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In 'Vom unfreien Willen', geschrieben von Martin Luther, widmet sich der Autor einem zentralen theologischen und philosophischen Thema. Luther beleuchtet die Frage der menschlichen Willensfreiheit und argumentiert, dass der Mensch in seinem Glauben und Handeln letztendlich durch Gott bestimmt ist. Dieses Werk ist nicht nur ein theologisches Traktat, sondern auch ein literarisches Meisterwerk, das Luthers klaren und kraftvollen Schreibstil zeigt. In seiner Zeit war Martin Luther ein bedeutender Reformator und seine Schriften hatten einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Christentums. 'Vom unfreien Willen' ist ein wichtiges Werk, um Luthers Denken und seine theologischen Überzeugungen besser zu verstehen.
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Dem ehrwürdigen Manne, Herrn Erasmus von Rotterdam, wünscht Martin Luther Gnade und Friede in Christo.
Daß ich so spät auf deine Diatribe (Abhandlung) vom freien Willen antworte, ehrwürdiger Erasmus, ist geschehen wider das Erwarten aller und gegen meine Weise, da man gesehen hat, daß ich bisher derartige Gelegenheiten, zu schreiben, nicht allein gern ergriffen, sondern sogar aus freien Stücken gesucht habe. Es wird sich vielleicht mancher wundern über diese neue und ungewöhnliche Geduld oder gar Furcht Luthers, daß ihn nicht einmal so viele prahlerische Reden und Schriften der Gegner aufgestachelt haben, die dem Erasmus zu seinem Siege Glück wünschten und ein Triumphlied sangen, nämlich: Hat dieser Maccabäus und der so fest über seiner Lehre hielt, endlich einen würdigen Gegner gefunden, gegen den er auch nicht zu mucken wagt? Doch ich mache diesen Leuten nicht nur keinen Vorwurf, sondern gestehe dir sogar selbst den Preis zu, den ich zuvor niemandem zugestanden habe, nicht allein, weil du mich an Gaben der Beredsamkeit und Verstand gar weit übertriffst (diesen Preis gestehen wir alle dir mit Recht zu, um so mehr als ich, ein in den alten Sprachen Ungebildeter, immer mit Leuten meines Gleichen verkehrt habe), sondern auch, weil du meinen Geist und Ungestüm zurückgehalten hast und mich schlaff gemacht hast vor dem Kampfe, und zwar auf zweierlei Weise. Zuerst durch Kunst, daß du nämlich diese Sache, in der du mir entgegen getreten bist, mit wunderbarer und beständiger Zurückhaltung handelst, so daß ich wider dich nicht gereizt werden konnte, zum andern, durch ein Ungefähr, sei es aus Zufall, oder aus Verhängnis, daß du in einer so großen Sache nichts sagst, was nicht schon früher gesagt worden ist, und sogar weniger sagst und dem freien Willen mehr zuschreibst, als bisher die Sophisten gesagt und zugeschrieben haben (davon werde ich nachher mehr sagen), daß es mir auch ganz überflüssig schien, auf deine nichtigen Gründe zu antworten. Denn sie sind auch von mir so oft widerlegt, aber ganz und gar über den Haufen geworfen und vernichtet durch das unüberwindliche Büchlein des Philipp Melanchthon, Loci Communes, welches nach meinem Urtheil werth ist, nicht allein, daß es ewig bleibe, sondern auch, daß es in der Kirche als eine Richtschnur gelte. Als ich hiemit dein Büchlein verglich, ist mir dieses so verächtlich und gering geworden, daß ich ein großes Mitleiden mit dir trug, weil du deine sehr schöne und geschickte Art zu reden mit solchem Schmutze besudeltest, und ich unwillig wurde über die Sache, die ganz unwürdig ist, in so köstlichem Redeschmuck vorgetragen zu werden, gleichsam als wenn Unrath oder Mist in goldenen oder silbernen Gefäßen getragen würde. Dies scheinst du auch selbst durchgefühlt zu haben, da du so schwer daran gegangen bist, in dieser Sache zu schreiben. Denn dein Gewissen hat dich gewarnt, es werde so komme, daß du mir kein Blendwerk vor Augen machen könntest, mit wie großer Macht der Beredsamkeit du die Sache auch angreifen möchtest, und ich würde nach Entfernung des Wortschmucks den Bodensatz selbst ganz deutlich erkennen. Denn „ob ich albern bin mit Reden, so bin ich“, durch Gottes Gnade, „doch nicht albern in dem Erkenntniß“ (2 Cor. 11,6.), denn so wage ich mit Paulus mir die Erkenntniß beizulegen und sie dir zuversichtlich abzusprechen, wiewohl ich dir Beredsamkeit und große Gaben beilege und sie mir willig und billig abspreche. Demgemäß habe ich so gedacht: wenn es Leute gibt, welche unsere Lehre, die wir so fest und gewaltig aus der Schrift bewährt haben, nicht besser gefaßt haben und nicht fester halten, als daß sie sich durch die geringfügigen und nichtigen Gründe des Erasmus bewegen lassen, wenn sie auch noch so zierlich sind, die sind nicht werth, daß ihnen durch meine Antwort geholfen werde, denn für solche Leute könnte man nicht genugsam reden oder schreiben, auch nicht, wenn viele tausend Bücher auch tausendmal wiederholt würden. Denn das wäre eine solche Arbeit, als wenn man das Meeresgestade pflügte und Samen in den Sand streute, oder ein löcherichtes Faß mit Wasser füllen wollte. Denn denen, welche den Heiligen Geist als Lehrer in unseren Büchern überkommen haben, ist von uns übergenug gedient worden, und die werden das, was du vorbringst, leicht verachten. Diejenigen aber, welche ohne Geist lesen, von denen ist es nicht zu verwundern, wenn sie von jedem Winde bewegt werden wie ein Rohr. Für die könnte auch Gott nicht genug reden, wenn auch alle Creaturen zu Zungen gemacht würden. Darum wäre es beinahe meine Absicht gewesen, die fahren zu lassen, welche sich an deinem Büchlein geärgert haben, sammt denen, die da rühmen und dir den Triumph zuerkennen. Daher ist mir die Lust benommen, dir zu antworten, nicht durch die Menge meiner Geschäfte, nicht durch die Schwierigkeit der Sache, nicht durch die Größe deiner Beredsamkeit, nicht durch die Furcht vor dir, sondern allein durch den Ekel, den Unwillen und die Verachtung, oder (daß ich es sage) durch mein Urtheil über die Diatribe; indessen davon zu schweigen, daß du, wie es deine Art ist, ganz beharrlich darauf aus bist, schlüpfrig zu sein und Wankelworte zu gebrauchen, und vorsichtiger als Odysseus meinst zwischen der Scylla und der Charybdis zu schiffen. Da du nichts willst behauptet haben und doch wieder dafür angesehen sein willst, als behauptetest du, was, ich bitte dich, kann mit einer solchen Art von Menschen wohl zu einem Vergleich gebracht oder beigelegt werden, wenn jemand die Kunst nicht versteht, den Proteus zu fangen? Was ich in dieser Sache vermag und was sie dir geholfen hat, will ich nachher und zwar durch den Beistand Christi zeigen.
