Griff« oder »Die Verhandlung wird scheitern, bevor sie überhaupt angefangen hat« sind nicht hilfreich. Je gestresster Verhandelnde sind, desto weniger sind sie fokussiert, umso weniger kreative Problemlösungen fallen ihnen ein. Daher ist es eine absolute Notwendigkeit, so schnell wie möglich aus dem gestressten Zustand wieder herauszukommen und konstruktiv statt abwertend zu handeln. Was also können Online-Verhandelnde tun?
VIRTUELL VERHANDELN. BEST PRACTICE
Akzeptieren, dass es gerade so ist, und zügig das Stressmuster durchbrechen, in dem wir stecken. Ob eine plötzliche bleierne Müdigkeit, ein eingefrorenes Gehirn oder hektische Übersprunghandlungen wie wildes Klicken: Online-Verhandelnde müssen zuerst aus der Situation raus, in der sie sich gefangen fühlen. Kamera aus, dreimal tief durchatmen, den Blick aus dem Fenster werfen, einen Schluck Wasser trinken – wichtig ist es, kurz etwas anderes zu tun. Ganz kurz! Warum? Für länger ist keine Zeit, wenn die Verhandlungspartner:innen schon online sind. Und bereits kleine Aktionen geben dem Gehirn das Gefühl von Selbstwirksamkeit, worauf wir später detailliert eingehen werden.
Der Mensch ist ein neugieriges Wesen. Natürlich schweifen wir immer wieder ab. Die Umgebung unserer Verhandlungspartner:innen ist hochinteressant. Wir versuchen Titel im gut gefüllten Bücherregal der Kollegin zu entziffern. Wir winken der süßen Tochter des Lieferanten zu und wundern uns über den dicken Kater des Chefs, der durchs Bild läuft. Die optischen Reize in Online-Verhandlungen sind mannigfaltig. Nach jedem Moment der Ablenkung braucht unser Gehirn Zeit und Energie, sich wieder auf das eigentliche Thema einzustellen und auf das ursprüngliche Konzentrationsniveau zurückzukommen. Im Selbstmanagement spricht man vom sogenannten Sägeblatteffekt. Hinzu kommen hintergründige Gedanken: Verhandelnde denken oft gleichzeitig an Zukünftiges und Altes, an Mögliches und Unmögliches, an morgen und übermorgen und gestern und vorgestern.
VIRTUELL VERHANDELN. BEST PRACTICE
Um einen Nervous Breakdown zu verhindern, verorten Sie sich im Hier und Jetzt. Eine Übung aus dem Achtsamkeitstraining, die blitzschnell und überall eingesetzt werden kann, lautet: Sie sagen laut »ICH JETZT HIER«. Konzentrieren Sie sich während des Sprechens bewusst darauf, wo Sie sich gerade befinden und was Sie jetzt tun wollen. Dazu aktivieren Sie Ihre Sinne und führen einen Bodyscan durch, denn der wirkt Wunder: Spüren Sie in Ihren Körper hinein, richten Sie sich auf und atmen Sie dabei tief ein und aus. Riechen Sie bewusst, vielleicht an einem Apfel, der auf dem Tisch liegt, oder am Kaffee in der Tasse vor Ihnen. »ICH JETZT HIER« ist ein Mantra. Je häufiger Sie es wiederholen, umso eher entsteht eine Routine, die Sie effektiv raus aus dem Gedankenkarussell und zurück in den konzentrierten Fokus bringt.
Was machen Sie, wenn Sie mit dem Auto eine lange Reise planen? Sie werden mit einem vollen Tank starten, das Kühlwasser gecheckt, den Luftdruck gemessen und die Scheibenwischanlage aufgefüllt haben. Ähnlich sollten Sie auch vor Videokonferenzen verfahren. Es ist wichtig, voll da und aufgetankt zu sein. Präsenzmeetings geben uns durch den Wechsel der Besprechungsräume Zeit, kurz durchzuatmen. Schon kurze Momente des Abstands ermöglichen kleine mentale Pausen, die uns erfrischen. Online jagt im schlimmsten Fall ein Online-Meeting das nächste. Zur vollen Stunde startet der eine Termine, zur nächsten vollen Stunde findet der Folgetermin statt, und so geht es bei vielen Stunde um Stunde um Stunde … Manchmal bleibt kaum Gelegenheit, für Kaffeenachschub zu sorgen oder eine Biopause zwischen den einzelnen Calls einzulegen. Wie wollen wir in diesem Setting Themen gedanklich abschließen, uns auf neue Partner:innen und ihre Anliegen einlassen und fokussiert kluge Beiträge leisten?
