Von den Grenzen der Machbarkeit - Anselm Grün - E-Book

Von den Grenzen der Machbarkeit E-Book

Anselm Grün

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Beschreibung

»Es geht heute nicht darum, die Errungenschaften der Technik zu dämonisieren oder gar abzulehnen. Sie können durchaus ein Segen sein, wenn sie um die eigenen Grenzen wissen.« Seit jeher versucht der Mensch die Erde und die Natur zu beherrschen, wie schon der bekannte antike Prometheus-Mythos deutlich macht. Doch bereits in dieser Geschichte findet sich die Erkenntnis, dass in jedem wissenschaftlichen Fortschritt auch die Gefahr des Missbrauchs steckt. In ihrem gemeinsamen Buch zeigt Br. Ansgar Stüfe als Mediziner am Beispiel der Genschere, wie nahe Fluch und Segen in Naturwissenschaft und Technik beieinanderliegen. Pater Anselm Grün als Theologe macht dagegen an verschiedenen Beispielen deutlich, wie der Mensch Natur, Gesundheit und Psyche beeinflusst und was das für unsere Zukunft bedeuten kann. Ein spannender Blick auf die Chancen und Gefahren des Fortschritts.

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Seitenzahl: 126

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Anselm Grün, Ansgar Stüfe

Von den Grenzen der Machbarkeit

Vier-Türme-Verlag

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Printausgabe

© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2022

ISBN 978-3-7365-0428-8

E-Book-Ausgabe

© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2022

ISBN 978-3-7365-xxxx-x

Alle Rechte vorbehalten

E-Book-Erstellung: Dr. Matthias E. Gahr

Lektorat: Marlene Fritsch

Covergestaltung: Finken und Bumiller, Stuttgart

Covermotiv: SkillUp, shutterstock.com

www.vier-tuerme-verlag.de

Inhalt
Vorwort

ANSELM GRÜN

Was ist der Mensch?
Der Mythos des Prometheus
Das Beherrschen der Natur
Das Beherrschen der Gesundheit
Das Beherrschen der Psyche
Das Beherrschen der Geburt und des Todes
Vom Menschen als Macher zum machbaren Menschen
Grenzüberschreitung statt Entgrenzung
Demut und Hoffnung als angemessene Haltungen des Menschen
Aussicht
Literatur

ANSGAR STÜFE

Beherrschen und Begrenzen
Die entfesselte Wissenschaft
Die Genschere
Die Entdeckung
Die Anwendung
Pflanzen
Tierhaltung
Genbeeinflussung beim Menschen
Gefahren und Grenzen wissenschaftlicher Forschung
Menschliche Keimzellen
Unsinnsentwicklungen
Patentschutz
Grenzziehungen
Ethische Überlegungen
Literatur

Vorwort

Die Corona-Krise hat uns deutlich vor Augen geführt, dass wir weder die Welt noch uns selbst und unsere Gesundheit beherrschen oder kontrollieren können. Der Optimismus, mit dem die Aufklärung den Prometheus-Mythos interpretiert hat, ist uns heute fremd. Wir sehen eher die negativen Auswirkungen dieses Mythos, der den Menschen als »Macher«, als »Homo faber« versteht, wie Max Frisch das in seinem gleichnamigen Roman beschreibt. Unser Beherrschen- und Kontrollierenwollen hat unserer Umwelt geschadet. Und es hat uns auch nicht gesünder gemacht. Wir haben zwar durch die Forschung viele Krankheiten wie die Pocken und die Lepra besiegt, aber es sind auch neue Krankheiten entstanden.

