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DAS SCHLOSS MEINER TRÄUME von CAROLE MORTIMER Seit der bekannte Maler Brice McAllister das wunderschöne Topmodel Sabina auf einer Modenschau gesehen hat, träumt er nur noch von ihr. Als ihr Verlobter ihn bittet, ein Porträt von ihr anzufertigen, weiß Brice gar nicht, ob er den Auftrag annehmen soll. Möglicherweise die Chance, um Sabinas Herz zu erobern! Aber einem anderen die Frau wegnehmen? Was verbindet Sabina mit ihrem wesentlich älteren Verlobten? Brice muss ihr Geheimnis lüften und lädt sie auf sein Schloss in Schottland ein ... ZUM ERSTEN MAL IM LEBEN von VICTORIA PADE Keine Adresse, keine Erklärung – nichts! Nach Stunden der Leidenschaft verschwindet die süße Paris am nächsten Morgen. Ethan Tarlington aber, sehr reich und verliebt, geht die Kunstmalerin nicht aus dem Kopf. Er muss sie einfach finden, um ihr seine Liebe zu beweisen! DICH WILL ICH BESCHÜTZEN von GINA WILKINS Der erfolgreiche Privatdetektiv Sam Fields soll Jessica Parks überwachen. Doch seit Sam die schöne junge Frau kennt, will er nur noch eins: sie vor ihrem tyrannischen Vater beschützen. Sein Glück kennt keine Grenzen, als die junge Kunstmalerin seine leidenschaftlichen Gefühle erwidert. Aber ihre stürmische Liebe droht zu zerbrechen: Jessica erfährt, dass Sam zunächst im Auftrag ihres Vaters tätig war, und glaubt, dass er sie verraten hat … WAS HAST DU IM SINN? von ANNE WEALE Ein fantastischer Job für Künstlerin Lucia: Sie soll eine Society-Lady auf Reisen begleiten und ihr Tipps für ihre Malstudien geben. Beim Trip nach Alicante ist der Sohn ihrer Gönnerin dabei – und Lucia verliert ihr Herz an den attraktiven Grey! Doch ihre Liebe darf nicht sein, denn Lucia hat schwere Schuld auf sich geladen! STRAND DER LEIDENSCHAFT von ROBYN DONALD Heftig schlägt Rowans Herz, als eine Jacht in der Bucht vor ihrem Haus ankert. Wer von Bord geht: Der Mann, dem sie sich einst hingegeben hat – und jetzt kehrt er zu ihr zurück! Noch ahnt sie nicht, dass er diesmal einen anderen Grund hat, ihre Nähe zu suchen …
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Seitenzahl: 993
Cover
Titel
Inhalt
Das Schloss meiner Träume
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
15. KAPITEL
16. KAPITEL
17. KAPITEL
Zum ersten Mal im Leben
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
Dich will ich beschützen
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Impressum
PROLOG
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
15. KAPITEL
Was hast du im Sinn?
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1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
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6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
15. KAPITEL
16. KAPITEL
17. KAPITEL
Strand der Leidenschaft
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Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
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Contents
Carole Mortimer
Das Schloss meiner Träume
IMPRESSUM
Das Schloss meiner Träume erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: 040/60 09 09-361
Fax: 040/60 09 09-469
E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:
Thomas Beckmann
Redaktionsleitung:
Claudia Wuttke (v.l.S.d.P.)
Produktion:
Christel Borges
Grafik:
Deborah Kuschel (Art Director), Jupiterimages / Getty Images (Foto)
©
2002 by Carole Mortimer Originaltitel: „To Marry McAllister“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: PRESENTS Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam
©
Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA Band 1564 Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Dr. Susanne Hartmann
Veröffentlicht im ePub Format im 11/2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: readbox, Dortmund
ISBN 978-3-86494-765-0
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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ROMANA, BIANCA, BACCARA, TIFFANY, MYSTERY, MYLADY, HISTORICAL
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1. KAPITEL
“McAllister, stimmt's?”
Brice ärgerte sich über die Störung seiner Einsamkeit. Falls man auf einer Party einsam sein konnte! Normalerweise wäre er nicht zu dieser Party gegangen, aber vor sechs Monaten hatte sein Cousin Fergus die Tochter eines Abgeordneten geheiratet. Und nun war die komplette Familie zur Feier anlässlich der Wiederwahl eingeladen. Es wäre unhöflich gewesen, abzusagen.
Er mochte es auch nicht besonders, nur mit Nachnamen angeredet zu werden. Das erinnerte ihn allzu sehr an seine Schulzeit. Am meisten irritierte ihn jedoch der Ton, in dem er angesprochen worden war: Arroganz, die an Herablassung grenzte!
Brice drehte sich langsam um und stand einem Mann gegenüber, dem er noch nie begegnet war. Er war groß, hatte blondes Haar, das an den Schläfen ergraut war, mochte Mitte fünfzig sein und hatte ein strenges, gut aussehendes Gesicht, das zu der Arroganz passte, die Brice schon wahrgenommen hatte. “Brice McAllister, ja”, sagte er kühl.
“Richard Latham.”
Der Name kam Brice irgendwie bekannt vor … Er schüttelte dem Mann flüchtig die Hand und machte absichtlich keinen Versuch, ein Gespräch anzufangen. Brice war noch nie besonders gesellig gewesen, und er war der Meinung, dass er an diesem Tag seine Pflicht gegenüber der Verwandtschaft getan hatte. Er wartete nur auf eine Pause im Ablauf der Feier, sodass er sich verabschieden konnte.
“Sie haben keine Ahnung, wer ich bin, stimmt's?” Richard Latham klang eher amüsiert als verärgert.
Aber ich weiß, was du bist, dachte Brice. Der hartnäckige Typ! Latham … So hieß Fergus' Schwager, Paul Hamiltons anderer Schwiegersohn, also war Richard Latham wohl irgendwie mit den Hamiltons verwandt. Nur hatte Brice das Gefühl, dass er das nicht gemeint hatte. Inzwischen war es fast sieben Uhr. Brice unterdrückte ein Seufzen. Er hatte sich in Kürze unter dem Vorwand entschuldigen wollen, dass er an diesem Abend noch eine Verabredung habe. Jetzt musste er sich erst einmal aus dem unerwünschten Gespräch befreien. “Leider nicht”, gab er unverblümt zu. Es war ihm nicht fremd, auf Partys angesprochen zu werden. Das gefiel ihm nicht, doch er akzeptierte, dass sich ein berühmter Künstler wie er bei gewissen gesellschaftlichen Veranstaltungen blicken lassen musste. Dieser arrogante Mann war ihm einfach von Anfang an auf die Nerven gegangen.
Richard Latham zog die Augenbrauen hoch. “Meine Sekretärin hat im vergangenen Monat zweimal Kontakt mit Ihnen aufgenommen, weil ich gern ein Porträt meiner Verlobten bei Ihnen in Auftrag geben würde.”
Er war der Richard Latham! Der Multimillionär, dessen geschäftliche Interessen sich weltweit erstreckten, der mit seinen privaten Beziehungen zu einigen der schönsten Frauen der Welt fast ebenso viele Schlagzeilen machte wie mit seinen erfolgreichen Transaktionen. Allerdings hatte Brice keine Ahnung, wer die “Verlobte” sein könnte. “Ich habe in meinem Antwortbrief auf die erste Anfrage Ihrer Sekretärin erklärt, dass ich keine Porträts male”, erwiderte er höflich. Und er hatte keine Lust gehabt, das noch einmal zu erklären, als er nur eine Woche später ein zweites Schreiben erhalten hatte.
“Das stimmt nicht”, sagte Richard Latham kurz angebunden. “Ich habe das großartige Porträt gesehen, das Sie von Darcy McKenzie gemalt haben.”
Brice lächelte flüchtig. “Darcy ist mit meinem Cousin Logan verheiratet.”
“Und?”
“Es war eine einmalige Sache. Ein Hochzeitsgeschenk.”
“Dies ist auch ein Geschenk. Eins, das ich mir selbst mache.”
Offensichtlich war Richard Latham ein Mann, der es nicht gewohnt war, ein Nein zu hören. Tja, dafür kann ich nichts, dachte Brice. Er hatte keine Lust, schmeichelhafte Porträts von den Reichen und Verwöhnten zu machen, nur damit sie sagen konnten, sie hätten einen “McAllister” an der Wand hängen. “Es tut mir wirklich leid …”, begann er und verstummte. Im Zimmer wurde es still. Alle sahen die Frau an, die an der Tür stand.
Sabina.
Brice hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Fotos von ihr gesehen. Er hätte blind sein müssen, um das nicht zu tun. Kaum ein Tag verging, an dem das berühmteste Model der Welt nicht bei irgendeiner Modenschau, auf einer Party oder bei einer Veranstaltung abgelichtet wurde. Aber keins der Fotos hatte Brice auf ihre perfekte Schönheit vorbereitet. Sabina hatte makellose Haut, ihre Augen waren leuchtend blau, das blonde Haar reichte ihr fast bis zur Taille, das kurze silberfarbene Kleid betonte die schönen, langen Beine. Sie trug keinen Schmuck, doch das hatte sie auch nicht nötig, es wäre nur zu viel des Guten gewesen.
