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Auf historischer Entdeckungsreise zwischen Ring und Gürtel Durch die Eingemeindung der Vorstädte ist Wien 1850 zur Großstadt geworden. Der Schaumburgergrund mit seinen Parkanlagen und Palais, das ländliche Matzleinsdorf, die junge erfolgreiche Industrie am Brillantengrund, Lichtental mit seinen zahlreichen Gasthäusern – das junge Wien war bunt und hat zahlreiche Persönlichkeiten hervorgebracht. Die Vielzahl der neuen Stadtteile und ihr so unterschiedlicher Charakter haben Wien gutgetan. Gerhard Tötschinger erzählt pointiert und unterhaltsam von Wallfahrtskirchen und Zündholzerfindung, Technikpionieren und Walzertraum, Tramway und Fidelio. Ein Buch für Wien-Kenner und solche, die es nach der Lektüre dieses Buches sein werden. Mit zahlreichen Abbildungen
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Seitenzahl: 242
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Gerhard Tötschinger
Vom Schaumburgergrund ins Lichtental
Gerhard Tötschinger
Die Wiener Bezirke IV bis IX
Wiener Geschichten für Fortgeschrittene
Mit 110 Abbildungenund ausführlichem Register
AMALTHEA
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© 2016 by Amalthea Signum Verlag, WienAlle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: Elisabeth Pirker, OFFBEAT Umschlagmotiv: Die Mariahilfer Straße mit der alten Laimgrubenkirche,handkoloriertes Glasdiapositiv, um 1905© IMAGNO/Österreichisches VolkshochschularchivLayout: Franz HannsHerstellung und Satz: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, HeimstettenGesetzt aus der 10/14 Excelsior LT StdISBN 978-3-99050-034-7eISBN 978-3-903083-19-6
1850 wurden zahlreiche Vororte und Vorstädte eingemeindet. Vorstädte hießen die Siedlungen zwischen Bastei und Linienwall, und waren sie noch so klein. Vororte lagen außerhalb des Linienwalls – und waren sie noch so groß. Wien wuchs mit einem Schlag, und als bald danach die Basteien fielen und die Ringstraße die alte Stadt zur modernen Metropole machte, muss das Leben für die noch im Biedermeier aufgewachsenen Menschen spannend, vielleicht seltsam gewesen sein.
Aus Hungelbrunn und dem Schaumburgergrund, Nikolsdorf, Matzleinsdorf, Hundsturm, Reinprechtsdorf, Laurenzergrund, Laimgrube, Windmühle, Magdalenengrund, Gumpendorf, Altlerchenfeld, St. Ulrich, Schottenfeld, Spittelberg, Alservorstadt, Breitenfeld, Strozzigrund, Michelbeuern, Himmelpfortgrund, Thurygrund, Althangrund, Rossau und Lichtental wurden die Bezirke IV bis IX: die Wieden, Margareten, Mariahilf, der Neubau, die Josefstadt, der Alsergrund.
Wir werden nicht chronologisch vorgehen, was heißt hier überhaupt logisch? Eine wörtlich logische Ordnung kann es in solch einem Buch nicht geben. Auch werden wir nicht exakt von Gasse zu Gasse wandern. Eine Vielzahl ausgezeichneter Bücher hat im Laufe der Jahrhunderte Spazierwege vorgestellt, wir schlagen keine Wanderrouten vor. Da oder dort wird der Ton sehr persönlich werden, wenn der Autor von seiner eigenen Wien-Geschichte eingeholt wird.
Und Bauwerke, die ohnehin in jedem Stadtführer ausführlich präsentiert werden, die also selbst von Besuchern aus dem Ausland leicht zu finden sind, werden wir vernachlässigen. So werden Karlskirche und Votivkirche weniger Platz einnehmen als jene Ziele, die man nicht so leicht selbst entdeckt.
Manches ist Folge der langen Vortragsreihe, mit der ich mich schon mehrmals durch alle Bezirke geredet habe. So danke ich zum Beispiel einem jungen Paar, das ab dem 3. Bezirk immer wieder im Auditorium war, dass ich die lange gesuchte Erzählung von Heimito von Doderer Ein anderer Kratki-Baschik endlich in Händen hielt, danke manchen Wien-Kennern, die mich auf Details ihres Heimatbezirks hingewiesen haben.
Zwischen der Stadtmauer und dem Glacis wuchsen im Laufe der Jahrhunderte viele Dörfer, ihre Namen haben sie an Straßen, Gassen, Plätze weitergegeben. Die prominentesten dieser kleinen Siedlungen bewiesen ihre besondere Bedeutung, wenn ganze neu geschaffene Bezirke die früheren Ortsbezeichnungen übernahmen.
Die Wieden ist fast so alt wie Wien, abgesehen von der Zeit der Kelten und der Römer. Ein Stiftungsbrief von Herzog Leopold VI. nennt den Dorfnamen im Jahr 1211. Er hat nichts mit einer Weide zu tun, auch wenn er im Bezirkswappen so interpretiert wird. Er kommt von Widum, gemeint – ein Pfarrgut.