VIRTUELL VERHANDELN. BEST PRACTICE
Planen Sie die Pause VOR der Online-Verhandlung fest in den Terminkalender ein und machen Sie den »Ich bin in einer guten Verfassung-Check«. Fragen Sie sich: Habe ich genügend geschlafen? Brauche ich frische Luft? Habe ich Schmerzen? Verspüre ich Hunger, und brauche ich einen kleinen Snack? Oder habe ich Durst und muss einen halben Liter Wasser trinken? Bin ich verspannt, und muss ich mich kurz bewegen? Brauche ich einen Powernap? Kurz – ist alles okay mit mir?
Es spricht nichts dagegen, mehrere Bälle in der Luft zu halten. Zu viele Bälle in der Luft zu halten fällt allerdings auch erfahrenen Jongleuren schwer. Zu viele anspruchsvolle Themen in einer Online-Verhandlung zu wuppen kostet sehr viel mentale Kraft und führt dazu, dass wir deutlich früher als in Präsenzverhandlungen geistig aussteigen. Zu viele gedankliche Aufgaben und Operationen gleichzeitig und nebeneinanderher bewältigen zu wollen ist online mit einer noch höheren Wahrscheinlichkeit des Scheiterns verbunden als in Face-to-Face-Verhandlungen. Noch hält sich der Mythos, Multitasking sei eine Superkraft. Doch was hat Priorität unter den vielen Aufgaben?
VIRTUELL VERHANDELN. BEST PRACTICE
Stoppen Sie Multitasking sofort: Jetzt gilt es zu sortieren, zu filtern und zu priorisieren. Erstellen Sie eine realistische Agenda mit Pufferzeiten. Lassen Sie sich keine unrealistische Agenda von anderen aufs Auge drücken. Das hilft, sich nicht in der Komplexität zu versteigen und das große Ganze aus dem Auge zu verlieren. So können Sie sich auf das konzentrieren, was gerade dran ist. Eine radikale Übung ist, sich Folgendes vorzustellen: In zehn Minuten gibt es einen kompletten Stromausfall. Was muss jetzt noch passieren? Welches Ergebnis ist ein Minimum an Übereinstimmung, das Sie erzielen wollen, bevor das Licht ausgeht? Es gibt mit Sicherheit Aufgaben, von denen Sie erkennen, dass sie nachrangig behandelt oder vielleicht sogar delegiert werden können. Am besten nehmen Sie schon in der Vorbereitung einen Zettel und widmen sich der Priorisierung Ihrer Themen in die Kategorien HML (High/Medium/Low). Welches sind die Punkte, die nur und ausschließlich von Ihnen verhandelt werden können? Welche Aspekte wollen Sie in dieser Online-Verhandlung nicht besprechen und werden Sie vertagen, und welche sind vielleicht sogar Angelegenheiten, zu denen Sie auch mal Nein sagen werden? Wer kann Themen für Sie übernehmen? Nutzen Sie diese Gelegenheit. Sie sind meist nicht die einzige Person, die eine Aufgabe erledigen kann.
Statt wie in Präsenz auf drei Dimensionen ist die Wahrnehmung unserer Gesprächspartner:innen in Online-Verhandlungen auf lediglich zwei Dimensionen reduziert. Die intuitive körpersprachliche Interpretation, wie wir sie aus persönlichen Begegnungen kennen, fällt bei »Speaking Heads« viel schwerer. Wir können nur mutmaßen, was links und rechts, vor und hinter der Kachel geschieht. Ist der Hintergrund geblurrt, stellen wir Vermutungen an, wo sich die andere Person befindet: im Homeoffice? Zu Workcation in einem anderen Land? Wir fragen uns schon mal: Wer hört heute noch mit? Wer kann vertrauliche Daten mit einsehen? Ein gesundes Misstrauen lässt viele Verhandelnde vorsichtiger mit Informationen umgehen. Das wiederum zieht automatisch nach sich, dass wir Vertrauen langsamer aufbauen.