Jetzt sah sie in seine Richtung, und Brice erkannte eine gewisse Besorgnis in ihrem Blick. Fast Angst …? Im nächsten Moment verbarg sie die Gefühlsregung und lächelte selbstsicher.
“Entschuldigen Sie mich, während ich meine Verlobte begrüße.” Richard Latham ging zu Sabina, legte ihr besitzergreifend den Arm um die Taille und küsste das Model auf die Wange.
Brice beobachtete die beiden, und ihm fiel auf, dass Sabina sehr wohl Schmuck trug. Am Ringfinger ihrer linken Hand funkelte ein großer, herzförmiger Diamant. Sabina war die Verlobte, die er malen sollte? Jetzt, da er sie in natura gesehen hatte, war sie die eine Frau auf der Welt, die er einfach malen musste!
Nicht wegen ihrer sensationellen Schönheit. Brice interessierte die flüchtig sichtbar gewordene Verletzlichkeit, die mehr als nur eine schöne Frau aus Sabina machte, und die er erforschen wollte, wenn auch nur auf Leinwand.
“Tut mir leid, dass ich ein bisschen zu spät komme.” Sabina lächelte Richard herzlich an. “Andrew war bei den Anproben heute sehr schwierig.” Sie tat den Topdesigner mit einem Schulterzucken ab. Er mochte zurzeit einer der besten Designer sein, aber er war aufbrausend, weshalb es die reine Hölle war, für ihn zu arbeiten.
“Jetzt bist du hier, alles andere ist unwichtig”, versicherte ihr Richard gelassen.
Sabinas Anspannung verschwand. Wie schön es war, jemand zu haben, der ihr wegen der Anforderungen, die ihr Beruf an sie stellte, niemals Schwierigkeiten machte. Tatsächlich war es das Gegenteil. Sie sollte nur das berühmte Gesicht an seiner Seite sein. Mehr wollte Richard nicht von ihr.
Und zum Glück wurden die Gespräche im Zimmer jetzt wieder aufgenommen. Selbst nach sieben Jahren als Topmodel hatte sich Sabina noch immer nicht daran gewöhnt, wie alle verstummten und sie anstarrten, wohin auch immer sie kam. Sie hatte im Lauf der Jahre nur zu verbergen gelernt, wie entsetzt sie oft über die Wirkung war, die ihr Aussehen auf die Leute hatte.
Nicht erkannt zu werden gelang ihr anscheinend nur, wenn sie in eins ihrer liebsten Hamburger-Restaurants ging. Niemand würde jemals glauben, dass das gertenschlanke Model Sabina gern Hamburger mit Pommes frites aß! Manche Reporter behaupteten, sie ernähre sich von Salatblättern und Wasser, um so schlank zu bleiben, aber sie gehörte wirklich zu den glücklichen Menschen, die alles essen konnten, ohne zuzunehmen.
Traurig fiel ihr ein, dass sie sich jetzt schon sechs Monate lang nicht mehr getraut hatte, in eins dieser Restaurants zu gehen.
“Ich möchte dich mit jemand bekannt machen, Sabina”, sagte Richard.
Er führte sie zu dem Mann, mit dem er sich unterhalten hatte, als sie angekommen war. Der Fremde war groß, noch größer als Richard mit seinen ein Meter fünfundachtzig, wahrscheinlich Mitte dreißig, trug Jeans, ein weißes T-Shirt und eine schwarze Jacke, hatte dunkles, ein bisschen zu langes Haar und ein strenges gut aussehendes Gesicht. Aber es waren die grünen Augen, die Sabina fesselten. Sein scharfsichtiger Blick ließ sie glauben, dass er ihr direkt in die Seele sehen konnte.
Sabina schauderte besorgt. Niemand sollte ihr in die Seele sehen, am allerwenigsten dieser strenge Mann!
“Brice, ich möchte Ihnen meine Verlobte Sabina vorstellen. Sabina, das ist Brice McAllister”, sagte Richard.
Er hörte sich zufrieden an. Sie wusste, dass er stolz auf ihr Aussehen war, doch jetzt schien er es noch mehr als sonst zu sein. Neugierig musterte sie Brice McAllister. Sollte sie wissen, wer …? Der Maler! Einer der gefragtesten der Welt. Was jedoch nicht Richards Einstellung ihm gegenüber erklärte … “Mr McAllister”, begrüßte sie ihn kühl.
“Sabina. Haben Sie auch einen Nachnamen?”, fragte er spöttisch.
“Smith. Das wissen nur wenige Leute. Meine Mutter hat mit dem exotischeren Vornamen den fantasielosen Nachnamen auszugleichen versucht.” Ich rede nur um des Redens willen, dachte sie und runzelte leicht die Stirn. Und das mit einem Mann, der sie nervös machte. Sie konnte nichts dagegen tun, wenn er sie so durchdringend ansah.
“Du bist Sabina. Das genügt”, mischte sich Richard arrogant ein.
Spürte er auch die Intensität dieses Blicks? Sabina schauderte wieder und rückte ein bisschen näher an Richard heran.
“Ich verspreche, es keinem Menschen zu verraten”, erwiderte Brice McAllister spöttisch auf Sabinas Bemerkung.
Sabina fand es nicht lustig, dass er ausgerechnet das Wort “Seele” benutzte, da sie doch sicher war, dass er ihr direkt in ihre blicken konnte! Sie fragte sich, was er wohl sah. Warmherzigkeit, wie sie hoffte. Humor. Loyalität und Ehrgefühl. Angst … Nein! Sie achtete darauf, ihre Furcht unter Verschluss zu halten. Aber das war nicht so einfach, wenn sie allein war. Deshalb erlaubte sie sich nur noch selten, mit ihren Gedanken allein zu sein.
“Ihr Verlobter und ich haben gerade darüber gesprochen, dass er Sie von mir malen lassen möchte”, sagte Brice McAllister.
Sabina runzelte verblüfft die Stirn. Ihr gegenüber hatte Richard das nicht erwähnt. Und sie wusste schon jetzt, nach wenigen Minuten in seiner Gesellschaft, dass der grüblerische Brice McAllister der Letzte war, mit dem sie Zeit zusammen verbringen wollte.
“Jetzt hat mir Brice meine Überraschung verdorben.” Richard tat es mit einem Lachen ab. “Dann haben Sie sich also entschieden, den Auftrag doch anzunehmen?”, fragte er herausfordernd.
Sabina schloss daraus, dass der Künstler es zunächst abgelehnt hatte, sie zu malen. Warum hatte er es sich anders überlegt? Falls er es getan hatte …
Brice McAllister zuckte gleichgültig die Schultern. “Es liegt im Bereich des Möglichen. Ich müsste einige Skizzen machen, bevor ich mich endgültig entscheide. Aber ich sollte Sie vielleicht schon jetzt darauf hinweisen, dass ich keine kitschigen Bilder von Leuten male.”
Damit deutete er an, dass sie eine kitschige Schönheit besaß! Nicht gerade der charmanteste Mann, der mir jemals begegnet ist, dachte Sabina trübselig. Aber zumindest war er ehrlich.
Vielleicht meinte er genau das. Er wollte nicht nur das Äußere, sondern auch die Seele eines Menschen einfangen. War ihr instinktives Gefühl also doch richtig gewesen, und er konnte sie wirklich durchschauen?
“Ein Mensch mit all seinen Fehlern und Schwächen”, sagte Richard trocken. “Tja, wie Sie sehen können, hat Sabina keinen Makel.” Er blickte sie stolz an.
Brice McAllister lächelte spöttisch über Richards Lob. Da sich der Maler auf sie konzentrierte, erkannte er jedoch anscheinend nicht, was Richards Besitzerstolz genau genommen war: Er rühmte sich des Eigentums eines schönen Gegenstands. “Du bist vielleicht ein bisschen voreingenommen, Richard”, sagte Sabina. “Und ich bin sicher, wir haben Mr McAllisters Zeit lange genug in Anspruch genommen.” Sie wollte seinem forschenden Blick entkommen. Irgendetwas daran beunruhigte sie.
“Wenn Sie mir Ihre Telefonnummer geben, rufe ich Sie an, und wir können einen Termin für die Skizzen ausmachen”, schlug Brice McAllister vor.
Sabina widerstrebte es, dass er noch mehr über sie erfuhr, als er schon wusste.
“Das ist einfach, sie hat dieselbe wie ich.” Richard nahm eine seiner privaten Visitenkarten heraus und gab sie Brice McAllister. “Wenn weder Sabina noch ich zu Hause sind, kann meine Haushälterin etwas ausrichten.”