Wer flanierende Touristen beobachtet, mag sich vielleicht manchmal wundern, dass der eine oder die andere einen eigenen Reiseführer für die Wieden in der Hand hält – das sind Reisende aus Polen, dort heißt Wien eben Wieden.
Die frühen Bewohner siedelten sich entlang einer Straße an, der einzigen, der Wiedner Hauptstraße. Sie verlässt das alte Wohngebiet, steigt an bis zur Höhe der Spinnerin am Kreuz, noch ein Blick zurück auf die schon ferne Stadt – und man ist auf dem Weg in den Süden. Der uralte Verkehrsweg führte und führt zuerst zu den Verwandten im Herzogtum Kärnten und weiter an die Adria, nach Venedig, nach Bologna und Rom.
Verließ man die Stadt durch das Kärntnertor, so bewegte man sich ab dem 15. Jahrhundert zuerst zwischen Zäunen, Mäuerchen, Gräben, einer zahmen Verlängerung der Stadtmauer, querte den Wienfluss über die Steinerne Brücke, fuhr oder ritt vorbei am Laszlaturm oder durch seine Tore. Der war ein eindrucksvolles Bollwerk.
Der Weg über den Wienfluss in den Süden, Albertinischer Plan
Der Albertinische Plan von 1455 nennt nur die wichtigsten Bauten Wiens mit Namen. Deutlich zu sehen sind das blaue Band der Wien, die Steinerne Brücke und gleich rechts Kirche und Spital »Zum heiligen Geist«. Die eingangs erwähnte Stiftung von 1211 betraf diese soziale Institution. Die Ordensbrüder kümmerten sich nicht nur um das Seelenheil der armen Insassen, sondern auch um ihre medizinische Versorgung, um Körperpflege. Der Orden stand in enger Verbindung zum Vatikan, das war Leopold VI. bei seiner Stiftung wohl bewusst gewesen. Almosen zu geben, Gutes zu tun war ja Christenpflicht, und man sicherte sich auf diese Weise einen günstigen Start ins Jenseits.
Bald kamen italienische Ärzte nach Wien und gaben hier Unterricht. Die 1365 gegründete Universität hielt engen Kontakt zum Orden und seinem Spital, was nicht nur der medizinischen Hilfe, sondern auch der frühen Forschung nützte. Am 12. Februar 1404 fand im Heiligengeistspital die erste anatomische Sektion von Wien statt. Das war nicht nur wissenschaftlich eine Sensation, denn die Kirche hatte gegen solche Praxis massive Vorbehalte. Allerdings begann bald nach diesem Datum der Einfluss des Klerus zu schwinden.
Die Reformation traf in Wien auf vorbereiteten Boden, auf Unzufriedenheit. Um 1520 gab es im Heiligengeistspital nicht einen einzigen Ordensbruder mehr, aus Rom reiste Dr. Jakob Nagel an, der Großmeister. Er setzte sich für Erhalt und Zukunft des Spitals und der Kirche ein, aber er konnte keine Wunder wirken. Und nur ein Wunder hätte im Herbst 1529 die Bauwerke außerhalb der Stadtmauern vor den osmanischen Horden retten können. Die Brandruinen wurden später nicht restauriert, auch die Heiligengeistmühle neben der Steinernen Brücke verfiel, obwohl sie bis zum Türkensturm die wichtigste Mühle Wiens gewesen war. Direkt an der Straße gelegen, kamen bei ihr die hoch beladenen Erntewagen von den Bauernhöfen und Gütern südlich von Wien an. Der Müllermeister hatte das Recht und die Pflicht, die Getreidelieferungen auf andere Mühlen der Stadt zu verteilen. Und weil er auch eine Bierausschankkonzession hatte, wird es dem Heiligengeistmüller nicht schlecht gegangen sein. Mit 1529 war diese goldene Zeit vorbei, die nahe Bärenmühle trat die Nachfolge an.
À propos Mühle: Das älteste Haus nicht nur der Wieden, nein, von ganz Wien wird wohl die Heumühle sein. Der Mühlbach, er verlief als Seitenarm neben dem Wienfluss, versorgte die Mühlräder der Schleifmühle, der Bärenmühle und der Heiligengeistmühle und wurde ebenso von der Heumühle in Anspruch genommen.
Diese wurde auch Steinmühle genannt, stand im Besitz des Wiener Bischofs und wurde wie der mächtige Laszlaturm und fast alle anderen Gebäude der Siedlung ein Opfer der Türken. Sie wurde wiedererbaut, wenn auch verändert, das Mühlrad klapperte weiter munter am rauschenden Bach – bis 1683, da setzten die Osmanen fort, was sie 1529 begonnen hatten.
Doch die Heumühle, die mit der Bärenmühle für Wiens Versorgung sehr wichtig war, wurde abermals neu aufgebaut. Nun war sie freilich schon ziemlich verändert. Wer dieses älteste Haus der Stadt – nur Kirchen sind älter – besuchen will, ja vielleicht gar für eine eigene Veranstaltung nutzen will, kann das tun. In der Schönbrunner Straße 2 steht das rundum erneuerte Haus, dessen historischer Kern aus dem 14. Jahrhundert erhalten ist.