VIRTUELL VERHANDELN. BEST PRACTICE
Manchmal gibt es keinen Quick-fix. Wenn wir uns in Online-Verhandlungen überfordert fühlen, weil unsere Annahmen über die Gegenseite einen großen Teil unserer Aufmerksamkeit binden, sind meist innere Glaubenssätze dafür verantwortlich. In einer Online-Verhandlung haben wir subjektiv ein großes Überforderungserleben. Wir fühlen uns gestresst und haben negative, stressverstärkende Gedanken. Tatsächlich gibt es aber einen Unterschied zwischen sich überfordert fühlen und überfordert sein. Zu unserem Überforderungserleben tragen wir oft selbst bei. Als Verhandelnde, so glauben wir, müssen wir fehlerlos Ergebnisse erzielen und perfekt sein. Wir müssen von allen gemocht werden, deshalb dürfen wir niemanden enttäuschen, verärgern oder wütend machen. Wir müssen alles möglich machen. Häufig hinterfragen wir unsere Glaubenssätze gar nicht mehr, sondern tragen sie wie Grundfeste mit uns herum. Wie Leuchttürme weisen sie uns im Alltag die Richtung, die wir einschlagen, und leiten uns doch in die falsche Richtung. Wir richten uns nach tief verankerten inneren Überzeugungen, als sei es so und nicht anders. Manchmal kann es allerdings notwendig sein, nicht die Symptome zu behandeln, sondern die Ursachen beim Schopf zu packen. Hinterfragen und überprüfen Sie doch mal Ihre Glaubenssätze in einer ruhigen Minute: »Online-Verhandlungen sind immer schwierig«, vielleicht. Oder: »Gute Geschäftsbeziehungen können nur in Präsenzverhandlungen aufgebaut werden.« Es ist richtig, grundsätzlich misstrauisch zu sein, wenn online verhandelt wird. Tiefe innere Überzeugungen lassen sich nicht schnell ablegen. Oft fallen wir jedoch in alte Muster zurück, besonders wenn wir gestresst sind. Deswegen ist es wichtig, dranzubleiben und immer mal wieder vor, während und nach einer Online-Verhandlung innezuhalten und nachzusteuern. Auch ein professioneller Coach bietet gute Unterstützung und empowert Online-Verhandelnde dabei, Veränderungen ihrer Glaubenssätze einzuleiten.
Wer kennt das nicht? Das große Schweigen. Keiner sagt etwas, oder es werden online nur rudimentäre Beiträge ausgetauscht. Stumm wie ein Fisch erscheint die eine oder der andere Teilnehmende eines Online-Meetings. Das ist unangenehm. Lange Pausen, bevor endlich ein Beitrag eingeworfen wird, zwingen die Moderierenden, die Stille auszuhalten. Manchmal reden sie dann lieber selbst gleich weiter.
Die Audioqualität ist mal besser, mal schlechter: Latenzverzögerungen, knackende Headsets, oder Verhandelnde hören ihre eigene Stimme im Hintergrund der Gegenseite als Echo. Ein Austausch ist im Virtuellen meist mühsamer als im Analogen. Auch die Koordination von Redebeiträgen ist nicht einfach. Neben dem Schweigen kann es genauso zu einem wilden Durcheinander von Redebeiträgen kommen. Da wird gequasselt und schwadroniert ohne Punkt und Komma. Keiner weiß, wann die Gegenseite fertig ist, und mehrere Personen reden gleichzeitig. Ein anstrengendes Durcheinander ermüdet die Teilnehmenden schnell.
VIRTUELL VERHANDELN. BEST PRACTICE
Sprechen Sie zu Beginn des Calls aktiv an, wie Sie in der Online-Verhandlung kommunizieren wollen. Keine Sorge, das hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern hilft allen Beteiligten im weiteren Verlauf. Geht währenddessen etwas schief, weisen Sie in dem Moment bewusst darauf hin, wo und wie die Kommunikation besser laufen könnte. Macht das niemand, wird sich auch nichts verändern. Ganz häufig kommt es zu Überforderung, weil andere nicht erkennen, dass die Verständlichkeit bereits am Limit ist. Und warum ist das so? Weil Sie immer noch nicken und lächeln und sich nicht äußern oder vielleicht etwas gequält gucken und hoffen, die Gegenseite wird Ihren Gesichtsausdruck schon richtig interpretieren und merken, was Sie brauchen. Doch niemand kann Ihre Gedanken lesen oder hellsehen. Weisen Sie deshalb unbedingt auf eine Störung oder einen Missstand hin, und zwar nicht erst, wenn es zu spät ist. Am besten ergreifen Sie das Wort, wenn Sie noch in der Stimmung dazu sind, und nicht erst dann, wenn es Ihnen reicht und Sie bombenartig explodieren und am liebsten alles hinschmeißen würden. Das ist eindeutig zu spät. Sprechen Sie die Art und Weise der Kommunikation freundlich und bestimmt an. Ganz gemäß dem 1. Prinzip des Harvard-Konzeptes: weich zur Person und hart in der Sache.