Sabina beobachtete, wie Brice McAllister missbilligend die Lippen zusammenpresste, während er die Information verarbeitete, dass sie mit Richard in seinem Haus in Mayfair zusammenlebte. Sie hielt dem kühlen, abschätzenden Blick des Künstlers trotzig stand, spürte jedoch, dass sie rot wurde. Wieso maßte er sich an, über ihr Benehmen zu urteilen? Um Himmels willen, sie war fünfundzwanzig, alt genug, um Entscheidungen allein zu treffen. Sie war niemand Rechenschaft schuldig außer sich selbst. Und sie war mit ihren Wohnverhältnissen sehr zufrieden, vielen Dank!
Wenn auch ein bisschen defensiv …? Vielleicht. Aber Brice McAllister wusste nichts von der Einigung, zu der Richard und sie gelangt waren, als sie sich vor mehreren Monaten verlobt hatten, konnte nicht ahnen, dass diese Verlobung nur Fassade war und nicht auf Liebe, sondern auf Zuneigung beruhte. Für sie war die Abmachung ein Schutzschild gegen die Angst, mit der sie seit sechs Monaten lebte. Als Gegenleistung hatte Richard den schönen Gegenstand – sie! – in seinem Leben, den er sich so sehr gewünscht hatte. Und im Lauf der Zeit hatte sie erkannt, dass er merkwürdigerweise nur das von ihr wollte.
Einem Dritten musste das Arrangement zweifellos höchst seltsam vorkommen, aber es sagte ihnen beiden zu. Und es ging Brice McAllister mit Sicherheit nichts an!
“Ich rufe Sie an.” Er steckte die Visitenkarte in die Brusttasche seiner Jacke, nickte zum Abschied und steuerte auf das Paar zu, das in der Ecke saß und liebevoll mit einem Baby sprach.
“Brice Cousin Logan McKenzie und seine Frau Darcy”, sagte Richard leise.
Sabina interessierte sich nicht für die Leute oder das verwandtschaftliche Verhältnis, das zwischen ihnen und dem arroganten Brice McAllister bestand. Sie war nur froh, dass er weg war. Das Atmen fiel ihr jetzt wieder leichter!
Sie hatte nicht die Absicht, zu Hause zu sein, wenn Brice McAllister anrief. Und in der Zwischenzeit würde sie alles tun, was sie konnte, um Richard davon abzubringen, sie von Brice McAllister malen zu lassen.
2. KAPITEL
“Miss Sabina ist leider nicht zu Hause”, sagte Richard Lathams Haushälterin.
Es war das fünfte Mal in einer Woche, dass Brice anrief und ihm mitgeteilt wurde, Sabina sei nicht da. Er stand kurz vor einem Wutausbruch. Hauptsächlich, weil er sicher war, dass ihn die schöne Sabina an der Nase herumführte. Er hatte ihr in der vergangenen Woche in Paul Hamiltons Haus angesehen, dass sie sich nicht von ihm malen lassen wollte. Wenn er ehrlich war, bestärkte ihn das nur in seinem Entschluss, es zu tun.
“Danke für Ihre Hilfe”, erwiderte Brice. Wie ging es jetzt weiter? Anzurufen und einen Termin auszumachen funktionierte offensichtlich nicht.
“Ich werde Miss Sabina sagen, dass Sie angerufen haben.” Die Haushälterin legte auf.
Das nützt mir nichts, dachte Brice gereizt. Von seinen anderen vier Anrufen wusste Sabina wahrscheinlich auch. Er hatte seine Telefonnummer hinterlassen, aber sie hatte nicht zurückgerufen.
“Ich an deiner Stelle würde mich von meinem Onkel Richard fernhalten”, hatte David Latham auf der Party zu ihm gesagt, nachdem Richard Latham und Sabina gegangen waren. “Er sammelt skrupellos Gegenstände von unschätzbarem Wert, und er betrachtet Sabina als Teil seiner Sammlung. Außerdem verleiht er dem Ausdruck 'das schwarze Schaf der Familie' eine ganz neue Bedeutung.”
Richard Latham interessierte Brice nicht. Aber anscheinend konnte er die schöne Sabina nur über ihn erreichen … Für eine Prominente führte sie tatsächlich ein sehr zurückgezogenes Leben. Sie wurde niemals ohne den aufmerksamen Richard oder einen seiner Angestellten an ihrer Seite gesehen. Brice wusste das, weil er am vergangenen Wochenende mit seinem Cousin Fergus und dessen Frau Chloe, die Modedesignerin war, sogar eine Wohltätigkeitsmodenschau besucht hatte, bei der Sabina aufgetreten war. Als er nach der Schau versucht hatte, hinter die Kulissen zu gehen, um mit Sabina zu sprechen, war er an einem Bodyguard gescheitert. Sie war auch nicht zu dem Champagnerempfang nach der Schau gekommen. Brice hatte sich diskret erkundigt und erfahren, dass sie sofort nach ihrer kurzen Beschäftigung auf dem Laufsteg mit einem Privatwagen weggebracht worden war.
Sabina verlieh dem Ausdruck “schwer fassbar” eine ganz neue Bedeutung, und Brice hatte es satt. Er war auch ziemlich sicher, dass Richard Latham nichts von den Anrufen wusste. Der Mann war fest entschlossen gewesen, Sabina malen zu lassen.
Es war nicht weit bis zu Richard Lathams Haus in Mayfair. Auf der Auffahrt stand ein Sportwagen, also war jemand zu Hause. Wer von den beiden war Brice in diesem Moment gleichgültig. Er hatte vor, entweder von Richard Latham oder Sabina den Termin zu bekommen!
Brice wusste nicht, warum, aber er war überrascht gewesen, als er erfahren hatte, dass Richard Latham und Sabina zusammenlebten. Sie hatte etwas Unberührbares an sich, eine Reserviertheit, die alle um sie her auf Abstand hielt. Offensichtlich galt das nicht für Richard Latham!
“Ja?”
In Gedanken versunken, hatte Brice nicht bemerkt, dass auf sein Klingeln die Tür geöffnet worden war. Eine ältere Frau blickte ihn fragend an. Sie war sicherlich die Haushälterin, mit der er am Telefon gesprochen hatte. “Ich möchte zu Sabina”, sagte er energisch.
“Haben Sie einen Termin?”
Wenn er einen hätte, wäre er nicht hier! Brice unterdrückte mühsam seine Wut. Schließlich war er nicht auf die Haushälterin ärgerlich. “Würden Sie bitte einfach Sabina sagen, dass Brice McAllister sie sprechen möchte?”, erwiderte er kurz angebunden.
“McAllister?” Die Frau runzelte die Stirn und warf einen Blick über die Schulter in die Eingangshalle. “Sind Sie nicht …?”
“Ja. Der Mann, der innerhalb einer Woche fünfmal angerufen hat. Könnten Sie Sabina jetzt bitte sagen, dass ich hier bin?” Er wusste, dass er nicht besonders höflich war, aber im Moment hatte er zu schlechte Laune, um sich noch einmal abwimmeln zu lassen. Nachdem sich die Haushälterin so verstohlen umgeblickt hatte, war er davon überzeugt, dass der Mercedes auf der Auffahrt Sabina gehörte und sie zu Hause war. Dass sie auch zu Hause gewesen war, als er angerufen hatte. Sie hatte es einfach vorgezogen, seine Anrufe nicht entgegenzunehmen.
“Aber …”
“Ist schon in Ordnung, Mrs Clark.” Die Tür ging weiter auf, und Sabina tauchte neben der Haushälterin auf. “Bitte kommen Sie doch herein, Mr McAllister”, forderte Sabina ihn kühl auf.
Er nickte und folgte ihr ins Wohnzimmer. Vielleicht würde er etwas sagen, was er später bereuen würde, deshalb hielt er lieber den Mund. Seltsam, er hätte nicht gedacht, dass er so wütend werden könnte. Zweifellos hatte es seine Geduld auf eine harte Probe gestellt, dass Sabina ihm eine ganze Woche lang ausgewichen war.
Sabina trug verwaschene Jeans und ein kurzes weißes T-Shirt, war ungeschminkt und hatte sich das Haar zu einem Zopf geflochten. Brice hatte keine Ahnung, wie alt sie war, aber an diesem Tag sah sie wie achtzehn aus!
“Sie werden mich leider entschuldigen müssen.” Sabina zeigte auf ihr lässiges Outfit. “Ich bin gerade eben aus dem Fitnessstudio zurückgekommen.”
Brice zog skeptisch die Augenbrauen hoch. “Gerade eben?”
“Kann ich Ihnen Tee anbieten?”
“Nein, danke. Ich habe mehrere Male angerufen”, sagte Brice hart.
Sabina wich seinem Blick aus. “Tatsächlich?”
Verdammt, so schwierig sollte das eigentlich nicht sein. Richard Latham war derjenige, der mit seinem Auftrag zu ihm gekommen war. Er hatte es nicht einmal machen wollen. Bis er Sabina gesehen hatte … “Sie wissen sehr gut, dass ich es getan habe”, fuhr er sie ungeduldig an.