Aus sanitären Gründen beschloss der Wiener Gemeinderat 1856, den Mühlbach zuschütten zu lassen. Das war eine teure Sache – man musste den Bach dem Besitzer um 30000 Gulden ablösen, der Erzdiözese Wien. Die Summe entsprach ungefähr zwölf Jahresgehältern eines einfachen Handwerkergesellen.
Sprechende Straßennamen erinnern an den nunmehr unterirdisch fließenden Mühlbach und seine Mühlen – Schleifmühlgasse, Heumühlgasse, Mühlgasse, Bärenmühldurchgang. Und wenn diese Straßen selbst sprechen könnten … Die Heumühlgasse 10 stand einst im Besitz der Soubrette Mizzi Kaspar. Musste sie eine Berufsbezeichnung angeben, so war es »Hausbesitzerin«. Die Nr. 10 ist noch dazu ein Eckhaus, dreistöckig! »Eckhausbesitzer« war für die alten Wiener ein halber Adelstitel. Und diese Nr. 10 hatte in der Tat eine enge Beziehung zum Adel, zum allerhöchsten, ebenso wie die Besitzerin. Kronprinz Rudolf hatte ihr 1887 das Haus gekauft, um 60 000 Gulden. Als er zwei Jahre später starb, bedachte er sie in seinem Testament mit 30 000 Gulden. Wieder zwei Jahre später, 1891, verkaufte Marcella »Mizzi« Kaspar das Haus. Sie blieb dem Bezirk treu und zog in die Paniglgasse 19.
Die Schleifmühlgasse – eine Fundgrube! Während wir vom 4. Bezirk in den 9. spazieren, hat der einstige Hausherr von Nr. 12 den Weg in die Gegenrichtung genommen. 1718 kam Peter Lichtmanegger aus dem Lichtental und erwarb ein Grundstück, auf dem er sein Bierhaus »Zum goldenen Fassl« errichtete. Bis 1936 haben Lichtmaneggers Nachfolger noch ausgeschenkt, danach hat das Haus die moderne Stadtplanung nicht überlebt. Unter seinen Stammgästen befanden sich viele Bewohner des benachbarten Gebäudekomplexes, des Freihauses.
Am Haus Ecke Margaretenstraße 10 und Operngasse 25 berichtet ein buntes Sgraffito vom Starhemberg’schen Freihaus. 1642 erwarb Conrad Balthasar Graf Starhemberg mehrere Grundstücke zwischen der Wien und ihren Seitenarmen, nach dem neuen Herrn Conradswörth genannt, -wörth meint wie im 2. Bezirk eine Insel. Er baute ein Haus, das brannte ab, er baute ein neues und vererbte das Anwesen seinem Sohn Ernst Rüdiger. 1647 hatte Kaiser Ferdinand III. einen Freibrief ausgestellt, der den Starhembergs die Steuerfreiheit zusicherte sowie die Gerichtsbarkeit über alle Bewohner des Komplexes. Doch auch das neue Haus durfte nicht lange stehen bleiben – angesichts der heranrückenden Osmanen wurde es auf Starhembergs Befehl geschleift, es sollte dem Feind keine Deckung geben.
Modell des Freihauses, von oben, Bezirksmuseum
Kaum waren die erfolglosen Türken wieder fort, wurde abermals gebaut, diesmal in großem Maßstab. Ab 1694 bedeckte der Neubau nach und nach eine riesige Fläche, die wir uns zwischen Wiedner Hauptstraße, Mühlgasse, Resselgasse und Schleifmühlgasse vorstellen können.
In sechs Höfen mit 31 Stiegen lebten rund 1000 Bewohner im Freihaus, dem größten Mietshaus von Wien. Zu ihnen gehörte ab 1789 Emanuel Schikaneder, ein Regensburger Theaterunternehmer. Er war mit seiner ambulanten Künstlertruppe 1780 in Salzburg zu Gast gewesen, dort hatte er Leopold Mozarts Bekanntschaft gemacht und sich mit dessen Sohn Wolfgang, er war fünf Jahre jünger, auch gleich gut vertragen. Im Starhemberg’schen Freihaus hatte man 1787 ein einfaches Theater errichtet, der erste Direktor war der Wanderbühnenimpresario Christian Roßbach, er kam aus Fulda. Zwei Jahre später folgte ihm Emanuel Schikaneder, der sich schon einen guten Namen gemacht hatte. Sein Repertoire ist das typische dieser Jahre: derbe Volksstücke, Kasperlszenen, Zauberpossen, Singspiele, alles jedoch mit einem gewissen Anspruch auf Höheres.
Das hatte zur Folge, dass sogar der Kaiser selbst das Freihaustheater besuchte. Im September 1791 erschien Leopold II. in Begleitung des Kronprinzen Franz zu einer Vorstellung von Ludwig Herzog von Steiermark aus der Feder von Schikaneder, der am Zenit seiner Berufslaufbahn stand und sich einem weiteren Höhepunkt näherte.