Daß ich daher jetzt doch antworte, geschieht nicht ohne guten Grund; es drängen mich dazu treue Brüder in Christo und halten mir entgegen, daß alle es erwarten, daß das große Ansehen des Erasmus nicht zu verachten sei, daß die Wahrheit der christlichen Lehre in den Herzen vieler in Gefahr stehe. Und ich bin wirklich zuletzt auf den Gedanken gekommen, daß mein Schweigen nicht ganz gottselig gewesen sei, daß ich dazu verführt worden sei durch meines Fleisches Klugheit oder vielmehr Bosheit, daß ich meines Amtes nicht genug eingedenk sei, nach welchem „ich ein Schuldner bin der Weisen und der Unweisen“ (Röm. 1,14.), zumal da ich dazu berufen werde durch die Bitten so vieler Brüder. Denn obgleich unsere Sache von der Art ist, daß ihr nicht genuggethan wird durch einen äußerlichen Lehrer, sondern sie auch außer demjenigen, welcher äußerlich pflanzt und begießt, den Geist Gottes erfordert, der das Gedeihen gebe und als der Lebendige Lebendiges innerlich (im Herzen) lehre (und dieser Gedanke hat mich irre geleitet), so hätte ich dich doch, weil dieser Geist frei ist und weht, nicht wohin wir wollen, sondern wohin er will, mich richten sollen nach der Regel des Paulus (2 Tim. 4,2.): „Halte an, es sei zu rechter Zeit oder zur Unzeit“, denn wir wissen nicht, zu welcher Stunde der Herr kommen wird (Matth. 24,42.). Nun mag es ja Leute geben, welche bisher den Geist als Lehrer in meinen Schriften noch nicht vermerkt haben und durch die Diatribe irre gemacht sind. Vielleicht war ihre Stunde noch nicht gekommen, und wer weiß, ob Gott nicht geruhen wird, auch dich, liebster Erasmus, heimzusuchen durch mich, sein elendes und gebrechliches Gefäß, daß ich zu glücklicher Stunde (darum bitte ich von Herzen den Vater der Barmherzigkeit durch Jesum Christum, unsern Herrn) mit diesem Büchlein zu dir kommen und einen gar theuren Bruder gewinnen möge. Denn obgleich du übel hältst und schreibst vom freien Willen, so bin ich dir doch nicht geringen Dank dafür schuldig, daß du mich in meiner Meinung viel fester gemacht hast, da ich sah, daß die Sache des freien Willens von einem solchen und so hochbegabten Manne mit aller Macht getrieben wurde, und doch so gar nichts ausgerichtet worden ist, daß die Sache schlechter steht als vorher. Das ist ein handgreiflicher Beweis, daß der freie Wille eine bloße Lüge ist, mit der es geht, wie mit jenem Weibe im Evangelium (Luc. 8,43.): je mehr die Aerzte daran heilen, desto schlechter steht es damit. Darum werde ich dir noch mehr danken, wenn du durch mich zu größerer Gewißheit kommst, wie ich durch dich größere Festigkeit erlangt habe; aber beides ist eine Gabe des Heiligen Geistes, nicht ein Werk, welches wir thun können. Deshalb muß Gott gebeten werden, daß er mir den Mund öffne, dir aber und allen das Herz, und er selbst als der Meister gegenwärtig sei mitten unter uns, daß er in uns rede und höre. Lieber Erasmus, laß mich das von dir erlangen, daß, wie ich dir deine Unwissenheit in diesen Dingen zugute halte, so du auch wiederum mir mein kindliches Wesen zugute halten wollest. Nicht Einem gibt alles der Herr, noch alles vermögen wir alle, oder, wie Paulus sagt (1 Cor. 12,4.): „Es sind mancherlei Gaben, aber es ist Ein Geist.“ Darum bleibt nur übrig, daß die Gaben einander dienen und einer mit seiner Gabe des andern Last und Armuth trage, so werden wir das Gesetz Christi erfüllen (Gal. 6,2.).
Zum Beginn will ich einige Stücke deiner Vorrede kurz durchgehen, in welchen du unsere Sache ziemlich heruntersetzest und deine Sache schmückst. Zuerst, daß du auch in anderen Schriften die Beharrlichkeit im Behaupten an mir tadelst, und in diesem Büchlein sagst: Du habest an festen Behauptungen so gar keinen Gefallen, daß du leicht zu der Meinung der Skeptiker abgehen würdest, wo es wegen des unverletzlichen Ansehens der Schrift und der Beschlüsse der Kirche anginge, denen du deine Vernunft gern unterwürfest, mögest du begreifen oder nicht, was sie vorschreibt; ein solches Gemüth gefällt dir. Dies nehme ich (wie billig) so auf, als habest du es in wohlwollendem Sinne geredet und als einer, der den Frieden lieb hat. Wenn dies aber ein anderer sagte, würde ich wohl nach meiner Weise gegen ihn aufgebracht werden, aber ich darf auch nicht leiden, wenn du auch noch so guten Willen hast, daß du in dieser Meinung im Irrthume bleibest. Denn es kommt einem christlichen Herzen nicht zu, daß es keinen Gefallen habe an festen Behauptungen, ja, es muß an festen Behauptungen Gefallen haben, oder es kann kein Christ sein. Feste Behauptung (assertio) nenne ich aber (damit wir nicht mit Worten spielen), beständig anhängen, bestätigen, bekennen, vertheidigen und unüberwindlich dabei verharren, und etwas Anderes, glaube ich, bedeutet dieses Wort auch nicht bei den Lateinern und nach dem Sprachgebrauche unserer Zeit. Ferner rede ich davon, daß die Sachen fest behauptet werden müssen, welche uns von Gott in der heiligen Schrift überliefert sind, sonst hätten wir weder den Erasmus, noch irgend einen andern Lehrer nöthig, der uns erst lehren müßte, daß in zweifelhaften, oder unnützen, oder unnöthigen Dingen feste Behauptungen nicht bloß thöricht, sondern auch gottlos sind, ja Streit und Zank, welche Paulus an vielen Stellen verdammt. Auch du, glaube ich, redest an dieser Stelle nicht von solchen Dingen, es sei denn, daß du nach der Weise eines lächerlichen Redners eine Sache dir vornehmen und eine andere behandeln wolltest, wie jener über die Meerbutte, oder daß du nach dem Wahnwitz eines gottlosen Schriftstellers dafür eintreten wolltest, der Artikel vom freien Willen sei zweifelhaft oder unnöthig. Fern seien von uns Christen die Skeptiker und Academiker, es mögen aber bei uns sein feste Behaupter, die noch zweimal hartnackiger sind als selbst die Stoiker. Wie oft, ich bitte dich, fordert der Apostel Paulus die Plerophorie (Glaubensgewißheit), das ist, die allergewisseste und festeste Behauptung des Gewissens? Röm. 10,10. nennt er es ein Bekenntnis: „und so man mit dem Munde bekennet, so wird man selig.“ Und Christus sagt (Matth. 10,32.): „Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater.“ Petrus (1. Ep. 3,15.) befiehlt, daß wir Rechenschaft geben sollen von der Hoffnung, die in uns ist. Was ist es Noth, viele Worte zu machen? Nichts ist bei den Christen bekannter und gewöhnlicher als die feste Behauptung. Nimm die festen Behauptungen weg und du hast das Christenthum weggenommen. Ja, der Heilige Geist wird ihnen vom Himmel gegeben, damit er Christum verkläre und er (Christus) bis zum Tode bekannt werde. Ist denn dieses nicht fest behaupten, wegen des Bekenntnisses und der festen Behauptung zu sterben? Endlich behauptet auch der Heilige Geist in einem solchen Grade, daß er auch aus freien Stücken die Welt angreift und beschuldigt wegen der Sünde, wie einer, der zum Kampfe herausfordert, und Paulus befiehlt dem Timotheus (2 Tim. 4,2.), zu schelten und auch zur Unzeit anzuhalten. Was würde mir aber das für ein feiner Schelter sein, der selbst das, um was er schilt, weder gewiß glaubte, noch standhaft fest behauptete! den würde ich freilich nach Anticyra schicken.
Aber ich bin ein großer Thor, daß ich in einer Sache, die klarer ist als die Sonne, Worte und Zeit verliere. Welcher Christ würde das leiden, daß feste Behauptungen verachtet werden müßten? Das wäre nichts Anderes, als auf einmal die ganze Religion und die Gottseligkeit leugnen, oder behaupten, die ganze Religion, oder die Gottseligkeit, oder irgend eine Lehre (dogma) sei nichts. Warum behauptest denn auch du: „ich habe keinen Gefallen an festen Behauptungen“ und du wollest lieber ein solches Gemüth als ein anders geartetes?
Aber ich werde mit Recht erinnert, daß du hier von dem Bekenntnis Christi und seiner Lehrsätze nichts wollest gesagt haben. Und ich will dir zu Gefallen von meinem Rechte und von meiner Gewohnheit abstehen und will nicht über dein Herz richten, sondern dies für eine andere Zeit aufsparen, oder auch anderen es überlassen; inzwischen ermahne ich dich, daß du deine Rede und Schreibweise verbessern mögest und forthin dich solcher Worte enthalten, denn wie rechtschaffen und aufrichtig dein Herz auch immer sein möge, so ist doch die Rede, von der man sagt, daß sie zeige, was im Herzen ist (character animi) (Matth. 12,34.), nicht von solcher Beschaffenheit. Denn wenn du meinst, es sei nicht nöthig, die Sache vom freien Willen zu wissen, und sie habe mit Christo nichts zu schaffen, dann redest du recht, aber dann ist deine Meinung gottlos. Wenn du aber dafürhältst, sie sei nothwendig, so redest du gottlos, hast aber eine richtige Meinung. Es war aber da auch nicht am Orte, von unnützen Behauptungen und Zänkereien so groß zu klagen und zu übertreiben, denn was hat das mit der Sache zu thun?
Was willst du aber sagen von diesen deinen Worten, wo du nicht allein von der Sache des freien Willens, sondern allgemein von allen Lehrsätzen der ganzen Religion redest: Wenn es anginge wegen des unverletzlichen Ansehens der Schrift und der Beschlüsse der Kirche, so würdest du abgehen zu der Meinung der Skeptiker, so gar habest du keinen Gefallen an „festen Behauptungen“?