Sie zuckte die Schultern. “Ich hatte viel zu tun. Eine Reise nach Paris. Mehrere Schauen hier in London. Eine Fotosession mit …”
“Mich interessiert nicht, was Sie alles getan haben. Ich möchte nur wissen, warum Sie meinen Anrufen ausgewichen sind”, unterbrach Brice sie scharf.
“Ich habe gerade gesagt …”
“Nichts. Die tüchtige Mrs Clark hat Sie doch sicher über jeden meiner Anrufe informiert. Sie hätten zurückrufen können, wenn Sie tatsächlich nicht zu Hause waren.” Was er sehr bezweifelte.
“Möchten Sie wirklich keinen Tee?”
“Nein”, stieß Brice mit zusammengebissenen Zähnen hervor. Ein Whisky wäre jetzt gut, aber da es erst vier Uhr nachmittags war, würde er darauf auch verzichten. Die kühle Gelassenheit dieser Frau genügte, um jeden Mann zum Trinken zu treiben! “Wegen dieses Termins …”
“Bitte setzen Sie sich doch”, forderte sie ihn ruhig auf.
“Danke, ich bleibe lieber stehen”, sagte er gereizt.
Sabina zuckte die Schultern und setzte sich in einen Sessel. “Seltsam, ich hatte den Eindruck, dass Sie ein Maler von Ruf sind.”
“Bin ich.”
“Wirklich? Und Sie jagen Aufträgen immer so nach?”
Brice wurde wütend, obwohl er genau wusste, warum sie ihn beleidigte. Sie versuchte, ihn gegen sich aufzubringen, damit er es ablehnte, sie zu malen. Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen. “Vielleicht trinke ich doch eine Tasse Tee”, sagte er und machte es sich in dem Sessel ihr gegenüber bequem, ohne Sabina aus den Augen zu lassen. Und deshalb entging ihm nicht, wie entsetzt sie war. Sie hatte ihm Tee angeboten, aber eigentlich wollte sie ihn so schnell wie möglich aus dem Haus haben. Weil jeden Moment Richard Latham zurückkommen und ihre Anstrengungen zunichtemachen könnte, sich seinem Vorhaben zu entziehen, sie von Brice McAllister malen zu lassen?
“Gut. Ich sage Mrs Clark Bescheid.” Sabina stand auf.
Außerdem würde sie sich die Zeit nehmen, ihre Fassung wiederzugewinnen. Brice war jetzt fest davon überzeugt, dass sie nicht die Absicht hatte, sich von ihm malen zu lassen. Warum? Er war sicher, dass es nicht wirklich Abneigung gegen ihn gewesen war, was sie in jenem unvorsichtigen Moment erkennen lassen hatte. Es war fast wie die Angst gewesen, die er wahrgenommen hatte, als er sie vor einer Woche das erste Mal gesehen hatte.
Sabina ging nicht sofort in die Küche. Zuerst lief sie nach oben in ihr Badezimmer und bespritzte sich das gerötete Gesicht mit kaltem Wasser.
Ihr war niemals der Gedanke gekommen, dass Brice McAllister hier auftauchen könnte, wenn sie keinen seiner Anrufe entgegennahm. Jetzt sah sie ein, dass es ihr hätte einfallen sollen. Er hatte etwas Unbarmherziges, Zielstrebiges an sich, was darauf hinwies, dass er es nicht mochte, wenn man ihm einen Strich durch die Rechnung machte. Sie hätte einen seiner Anrufe entgegennehmen sollen, wenn auch nur, um ihn davon abzubringen, hier zu erscheinen.
Na schön, jetzt war es zu spät. In einer Stunde würde Richard zu Hause sein. Sie musste dafür sorgen, dass Brice McAllister schnell seinen Tee trank, und alle möglichen Gründe vorbringen, warum sie sich auf einen Termin in nächster Zeit nicht einlassen konnte. Diese zweite Begegnung hatte sie nur darin bestärkt, dass sie sich nicht von Brice McAllister malen lassen wollte. Er durchschaute, was sich hinter den Kulissen der Gesellschaft abspielte, und erkannte die wahren Gefühle eines Menschen. Konnte er auch sehen, was sie hinter der Schutzmauer verbarg, die sie um sich errichtet hatte?
“Der Tee ist gleich fertig”, verkündete Sabina gelassen, als sie einige Minuten später ins Wohnzimmer zurückkehrte. “Richard hat mir erzählt, Sie hätten ein großartiges Porträt von Darcy McKenzie gemalt, der Frau Ihres Cousins.”
Brice McAllister nickte. “Mir ist gesagt worden, es sei gut.”
“Ich glaube, Richard hofft, dass Sie mich ebenso großartig malen.”
“Und was hoffen Sie, Sabina?” Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an.
Sie war sicher, dass er schon wusste, was sie hoffte. Dass er sie überhaupt nicht malen, einfach weggehen und ihre Schutzmauer unbeschädigt lassen würde … “Dasselbe, natürlich”, erwiderte sie ruhig und blickte ihn ausdruckslos an.
“Natürlich”, sagte er schließlich ironisch. “Ich …”
“Ah, der Tee.” Sie lächelte Mrs Clark an, die sich an ihre Anweisung gehalten hatte und nur Tee brachte. Sabina wollte nicht auch Kuchen anbieten und riskieren, dass Brice McAllister noch einige Minuten länger blieb!
“Kein Zucker, danke”, sagte er, als die Haushälterin hinausging und Sabina den Tee einschenkte. “Sie scheinen sich hier wie zu Hause zu fühlen.”
Obwohl er sie mit der spöttischen Bemerkung überrumpelte, gelang es ihr, die Kanne ruhig zu halten und sich selbst einzuschenken. “Warum nicht? Es ist mein Zuhause”, erwiderte sie kühl. Wieder spürte sie, dass er ihr Zusammenleben mit Richard missbilligte. Was sie ein bisschen altmodisch fand bei einem Mann, der wahrscheinlich erst Mitte dreißig war. Oder missbilligte er den Altersunterschied zwischen Richard und ihr?
“Also wann haben Sie Zeit, mir für einige Skizzen Modell zu sitzen?”, fragte Brice McAllister plötzlich.
Sabina schüttelte bedauernd den Kopf. “Für die nächsten Monate ist mein Terminkalender voll.”
“Irgendwo wird doch sicher noch eine freie Stunde sein.”
Eine Stunde, ja. Vielleicht sogar ein Tag. Nur wollte sie die Zeit nicht Brice McAllister opfern. “Möglich. Allerdings habe auch ich ein bisschen Freizeit verdient, in der ich mich erholen kann.”
“In einem Sessel sitzen, während ich Skizzen von Ihnen mache, wird Sie wohl nicht gerade erschöpfen”, erwiderte er trocken.
Nein, aber eine Stunde lang seinem forschenden Blick standzuhalten und sich nichts anmerken zu lassen, würde sie zweifellos erschöpfen! “Leider habe ich meinen Terminkalender im Moment nicht zur Verfügung. Ich rufe Sie an, sobald ich es nachgeprüft habe.” Ihr Ton machte deutlich, dass das Gespräch beendet war. Sie hatte gesehen, dass Brice McAllisters Teetasse leer war.
Er machte jedoch keine Anstalten zu gehen. “Morgen ist Samstag. Sie sind doch wohl nicht das ganze Wochenende hindurch beschäftigt.”
Sabina unterdrückte mühsam ihre Wut. Der Mann war nicht nur zielstrebig, sondern auch hartnäckig. “Richard und ich sind an diesem Wochenende verreist”, konnte sie wahrheitsgemäß erwidern. Ihre Befriedigung darüber hielt jedoch nur an, bis sie einen Moment später ein Auto auf der Auffahrt hörte. Normalerweise freute sie sich sehr, Richard zu sehen, weil sie sich sicherer fühlte, wenn er da war. An diesem Tag verließ sie der Mut bei dem Gedanken, dass er jetzt zu Hause war. Weil Richard, obwohl sie ihm andeutungsweise zu verstehen gegeben hatte, dass sie es wirklich nicht wollte, noch immer fest entschlossen war, sie von Brice McAllister malen zu lassen. Sie rang sich ein höfliches Lächeln ab, damit er nicht bemerkte, wie entsetzt sie darüber war, dass die beiden Männer wieder zusammentrafen.
Brice seufzte. “Ich würde gern wissen …”
In diesem Moment kam Richard ins Wohnzimmer. Als er sah, dass Sabina nicht allein war, blieb er plötzlich stehen. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er Brice McAllister und die benutzten Tassen auf dem Tisch, die darauf hindeuteten, dass der Maler schon seit einiger Zeit im Haus war.