1791 gab Emanuel Schikaneder seinem Freimaurerbruder Mozart den Auftrag zur Komposition einer »Zauberoper«. Dies kam dem Komponisten sehr gelegen, er steckte in schweren wirtschaftlichen Problemen.
Die Arbeit an der neuen Oper ging aber durch Reisen und andere Kompositionspläne sehr zögerlich voran. So holte der Direktor, der das Libretto selbst verfasst hatte, seinen Kompositeur aus der häuslichen Ablenkung und setzte ihn in eine Holzhütte, ein Salettl, in einem Hof des Freihauses. Dort sollte Mozart in Ruhe arbeiten können.
Das Zauberflötenhäuschen, heute im Mozarteum Salzburg
Konnte er aber nicht! Im nur wenige Schritte entfernten Theater gab es viele Vorstellungen, Sängerinnen und Schauspieler wollten zusehen, wie ihre künftigen Rollen und Gesangspartien entstanden; in dem Salettl soll es sehr lustig zugegangen sein. Mozart hatte den fröhlichen Betrieb lieber als die konzentrierte Ruhe, und wirklich war die neue Oper innerhalb weniger Wochen bereit.
Am 30. September 1791 erlebte das Publikum auf den harten Bänken des Theaters auf der Wieden Weltgeschichte – die Uraufführung der Zauberflöte. Sie hatte von Anfang an Erfolg, es gab aber auch Kritik: Das Libretto sei frauenfeindlich, es stecke voller Widersprüchlichkeiten. Das Wort und die Musik trafen auf ein kundiges Publikum, das für Geheimnisse und Bühnenmystik ebenso zu haben war wie für Koloraturarien und Couplets. Der Direktor selbst gab eine der Hauptrollen, den Papageno, und muss sich als Bühnenkünstler wie auch als Unternehmer über den Publikumszuspruch gefreut haben. Die Kasse war voll.
Mozart jedenfalls hat sich gefreut, davon kann man sich in seinen Briefen überzeugen. Seine Frau Constanze war in Baden zur Kur, er schrieb ihr oft, so am 7. Oktober 1791, die Oper sei voll gewesen wie »allzeit«: »Um halb 6 uhr gieng ich beim Stubentor hinaus – und machte meinen favorit Spaziergang über die Glacis ins Theater …« Mozart kam immer wieder in die Vorstellung, übernahm manchmal die Leitung und lebte seinen Übermut aus, indem er seinen Direktor auf den Arm nahm: »Nun gieng ich auf das Theater bey der Arie des Papageno mit dem Glocken-Spiel, weil ich heute so einen Trieb fühlte es selbst zu spielen – da machte ich nun den Spaß, wie Schikaneder eine Haltung (= Pause) hat, so machte ich ein Arpeggio, der erschrak, schaute in die Szene und sah mich. Als es das 2te Mal kam, machte ich es nicht – nun hielt er und wollte gar nicht mehr weiter – ich erriet seinen Gedanken und machte wieder einen Accord, dann schlug er auf das Glockenspiel und sagte Halts Maul. Alles lachte dann.« Und Mozart freute sich schon darauf, mit Constanze in einer Loge zu sitzen, »so bald du zurück kömmst«.
Doch als sie zurückkam, blieben dem Ehepaar nur noch wenige Tage. Das Publikum war nicht einhellig überzeugt. Am 9. Oktober 1791 hat der Korrespondent im Berliner Musikalischen Wochenblatt berichtet, die Zauberflöte finde den »gehofften Beifall nicht, weil der Inhalt und die Sprache des Stücks gar zu schlecht sind«.
Das Werk hat seinem Direktor dennoch viele frohe Tage bereitet. Bis zur Schließung des Theaters wurde es 223 Mal gegeben. Schikaneder war von seinem Libretto allerdings mehr als überzeugt. Von ihm ist die Äußerung überliefert: »Welchen Erfolg hätte ich mit meiner Zauberflöte haben können, hätte ich nur einen besseren Komponisten gehabt.«
Das Freihausmodell, Außenansicht
Schikaneder war eine Zeit lang erfolgreich, dann jedoch ereilte ihn das Schicksal vieler seiner Kollegen, das Geld wurde knapp. Da kam ihm ein theaterbegeisterter Amateur gerade recht: der Kaufmann Balthasar Zitterbarth. Er kaufte ihm das Freihaustheater ab, und Schikaneder konnte mit dem Geld ein neues Theater bauen, größer und schöner – das Theater an der Wien.
So wurde am 11. Juni 1801 zum letzten Mal im Freihaus gespielt, dann übersiedelte die Schikanederische Truppe ins neue Haus. Das Freihaustheater verkam langsam und wurde 1809 abgerissen; brauchbare Teile hat man zu Wohnräumen umgebaut.