Was für ein Proteus liegt doch in den Worten „das unverletzliche Ansehen“ und „die Beschlüsse der Kirche“? Nämlich, als wenn du die heilige Schrift und die Kirche in sehr hohen Ehren hieltest, und doch gibst du zu verstehen, du wünschest die Freiheit, ein Skeptiker zu sein. Welcher Christ würde so reden? Wenn du dieses redest von unnützen und gleichgültigen Lehrsätzen, was Neues bringst du vor? Wer sollte darin nicht die Freiheit wünschen, sich als Skeptiker zu bekennen? Ja, welcher Christ macht von dieser Freiheit nicht wirklich unumschränkten Gebrauch und verurtheilt die, welche Sclaven und Gefangene der Meinung jemandes sind? wenn du nicht etwa die Christen insgesammt für solche Leute hältst (wie die Worte wirklich lauten), deren Lehrsätze unnütz sind, über welche sie thörichter Weise zanken und mit Behauptungen streiten. Wenn du aber von nothwendigen redest, was könnte jemand wohl Gottloseres behaupten, als daß er wünschte, er möchte die Freiheit haben, in solchen Dingen nichts zu behaupten? Ein Christ redet vielmehr so: Ich habe so gar keinen Gefallen an der Meinung der Skeptiker, daß, wo es nur immer wegen der Schwachheit des Fleisches anginge, ich nicht nur der heiligen Schrift beständig, überall und in allen Stücken anhangen möchte und dieselbe fest behaupten, sondern ich wünschte auch, in den Dingen, die nicht nöthig sind und außerhalb der heiligen Schrift liegen, so gewiß als möglich zu sein; denn was ist elender als Ungewißheit?
Was sollen wir auch dazu sagen, daß du anfügst: „Ihnen unterwerfe ich meine Vernunft überall gern, ich mag es begreifen, was sie vorschreiben, oder nicht“? Was sagst du, Erasmus? Ist es nicht genug, wenn du den Verstand der Schrift unterworfen hast? Unterwirfst du ihn auch den Beschlüssen der Kirche? Was kann sie beschließen, wenn es nicht in der Schrift beschlossen ist? Ferner, wo bleibt die Freiheit und die Macht, über die zu urtheilen, welche jene Beschlüsse gefaßt haben? wie Paulus sagt, 1 Cor. 14,29.: „Die andern lasset richten.“ Gefällt es dir nicht, daß ein Richter sei über die Beschlüsse der Kirche, was Paulus doch befiehlt? Was ist das für eine neue Religion und Demuth, daß du uns durch dein Beispiel die Macht nimmst, über Beschlüsse von Menschen zu urtheilen, und uns Menschen unterwirfst ohne Urtheil? Wo gebietet uns das Gottes Wort? Ferner, welcher Christ schlägt die Vorschriften der Schrift und der Kirche so in den Wind, daß er sagen möchte: „Ob ich es begreife, oder nicht begreife“? Du unterwirfst dich, und doch ist dir nichts daran gelegen, ob du es begreifest, oder nicht? Ein Christ aber sei verflucht, wenn er nicht gewiß ist und das nicht begreift, was ihm vorgeschrieben ist. Denn wie kann er das glauben, was er nicht begreift? Denn du wirst das hier „begreifen“ (assequi) nennen, was jemand gewiß ergriffen hat und nicht nach der Weise der Skeptiker anzweifelt, denn was gibt es sonst in irgend einer Creatur, das irgend ein Mensch begreifen könnte, wenn begreifen dasselbe ist, als vollkommen kennen und durchschauen? Denn dann hätte es auch nicht statt, daß jemand einiges begreifen und zugleich anderes nicht begreifen könnte, sondern wer nur irgend eine Sache begriffen hätte, der hätte alle begriffen, nämlich in Gotte, wer den nicht begreift, der begreift auch nie irgend einen Theil der Creatur.
Kurz, diese deine Worte lauten so, als ob bei dir nichts daran liege, was von irgend jemand überall geglaubt wird, wenn nur der Weltfriede bleibt, und als ob es freistehe, wegen der Gefahr am Leben, an gutem Ruf, an Vermögen und an Gunst, dem nachzuahmen, der sprach: Sagen sie ja, so sage ich auch ja; sagen sie nein, so sage ich auch nein. Nach deinen Worten scheinst du die christlichen Lehren für nichts Besseres zu halten, als die der Philosophen und Menschenmeinungen. Um diese zu zanken, zu streiten und sie fest zu behaupten, sei überaus thöricht, weil daraus nichts als Streit und Störung des äußeren Friedens herkäme, weil das Dinge sind über uns, die uns nicht angehen. So willst du unseren Streit endigen und kommst als ein Vermittler, daß du beide in der Schwebe lassest und uns überredest, wir stritten über thörichte und unnütze Sachen; so, sage ich, lauten deine Worte. Und ich glaube, lieber Erasmus, du verstehst, worauf ich hier Gewicht lege. Aber, wie ich gesagt habe, die Worte will ich gehen lassen und entschuldige einstweilen dein Herz, nur daß du nicht noch weiter herausfahrest, und fürchte den Geist Gottes, der Herzen und Nieren erforscht und sich mit geschickten Worten nicht betrügen läßt. Denn ich habe dies um deß willen gesagt, daß du forthin aufhören mögest, unsere Sache der Störrigkeit und Hartnäckigkeit zu beschuldigen. Denn mit diesem Anschlage richtest du nichts Anderes aus, als daß du das an den Tag gibst, daß du im Herzen den Lucian oder ein anderes Schwein von der Heerde des Epicur hegst, der, weil er selbst nicht glaubt, daß ein Gott sei, im Geheimen alle verlacht, welche glauben und bekennen. Laß uns feste Behaupter sein, uns fester Behauptungen befleißigen und Gefallen daran finden: du halte es mit den Skeptikern und Academikern, bis Christus dich auch berufen hat. Der Heilige Geist aber ist nicht ein Skeptiker und hat in unsere Herzen nicht Zweifelhaftes oder Meinungen geschrieben, sondern feste Behauptungen, die gewisser und fester sind als selbst das Leben und alle Erfahrung.
Ich komme zum zweiten Hauptpunkte, der mit diesem zusammenhängt. Wo du christliche Lehrsätze unterscheidest, erdichtest du, daß einige seien, die man nothwendiger Weise wissen muß, andere seien unnöthig; einige seien verborgen, sagst du, andere deutlich dargelegt. So treibst du entweder mit Worten anderer, durch die du dich hast bethören lassen, ein Spiel, oder übst dich auch selbst in einer Art von rednerischem Kunststück. Du führst aber für diese Meinung den Spruch des Paulus an, Röm. 11,33.: „O welch eine Tiefe des Reichthums, beide der Weisheit und Erkenntnis Gottes“, desgleichen den Spruch des Jesaias 40,13.: „Wer unterrichtet den Geist des Herrn, und welcher Rathgeber unterweiset ihn?“ Dies hast du leicht sagen können, da du ja wußtest, daß du nicht an den Luther schriebest, sondern für das Volk, oder doch nicht daran dachtest, daß du gegen den Luther schriebest, dem du doch, wie ich hoffe, einigen Fleiß und Urtheil in der heiligen Schrift zugestehst; wenn du das nicht zugestehst, was gilt's, so will ich es dir auch abzwingen. So steht es mit meiner Unterscheidung, um auch ein wenig meine Rede- und Schlußkunst zu treiben. Gott und die Schrift Gottes sind zwei Dinge, nicht weniger als der Schöpfer und die Creatur Gottes zwei Dinge sind. Niemand zweifelt, daß in Gott viele verborgene Dinge sind, die wir nicht wissen können, wie er selbst sagt vom jüngsten Tage: „Von dem Tage aber weiß niemand, sondern allein der Vater“ (Matth. 24,36. Marc. 13,32.); und Apost. 1,7.: „Es gebühret euch nicht zu wissen Zeit oder Stunde“; und wiederum (Joh. 13,18.): „Ich weiß, welche ich erwählt habe“; und Paulus (2 Tim. 2,19.): „Der Herr kennet die Seinen“ und dergleichen.