“Richard!” Sabina ging zu ihm, hakte ihn unter und lächelte ihn herzlich an. “Mr McAllister ist zum Tee vorbeigekommen”, sagte sie gespielt locker. Genau genommen stimmte das nicht. Der Tee war nebensächlich gewesen. Er war gekommen, um sie so in die Enge zu treiben, dass sie einen festen Termin für Skizzen mit ihm vereinbarte! Sabina blickte zu ihm hinüber und fragte sich, ob er Richard den wahren Grund für seinen Besuch nennen und ihm von den fünf Anrufen erzählen würde. Ja, sie wusste, wie oft Brice McAllister angerufen hatte. Sie hatte die treue Mrs Clark angewiesen, ihm immer wieder mitzuteilen, sie sei nicht zu Hause.
Richard würde es nicht gefallen, dass sie dem Künstler in den vergangenen sieben Tagen ausgewichen war, und er würde den Grund wissen wollen, sobald sie allein waren. Sie konnte Richard wohl kaum erzählen, dass sie es getan hatte, weil ihr Brice McAllister nicht in die Seele blicken sollte!
“Ich bin vorbeigekommen, um mich dafür zu entschuldigen, dass ich mich die ganze Woche nicht gemeldet habe”, sagte er ruhig. “Ich hatte leider ziemlich viel zu tun.”
Sabina sah ihn ungläubig an. Er hatte sich nicht gemeldet? Er entschuldigte sich? Obwohl sie doch diejenige gewesen war, die …
“Das ist völlig in Ordnung.” Richards Anspannung verschwand. “Ist denn jetzt alles geklärt?”
Noch immer erstaunt darüber, wie Brice McAllister die Situation bemäntelt hatte, blickte Sabina ihn Hilfe suchend an. Hatten sie alles geklärt? Wichtiger, warum hatte er gelogen? Das nützte allein ihr etwas, und sie hatte sein ritterliches Benehmen nicht verdient, wie sie nur allzu gut wusste!
“Ich denke schon”, erwiderte er spitz.
Er hatte gelogen, damit ihr nichts anderes übrig blieb, als einen Termin zu vereinbaren. Aber unter diesen Umständen war es wohl das Mindeste, was sie ihm schuldete. “Richard, ich habe Mr McAllister …”
“Brice”, warf er ein.
Sie wollte sich den Mann vom Leibe halten und nicht, dass sie sich mit dem Vornamen ansprachen! “Ich habe Brice gerade erklärt, dass ich am Dienstagnachmittag freihabe.” Sie warf ihm einen verärgerten Blick zu.
“Und ich habe ihr zu ihrem guten Gedächtnis gratuliert”, sagte Brice. “Ich muss immer erst in meinem Terminkalender nachsehen, bevor ich eine Verabredung treffe.” Seine grünen Augen funkelten spöttisch.
Was fiel ihm ein, sich über sie lustig zu machen, obwohl er wusste, dass sie sich nicht verteidigen konnte? Wahrscheinlich tat er es genau aus dem Grund. Schließlich musste er irgendeine Belohnung dafür bekommen, ihr so großmütig aus der Patsche geholfen zu haben!
“Dann um drei Uhr am Dienstagnachmittag.” Brice holte eine Visitenkarte aus seiner Jacketttasche.
“In Ordnung.” Sabina nahm die Karte. Jetzt hatte sie keine Wahl mehr. Sie wünschte, sie könnte die Karte bis zum nächsten Dienstag irgendwie “verlegen". Ihr war jedoch klar, dass es ihr nichts nützen würde. Richard würde dafür sorgen, dass sie den Termin einhielt!
“Ich habe an dem Nachmittag leider eine Besprechung, Sabina, aber ich veranlasse Clive, dich zu begleiten”, sagte Richard lächelnd.
“Clive? Anders als Sabina habe ich nicht gern Zuschauer, wenn ich arbeite”, stieß Brice finster hervor.
Richard tat es mit einem Lachen ab. “Clive ist unaufdringlich, das kann ich Ihnen versichern. Aber wenn es Sie stört, wird er draußen im Auto warten.”
“Es stört mich”, sagte Brice.
Nicht mehr, als Sabina die Vorstellung störte, eine Stunde mit ihm allein in seinem Atelier zu verbringen!
3. KAPITEL
“Was weißt du über das Model Sabina?”
“Aha!” Chloe legte Messer und Gabel hin und sah Brice zufrieden an. “Ich habe zu Fergus gesagt, irgendetwas würde vorgehen, nachdem du am vergangenen Samstag mit uns zusammen die Modenschau besucht hattest. So viel dazu, mich zum Mittagessen einzuladen, um mich aufzuheitern, während Fergus in Manchester Bücher signiert!”
Brice hatte die Frau seines Cousins wirklich gern, betrachtete sie als die jüngere Schwester, die er nicht hatte, aber manchmal …! “Nichts geht vor, Chloe. Ich werde die Frau malen und dachte, ich sollte etwas über sie wissen, bevor ich anfange.”
“Oh.” Chloe konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen.
“Nur weil du und Fergus glücklich zusammen seid – umso mehr, seit du ein Baby erwartest –, müssen doch nicht alle um euch auch verliebt sein!”
“Wäre es denn nicht schön, wenn du es wärst?”, erwiderte Chloe unverzagt.
“Sabina ist verlobt, Chloe”, sagte Brice belustigt.
“Aber sie scheinen es nicht eilig zu haben, zu heiraten. Und Richard Latham ist so viel älter als Sabina.”
Seine beiden Cousins Logan und Fergus hatten im vergangenen Jahr die wahre Liebe gefunden, und Brice wusste, dass sie und ihre Ehefrauen es am liebsten hätten, wenn er auch glücklich verheiratet wäre. Das einzige Problem war, dass er noch nicht die Frau gefunden hatte, in die er sich verlieben könnte.
Sabina war ganz bestimmt nicht diese Frau. Sie war schön, ja. Und nach der Begegnung am Freitag wusste er, dass sie völlig normal und natürlich war. Außerdem hatte sie sein Interesse geweckt. Er fand ihre Verlobung mit einem so viel älteren Mann ein bisschen seltsam und fragte sich, warum sie von einem “Gorilla” begleitet wurde, wo auch immer sie hinging. Denn ganz gleich, als was er sonst auftrat, dieser Clive war genau das. Brice hätte wirklich gern gewusst, ob Sabina beschützt wurde, weil sie für Richard eins seiner unbezahlbaren Sammlerstücke war oder ob sie aus irgendeinem anderen Grund einen Leibwächter brauchte.
Brice hatte gedacht, dass seine angeheiratete Cousine ihm vielleicht irgendetwas über Sabina erzählen könnte, denn Chloe hatte als Designerin Beziehungen in der Welt der Mode und Models. Er wollte jedoch auf keinen Fall, dass Chloe glaubte, er sei persönlich an Sabina interessiert!
“Wie läuft Fergus' neuestes Buch?” Brice beschloss, das Thema zu wechseln.
“Nummer eins auf der Bestsellerliste nach nur zwei Wochen”, sagte Chloe stolz. “Hast du es schon gelesen?”
“Noch nicht.” Brice aß weiter. Er hatte sie erfolgreich von Sabina und möglichen Hochzeitsglocken für ihn abgelenkt. “Es spielt in der Modewelt, stimmt's?”
Während der nächsten fünfzehn Minuten unterhielten sie sich über Fergus' neuen Roman, dann sprachen sie über die Rückkehr von Chloes Vater in die Politik und jetzt auch in die Regierung.
Brice war jedes Thema recht, wenn sie nur nicht über das schöne Model Sabina sprachen. Weil er inzwischen zu der Erkenntnis gelangt war, dass er persönlich an Sabina interessiert war! Sie war kühl und reserviert, hielt mit Ausnahme von Richard Latham alle auf Abstand und hatte gleichzeitig eine Verletzlichkeit an sich, die unerklärlich zu sein schien. Ihr Einkommen als sehr gefragtes Topmodel musste dem der am höchsten bezahlten Schauspielerin in Hollywood entsprechen. Was bedeutete, dass sie alles sein und tun konnte, was sie wollte. Und dennoch …
Dieses “und dennoch”, machte Brice neugierig, brachte ihn dazu, ständig über Sabina nachzudenken. Ihm wurde klar, dass er allmählich von ihr besessen wurde. Sabina Smith war ihm ein Rätsel. Aber er hoffte, es an diesem Nachmittag teilweise zu lösen!
“Danke fürs Mittagessen, Brice.” Chloe stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange, als sie sich vor dem Restaurant trennten. “Und viel Glück mit Sabina heute Nachmittag”, sagte sie spöttisch.
Brice schüttelte trübselig den Kopf. Bis zum Abend würde die ganze Familie wissen, dass er Chloe nach Sabina gefragt hatte!
Er war rechtzeitig für die Verabredung um drei wieder zu Hause. Aber von Sabina war um fünf vor halb vier noch immer nichts zu sehen. Verdammt, sie kam nicht. Vier Tage Warten und Vorfreude, und jetzt kam sie nicht! Brice wurde wütend. Er zweifelte nicht daran, dass sie absichtlich …
Es klingelte. Wenige Minuten später führte seine Haushälterin Sabina ins Atelier.