In unserem gemeinsamen Buch stellen wir, P. Anselm Grün als Theologe und Br. Ansgar Stüfe als Mediziner, die Gefahren des Beherrschenwollens dar. Wir müssen uns vom Mythos der Beherrschbarkeit und Kontrollierbarkeit unserer Welt und unseres Lebens verabschieden. Das bedeutet aber nicht, dass wir den Prometheus-Mythos völlig außer Acht lassen. Wie in jedem Mythos, so steckt auch in diesem durchaus eine positive Botschaft. Br. Ansgar beschreibt als Mediziner, wie gerade die medizinische Forschung heute neue Möglichkeiten schafft, Krankheiten zu bekämpfen und auch zu besiegen. Aber er sieht auch die Grenzen der Forschung und die Gefahren, die heute entstehen, wenn wir ohne ethische Maßstäbe Forschung betreiben. Dann begegnen wir den negativen Auswirkungen des Prometheus-Mythos.

Gerade heute, da es um die Impfthematik kontroverse Auseinandersetzungen gibt, die Freundschaften und Familien zerbrechen und die Gesellschaft spalten, tun die nüchternen und klaren Aussagen von Br. Ansgar gut. Sie schaffen Klarheit über die Chancen, nicht nur des Impfens, sondern auch der Forschung auf diesem Gebiet. Zugleich zeigen sie auch die Gefahren auf, die von einer Forschung ausgehen, die sich nur vom »Homo faber« leiten lässt, aber die ethische Seite nicht berücksichtigt.

So wünschen wir den Leserinnen und Lesern, dass die Gedanken dieses Buches ihnen helfen, mit der Situation, in die wir durch die Pandemie und durch den Klimawandel geraten sind, angemessen umzugehen und vor allem einen klaren Blick dafür zu bekommen, was wir Menschen heute brauchen, um weiterhin in dieser so gefährdeten Welt gut und in Frieden miteinander leben zu können.

P. Anselm Grün

Br. Ansgar Stüfe

Anselm Grün

Was ist der Mensch?

Die Corona-Krise hat uns deutlich vor Augen geführt, dass alle Pläne, die Natur zu beherrschen, die Gesundheit zu kontrollieren, die Psyche in den Griff zu bekommen und alles mit unserem Geist zu beherrschen, nicht aufgehen. Wir haben das Gefühl, dass die Welt aus den Fugen geraten ist – und das ist nicht nur ein momentaner Zustand. Die Corona-Krise stellt unsere sicheren Prognosen infrage. Wir haben es immer wieder erlebt: Wir können nicht mehr planen. Alle Termine in unseren Kalendern stehen dort unter dem Vorbehalt, dass die staatlichen Vorschriften oder der gesunde Menschenverstand sie zulassen. In jeder Hinsicht wird deutlich, dass wir auch in Zukunft diese Welt nicht beherrschen können und wir trotz aller medizinischen Fortschritte Gesundheit nicht garantieren können. Selbst wenn diese Pandemie überwunden sein wird, bleibt die Gefahr einer neuen Seuche, die sich durch Reise- und Güterverkehr schnell weltweit ausbreiten kann. Wir haben in der Pandemie hautnah erlebt, dass wir den Tod nicht abschaffen können, und wurden neu auf unsere Sterblichkeit hingewiesen. Alles, was wir gerne in den Griff bekommen möchten, gleitet uns aus den Händen. Wir werden uns auch in Zukunft auf ähnliche Situationen einstellen und damit aussöhnen müssen, dass unser Trieb, zu herrschen, gebremst, ja sogar infrage gestellt wird.

Die äußeren Grenzen unseres Strebens, diese Welt zu beherrschen, verweisen uns aber auch auf tieferliegende Probleme: auf das Bild des »machbaren Menschen« und des »entgrenzten Menschen«. So zwingt uns die augenblickliche Krise, die Frage nach einem Menschenbild zu stellen, das unserem Wesen entspricht. Diese Frage ist uralt. Sie wird seit jeher von der Philosophie und der Religion gestellt. Und sie äußert sich in den Mythen, die die verschiedenen Kulturen und Religionen entwickelt haben. Ein uralter Mythos, der das Dilemma der menschlichen Existenz angesichts der gegenwärtigen und zukünftigen Pandemien beschreibt, ist der Mythos des Prometheus. Daher möchte ich, bevor ich auf die aktuelle Situation eingehe, zunächst den Mythos des Prometheus dazu befragen, was er uns an wesentlichen Einsichten über unseren Umgang mit uns selbst und mit der Welt vermittelt.