Daß aber in der heiligen Schrift etliche Dinge verborgen sein sollen, das ist zwar in die Welt ausgeschrieen durch die gottlosen Sophisten, mit deren Worten auch du hier redest, Erasmus, aber sie haben noch nicht einen einigen Artikel vorgebracht, noch vorbringen können, durch den sie diesen ihren tollen Wahn beweisen möchten. Es hat aber der Teufel durch solch Vorgeben vom Lesen des göttlichen Wortes abgeschreckt und die heilige Schrift verächtlich gemacht, damit er seine verderblichen Lehren aus der Philosophie in der Kirche zur Herrschaft brächte. Das gestehe ich freilich, daß viele Stellen in der Schrift dunkel und verborgen sind, nicht wegen der Hoheit der Dinge, sondern weil wir die Wörter und die Sprachkunst nicht wissen, aber diese hindern durchaus nicht die Erkenntniß aller Dinge in der Schrift. Denn was kann in der Schrift noch übrig sein, das noch tief verborgen wäre, nachdem die Siegel gebrochen und der Stein von der Thür des Grabes gewälzt ist und das allerhöchste Geheimniß offenbart ist, daß Christus, der Sohn Gottes, Mensch geworden ist, daß Gott dreieinig und einig ist, daß Christus für uns gelitten habe und ewiglich regieren werde? Ist dies denn nicht auch in aller Welt das Allerbekannteste (in biviis nota) und wird überall gesungen? Nimm Christum aus der Schrift, was kannst du dann noch weiter in ihr finden? Daher sind die Sachen, welche in der heiligen Schrift enthalten sind, alle deutlich offenbart, wiewohl einige Stellen dunkel sein mögen, weil die Worte noch nicht bekannt sind. Wenn man aber weiß, daß alle Sachen der heiligen Schrift in das hellste Licht gestellt sind, so ist es gewiß thöricht und gottlos, wegen weniger dunkeln Worte auch die Sachen dunkel zu nennen. Wenn an einer Stelle die Worte dunkel sind, dagegen an einer anderen klar, aber ein und dieselbe Sache, aufs allerdeutlichste der ganzen Welt dargelegt, in der heiligen Schrift das eine Mal mit hellen Worten geredet wird, das andere Mal aber auch noch verborgen ist durch dunkele Worte, so liegt doch nichts mehr daran, wenn die Sache deutlich ist, ob irgend ein Zeichen an ihr dunkel ist, während doch viele andere Zeichen derselben Sache deutlich sind. Wer wird sagen, daß ein öffentlicher Brunnen nicht am Tage wäre, weil die, welche in einer Nebenstraße sind, ihn nicht sehen, da ihn alle sehen, die auf dem Markte sind?
Darum ist es nichts, was du von der Corycischen Höhle beibringst; so verhält es sich nicht mit der Schrift und die verborgensten Geheimnisse der höchsten Majestät sind nicht mehr in der Abgeschiedenheit, sondern vor den Thüren und auf freien Plan gebracht und aller Blicken ausgesetzt, denn Christus hat uns den Verstand geöffnet, daß wir die Schrift verstehen können. Und „das Evangelium ist aller Creatur gepredigt“ (Marc. 16,15.), und „sein Schall ist ausgegangen in alle Lande“ (Ps. 19,5.), und „alles, was geschrieben ist, ist uns zur Lehre geschrieben“ (Röm. 15,4.), desgleichen (2 Tim. 3,16.): „Alle Schrift von Gott eingegeben ist nütze zur Lehre.“ Darum du und alle Sophisten, macht euch daran und bringet nur irgend Ein Geheimniß vor, welches in der heiligen Schrift noch verborgen ist; daß aber vielen viele Dinge verborgen bleiben, das kommt nicht von der Dunkelheit der Schrift, sondern von ihrer Blindheit oder Trägheit her, weil sie sich nicht daran machen, die hellste Wahrheit zu sehen, wie Paulus von den Juden sagt, 2 Cor. 3,15.: „Die Decke hängt vor ihren Herzen“, und wiederum (2 Cor. 4,3.4.): „Ist nun unser Evangelium verdeckt, so ist es in denen, die verloren werden, verdeckt; bei welchen der Gott dieser Welt die Sinne verblendet hat.“ Mit derselben Dreistigkeit möchte der die Sonne und den Tag der Dunkelheit beschuldigen, der sich selbst die Augen verhängte, oder vom Lichte in die Finsterniß ginge und sich verbärge. Es mögen also die elenden Menschen aufhören, die Finsterniß und Dunkelheit ihres Herzens mit gotteslästerlicher Verkehrtheit der überaus hellen Schrift Gottes zur Last zu legen.
Wenn du daher den Paulus anführst, der da spricht (Röm. 11,33.): „Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte“, so scheinst du das Fürwort „seine“ auf das Wort Gottes (Scripturam) bezogen zu haben. Aber Paulus sagt nicht: unbegreiflich sind die Gerichte des Wortes, sondern Gottes. So sagt Jesajas 40,13. nicht: Wer hat den Sinn der Schrift erkannt, sondern „den Sinn des Herrn“, obgleich Paulus behauptet, daß den Christen der Sinn des Herrn bekannt sei, aber in den Dingen, die uns geschenkt sind, wie er ebendaselbst sagt, 1 Cor. 2,16. Du siehst also, wie schläfrig du die Stellen der heiligen Schrift angesehen hast und wie du dieselben gerade so passend angeführt hast, wie du fast alles, was du für den freien Willen vorbringst, so passend anführst. So dienen auch deine Exempel, welche du anfügst, und zwar sind sie nicht unverdächtig und nicht ohne scharfen Stachel, nichts zur Sache, wie das von der Unterscheidung der Personen, von der Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur, von der Sünde, die nicht vergeben werden kann, deren Zweideutigkeit, wie du sagst, noch nicht beseitigt sei. Wenn du das verstehst von den Fragen, welche die Sophisten über diese Dinge aufgeworfen haben, was hat dir die ganz unsträfliche Schrift gethan, daß du ihrer Reinheit den Mißbrauch der verruchten Menschen vorwirfst? Die Schrift bekennt einfach die Dreieinigkeit Gottes, und die Menschheit Christi, und die Sünde, die unvergeblich ist. Hier ist nichts von Dunkelheit oder Zweideutigkeit. Wie es damit aber zugehe, sagt die Schrift nicht, wie du vorgibst, und es ist auch nicht nöthig zu wissen. Die Sophisten behandeln hier ihre Träume; die beschuldige und verdamme und sprich die heilige Schrift frei. Wenn du es aber verstehst vom Wesen der Sache selbst, so beschuldige wiederum nicht die Schrift, sondern die Arianer und diejenigen, welchen das Evangelium verdeckt ist, daß sie die klarsten Zeugnisse von der Dreieinigkeit Gottes und der Menschheit Christi durch Wirkung des Teufels, ihres Gottes, nicht erkennen. Und daß ich es kurz sage, es ist eine zwiefache Klarheit der Schrift, wie auch eine zwiefache Dunkelheit; eine, die äußerliche, liegt im Dienste am Wort, die andere liegt in der Erkenntniß des Herzens. Wenn du sprichst von der inneren Klarheit, so versteht kein Mensch auch nur Ein Pünktlein in der heiligen Schrift, wenn er nicht den Geist Gottes hat, denn alle haben ein verdunkeltes Herz, so daß, wenn sie auch reden und alles aus der heiligen Schrift vorzutragen verstehen, sie doch davon nichts merken oder wahrhaft erkennen. Denn sie glauben auch nicht, daß ein Gott sei und daß sie Creaturen Gottes sind, noch irgend ein anderes, wie der vierzehnte Psalm (V. 1.) sagt: “Die Thoren sprechen in ihrem Herzen: es ist kein Gott.“ Denn der Heilige Geist ist nöthig, um die ganze Schrift und irgend einen Theil derselben zu verstehen. Wenn du von der äußeren (Klarheit) sprichst, so ist durchaus nichts dunkel oder zweifelhaft geblieben, sondern alles ist durch das Wort an das hellste Licht hervorgebracht und in der ganzen Welt kund gethan, was auch immer in der Schrift enthalten ist. Aber das ist noch unerträglicher, daß du diesen Handel vom freien Willen unter die Sachen zählst, welche unnütz und unnöthig sind, und uns statt dessen das vorschlägst, wovon du dafür hältst, daß es zu der christlichen Gottseligkeit ausreiche. Eine derartige Weise (des Lebens) könnte sicherlich leicht jeder Jude oder Heide anzeigen, der von Christo ganz und gar nichts wüßte, denn du thust Christi auch nicht mit Einem Pünktlein Erwähnung, als wenn deine Meinung wäre, daß christliche Gottseligkeit ohne Christum sein könnte, wenn nur dem von Natur allergütigsten Gotte aus allen Kräften gedient werde. Was soll ich hierzu sagen, Erasmus? Lucian redet aus dir ganz und gar und du duftest mir den großen Rausch des Epicur entgegen. Wenn du diese Sache für die Christen nicht für nothwendig achtest, so bitte ich dich, tritt ab vom Kampfplatze, du und wir haben nichts mit einander zu schaffen; wir halten diese Sache für nothwendig.