Zurück blieb als leere Erinnerung an lustige Tage das Salettl. Da stand der kleine Holzbau ohne Verwendung, die Freihausmieter werden vielleicht einmal gehört haben, dass er etwas mit Mozart zu tun hatte, aber was, das geriet in Vergessenheit. Hingegen war das Mozarteum in Salzburg weniger vergesslich. 1863 wurde das Häuschen abgebaut, verpackt, nach Salzburg transportiert, und dort steht es nun im Hof des Mozarteums, ein Glanzstück der ohnehin reichen Devotionaliensammlung der Geburtsstadt des Genies.
Wien könnte das Zauberflötensalettl gut brauchen, aber die Stadt hat ihre Chance gehabt und nicht genutzt. Wolfgang Amadé hat in Wien an vielen Adressen gewohnt, nichts davon ist geblieben außer dem Figarohaus in der Innenstadt; das freilich ist eine Reise wert.
An die Zauberflöte muss man nicht erinnern, sie ist weltweit lebendig, die Wieden ist natürlich besonders stolz. Tamino und Pamina schreiten, beschützt von der wundersamen Flöte, durch die Wasserprobe im 2. Akt, dargestellt am Mozartbrunnen, einem Werk von Carl Wollek, auf dem Mozartplatz. 1905 wurde diese bedeutende Plastik der Secessionskunst enthüllt. In der Lehárgasse, an Schikaneders prächtigem Theaterbau, sieht man Papageno mit seinen jüngeren Geschwistern, aber da sind wir ja schon im nächsten Bezirk. Ganz nahe, in der Operngasse 26, Ecke Faulmanngasse, gibt es noch einen Papageno, eine bunte Keramik des Jahres 1937. Das war eine Zeit, als Wien Abschied nahm vom dreihundert Jahre alten Kuriosum Freihaus.
Dieses größte Zinshaus des damaligen Wien hatte drei große Brände überstanden, 1657, 1683 und 1759. Dann ist es noch einmal gewachsen, 1786 wurde ein zweites Stockwerk aufgesetzt, der Hausherr erhöhte seine steuerfreie Einnahme. Man hat errechnet, dass die fürstliche Familie Starhemberg um 1800 pro Stunde einen Dukaten eingenommen hat. In 340 Wohnungen lebte man einen ruhigen Alltag, den großen Markt vor der Haustüre, in den Höfen eine Kirche, eine Apotheke, Werkstätten und eben einige Jahre auch ein eigenes Theater! Man muss sich diese ungewöhnliche Anlage als der Augsburger Fuggerei ähnlich vorstellen, mag dabei auch an die großen Prälatenhöfe der Innenstadt denken, den Melker Hof, den Heiligenkreuzerhof.
Alle diese Anlagen und eben auch das Freihaus hatten Atmosphäre und Charakter einer Kleinstadt. Aber ringsum wuchs die Großstadt und bedrohte mehr und mehr die Idylle. Zu Bürgermeister Luegers Zeit fasste man zum ersten Mal den Plan zum Abbruch. In Wien kann so etwas dauern, zudem gab es eine Fülle aktueller Projekte: die moderne Energieversorgung, die zweite Hochquellenwasserleitung, das Lainzer Krankenhaus, die Elektrifizierung der Pferdetramway und der Stadtbahn – der Abbruch begann erst 1913. Im großen Krieg hatte man erst recht andere Probleme, so dauerte es bis 1937, dann war das Freihaus großteils geschleift. Die Bomben des Zweiten Weltkrieges führten zu weiteren schweren Schäden, nur einige Reste des Monsterbaus standen noch bis in die 70er-Jahre.
Freihaus mit dem alten Naschmarkt, Bild von Carl Pippich, 1916
Das Haus Operngasse 36 vermag den Flaneur in seinem Freihausverständnis zu unterstützen. Ein Sgraffito zeigt laut Inschrift Das alte Freihaus und die neuen Straßenzüge. Mag es auch nicht ganz genau sein, so kann man sich doch ein Bild machen; es zeigt auch die Rosalienkapelle und das Theater.
An Gebäuden mit großer Vergangenheit herrscht im 4. Bezirk kein Mangel. Freilich sind ebenso viele auf die eine oder andere Weise verschwunden. Wenn sie wie das Freihaus Platz gemacht haben für größeren, gesünderen Wohnraum, so begreift man die Schleifung. Aber in vielen Fällen steckten fehlende Weitsicht oder Spekulation hinter den Abbruchprojekten.
Ein Paradebeispiel auf der Wieden ist die Geschichte des Palais Erzherzog Rainer. Die Nr. 63 der Wiedner Hauptstraße war das Palais Engelskirchner, erbaut von einem reichen, aus den Niederlanden stammenden Textilgroßhändler. 1724 wurde es verkauft, wechselte oft den Besitzer. Im Biedermeier erwarb Heinrich von Geymüller das Palais und die barocke Gartenanlage. Der Bankier war ein Mann des Fortschritts, sein neuer Besitz bekam als erstes Privatgebäude der Stadt eine Gasbeleuchtung.