“Tut mir furchtbar leid, dass ich jetzt erst komme”, entschuldigte sie sich überschwenglich. “Ich hatte eine Fotosession für eine Zeitschrift. Man hatte mir zugesichert, dass ich um zwei Uhr fertig sein würde, und dann hat es doch länger gedauert, und ich …”
“Jetzt sind Sie ja hier”, unterbrach Brice sie energisch. Obwohl sie sich nur flüchtig kannten, war er sicher, dass Sabina nicht der überschwengliche Typ war und niemals ein halbes Dutzend Worte benutzte, wenn eins genügte. Was bedeutete, dass sie sich die Geschichte ausdachte, während sie redete. “Haben Sie zu Mittag gegessen?”
Sie wunderte sich sichtlich über den Themenwechsel. “Nein …”
“Kann ich Ihnen ein Sandwich anbieten?”
“Nein, danke.”
“Tee oder Kaffee?”, fragte Brice ruhig. Du liebe Güte, wie schön Sabina an diesem Tag aussah! Sie trug ein enges blaues T-Shirt zu einer perfekt sitzenden schwarzen Hose. Das glänzende goldblonde Haar fiel ihr offen über den Rücken. Brice konnte es nicht erwarten, Papier und Bleistift zu nehmen und mit den Skizzen anzufangen.
“Ein Tee wäre schön, danke.” Sabina lächelte freundlich die Haushälterin an.
“Und was ist mit Clive?” Brice konnte nicht widerstehen, den “Chauffeur” zu erwähnen, der zweifellos draußen darauf wartete, Sabina zurück zu dem Haus zu fahren, in dem sie mit Richard Latham wohnte. “Meinen Sie, er hätte auch gern eine Tasse Tee?”, fragte Brice spöttisch.
Sabina sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. “Nein, ich bin sicher, Clive braucht nichts”, erwiderte sie schließlich. “Ich hoffe, ich bereite Ihnen nicht zu viele Umstände”, sagte sie herzlich zu Mrs Potter.
Die Haushälterin verließ lächelnd das Atelier. Offensichtlich hatte sie sich von Sabinas Charme bezaubern lassen. Brice war sicher, dass mehr als eine Tasse Tee auf dem Tablett stehen würde, das Mrs Potter gleich bringen würde.
“Wo wollen Sie mich haben?”
Also das ist nun wirklich eine Suggestivfrage, dachte Brice spöttisch. Den meisten Männern wäre das Wo mit ihr gleichgültig, wenn sie Sabina nur hätten! “Das Sofa, denke ich”, sagte er, ohne eine Miene zu verziehen. “Ich weiß noch nicht genau, wie ich es anfange.” Wie konnte er so einer Schönheit gerecht werden? An Sabinas äußerer Schönheit bestand kein Zweifel, aber sie hatte so viel mehr an sich, eine Natürlichkeit, die nicht Make-up zu verdanken war, ein verborgenes Inneres, das er auch erreichen musste. Und er war fest entschlossen, es zu erreichen, ganz gleich, wie viel Mauern Sabina errichtete!
Sabina setzte sich auf das Sofa. Eine ganze Wand des Ateliers bestand aus Glas, und die Maisonne schien strahlend hell herein. Der Garten war eine leuchtende Pracht von Frühlingsblumen. Der Anblick der bunten Blüten heiterte Sabina auf. “Machen Sie die Gartenarbeit selbst?”, fragte sie interessiert.
“Wie bitte?”
Sie sah Brice McAllister an und stellte fest, dass er bereits in den Skizzenblock vertieft war. “Mir war nicht klar, dass Sie schon angefangen haben”, sagte sie ärgerlich. Sie war nicht auf der Hut gewesen, während sie den schönen Garten betrachtet hatte.
“Nur eine Faustskizze.” Jetzt schenkte er ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit. In Jeans und einem schwarzen T-Shirt sah er sehr lässig aus. “Und ja, ich kümmere mich selbst um den Garten. Das ist eine willkommene Abwechslung, wenn ich stundenlang im Atelier gewesen bin. Arbeiten Sie im Garten?”
“Ich habe es früher getan”, erwiderte Sabina wehmütig.
“Bevor es durch zu viele berufliche Verpflichtungen unmöglich geworden ist”, vermutete Brice.
Ihre Miene wurde verschlossen. “So ungefähr.” Dass sie nicht mehr im Garten arbeitete, hatte nichts mit beruflichen Verpflichtungen zu tun. Es lag daran, dass sie nicht mehr allein in ihrem kleinen Cottage wohnte. Aber das wollte sie Brice nicht erklären. Sie war nur unter Protest hier, weil ihr am vergangenen Freitag nichts anderes übrig geblieben war, als dem Termin zuzustimmen. Wahrscheinlich sollte sie sich bei Brice dafür bedanken, dass er Richard nicht verraten hatte, wie sie seinen Anrufen ausgewichen war, doch sie brachte die Worte nicht heraus.
“So ungefähr?”, wiederholte Brice.
Sabina rutschte unbehaglich hin und her. “Ich glaube nicht, dass das hier etwas bringt. Ich kann einfach nicht gut still sitzen.”
Er nickte. “Stehen Sie auf, und laufen Sie herum, wenn Ihnen das lieber ist. Ich bin sowieso noch nicht sicher, ob Sitzen die richtige Pose für Sie ist.”
Sabina stand auf und ging im Atelier umher, das vollgestopft und trotzdem ordentlich war. An den Wänden lehnten Leinwände. Farben, Papier und Bleistifte waren auf offenen Regalen verstaut. Der Sessel, in dem Brice saß, das Sofa und ein großer, mit Farbe bekleckster Tisch waren die einzigen Möbel.
“Hier bitte.” Mrs Potter kam mit einem schwer beladenen Tablett herein, auf dem nicht nur das Teegeschirr, sondern auch ein Obstkuchen und Sandwiches waren.
“Danke”, sagte Sabina herzlich.
“Bedienen Sie sich”, forderte Brice sie auf, sobald die Haushälterin den Raum verlassen hatte.
Sabina schenkte ihnen beiden ein, bevor sie sich eins der Geflügelsandwiches nahm. Sie hatte gedacht, sie sei nicht hungrig, doch nach dem ersten Bissen wusste sie es besser.
“Lassen Sie oft das Mittagessen ausfallen?” Brice beobachtete sie grüblerisch.
Sie zuckte die Schultern. “Manchmal. Aber normalerweise hole ich es später auf”, versicherte sie ihm trocken. “Ich hungere nicht, wenn Sie das denken. Ich bin von Natur aus so schlank.”
Er nickte. “Wann ist die Hochzeit?”
Sabina wunderte sich über den plötzlichen Themenwechsel. “Wie bitte?”
“Richard hat angedeutet, dass er sich das Porträt von Ihnen selbst zur Hochzeit schenken will. Ich habe mich nur gefragt, wie schnell ich es fertig haben muss”, erklärte Brice spöttisch.
“Sie haben ihn sicher falsch verstanden.” Richard und sie hatten niemals auch nur darüber gesprochen, dass ihre “Abmachung” zur Heirat führen könnte.
Brice zog die Augenbrauen hoch. “Das glaube ich nicht. Der Altersunterschied ist ziemlich groß, stimmt's?”
Sabina wurde rot vor Wut. Was ging ihn der Altersunterschied zwischen Richard und ihr an? Überhaupt nichts!
“Frühling und Herbst”, sagte Brice spöttisch.
“Mit fünfundzwanzig bin ich eher Sommer”, erwiderte Sabina kurz angebunden. “Und das Alter ist heutzutage doch wohl unerheblich.”
“Wirklich?”, fragte Brice sanft.
Sabina blickte ihn stirnrunzelnd an. Was er gesagt hatte, beunruhigte sie mehr, als sie zugeben wollte. Richard und sie waren gute Freunde, nichts weiter. Brice musste ihn falsch verstanden haben. Oder nicht? “Ich bin nicht hierhergekommen, damit Sie mich über mein Privatleben ausfragen können, Mr McAllister!”, brauste sie auf. “Ich dachte, Sie wollten Skizzen von mir machen.”
“Ich heiße Brice”, erwiderte er gelassen.
“Mir ist Mr McAllister lieber”, sagte sie angespannt.
Er zuckte gleichgültig die Schultern. “Einerlei. Könnten Sie sich neben den Kamin stellen?” Er blickte wieder auf seinen Skizzenblock.
Fast, als hätte dieses sehr persönliche Gespräch niemals stattgefunden. Wütend stellte sich Sabina neben den Kamin.
“Ja”, flüsterte Brice zufrieden. “Was Sie anhaben, ist natürlich völlig verkehrt. Ich meine, Sie sehen in den Sachen großartig aus, aber sie sind nicht richtig dafür, wie ich Sie malen will.”