Der Mythos des Prometheus

Mythen sind der Versuch, das Geheimnis des menschlichen Lebens zu beschreiben. Einer der bekanntesten Mythen ist der des Prometheus. Schon die griechische Tradition kennt dabei verschiedene Überlieferungen und Deutungen der Erzählung und im Lauf der Geschichte ist dieser Mythos immer wieder aufgegriffen und je nach Zeitgeist oft sehr kontrovers gedeutet worden. So möchte ich kurz die allgemein übliche Fassung erzählen.

Prometheus bedeutet »der Vorauswissende, der Vorausdenkende«, und er gehört zum Göttergeschlecht der Titanen. Sie beherrschten mit dem Urgott Kronos die Welt. Doch im Götterkampf besiegt Zeus den Kronos und verbannt die Titanen auf eine ferne Insel. Prometheus stand dabei auf der Seite des Zeus und verhalf ihm durch Informationen zum Sieg. In manchen Mythen wird erzählt, Prometheus habe die Menschen erschaffen. Er formte sie aus Ton und Athene hauchte ihnen Leben ein. Zeus interessiert sich im Gegensatz zu Prometheus jedoch nicht für die Menschen. Er enthält ihnen alles vor, was sie zum Leben brauchen: Nahrung und vor allem das Feuer. Also raubt Prometheus das Feuer aus dem Olymp, zu dem er sich heimlich Zutritt verschafft. Er versteckt es in einem Riesenfenchel und bringt die Glut den Menschen. Zeus ist außer sich vor Wut.

Prometheus täuschte Zeus auch bei anderer Gelegenheit. Zum Beispiel als in Mekone ein Opferfest stattfindet. Ein Teil der Opfer soll an die Menschen gehen, der andere Teil an Zeus. Doch es war nicht klar, wie die Opfer aufgeteilt werden sollten. Prometheus zerlegt daher einen Opferstier und versteckt die Knochen in der Haut, das gute Fleisch dagegen im unansehnlichen Magen. Zeus soll nun selbst sein Opferteil wählen und nimmt prompt den größeren Teil mit den Knochen. In seinem Zorn gibt nun Zeus dem Gott des Feuers und der Schmiede, Hephaistos, den Auftrag, Prometheus an einen Felsen im Kaukasus zu fesseln. Alle drei Tage kommt ein Adler und reißt ihm die Leber aus dem Leib. Die Leber wächst immer wieder nach. Prome­theus sollte 30.000 Jahre dort gefesselt sein. Doch dann befreit ihn Herakles – durchaus mit Wissen des Göttervaters Zeus – von den Qualen. Herakles tötet den Adler mit einem Pfeil und löst die Fesseln des Prometheus, der daraufhin einen Ring, geschmiedet aus seinen Fesseln, als Erinnerung an seine Leiden trägt.

Eine Ergänzung dieses Mythos kreist um den Bruder des Prometheus, Epimetheus. Sein Name meint so viel wie der »Nachherbedenkende« – der Mensch, der erst handelt und danach denkt. Zeus schickt ihm eine wunderschöne Frau, Pandora. Prometheus warnt seinen Bruder, sie zu heiraten. Doch Epimetheus hört nicht auf seinen Bruder. Pandora hat eine Büchse bei sich. Sie öffnet sie und aus ihr entweichen alle Krankheiten und Übel, an denen die Menschen noch heute leiden.

Man könnte diesen Mythos mit der biblischen Sündenfallerzählung vergleichen. Die Kirchenväter deuten diese nicht in erster Linie mit Schwerpunkt auf der Sünde, sondern als den Beginn all der Beschwerden, Krankheiten, Unglücksfälle und Schmerzen, die den Menschen heimsuchen. Gott schickt seinen Sohn nicht in die Welt, um die Schuld zu sühnen, sondern als Arzt, der die Krankheiten der Menschen, die körperlichen und vor allem die seelischen, zu heilen vermag.