Wenn es unchristlich ist, wenn es vorwitzig ist, wenn es überflüssig ist, wie du sagst, zu wissen, „ob Gott etwas in der Weise vorherwisse, daß es vielleicht, vielleicht auch nicht geschehe (contingenter praesciat), ob unser Wille in den Dingen, welche die ewige Seligkeit betreffen, etwas wirke, oder nur leide von der wirkenden Gnade, ob alles Gute oder Böse, was wir thun, von uns vollbracht werde durch bloße Notwendigkeit, oder ob wir es vielmehr leiden“: was, frage ich, wird dann christlich sein? was von großem Belang? was nützlich zu wissen? Das taugt ganz und gar nichts, Erasmus, das ist zu viel! Es ist schwer, dies deiner Unwissenheit zuzuschreiben, denn du bist schon ein alter Mann und hast unter Christen gelebt und lange über die heilige Schrift nachgedacht und läßt uns keine Gelegenheit übrig, dich zu entschuldigen, oder Gutes von dir zu denken. Und doch halten die Papisten dir diese Ungeheuerlichkeiten zugute und tragen sie um deß willen, weil du gegen den Luther schreibst, sonst würden sie dich mit den Zähnen zerreißen, wenn Luther nicht da wäre, und du solche Dinge schriebest. Plato ist ein Freund, Socrates ist ein Freund, aber (Freund hin, Freund her) der Wahrheit muß vor allen Dingen die Ehre gegeben werden. Denn magst du auch noch so wenig von der Schrift und von der christlichen Gottseligkeit verstehen, das hätte doch sicherlich selbst ein Feind der Christen wissen müssen, was die Christen für nothwendig und nützlich und was sie nicht dafür halten müßten. Du aber bist ein Theologe und Lehrer der Christen und willst ihnen eine Form des Christenthums vorschreiben, und zweifelst nicht einmal mehr nach deiner skeptischen Weise, was ihnen nothwendig und nützlich sei, sondern fällst ganz auf die entgegengesetzte Seite, und urtheilst sogar, indem du ganz gegen deine Gemüthsrichtung eine unerhörte feste Behauptung aufstellst, das sei nicht nothwendig, ohne dessen Notwendigkeit und gewisse Erkenntniß weder Gott, noch Christus, noch das Evangelium, noch der Glaube, noch nicht einmal irgend etwas vom Judenthum übrig bleibt, viel weniger vom Christenthum. Hilf Gott, Erasmus, ein wie großes Fenster, ja ein wie großes Feld thust du auf, gegen dich zu handeln und zu schreiben! Was könntest du wohl Gutes oder Richtiges vom freien Willen schreiben, da du eine so große Unkenntniß der Schrift und der Gottseligkeit in deinen Worten bekennst? Aber ich will die Decke niederziehen und hier nicht mit meinen Worten (was ich weiter unten vielleicht thun werde), sondern mit deinen Worten mit dir handeln. Die Form des Christenthums, die du beschreibst, hat unter andern auch dies in sich: „daß wir uns mit allen Kräften anstrengen sollen, zum Mittel der Buße greifen, Gottes Barmherzigkeit auf jede Weise zu erlangen suchen, ohne welche weder der menschliche Wille noch Bemühen etwas vermag“; desgleichen: „Es dürfe niemand verzweifeln an der Vergebung bei Gott, der seiner Natur nach überaus gnädig ist.“ Diese deine Worte sind ohne Christus, ohne den Heiligen Geist, ja kälter als Eis, so daß sogar die Schönheit deiner Rede darunter leidet, denn die Furcht vor den Päbsten und Tyrannen hat sie dir armem Manne vielleicht kaum abpressen können, damit du nicht ganz und gar als ein Gottesleugner erschienest. Aber das behaupten sie dennoch, daß Kräfte in uns sind, daß es ein Anstrengen gibt mit allen Kräften, daß es eine Barmherzigkeit Gottes gibt, daß es verschiedene Weise gibt, sich um Gottes Barmherzigkeit zu bemühen, daß Gott von Natur gerecht, von Natur überaus gnädig ist etc. Wenn jemand also nicht weiß, was das für Kräfte sind, was sie vermögen, was sie leiden, was ihr Bemühen ist, was ihre Wirksamkeit, was ihre Unwirksamkeit, was soll der thun? Was willst du ihn thun lehren?
Du sagst: „Es sei unchristlich, vorwitzig und überflüssig, wissen zu wollen, ob unser Wille in Sachen, welche die ewige Seligkeit betreffen, etwas wirke; ob derselbe gegen die wirkende Gnade sich nur leidend verhalte.“ Aber dagegen sagst du hier, es sei christliche Gottseligkeit, „daß man sich mit allen Kräften anstrenge und ohne die Barmherzigkeit Gottes vermöge der Wille nichts.“ Hier behauptest du ganz deutlich, der Wille wirke etwas in den Dingen, welche die ewige Seligkeit betreffen, da du erdichtest, er bestrebe sich; aber wiederum, er sei leidend, da du sagst, er vermöge nichts ohne die Barmherzigkeit Gottes. Freilich erklärst du nicht, wie weit dieses Wirken und Leiden zu verstehen sei, und gibst dir Mühe, die Leute darin unwissend zu machen, was die göttliche Barmherzigkeit vermöge und was unser Wille vermöge, gerade durch das, was du darüber lehrst, was unser Wille thue und was die Barmherzigkeit Gottes. So rollt dich deine Klugheit, nach welcher du beschlossen hast, keiner Partei anzuhängen und zwischen der Scylla und Charybdis sicher davonzukommen, daß du, mitten auf dem Meere von Fluthen überschüttet und zu Schanden gemacht, alles behauptest, was du leugnest, und leugnest, was du behauptest. Ich will dir deine Theologie mit einigen Gleichnissen vor Augen stellen: Derjenige, welcher ein gutes Gedicht oder eine Rede machen will, sollte nicht bedenken noch erforschen, was für Anlagen er habe, was er vermöge, was er nicht vermöge, was die Sache, die er unternommen hat, erfordere, und ganz die Vorschrift des Horaz bei Seite setzend: „Was die Schultern vermögen und was sie zu tragen verweigern“, sondern nur ungestüm ans Werk gehen und denken: man muß sich Mühe geben, daß die Sache zu Stande komme; die Frage aber ist vorwitzig und überflüssig, ob ich gelehrt und beredt genug bin und der Sache gewachsen. Oder wenn jemand viele Früchte von dem Acker erlangen will, soll er nicht vorwitzig sein und mit überflüssiger Sorgfalt die Art des Bodens erforschen, wie Virgil in seinen landwirthschaftlichen Gedichten (Georgicis) vorwitzig und vergeblich lehrt, sondern fahre dreist zu, denke an nichts Anderes als die Arbeit, pflüge das Meeresgestade, streue den Samen hinein, wo es nur gangbar ist, mag es nun Sand oder Schlamm sein. Oder wenn jemand einen Krieg führen will und einen herrlichen Sieg begehrt, oder irgend einen anderen Dienst im Staate leisten soll, so muß er nicht vorwitzig sein und überlegen, was er vermöge, ob die Schatzkammer hinlänglich gefüllt sei, ob die Soldaten bereit seien, ob eine genügende Anzahl für das Unternehmen da sei, und er verachte durchaus das Wort des Geschichtschreibers: „Ehe du handelst, ist Ueberlegung nöthig, hast du überlegt, rasches Handeln“, sondern er stürze mit blinden Augen und geschlossenen Ohren hinein, schreie nichts als Krieg, Krieg! und gehe ans Werk. Ich frage dich, Erasmus, was wirst du urtheilen von solchen Dichtern, Landleuten, Feldherren und Fürsten? Ich will noch das Wort des Evangeliums hinzufügen (Luc. 14,28.): „Wer ist unter euch, der einen Thurm bauen will und sitzt nicht zuvor und überschlägt die Kosten, ob er es habe hinauszuführen?“ Was urtheilt Christus von dem?
So erkennst auch du uns nur das Ausführen zu, verbietest aber, daß wir zuerst unser Vermögen erforschen, messen und kennen lernen sollen, was wir vermögen und nicht vermögen, als ob dies vorwitzig, überflüssig und unchristlich wäre. So, indem du aus allzugroßer Vorsicht die Verwegenheit verabscheuest, und Besonnenheit vorgibst, kommst du dahin, daß du auch die größte Verwegenheit lehrst. Denn wiewohl die Sophisten dummkühn und unsinnig sind, da sie Vorwitz treiben, so vergehen sie sich damit doch nicht so sehr, als du, da du auch lehrst und vorschreibst, unsinnig zu sein und dummkühn zu handeln. Und damit die Unsinnigkeit desto größer sei, überredest du uns, es sei die schönste christliche Gottseligkeit, Besonnenheit, christlicher Ernst und diene zur Seligkeit; wenn wir nicht so thäten, so behauptest du, wir seien unchristlich, vorwitzig und frevel, und bist gar fein der Scylla entgangen, da du die Charybdis vermiedest. Aber dazu hat dich das Vertrauen auf deine Gaben getrieben, weil du glaubst, du könnest so durch deine Beredsamkeit alle anderen Leute von hohem Verstande täuschen, daß keiner gewahr werden könne, was du im Schilde führest, und was du vorhabest mit deinen schlüpfrigen Schriften, aber Gott läßt sich nicht spotten, und es ist nicht gut, gegen ihn anzugehen.