Auch der nächste Hausherr dachte modern. Erzherzog Rainer war ein ungewöhnliches Mitglied des Herrscherhauses. Er kam 1827 in Modena zur Welt, ein Enkel von Kaiser Leopold II. Mit 17 Jahren verließ er Italien und wurde ein Wiener. Er war liberal gesinnt, setzte sich für eine ehrliche Verfassung ein, hatte umfangreiche wissenschaftliche Kenntnisse und Interessen. Zwar trug er bei allen offiziellen Anlässen und sogar privat seine Generalsuniform, doch er besuchte auch gerne in Zivil ein Gasthaus und ging auf ein Krügel Bier.
Der Haupttrakt seines Palais stand am oberen Ende des steil zur Wiedner Haupstraße absinkenden Grundstücks, Rainergasse 18. Solch ein Standort wurde anderen Möglichkeiten vorgezogen. Diese Landschlösser, in der Sprache ihrer Zeit Villeggiaturen, ahmten einander beziehungsweise den französischen Stil nach. Auf zahlreichen Stichen informierten sich Bauherren und Baukünstler über den Dernier Cri. Und das war vor allem Versailles. Ludwig XIV. war auf seine Schöpfung nicht wenig stolz und förderte die Verbreitung ihrer Abbildungen, um mit der Pracht seiner Schlösser und Gärten seinen persönlichen Glanz zu erhöhen.
Die Baumeister wussten diese Darstellungen zu deuten und umzusetzen. Das Barock schätzte hügeliges Gelände. Eine gewisse Anhöhe, am besten in den Vorstädten der heutigen Bezirke Landstraße und Wieden, bot einen Blick über die Stadt hinweg zum Kahlenberg, zum Leopoldsberg. Und dieser Blick wurde durch die Gartenkunst gelenkt – das Blumenparterre wird von dunklen Hecken begrenzt, Statuen und Brunnen bieten dem Auge Überraschungen. Wir müssen uns diese noch ländlichen Vorstädte nach der Türkennot vorstellen – Bauer und Stadtbürger mussten nicht unentwegt um Besitz, Leben, Familie zittern. So entstand rund um Wien eine weitläufige Gartenlandschaft voller Landschlösser, deren Erbauer zumeist geschichtsträchtige Namen trugen: Das Kaiserhaus selbst zählte dazu und Liechtenstein, Savoyen, Schwarzenberg, Arenberg, Starhemberg, Schönborn. Als der Residenzstadt durch die Kuruzzen neue Gefahr drohte, wurde 1704 auf Wunsch des Prinzen Eugen ein neues Befestigungssystem angelegt: der Linienwall.
Erzherzog Rainer zu Pferd in Baden vor dem Kaiser-Franz-Josef-Museum, 1909
Erzherzog Rainer geht über den Naschmarkt. Aquarell von Alfred Gerstenbrand
Von dieser Anhöhe in der Rainergasse muss der Blick über die Stadt viel Freude bereitet haben, der Erzherzog wusste das zu schätzen. In Baden bei Wien erwarb er 1873 seine Sommerresidenz, den ersten Villenbau des jungen Otto Wagner. Seinem Wiener Stadtschloss ließ er eine Bibliothek anbauen, er umgab sich mit 40 000 teuer gebundenen Büchern. Die Sammlung von rund 100 000 Papyri, die er in Ägypten erworben hatte, schenkte er der Hofbibliothek (heute Nationalbibliothek), die damit die weltweit größte Sammlung dieser Art besitzt.
Von alldem wussten die Menschen, mit denen Erzherzog Rainer leutselig und freundlich Tag für Tag umging, nichts oder nur wenig. Der Erzherzog spazierte gerne zu Fuß durch die Stadt, beliebt und unentwegt gegrüßt. »Herr von Rainer« nannten ihn die Marktfrauen. Der Wiener Zeichner und Karikaturist Alfred Gerstenbrand erlebte eine solche Szene als Einjährig-Freiwilliger, als Artillerieoffizierslehrling, und rühmt die chevalereske Höflichkeit dieses Habsburgers: »Also, ich hab auf dem Weg in die Kasern immer über den Naschmarkt gehen müssen. Da hab ich einmal den Erzherzog Rainer getroffen, der ja sein Palais in der Näh’ gehabt hat. Natürlich hab ich mich zusammen gerissen und so stramm wie möglich Front gemacht und salutiert. Er hat sofort die Hand gehoben und mir danken wollen, da sind im nämlichen Augenblick zwei Standlerinnen zu einer Art Hofknicks niedergerauscht und haben geplärrt: ›Küß die Hand, Herr von Rainer!‹ No, und da hat er sich zu ihnen gekehrt und ihnen zuerst gedankt und dann erst mir. Er war halt ein Kavalier.«
1913 ist er gestorben. Bei seinem Tod sagte Kaiser Franz Joseph I. zu seinem Generaladjutanten Paar: »Er war ja schon ein sehr alter Mann!« Erzherzog Rainer war drei Jahre älter als sein Vetter, der Kaiser, der ihm 1916 gefolgt ist.