Der Mythos um Prometheus hat in den letzten 2800 Jahren unendlich viele Deutungen erfahren. Die christlichen Theologen der Antike beispielsweise sahen in Prometheus den Hochmütigen, der das Gebot Gottes übertritt und meint, er könne den Menschen nach seinem eigenen Gutdünken erschaffen. Griechische und römische Autoren sehen in Prometheus den Menschenfreund, der für sie sorgt und seinen Dienst an ihnen mit unsäglichen Schmerzen bezahlt. Der griechische Dramatiker Aischylos legt in seiner Tragödie »Der gefesselte Prometheus« sein Augenmerk vor allem auf den Protest des Prometheus gegenüber einem zornigen und willkürlichen Göttervater Zeus. Seine Tragödie ist also letztlich Religionskritik. Ähnlich sieht es Goethe in seiner frühen Ode »Prometheus«. Manche Germanisten meinen, damit rebelliere der junge und aufmüpfige Dichter nicht nur gegen die christliche Religion, sondern in erster Linie gegen seinen Vater und die damalige Gesellschaft.

Der italienische Philosoph der Renaissancezeit Marsilio Ficino deutet die Qualen des Prometheus als Symbol für die Situation des Menschen: Er ist an die Materie gefesselt, bemüht sich umsonst um die Lösung der Welträtsel und leidet unter seiner geistigen Unzulänglichkeit. Giordano Bruno dagegen deutet den Feuerraub des Prometheus so, dass er den Menschen das Licht der Vernunft bringt. Bruno verteidigt den Prometheus und meint, der Mensch müsse Gottes Gebot übertreten und Gott den Anspruch auf exklusives Wissen streitig machen. Die Epoche des Sturm und Drang sieht in Prometheus ein Vorbild für den Menschen, der aufsteht und gegen die bestehende enge Ordnung rebelliert. Ähnlich interpretiert Friedrich Nietzsche die Gestalt des Prometheus. Er sieht ihn als Künstler, der sich durch einen Frevel die Kultur des Menschen erkämpft und dafür Leiden auf sich nehmen muss.

Auch im 20. Jahrhundert beschäftigt man sich mit der Erzählung. Ich möchte nur kurz auf die philosophische und auf die psychologische Deutung eingehen. Herbert Marcuse sieht in Prometheus einen Archetyp des Helden des Leistungsprinzips. Er symbolisiert die Produktivität, die rastlose Anstrengung, um das Leben zu meistern. Der Fortschritt wird jedoch mit Mühsal und Unterdrückung erkauft. Marcuse meint, gegenüber diesem einseitigen Bild des Menschen brauche es den Mythos des Orpheus, der für Freude, Genuss und Erfüllung steht. Die Fortschrittsoptimisten waren begeistert von Prometheus. Doch Skeptiker wie der deutsch-amerikanische Philosoph Hans Jonas sehen in dem entfesselten Prometheus ein Bild für den rastlosen Menschen, der die Wirtschaft und die Wissenschaft immer weiter vorantreibt. Seiner Ansicht nach muss dieser durch die Ethik gezügelt werden. Sonst wird er zum Unheil für den Menschen und für den Kosmos. Der Philosoph und Schriftsteller Günter Anders spricht von der »prometheischen Scham«. Der Mensch sei zum »Hofzwerg seines eigenen Maschinenparks« geworden und »schäme sich seiner Unzulänglichkeit angesichts der Perfektion seiner Apparaturen«.