VIRTUELL VERHANDELN. DENKZEIT
In Kapitel 1 haben wir uns damit beschäftigt, warum das Verhandeln in Videokonferenzen im Vergleich zum Verhandeln von Angesicht zu Angesicht anders ist. Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit und schätzen Sie Ihr persönliches Verhalten auf einer Skala von 1 für »gar nicht« bis 10 für »voll und ganz« für eine erste Bestandsaufnahme Ihres Mindsets ein:
Ich fühle mich ausgelaugt. So viele Eindrücke und alles zugleich
Ich werde abgelenkt. Hier noch eine ankommende Mail, da noch ein Anruf
Ich bin pausenlos online und habe kaum Zeit zum Luftholen
Ich verliere mich in der Komplexität und steige aus
Ich bin misstrauisch: Wer liest mit? Wer hört mit?
Wir reden ungern oder sprechen gleichzeitig. Virtueller Kontext macht unseren Austausch schwerfällig
Werten Sie die sechs Fragen für sich aus und ziehen Sie Ihr persönliches Fazit. Bei Antworten mit einer hohen Punktzahl ist es notwendig, in weitere Reflexion und Aktion zu gehen. Wie können Sie Ihre Einstellung ändern? Welche Personen, Informationen oder Tools benötigen Sie, um etwas zu verändern? Müssen eventuell auch Prozesse neu gedacht und verändert werden?
Die Maslow’sche Bedürfnishierarchie kennen viele von uns unter dem gängigen Begriff der Bedürfnispyramide.3 Der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow erlangte durch seine vereinfachte Darstellung von menschlichen Bedürfnissen und deren Bedeutung zur Motivation weltweit Bekanntheit. Seine Theorie fand Eingang in viele andere Wissenschaften. Sie wird in den Wirtschaftswissenschaften, der Organisationspsychologie und auch in der Philosophie behandelt.
Das Prinzip der Bedürfnishierarchie basiert auf der Annahme, dass es unterschiedliche Arten von Bedürfnissen gibt, die durch unterschiedliche Inhalte und Wirkungen unsere Zufriedenheit und damit unser Verhalten bestimmen. Maslow beobachtete, dass einige Bedürfnisse Vorrang vor anderen haben. Konkrete Ranglisten aufzustellen hält Maslow für wenig hilfreich. Man könne Bedürfnisse jedoch zur groben Orientierung fünf größeren Bereichen zuordnen. Er beginnt mit den grundlegenden, den physiologischen Bedürfnissen (physiological needs) und den Bedürfnissen nach Sicherheit (safety needs). Diesen folgen soziale (love needs) und Individualbedürfnisse (esteem needs) bis hin zum hoch entwickelten humanen Bedürfnis nach Selbstverwirklichung (needs for self-actualization). Daraus ableitend erklärt Maslow, dass Bedürfnisse entweder gestillt oder unbefriedigt sein können. Unbefriedigte Bedürfnisse sind Mangelbedürfnisse, auch Defizitbedürfnisse genannt. Solange ein Bedürfnis unbefriedigt ist, beeinflusst und triggert es unser Handeln dahingehend, dass wir es stillen wollen. Mit zunehmender Befriedigung eines Bedürfnisses nimmt der Drang, aktiv zu werden, um dieses Bedürfnis zu befriedigen, zunehmend ab. Wenn der Magen nicht mehr knurrt, denken wir nicht mehr ununterbrochen ans Essen.