Da stand das Palais schon lange leer. Im Zweiten Weltkrieg kam es zu einigen Schäden, die aber die sowjetische Besatzungsmacht nicht daran hinderten, ihr Offizierscasino dort einzurichten. Nach 1955 hätte sich zwar aus dem ramponierten Prachtbau wieder etwas machen lassen, angesichts der vielen baulichen Verluste auf der Wieden. Doch die Zeit war nicht dafür. 1961 wurde das Palais geschleift. Bis 1965 baute die Reifenfirma Semperit ein Verwaltungsgebäude. Lange gebrauchte die AG dieses Riesenhaus freilich nicht, 1973 konnte sie nur mithilfe des Staates gerettet werden. Dann gab Semperit den Geist auf. Immerhin erhielt dadurch die Bundeswirtschaftskammer einen neuen, geräumigen Sitz.
Ein gewisser Trost – Semperit sorgte 1961–1965 für Kunst »am Bau« und auch »im Bau«. Erste österreichische Künstler kamen zum Einsatz – Fritz Wotruba, Max Weiler, Paul Flora und Joannis Avramidis.
Carl Moll: der alte Naschmarkt
Der Naschmarkt, den Erzherzog Rainer auf dem Bild von Gerstenbrand durchschreitet, hatte seinen Standort bis 1900 auf der Wieden, zwischen Freihaus, evangelischer Schule und Polytechnicum. 1793 wurde verfügt, alles Obst und Gemüse, das auf Wagen nach Wien geliefert wurde, sei hier zu verkaufen. Hingegen wurde, was über die Donau in die Stadt kam, am Schanzelmarkt angeboten, nahe dem Roten Turm, bei der Schwedenbrücke, ab dem späten 19. Jahrhundert ungefähr beim heutigen Ringturm.
Als man an die Regulierung des Wienflusses schritt, wurde der Naschmarkt provisorisch verlegt. Das Flussbett verschwand, wurde bis zur Schleifmühlgasse überwölbt. 1902 ließ die Stadt drei Zeilen mit pavillonähnlichen Marktständen errichten, und wie so oft wurde aus dem Provisorium ein Dauerzustand.
Wäre es nach der Planung der Gemeinde Wien gegangen, so gäbe es den Naschmarkt schon lange nicht mehr. Eine Stadtautobahn sollte vom Zentrum an den Stadtrand führen, und auch der Markt sollte am Stadtrand modern wiedererrichtet werden. Doch die 1970er-Jahre waren nicht nur von erschreckenden Fehlplanungen geprägt, sondern auch von Bürgerinitiativen, die deren Folge waren. Architekten, Architekturstudenten, Journalisten setzten sich zur Wehr, wie eine Schülerin von Gustav Peichl, die spätere Kulturstadträtin Ursula Pasterk.
Am 27. Juni 1976 wurde in der Arena, dem früheren St. Marxer Schlachthof, das Musical Schabernack uraufgeführt, das den Plan »Autobahn statt Naschmarkt« als Handlungsbasis hatte. Am selben Abend riefen die Schmetterlinge, eine politisch engagierte Folkband um den Autor Heinz Rudolf Unger und den Sänger Willi Resetarits, zu einem »Fest gegen die Schleifung des Naschmarkts«. Die Wucht der monatelang anhaltenden Protestaktionen führte zu kommunalpolitischem Umdenken. So konnte sich das Provisorium von 1902 erhalten, die bewährte Tradition überlebte.
Längst legendär war die »Frau Sopherl«. Die »Standlerinnen« wirkten in der Stadt, in den Vorstädten wurden sie »Höckerinnen« genannt. Der Wiener Journalist und Dichter Vinzenz Chiavacci (1847–1916) setzte den urbanen Marktfrauen ein literarisches Denkmal. Seine »Frau Sopherl« war deren Ideal – eine starke Frau, selbstsicher, selbstbewusst. Ihr Minnesänger Chiavacci beschreibt sie so: »Eine robuste, wohl gerundete Gestalt mit einem gutmütigen, von derber Gesundheit strotzendem Gesicht, aus dem zwei kluge, muntere Augen blitzen, ein Mund, dessen energischen Linien man ansieht, daß er in ewiger Bewegung ist … Den reichen Wortschatz des Wiener Dialekts und die traditionelle Volksweisheit … beherrscht sie mit souveräner Gewalt, nicht angekränkelt von des Gedankens Blässe.«
Frau Sopherl
Die Standlerinnen waren bekannt für ihre Schlagfertigkeit – und beliebt. Sie umwarben die Kundschaft – »Bitte, schöner Herr, sehr gerne, Frau Baronin!« –, solange man mit ihren Preisen einverstanden war. Begann man zu handeln oder gar zu kritisieren, ging ein Donnerwetter los. Wen es nicht getroffen hatte, der konnte gut lachen über den Wortschwall.