Ferner, wenn du uns diese Vermessenheit gelehrt hättest im Anfertigen von Gedichten, im Ziehen von Früchten, in Unternehmung von Kriegen und Geschäften, oder im Häuserbauen, obgleich es unerträglich ist, zumal bei einem so großen Manne, so wärest du doch noch einiger Nachsicht werth gewesen, wenigstens bei Christen, welche zeitliche Dinge verachten. Aber da du selbst den Christen vorschreibst, verwegene Werktreiber zu werden, und ihnen befiehlst, um ihre ewige Seligkeit zu schaffen, sollten sie nicht wissen wollen, was sie vermöchten oder nicht vermöchten, so ist das in Wahrheit die Sünde, die nicht vergeben werden kann. Denn sie werden nicht wissen, was sie thun sollen, da sie nicht wissen, was und wie viel sie vermögen; da sie aber nicht wissen, was sie thun sollen, können sie (wenn sie irren) nicht Buße thun, Unbußfertigkeit aber ist eine Sünde, die nicht vergeben werden kann. Und dahin leitet uns deine gemäßigte zweiflerische Theologie.
Also ist es nicht unchristlich, vorwitzig oder überflüssig, sondern vor allen Dingen heilsam und nothwendig für einen Christen, daß er wisse, ob der Wille etwas oder nichts wirke in den Dingen, welche die Seligkeit anbetreffen; ja, daß du es wissest, hier ist der Angelpunkt unserer Disputation, hierum dreht sich der ganze Handel der Sache zwischen mir und dir. Denn damit gehen wir um, daß wir untersuchen, was der freie Wille vermöge, was er leide, wie er sich verhalte zu der Gnade Gottes. Wenn wir dies nicht wissen, so werden wir von christlichen Dingen durchaus nichts kennen, und wir werden ärger sein als alle Heiden. Wer dies nicht versteht, der bekenne nur, daß er kein Christ sei, wer es aber tadelt oder verachtet, der soll wissen, daß er der höchste Feind der Christen ist. Denn, wenn ich das nicht weiß, was, wieweit und wieviel ich vermag und thun kann gegen Gott, so wird es mir gleicher Weise ungewiß und unbekannt sein, was, wieweit und wieviel Gott in mir vermag und thut, da Gott alles in allen wirkt. Wenn ich aber Gottes Werke und Macht nicht kenne, so kenne ich Gott selbst nicht, kenne ich aber Gott nicht, so kann ich ihn nicht verehren, loben, ihm nicht danken; ich kann Gotte nicht dienen, weil ich nicht weiß, wieviel ich mir, wieviel ich Gotte zuschreiben muß. Wir müssen daher den gewissesten Unterschied haben zwischen der Kraft Gottes und der unsrigen, zwischen Gottes Werke und dem unsrigen, wenn wir gottselig leben wollen. So siehst du, daß diese Frage der eine Haupttheil des Inbegriffs der ganzen christlichen Lehre ist, wovon die Erkenntniß unser selbst, sowie die Erkenntniß und die Ehre Gottes, abhängt und womit sie steht und fällt; darum ist es an dir nicht zu leiden, lieber Erasmus, daß du sagest, dies wissen wollen sei unchristlich, vorwitzig und unnütz. Wir verdanken dir viel, aber der Gottseligkeit sind wir alles schuldig. Ja, sogar du selbst hältst dafür, daß wir alles Gute, was wir haben, Gotte zuschreiben müssen, und behauptest das in deiner Anweisung zum christlichen Leben. Da du aber dies behauptest, so behauptest du doch sicherlich zugleich, daß Gottes Barmherzigkeit allein alles wirke, und daß unser Wille nichts wirke, sondern vielmehr sich leidend verhalte, sonst würde Gotte nicht alles zugeschrieben. Aber kurz darauf sagst du, dies zu behaupten und wissen zu wollen sei nicht christlich, gottselig und heilsam; aber so muß nothwendiger Weise ein Gemüth reden, welches mit sich selbst nicht einig ist, und ungewiß und unerfahren in Sachen der Gottseligkeit.
Der andere Haupttheil des Inbegriffs der christlichen Lehre ist, daß man wisse, ob Gott etwas in der Weise vorherwisse, daß es vielleicht, vielleicht auch nicht geschehe, und ob wir alles aus Nothwendigkeit thun. Und auch diesen Theil hältst du für unnütz, vorwitzig und nichtig, wie dies auch alle Gottlosen thun; ja auch alle Teufel und Verdammten hassen und verwünschen ihn. Und du bist nicht thöricht, daß du dich dieser Fragen entschlägst, wenn man es nur thun dürfte. Aber du bist doch nur ein gar geringer Redner und Theologe, wenn du dir vornimmst, vom freien Willen zu reden und zu lehren ohne diese Theile. Ich will als Wetzstein dienen und, wiewohl ich selbst kein Redner bin, einen vortrefflichen Redner seines Amtes erinnern. Wenn Quintilian von der Redekunst schreiben wollte und so sagte: Nach meinem Urtheil muß man die thörichten und überflüssigen Dinge fahren lassen, nämlich: die Feststellung dessen, wovon man reden will, die Anordnung, den Vortrag, daß man es ins Gedächtniß einpräge, das Halten der Rede, es muß genug sein, daß man wisse, die Redekunst sei die Kenntniß, wie man wohl reden soll; würdest du einen solchen Künstler nicht verlachen? Aber auch du machst es nicht anders, du willst vom freien Willen schreiben und stößest zuerst den ganzen Körper und alle Theile der Kunst von dir, über welche du schreiben willst, und wirfst sie weg. Denn es ist unmöglich, daß du wissen kannst, was der freie Wille sei, wenn du nicht zuvor weißt, was der menschliche Wille vermag, was Gott thue, ob er es in der Weise vorherwisse, daß es mit Nothwendigkeit geschehe (an necessario praesciat).
Lehren denn nicht auch deine Redekunstlehrer, daß, wenn jemand über eine Sache reden will, er sagen müsse, zuerst, ob es sei, darnach was es sei, was seine Theile sind, was dem entgegengesetzt ist, was verwandt, was ähnlich etc.? Du aber beraubst diesen an sich schon so armen freien Willen aller dieser Dinge, gibst keine Erklärung ab über irgend eine Frage, die ihn betrifft, ausgenommen über die erste, nämlich, ob er sei, und zwar mit solchen Beweisgründen, wie wir nun sehen werden, so daß ich ein läppischeres Buch vom freien Willen noch nicht gesehen habe, ausgenommen die Zierlichkeit der Schreibart. Die Sophisten wenden hier doch wenigstens ihre Schlußkunst besser an, da sie die Redekunst nicht verstehen; wo sie sich an den freien Willen gemacht haben, erörtern sie alle ihn betreffenden Fragen, ob er sei, was er sei, was er wirke, wie es sich mit ihm verhalte etc., wenngleich sie ebenfalls nicht ausrichten, was sie sich vorgenommen haben. Darum will ich mit diesem Büchlein dich und alle Sophisten in die Enge treiben, bis daß ihr mir die Kräfte und Werke des freien Willens darleget, und (mit Christi Beistand) will ich euch so in die Enge treiben, daß ich hoffe, ich will dich dahin bringen, daß es dir leid sein soll, deine Diatribe herausgegeben zu haben.