Lassen Sie uns die fünf Bedürfnisebenen in Bezug auf ihre Bedeutung für virtuelles Verhandeln genauer unter die Lupe nehmen.4 Wir werfen zunächst einen Blick darauf, was die jeweilige Bedürfnisebene grundsätzlich bedeutet, dann überprüfen wir, was beim virtuellen Verhandeln anders ist, und im dritten Schritt erhalten Sie Empfehlungen und lernen Tools kennen, mit deren Hilfe Online-Verhandlungen produktiver werden können. Zuerst ein Blick auf die physiologischen Bedürfnisse:
Physiologische Bedürfnisse sind Grundbedürfnisse. Sie sind zum Erhalt des menschlichen Lebens notwendig. Verfügt der Raum, in dem wir sitzen, über ein angenehmes Raumklima? Verhandelnde wollen weder frieren noch schwitzen. Auch Hunger und Durst wollen gestillt sein. Ein gesundes Frühstück und genügend Wasser am Arbeitsplatz tragen wesentlich dazu bei, konzentriert arbeiten zu können. Wir benötigen genügend Sauerstoff zum Atmen. Verbrauchte Luft lässt die Aufmerksamkeit sinken, gut gelüftete Räume wirken dem entgegen. Auch die Haltung unseres Körpers spielt eine große Rolle beim Verhandeln vor dem Bildschirm. Habe ich einen Bürostuhl, auf dem ich lange und bequem sitzen kann? Ist meine Haltung aufrecht, oder schmerzt der Rücken? Kann ich beim virtuellen Verhandeln das Gesagte gut hören, oder knackt und rauscht es im Hintergrund? Kann ich das Präsentierte gut sehen, oder sind die Kacheln mit den Gesichtern der Verhandlungspartner auf Briefmarkengröße geschrumpft? Darüber hinaus frisst es Verhandelnde förmlich auf, dass ein so großer Teil der Aufmerksamkeit gebunden ist, das Rauschen zu durchdringen und Texte auf eng beschriebenen Folien zu entziffern. Last but not least spielt auch die Wahrnehmung der Umwelt eine große Rolle: Spielt der 15-jährige Sohn ein Computerspiel im Hintergrund und battelt sich mit seiner Gang? Wird im Nachbarhaus das Dach abgedeckt, und den ganzen Tag schon fallen Ziegel scheppernd in den Container? Telefoniert die Kollegin am Schreibtisch gegenüber mit ihrer durchdringenden Stimme? Es fällt nicht schwer nachzuvollziehen, wie groß der Einfluss gestillter physiologischer Bedürfnisse auf das Wohlbefinden ist. Von der gefüllten Kaffeekanne übers Fensteröffnen vor der Verhandlung bis zur Überprüfung der Präsentationstechnik – für diese Dinge war bisher der/die Einladende verantwortlich. Jetzt ist es Aufgabe jedes virtuell Verhandelnden selbst.
Verhandelnde befinden nicht mehr gemeinsam in einem Raum. Jeder Einzelne sitzt allein am Arbeitsplatz oder im Homeoffice. Damit ist jede:r virtuell Verhandelnde selbst für die Versorgung mit Essen und Getränken sowie für ein angenehmes Raumklima und eine gesunde Arbeitsumgebung zuständig. Auch die Qualität des zu Sehenden und Hörenden hängt maßgeblich von den gewählten technischen Lösungen ab. Außerdem regen virtuelle Verhandlungen nicht zur körperlichen Bewegung an, sodass auch in diesem Punkt der Verhandelnde Verantwortung für sich übernimmt.
VIRTUELL VERHANDELN. BEST PRACTICE
Vor Beginn der Online-Verhandlung mit der Technik vertraut machen, Tools testen und sich selbst einen Kaffee oder Tee kochen. Noch ein kleiner Tipp: Legen Sie sich eine Vorverhandlungscheckliste an, die all Ihre physiologischen Bedürfnisse auf einen Blick erfasst und sich in der Vorbereitung Punkt für Punkt abhaken lässt!
Für gutes Zusammenarbeiten im digitalen Raum benötigen wir vier Kanäle:
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Visualisierungs-Tool, zum Beispiel ein digitales Whiteboard für digitale Post-its.
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Sharing-Dienst oder eine Cloud-Lösung, um Inhalte zur Verfügung zu stellen.
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Videokonferenz-Tool, idealerweise mit Kachelansicht der Verhandelnden, um Echtzeit-Kommunikation zu ermöglichen.
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Kommunikationstool mit E-Mail- und Chatfunktion, auch dies ermöglicht Echtzeit-Kommunikation.
VIRTUELL VERHANDELN. BEST PRACTICE
Virtuell Verhandelnde müssen zwei Dinge gleichermaßen gut sehen können: sich gegenseitig und die Inhalte, die verhandelt werden. Benutzen Sie deshalb nach Möglichkeit zwei Bildschirme.