Papst Franziskus spricht in seiner Umweltenzyklika vom prometheischen Traum der Herrschaft über die Welt, »der den Eindruck erweckte, dass die Sorge für die Natur eine Sache der Schwachen sei«. Dagegen setzt der Papst das Modell, den Menschen »als verantwortlichen Verwalter zu verstehen« (Laudato si, Nr. 116). Wenn er sich als Herrscher über die Welt versteht und die Natur ausbeuten möchte, ruft er mit seiner prometheischen Sicht der Welt die Auflehnung der Natur hervor (Laudato si, Nr. 117).

Die psychologische Deutung sieht in Prometheus den typischen »Macher«, der meint, er könne alles erreichen, was er wolle. Aber er hält sich nicht an die Grenzen, die ihm gesetzt sind. Daher wird er an den Felsen gefesselt, das heißt, er wird letztlich ohnmächtig, kann nun gar nichts mehr gestalten. Der Adler, der seine Leber täglich auffrisst, steht für die Emotionen, die ihn quälen bzw. die er leugnet. So wird er täglich extrem damit konfrontiert. Die Leber steht aber auch für Größenfantasien: Wer zu groß von sich denkt, der erlebt immer wieder schmerzlich seine eigene Begrenztheit.

Ich möchte die modernen Deutungen mit der Deutung des Prometheus im Roman »Homo faber« von Max Frisch abschließen. Walter, ein Ingenieur, ist ein typischer Macher, der beruflich erfolgreich, aber unfähig zu einer tragfähigen Beziehung mit einer Frau ist. Er will nicht heiraten, sich nicht binden. Das würde ihn in seinem Lebensstil stören, der nur auf Leistung ausgelegt ist. Seine erste Beziehung zu Hanna scheitert. Doch sie wird von ihm schwanger und Walter möchte, dass sie das Kind abtreibt.

Zwanzig Jahre später trifft er zufällig Sabeth, die Tochter von Hanna – sein eigenes Kind, ohne dass er davon weiß. Sie fahren zusammen von Paris aus durch ganz Europa nach Griechenland, wo Hanna wohnt. Bevor sie sie treffen können, verunglückt Sabeth: Nach einem Schlangenbiss stürzt sie eine Böschung hinunter. Daraufhin behandeln die Ärzte zwar den Schlangenbiss, übersehen aber, dass Sabeth eine Schädelverletzung hat, an der sie schließlich stirbt.

Kurz darauf treffen sich Hanna und Walter und sprechen viel über ihr Leben. Hanna analysiert das Verhalten von Walter. Sie meint, die Technik sei für ihn der »Kniff, die Welt so einzurichten, dass wir sie nicht erleben müssen. Manie des Technikers, die Schöpfung nutzbar zu machen, weil er sie als Partner nicht aushält, nichts mit ihr anfangen kann; Technik als Kniff, die Welt als Widerstand aus der Welt zu schaffen, beispielsweise durch Tempo zu verdünnen, damit wir sie nicht erleben müssen« (Frisch, 211). Sie meint, der Irrtum, dem Walter aufgesessen sei, bestehe darin, »dass wir Techniker versuchen, ohne den Tod zu leben. Wörtlich: Du behandelst das Leben nicht als Gestalt, sondern als bloße Addition, daher kein Verhältnis zur Zeit, weil kein Verhältnis zum Tod. Leben sei Gestalt in der Zeit« (Frisch, 212). Max Frisch sieht in dem Bild des »Homo faber« eine Perversion des Menschseins. Der Mensch wird unfähig zu einer guten Beziehung zum Kosmos. Er möchte die Natur beherrschen, weil er sie nicht spüren kann und er es nicht ertragen kann, dass sie ihm Widerstand leistet. Er möchte Herr sein über die Natur. Wenn die Natur ihre Macht zeigt, dann ist das eine Kränkung des narzisstischen Menschen, der meint, alles im Griff zu haben. Der »Homo faber« ist letztlich gefühllos und daher unfähig zu menschlichen Beziehungen. Vor allem ist er unfähig, die Frau als Frau zu akzeptieren und sich auf sie einzulassen. Er muss auch sie beherrschen. Doch das zerstört jede echte Beziehung.