Es ist darum auch das für einen Christen besonders nothwendig und heilsam, daß er wisse, Gott weiß nichts in der Weise voraus, daß es zufällig geschehe, sondern er sieht alles voraus, nimmt es sich vor und thut es, nach einem unveränderlichen, ewigen und unfehlbaren Willen. Durch diesen Donnerschlag wird der freie Wille ganz und gar niedergelegt und von Grund aus vernichtet. Darum müssen diejenigen, welche den freien Willen behaupten wollen, diesen Donnerschlag entweder leugnen, oder mit Stillschweigen übergehen, oder auf andere Weise von sich abschieben. Ehe ich aber diesen Punkt durch meine Darlegung und durch das Ansehen der heiligen Schrift bestätige, will ich ihn zuvor mit deinen eigenen Worten behandeln. Bist du es nicht, lieber Erasmus, der da kurz zuvor behauptet hat, Gott sei von Natur gerecht, von Natur der allergütigste? Wenn dies wahr ist, folgt dann nicht, daß er unveränderlich gerecht und gütig ist? denn, wie sein Wesen sich in Ewigkeit nicht ändert, so auch nicht seine Gerechtigkeit und Güte. Was aber von der Gerechtigkeit und Güte gesagt wird, muß auch von seinem Wissen, Weisheit, rechtschaffenen Wesen, Willen und allen anderen göttlichen Dingen gesagt werden. Wenn daher dies in christlicher, gottseliger und heilsamer Weise von Gott behauptet wird, wie du schreibst, was ist dir angekommen, daß du jetzt im Widerspruch mit dir selbst behauptest, es sei unchristlich, vorwitzig und frevel zu sagen, Gott wisse in der Weise voraus, daß es mit Nothwendigkeit geschehe? Nämlich du lehrst, man müsse den unveränderlichen Willen Gottes lernen, und verbietest, sein unveränderliches Vorherwissen kennen zu lernen. Oder glaubst du, daß er, ohne es zu wollen, vorherweiß, oder etwas wolle, was er nicht kennt? Wenn er aber vorherweiß, was er will, so ist sein Wille ewig und unveränderlich (weil sein Wesen so beschaffen ist); wenn er will, was er vorherweiß, so ist sein Wissen ewig und unveränderlich (weil sein Wesen so ist).
Daraus folgt unwiderleglich: alles, was wir thun, und alles, was geschieht, obgleich es uns scheint veränderlich und zufällig zu geschehen, geschieht doch in Wahrheit nothwendiger Weise und unveränderlich, wenn man auf Gottes Willen sieht. Denn der Wille Gottes ist kräftig und kann nicht gehindert werden, da er die wesentliche Macht Gottes selbst ist, ferner auch weise, daß er nicht getäuscht werden kann; da aber der Wille nicht gehindert ist, so kann auch sein Werk nicht gehindert werden, daß es geschehe an dem Orte, zu der Zeit, in der Weise, in dem Maße, nach welchen er selbst es vorhersieht und will. Wenn der Wille Gottes ein solcher wäre, welcher aufhörte, nachdem das Werk vollbracht ist und dieses bleibt, wie der menschliche Wille, wo das Wollen aufhört, nachdem das Haus gebaut ist, welches sie wollen, wie der Wille im Tode aufhört, dann könnte mit Wahrheit gesagt werden, daß etwas zufällig und veränderlich geschehe. Aber hier geschieht es dagegen, daß das Werk aufhört, und der Wille bleibt, darum ist es weit gefehlt, daß sein Werk, da es geschieht und bleibt, zufälliger Weise sein oder bestehen könne. Zufällig geschehen (contingenter fieri) heißt aber (damit wir die Ausdrücke nicht falsch gebrauchen) im Lateinischen, nicht daß das Werk selbst als ein zufälliges geschehe, sondern daß es geschehe nach einem zufälligen und veränderlichen Willen, wie er in Gott nicht ist. Ferner kann ein Werk nur dann ein zufälliges genannt werden, wenn es uns zufällig und gleichsam durch ein Ungefähr geschieht und unversehens, weil unser Wille oder unsere Hand es ergreift, indem es gleichsam durch einen Zufall dargeboten wurde, wir aber vorher gar nicht, weder daran gedacht, noch es gewollt haben.
Hier haben sich die Sophisten nun schon viele Jahre lang abgemüht, und überführt haben sie zugeben müssen, daß alles mit Nothwendigkeit geschehe, aus Nothwendigkeit der Folge (wie sie sagen), aber nicht aus Nothwendigkeit dessen, was folgt (necessitate consequentiae, sed non necessitate consequentis). So haben sie dieser so gewaltigen Frage entgehen wollen, haben sich damit aber nur selbst betrogen. Denn wie nichtig dies ist, wird mir nicht schwer fallen nachzuweisen. Nothwendigkeit der Folge nennen sie, daß ich grob davon rede: Wenn Gott etwas will, so ist es nothwendig, daß es geschehe, aber es ist nicht nothwendig, daß das sei, was geschieht. Denn allein Gott ist mit Nothwendigkeit, alles Andere kann auch nicht sein, wenn Gott will. So sagen sie, die Wirkung Gottes sei nothwendig, wenn er will, aber das Gewordene selbst sei nicht nothwendig. Was richten sie aber mit dieser Spielerei in Worten aus? Das ist's: die gewordene Sache ist nicht nothwendig, das heißt, sie hat kein nothwendiges Wesen; das ist nichts Anderes gesagt als: die gewordene Sache ist nicht Gott selbst. Nichtsdestoweniger bleibt das, daß jede Sache mit Nothwendigkeit geschieht, wenn die Wirkung Gottes nothwendig ist, oder Nothwendigkeit der Folge, wenngleich die Sache, wenn sie geschehen ist, durchaus nicht mit Nothwendigkeit besteht, das ist, nicht Gott ist, oder nicht ein nothwendiges Wesen hat. Wenn ich nämlich mit Nothwendigkeit werde, so kümmert es mich wenig, daß mein Sein oder Werden veränderlich ist; nichtsdestoweniger werde ich, als ein Zufälliger und Veränderlicher, der ich nicht der nothwendige Gott bin. Daher ist ihr Spielwerk, alles geschehe aus Nothwendigkeit der Folge, aber nicht aus Notwendigkeit dessen, was da folgt, nichts anders als dies: Alles geschieht zwar mit Nothwendigkeit, aber das so Gewordene ist nicht Gott selbst. Was ist es aber nöthig gewesen, uns dies zu sagen? als ob zu fürchten stände, daß wir behaupten würden, die gewordenen Dinge wären Gott, oder hätten ein göttliches und nothwendiges Wesen. So steht und bleibt dieser Satz unwiderlegt, daß alles mit Notwendigkeit geschehe. Denn es ist hier keine Dunkelheit oder Zweideutigkeit. Im Jesajas heißt es (Cap. 46,10): „Mein Rath wird bestehen und mein Wille wird geschehen.“ Denn welches Kind versteht nicht, was diese Wörter bedeuten: Rath, Wille, geschehen, bestehen?
Aber warum sollen uns Christen diese Dinge so verborgen sein, daß es unchristlich, vorwitzig und unnütz sein soll, sie zu behandeln und sie wissen zu wollen, da dergleichen die heidnischen Dichter und selbst das gemeine Volk im allergewöhnlichsten Gebrauche beständig im Munde führen? Wie oft erwähnt schon allein Virgil das Schicksal (fatum)? Certa stant omnia lege (Alles besteht nach gewissem Gesetze); desgleichen: Stat sua cuique dies (Jedem Menschen ist sein Todestag bestimmt); desgleichen: Si te fata vocant (Wenn das Schicksal dich ruft); desgleichen: Si qua fata aspera rumpas (Wenn du etwa das rauhe Geschick durchbrechen kannst). Und dieser Dichter geht auf nichts Anderes aus, als daß er an der Zerstörung Trojas und dem Aufkommen des römischen Reiches zeige, daß das Schicksal mehr vermöge, als aller Menschen Bemühen, ja sogar, daß die Notwendigkeit Ereignissen und Menschen gebiete (imponere). Endlich unterwirft er auch seine unsterblichen Götter dem Schicksal, dem auch Jupiter und Juno mit Notwendigkeit weichen müssen. Daher haben sie die drei Parzen erdichtet, wie sie unveränderlich, unversöhnlich und unerbittlich sind. Jene weisen Leute haben wahrgenommen, was die Sache selbst sammt der Erfahrung beweist, daß keinem Menschen jemals seine Anschläge fortgegangen sind, sondern, daß bei allen die Sache anders hinausgegangen ist, als sie gedacht haben. Wenn Troja mit der Faust hätte verteidigt werden können, so hätte dies auch die meinige vermocht, sagt Hector bei Virgil. Daher ist es das allergewöhnlichste Wort in aller Munde: Was Gott will, das geschehe; desgleichen: Will’s Gott, so wollen wir es thun; desgleichen: Gott hat es so gewollt. So haben die Götter beschlossen; so habt ihr (Götter) gewollt, sagt Virgil, damit wir sehen sollen, daß im Volke das Wissen von der Vorherbestimmung und dem Vorherwissen Gottes nicht weniger übriggeblieben ist, als die Kenntniß von Gott selbst. Und diejenigen, welche weise scheinen wollten, sind durch ihre Disputationen dahin gekommen, daß sie mit verfinstertem Herzen Narren geworden sind, Röm. 1, und das leugneten oder mit Stillschweigen übergingen, was die Dichter und das Volk und ihr eigenes Gewissen für das Allergewöhnlichste, Gewisseste und Wahrste halten. Weiter sage ich nicht allein, wie wahr dieses sei – darüber wird später ausführlicher auf Grund der heiligen Schrift geredet werden –, sondern auch, wie christlich, gottselig und notwendig es sei, dieses zu wissen. Denn, wenn man dieses nicht weiß, so kann weder der Glaube, noch irgend ein Gottesdienst bestehen. Denn das hieße in der That Gott nicht kennen; wenn man den aber nicht kennt, so gibt es auch kein Heil, wie bekannt ist. Denn wenn du zweifelst, oder verachtest zu wissen, daß Gott alles, nicht auf zufällige Weise, sondern mit Notwendigkeit und unwandelbar vorherweiß und will, wie könntest du seinen Verheißungen glauben, gewiß darauf vertrauen und dich darauf verlassen? Denn wenn er zusagt, so mußt du gewiß sein, daß er das, was er zusagt, wisse, und geben könne und wolle; sonst wirst du ihn nicht für wahrhaftig und treu halten: das aber ist Unglaube und die größte Gottlosigkeit und Verleugnung des höchsten Gottes.