Meine Urgroßmutter, von Krakau nach Wien umgezogen, kannte die Bräuche noch nicht so genau, ging mit ihrer Köchin einkaufen und lehnte den genannten Preis ab. Einige Schritte – dann kam der Schlag ins Kreuz. Frau Sopherl hatte ihr die beanstandete Melone nachgeworfen, treffsicher. Die Köchin hätte es wohl besser gewusst, blieb aber wohlweislich still. Die Sopherl war solidarisch mit der dienenden Klasse und zielte erfolgreich auf die Herrschaft. Die hatte noch Glück, und es wurde eine durch Jahrzehnte weitergereichte Familienanekdote daraus.
Im Wienerlied heißt es:
Drüben am Naschmarkt, auf der Wieden, geht ein Stutzer promenieren.
Sagt am Standl zur Frau Sophie – sag, was kosten deine Birn?
Na vier Kreuzer, sagt Frau Sophie zu dem Kerl net verleg’n, doch der will ihr für die Birnen nur zwa Kreuzer niederlegen.
Bumsti, hat er eine Ohrfeigen und Frau Sopherl sagt zu ihm:
Ja, auf der Lahmgruab’n und auf der Wieden sein die Birn halt sehr verschieden.
Dazu ist zu sagen, dass im Urwienerischen »Birnen« auch »Verprügeln« bedeutet. Im originalen Text ist zwar von einer »Sali« die Rede, doch wir bleiben der Sopherl treu.
Der Naschmarkt liegt am Rande des Bezirks und ist dennoch ein Zentrum der Wieden. Aber er gehört nicht zu ihr – denn der unhaltbare Zustand, dass in Wien irgendetwas nicht klar geregelt ist, wie in Berlin, führte zu einem Gemeinderatsbeschluss im Jahre 2009, der den Wiedner Anteil dem 6. Bezirk übertrug. Die Bezirksgrenze war bis dahin quer durch den Naschmarkt verlaufen, der eine Trinker saß noch auf der Wieden, die einkaufende Ehefrau …
Wenn man auf der Wieden ein wirkliches Zentrum mit historischen Wurzeln sucht, ist es der kleine Rilkeplatz. Zwischen diesem und dem Hotel Triest an der Hauptstraße stand der Laszlaturm, ein festes Bollwerk, das seinen Namen dem festlichen Einzug des jugendlichen Königs Ladislaus, Laszlo, Postumus nach Wien verdankt. Der Name des kleinen Platzes meint nicht einen direkten Bezug des Namensgebers zur Wieden, er ist Ausdruck der Verehrung. Pure Geschichte ist die Dreiecksform – sie kommt auf der Wieden mehrmals vor und war typisch für Dorfanger des frühen Mittelalters.
Rilke hat mit seinem Platz nichts zu tun, er kam in Prag zur Welt, in Montreux liegt sein Grab. Aber viele andere berühmte Menschen, Künstler vor allem, haben auf der Wieden gelebt. Aus der Oberpfalz kam der Pionier der deutschen Oper, Christoph Willibald Gluck. Er legte seiner Zeit entsprechend großen Wert auf seinen kleinen Adel, also nannte er sich Chr. W. Ritter von Gluck. Was für ein Ritter war er? Er trug den Speron d’oro, den Orden vom Goldenen Sporn. Der wurde und wird vom Papst verliehen – auch Mozart hat ihn getragen. Aber wir kennen keine Briefe, in denen sich Wolfgang Amadé als W. A. Ritter von Mozart bezeichnet hätte.
Chacun à son goût. Gluck lebte 35 Jahre lang, bis zu seinem Tod 1787, im Haus »Zum silbernen Löwen«, Wiedner Hauptstraße 32. Stolz verweist es selbst über seinem Tor auf den Namen des früheren Besitzers. Seit vielen Jahren dient der »Silberne Löwe« dem Roten Kreuz als Zentrale.
Dieses Haus steht in enger Beziehung zum Leben eines weiteren Komponisten. Spät in seinem kurzen Leben konnte Franz Schubert ein eigenes Klavier erwerben, bis dahin war er von seinem klavierbesitzenden Freundeskreis abhängig. Dazu zählte der Maler August Wilhelm Rieder. Zwar war auch er immer wieder auf die Hilfe von Freunden angewiesen, weil ihm die Lebenshaltungskosten ständiges Problem waren. Erst als Kustos der Belvedere-Galerie konnte er sich eine eigene Wohnung leisten, im Gluckhaus, mit einem Klavier. Schubert wohnte nahe, an der heutigen Adresse Technikerstraße 9. So konnte er schnell bei seinem Freund Rieder sein, und das recht oft. Wenn der Maler seine Ruhe haben wollte, wurden die Vorhänge zur Straße hin zugezogen, das Zeichen respektiert. Immer wieder hat Rieder den Freund porträtiert, das bekannteste aller Schubert-Bilder ist sein Werk. Moritz von Schwind hat es als das beste gelobt.
W. A. Rieder, Schubert-Porträt
Johann Strauß Sohn ist in der Lerchenfelder Straße geboren worden, heute Bezirk Neubau, lebte in der Leopoldstadt, dann in Hietzing, wieder in der Leopoldstadt, diesmal auf der Praterstraße.