“Und wie wollen Sie mich malen?”
Er antwortete nicht, sondern zeichnete mit schnellen Bleistiftstrichen und sah sie zwischendurch immer wieder stirnrunzelnd an.
Sabina kannte diesen starren Blick von ihren Fotosessions her. Ein Meister war bei der Arbeit. Im Moment existierte sie als Mensch nicht für ihn. Was ihr nur recht war. Sie wollte nicht noch mehr persönliche Gespräche mit Brice McAllister führen, während sie hier war.
“Müssen es noch viele sein?”, fragte sie schließlich. Der Kamin war wirklich hübsch, aber nachdem sie ihn eine Stunde lang angesehen hatte, wusste sie, dass er keinen großen Spielraum für die Fantasie bot!
“Viele was?” Brice war noch in seine Skizzen vertieft.
“Sitzungen. Oder in diesem Fall, Stehstunden”, sagte Sabina sarkastisch.
Brice legte den Skizzenblock auf den Tisch.
Er ist wirklich ein sehr attraktiver Mann, dachte sie widerwillig. Dieser grüblerische Blick und das zu lange dunkle Haar verliehen ihm ein verwegenes, romantisches Aussehen.
“Warum?”, fragte er leise.
Sie zuckte die Schultern. “Wie ich schon erklärt habe, bin ich sehr beschäftigt.”
“Ja, das haben Sie schon gesagt. Mehrmals.” Er nahm seine Tasse und trank den inzwischen kalt gewordenen Tee aus. “Sie sind eins der Topmodels, wenn nicht das Topmodel der Welt. Und das seit fünf Jahren. Warum arbeiten Sie weiter in dem Tempo?”
Weil die Arbeit sie vom Nachdenken abhielt, weil ein hektischer Arbeitstag bedeutete, dass sie abends nur noch todmüde ins Bett fiel und einschlief, ohne sich zu erinnern! Sabinas gelassene Miene verriet nichts von diesen Gedanken. “Damit ich ein Topmodel bleibe”, erwiderte sie trocken.
Brice verzog den Mund. “Das ist Ihnen also wichtig?”
“Ist es Ihnen wichtig, einer der gefragtesten Maler der Welt zu sein?”, fragte sie scharf. Sie ärgerte sich über seinen herablassenden Ton. Okay, man musste nicht hochintelligent sein, um Model zu werden. Man musste nur das richtige Aussehen und ein bisschen Glück haben. Aber es erforderte mehr als das, ein Model zu bleiben. Sie arbeitete hart, gab immer ihr Bestes, und auf ihrem Gebiet hielt sie sich für so etwas wie eine Künstlerin.
“Touché”, räumte Brice ein. “Ich kann mir nur nicht vorstellen, tagaus, tagein das zu tun, was Sie tun.”
Sabina sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. “Wollen Sie unverschämt sein, oder sind Sie es von Natur aus?”
Er lächelte breit. “Ein bisschen von beidem, wahrscheinlich.”
Sie schüttelte den Kopf über seine Arroganz. “Es lässt Sie einfach kalt, stimmt's?”
“Was?”, fragte Brice verwirrt.
“Alles”, wurde ihr erstaunt klar. Wie sehr sie wünschte, sie hätte noch diese gelassene, heitere Lebensanschauung und könnte sowohl über sich als auch andere lachen. Aber sie hatte sie nicht mehr, würde sie nie wieder haben, dank … Nein, daran wollte sie nicht denken. Sie durfte es nicht. “Es wird Zeit, dass ich gehe”, sagte sie kurz angebunden und blickte demonstrativ auf ihre goldene Armbanduhr. Ein Verlobungsgeschenk von Richard. Die Uhr und der Diamantring waren die einzigen Schmuckstücke, die sie jemals trug.
Brice betrachtete sie forschend. “Warum?”
Es war eine Herausforderung, die Sabina lieber ignorierte. “Weil ich woandershin muss.”
“Nach Hause zu Richard?”, spottete Brice. Er stand auf und beherrschte mit seiner Größe sofort den Raum.
Sabina fand das Atelier plötzlich bedrückend klein. Sie machte einen Schritt zurück und stieß mit dem Rücken gegen den Kamin.
Langsam kam Brice auf sie zu. Dicht vor ihr blieb er stehen und sah sie weiter mit zusammengekniffenen Augen forschend an.
Zum zweiten Mal, seit sie ihn kennengelernt hatte, fiel Sabina das Atmen schwer. Er war so nah, dass sie seine Körperwärme spürte und den herben Duft seines Aftershaves riechen konnte. “Ich muss wirklich gehen”, flüsterte sie.
“Was hindert Sie daran?”, fragte Brice heiser.
Ihre Beine. Sie hatte so weiche Knie, dass sie sich nur gerade eben noch aufrecht halten konnte. Es war, als wäre sie angesichts einer großen Gefahr wie hypnotisiert, unfähig, sich zu bewegen. Und, wie sie schon bei ihrer ersten Begegnung vermutet und was sich bei der zweiten bestätigt hatte, Brice McAllister war genau das: eine Gefahr! “Wenn Sie mir aus dem Weg gehen würden …?”
“Bitte sehr.” Brice trat beiseite.
Sabina nahm alle Kräfte zusammen und durchquerte schnell das Atelier.
“Ich rufe Sie an.”
Die Hand auf dem Türgriff, drehte sie sich um. “Verzeihung?”
Brice lächelte belustigt. “Ich rufe Sie an. Wegen der nächsten Sitzung”, erklärte er spöttisch, als Sabina ihn weiter ratlos ansah.
Bekomm dich in den Griff! befahl sie sich streng. Im Grunde war doch überhaupt nichts passiert. Brice hatte zu dicht vor ihr gestanden. Na, wenn schon! Nur dass zwischen ihnen beiden eine prickelnde Spannung geherrscht hatte, und Sabina wünschte, die Sinnlichkeit wäre nicht da.
“Es wäre nett, wenn Sie meinen Anruf diesmal entgegennehmen würden.”
Sabina wurde rot. Er wusste genau, dass sie keine andere Wahl hatte. “Falls ich zu Hause sein sollte”, erwiderte sie scharf.
“Wenn nicht, können Richard und ich einen Termin vereinbaren”, sagte Brice gelassen.
Sabina kniff die Augen zusammen. “Ich mache meine Termine selbst aus”, sagte sie kalt.
“Ich hatte den Eindruck, dass Sie nichts ohne Richard tun.”
“Mir ist völlig gleichgültig, was Sie für einen Eindruck haben, Mr McAllister. Tatsächlich interessiert mich überhaupt nichts an Ihnen”, erwiderte Sabina vernichtend.
“Nicht?”
“Nein!” Sie riss die Tür auf. “Leben Sie wohl, Mr McAllister.”
“Au revoir, meinen Sie doch sicherlich, Sabina?”, spottete er.
Sie blickte sich nicht einmal um, sondern ging schnell hinaus.
Erst im Auto, während der Fahrt nach Hause, ließ sie ihren Gefühlen freien Lauf. Sie mochte nicht, wie Brice McAllister sie ansah, mochte nicht, dass er so persönliche Gespräche mit ihr anfing, mochte ihn nicht in ihrer Nähe haben. Sie mochte ihn einfach nicht!
Und sie hatte nicht die Absicht, jemals wieder in seinem Atelier mit ihm allein zu sein!
4. KAPITEL
Zum hundertsten Mal in einer Woche verfluchte sich Brice dafür, wie er sich am vergangenen Dienstag Sabina gegenüber benommen hatte. Schon bei der ersten Begegnung hatte er die Angst in ihrem Blick erkannt, und dennoch hatte ihn irgendein Teufel veranlasst zu versuchen, hinter die kühle Fassade zu gelangen, die sie der Welt gern zeigte. Sabina völlig zu entfremden war das Einzige, was er erreicht hatte.
Es hatte nicht zur Folge gehabt, dass sie sich weigerte, seine Anrufe entgegenzunehmen. Sie hatte ihm einfach bei allen vier Anrufen eine Ausrede aufgetischt, wenn er eine zweite Sitzung in seinem Atelier vorgeschlagen hatte!
Eine Stunde an diesem Morgen konnte sie erübrigen, aber es ging nur bei ihr zu Hause. Wahrscheinlich würde der wachsame Richard dabei sein!
Da Brice nur Skizzen machen wollte, hatte er keinen Grund gehabt, darauf zu bestehen, dass sie zu ihm kam. Aber das bedeutete nicht, dass es ihm gefiel.
Als er ins Wohnzimmer geführt wurde, wo Sabina auf ihn wartete, musste Brice jedoch zugeben, dass sie in ihrer eigenen Umgebung viel gelöster war. Tatsächlich war sie der Inbegriff der freundlichen Gastgeberin und bot ihm lächelnd Tee an, den er ablehnte. Sie war auch der Rolle entsprechend angezogen. Der enge Rock endete knapp über den Knien, dazu trug sie eine cremefarbene Seidenbluse. Das Haar war zu einem adretten Chignon zusammengefasst. Sie sah überhaupt nicht wie die Frau aus, die Brice auf Leinwand einfangen wollte!