Aber auf welche Weise kannst du gewiß und sicher sein, wenn du nicht weißt, daß er gewiß, und unfehlbar, und unveränderlich, und mit Notwendigkeit wisse und wolle und thun werde, was er zusagt? Denn wir müssen nicht allein gewiß sein, daß Gott mit Notwendigkeit und unveränderlicher Weise wolle und ausrichten werde, sondern uns gerade dessen auch rühmen, wie Paulus Röm. 3,4. sagt: „daß Gott sei wahrhaftig und alle Menschen Lügner“; und wiederum: Nicht daß Gottes Wort fehlen könne (Röm. 4,21. 1 Sam. 3,19.); und anderswo (1 Tim. 2,19.): „Der feste Grund Gottes bestehet und hat dieses Siegel: Der Herr kennet die Seinen“, und Tit. 1,2.: „Welches verheißen hat, der nicht lüget, Gott, vor den Zeiten der Welt“; und Hebr. 11,6.: „Wer zu Gott kommen will, der muß glauben, daß er sei, und denen, die ihn suchen, ein Vergelter sein werde.“ Darum wird der christliche Glaube ganz ausgelöscht, die Zusagen Gottes und das ganze Evangelium fallen ganz und gar dahin, wenn uns gelehrt wird und wir glauben, daß wir das nothwendige Vorherwissen Gottes und die Notwendigkeit dessen, was ins Werk gesetzt werden muß, nicht zu wissen brauchten. Denn dies ist der einzige und höchste Trost der Christen in allen Widerwärtigkeiten, zu wissen, daß Gott nicht lügt, sondern unwandelbar alles thut, daß seinem Willen niemand widerstehen, niemand ihn ändern oder hindern kann. Da siehe nun, lieber Erasmus, wohin uns deine überaus gemäßigte, den Frieden über alles liebende Theologie führt. Du hältst uns zurück und verbietest uns, damit umzugehen, daß wir das Vorherwissen Gottes und die Notwendigkeit in Dingen und Menschen erkennen lernen, räthst uns vielmehr, solches fahren zu lassen, zu meiden und zu verachten. Mit diesem deinem unbedachten Beginnen lehrst du uns zugleich, daß wir Unkenntniß Gottes suchen sollen, die schon von selbst kommt und uns noch dazu angeboren ist, daß wir den Glauben verachten sollen, daß wir die Verheißungen Gottes fahren lassen sollen, daß wir alle Tröstungen des Geistes und die Gewißheit des Gewissens für nichts achten sollen: dergleichen Dinge würde kaum Epicur selbst lehren.
Ferner, damit nicht zufrieden, nennst du den unchristlich, vorwitzig und eitel, der sich bemüht, diese Dinge kennen zu lernen, aber christlich, gottselig und nüchtern, wer sie verachtet. Was bringst du daher mit diesen Worten anders zuwege, als daß die Christen vorwitzig, eitel und nicht gottesfürchtig sind? das Christentum sei eine Sache von durchaus gar keinem Belang, eitel, thöricht und gottlos? So geschieht es wiederum, daß während du uns aufs höchste von der Vermessenheit abschrecken willst, du nach der Weise der Thoren ins Gegenteil geraten bist, und nichts Anderes lehrst als die höchste Vermessenheit, Gottlosigkeit und Verderbung. Fühlst du nicht, daß dein Büchlein in diesem Stücke so gottlos, lästerlich und gottesräuberisch ist, daß es nirgends seines Gleichen hat?
Ich rede nicht von deinem Herzen, wie ich oben gesagt habe, denn ich halte dich nicht für so verderbt, daß du dieses von Herzen lehren oder gethan haben wolltest, sondern um dir zu zeigen, was für seltsame Dinge der, ohne es zu wollen, herschwatzen muß, welcher es auf sich genommen hat, eine schlechte Sache zu führen; ferner, was es auf sich habe, gegen Gottes Werke und Worte anzugehen, während wir anderen zu Gefallen handelnd eintreten und gegen unser Gewissen einer fremden Sache dienen. Es ist weder Spiel noch Scherz, die heilige Schrift und die Gottseligkeit zu lehren, denn hier kommt man sehr leicht so zu Falle, wie Jacobus (2,10.) sagt: „Wer sündiget an Einem, der ist es ganz schuldig.“ Denn so geschieht es, daß wenn wir es nur für ein Geringes halten, unser Spiel treiben zu wollen, und die heilige Schrift nicht gebührend in Ehren halten, wir bald in Gottlosigkeit verstrickt werden und in Gotteslästerungen fallen, wie dir hier widerfahren ist, Erasmus. Gott verzeihe dir und erbarme sich deiner.
Daß aber die Sophisten in dieser Sache so viele Fragen aufgeworfen und untersucht und viele andere unnütze Dinge eingemischt haben, von denen du vieles anführst, wissen und bekennen wir mit dir, und haben es heftiger und mehr angefochten als du. Aber du thust ganz unweislich und unbesonnen, daß du die Reinheit der heiligen Dinge mit den unheiligen und törichten Fragen der Gottlosen mischest, vermengst und sie ihnen gleich machst. Jene haben das Gold besudelt und die gute Farbe verändert, wie Jeremias sagt (Klagel. 4,1.), aber es muß das Gold nicht dem Kothe verglichen und zugleich mit diesem weggeworfen werden, wie du thust. Das Gold muß von ihnen befreit werden und die reine Schrift muß geschieden werden von ihrem Unflath und Schmutze. Dessen bin ich immer beflissen gewesen, damit man die heilige Schrift für etwas Anderes hielte, als ihre Possen. Und es darf uns auch nicht irre machen, daß durch jene Fragen nichts gewonnen ist, als daß wir zum großen Schaden der Eintracht weniger Liebe erweisen, während wir überklug sein wollen. Wir behandeln jetzt nicht die Frage, was die Sophisten-Fragsteller ausgerichtet haben, sondern wie wir gut und Christen werden, und du mußt es der christlichen Lehre nicht zur Last legen, was die Gottlosen übel handeln. Denn das dient nichts zur Sache und du hättest das bei anderer Gelegenheit sagen können und das Papier sparen.
Im dritten Theile fährst du fort, uns zu bescheidenen und ruhigen Epicurern zu machen, durch eine andere Art von Rath, der aber auch nicht verständiger ist, als die vorigen zwei, nämlich: „daß es einige Dinge gibt, die von solcher Art sind, daß, wenn sie gleich wahr wären, und man selbige wissen könnte, es doch nicht rathsam wäre, sie den Ohren von allerlei Volk preiszugeben.“
Und hier wirfst du wiederum alles zusammen und vermischest es nach deiner Weise, daß du heilige Dinge den weltlichen gleich machst ohne allen Unterschied, und bist wiederum in Verachtung und Verunehrung Gottes und der Schrift gefallen. Ich habe oben gesagt, daß das, was in der heiligen Schrift entweder gelehrt oder bewiesen wird, nicht nur klar, sondern auch heilsam sei, und daß man deshalb mit Sicherheit öffentlich verkündigen, lernen und wissen könne, ja müsse, daß das falsch ist, was du sagst, man solle es nicht den Ohren von allerlei Volk preisgeben, wenn du redest von dem, was in der heiligen Schrift ist; denn wenn du von anderen Dingen geredet haben willst, so geht uns das nichts an und du hast dann nicht zur Sache geredet, sondern verderbst Papier und Zeit mit deinen Worten. Ferner weißt du, daß ich mit den Sophisten in keinem Stücke übereinkomme, so daß du mich mit Recht hättest verschonen sollen und mir ihre Mißbräuche nicht vorwerfen, denn in deiner Schrift hättest du gegen mich reden sollen. Ich weiß, worin die Sophisten irren, und brauche dich nicht als Lehrer; sie sind von mir hinlänglich widerlegt. Dies will ich ein für allemal gesagt haben, so oft du mich mit den Sophisten zusammenwirfst und meiner Sache ihre Narrheit zur Last legst. Denn daran thust du Unrecht, was du sehr wohl weißt.