“Üben Sie für das häusliche Leben?”, fragte er spöttisch. Er war fest entschlossen gewesen, an diesem Tag völlig professionell zu sein und Sabina die Befangenheit zu nehmen. Aber er konnte es nicht. Die neue Sabina brachte diesen Teufel in ihm noch stärker zum Vorschein als die andere. Sie spielte ihm etwas vor, was nur bestätigte, dass er in der vergangenen Woche wirklich eine empfindliche Stelle getroffen hatte.
Sabina lächelte kühl. “Sie hatten recht mit dem, was Sie letzte Woche gesagt haben – Sie sind von Natur aus unverschämt.”
Das war sein Stichwort, sich zu entschuldigen. Nur konnte er das auch nicht. Er wollte Sabina an den Schultern packen und schütteln, wollte sie lachen oder weinen sehen, dazu bringen, irgendeine spontane Gefühlsregung zu zeigen. Was wahrscheinlich damit enden würde, dass er hinausgeworfen wurde! Er setzte sich mit Skizzenblock und Bleistift in einen Sessel. “Tut mir leid, aber Sie müssen zumindest den Haarknoten lösen.”
Sabina schüttelte den Kopf. “Ich gehe sofort nach dieser Sitzung essen und werde keine Zeit haben, mich noch einmal zu frisieren.”
Sie gewährte ihm wirklich nur die eine Stunde. Brice unterdrückte seine Verärgerung. “Sie sehen aus, als würden Sie sich mit einem Bankdirektor treffen”, spottete er.
“Mit meiner Mutter”, sagte Sabina kühl.
Brice zog die Augenbrauen hoch. “Sie ist die Mutter des berühmtesten Models der Welt und möchte, dass Sie so aussehen?”, fragte er ungläubig. So viel zu seiner überheblichen Annahme, sie habe sich so angezogen, um sich gegen ihn zu verteidigen.
Sabina wurde böse. “Was gibt es daran auszusetzen, wie ich aussehe?”
Diese Frisur und die damenhaften Kleidungsstücke nahmen ihr die ganze Persönlichkeit. So angezogen hatte sie nichts von der aufreizenden Schönheit des Models Sabina.
“Meine Mutter lebt seit dem Tod meines Vaters in Schottland, deshalb sehe ich sie nur zweimal im Jahr”, sagte Sabina abwehrend. “Sie ist ziemlich … konventionell.”
“In welcher Hinsicht?”
Sabina zuckte die Schultern. “Sie und mein Vater waren sehr karrierebewusst, beide Hochschullehrer für Geschichte. Ich glaube, sie wollten keine Kinder haben, aber Unfälle kommen vor. Bei meiner Geburt war meine Mutter einundvierzig, mein Vater sechsundvierzig. Ich denke, mein Vater ist besser damit fertiggeworden als meine Mutter. Andererseits musste er nicht seine Karriere auf Eis legen, bis ich mit fünf Jahren alt genug war, um in die Schule zu gehen.”
Noch nie hatte Sabina so viel zu ihm gesagt, was nur bedeuten konnte, dass diese zweite Sitzung sie ebenso nervös machte wie ihn. “Sie müssen für Ihre Eltern ein ziemlicher Schock gewesen sein”, erwiderte Brice. In dem Alter ein ungeplantes Baby zu bekommen war wohl schon schockierend genug, aber wie, in aller Welt, waren sie mit Sabinas Schönheit fertiggeworden? Als kleines Mädchen hatte sie sicher wie ein Engel ausgesehen.
“Ja”, sagte Sabina wehmütig. “Es war eine seltsame Kindheit.”
Eine sehr einsame, wahrscheinlich. Brice fiel es schwer, sich das vorzustellen. Seine Eltern waren jung gewesen und hatten gern Spaß gehabt, und wenn er nicht bei ihnen gewesen war, hatte er in Schottland bei seinem Großvater und seinen beiden Cousins Logan und Fergus gewohnt. Brice hatte noch nie richtig darüber nachgedacht, doch seine Kindheit hätte nicht schöner sein können. “Wem ähneln Sie?”, fragte er interessiert.
“Meinem Vater. Er ist vor fünf Jahren gestorben”, sagte Sabina ausdruckslos.
Und ihre Mutter lebte seitdem in Schottland. “Es tut mir leid.” Selbst nach dem wenigen, das sie ihm erzählt hatte, war Brice klar, dass sie ihrem Vater nähergestanden hatte, als sie ihrer Mutter stand. War das vielleicht die Erklärung dafür, dass Sabina jetzt mit einem so viel älteren Mann verlobt war?
“Er hatte Krebs, der Tod war eine Erlösung für ihn. Aber ich bedauere, dass er nicht mehr miterlebt hat, wie ich meinen Hochschulabschluss in Geschichtswissenschaft gemacht habe. O ja …” Sabina lächelte über Brices überraschten Blick. “Ich habe studiert. Ich bin nicht immer Vollzeitmodel gewesen”, spielte sie spöttisch auf die herablassenden Bemerkungen an, die er in der vergangenen Woche über ihren Beruf gemacht hatte.
Das habe ich verdient, dachte Brice. Er war verletzend und unverschämt gewesen, ohne wirklich etwas über Sabina zu wissen. Kein Wunder, dass sie ihn als lästigen Eindringling betrachtete.
Sabinas Lächeln verschwand, und ihre Miene wurde wieder ausdruckslos. “Meine Mutter hält sehr viel von Weiterbildung für Frauen. Sie ist der Meinung, dass Frauen eine möglichst große Auswahl haben sollten. Allzu beeindruckt ist sie nicht, dass ich fürs Erste den Beruf des Models gewählt habe.”
“Aber es ist, was Sie wollen.” Brice zuckte die Schultern, dann runzelte er plötzlich die Stirn. “Wenn Ihre Mutter so konventionell ist, was sagt sie dann dazu, dass Sie hier mit Richard zusammenleben?” Sofort wurde Brice klar, dass er einen schrecklichen Fehler begangen hatte. Er hatte die Frage gestellt, weil es für ihn unannehmbar war, dass Sabina Haus und Bett mit Richard Latham teilte, und er das Thema unbedingt hatte anschneiden wollen.
Sabina war aufgestanden und blickte ihn wütend an. “Sie werden zu persönlich, Mr McAllister!”, sagte sie scharf.
Brice war sich darüber im Klaren, dass sich ihre Wut nicht nur gegen ihn richtete. Sie hatte erkannt, dass sie sich von ihm in ein vertrauliches Gespräch über ihre Eltern hatte ziehen lassen. Und deswegen war sie auch fuchsteufelswild auf sich selbst. Er blieb sitzen. “Da wir gerade von Richard sprechen … Wo ist Ihr Verlobter heute?” Er hatte wirklich erwartet, dass der Mann hier sein würde, um ein wachsames Auge auf eins seiner “Besitztümer von unschätzbarem Wert” zu haben.
“Er ist bis morgen in New York”, sagte Sabina kurz angebunden.
“In diesem Fall – wollen Sie heute mit mir zu Abend essen?”, hörte sich Brice fragen. Und dann hätte er sich ohrfeigen können. Was, in aller Welt, sollte das? Sabina war verlobt. Wichtiger, nichts hatte bisher darauf hingedeutet, dass sie an seiner Gesellschaft interessiert war. Eher traf wohl das Gegenteil zu!
Sabina blickte ihn verständnislos an. Fast, als würde sie nicht glauben, was sie gerade gehört hatte.
“War nur so ein Gedanke. Ein schlechter”, sagte Brice entschuldigend. “Aber es war eine Einladung zum Abendessen, kein unmoralisches Angebot!”, fuhr er Sabina ärgerlich an, als sie ihn weiter starr ansah.
Sie atmete zittrig ein. “Ich habe nicht …” Es klopfte. “Herein!”, rief sie heiser und war sichtlich erleichtert, dass die Haushälterin sie beide störte.
Brice war auch erleichtert. Wahrscheinlich hatte sie gerade verhindert, dass er einen verbalen Schlag ins Gesicht bekam!
“Sie hatten mich gebeten, Ihnen sofort die Post zu bringen, wenn sie kommt.” Mrs Clark hielt ihr das Silbertablett hin, auf dem mindestens sechs Briefe lagen.
“Danke”, sagte Sabina lächelnd, während sie die Briefe nahm.
Brice sah, dass ihr Lächeln gezwungen war. Verdammt, was hatte er sich nur dabei gedacht, sie zum Abendessen einzuladen? Sie hatte ihn von Anfang an nicht besonders gemocht. Jetzt würde sie ihn noch weniger mögen! Sie hatte ihm offen gezeigt, dass sie nicht mit ihm zusammen sein wollte, also warum brachte er sich in diese lächerliche Lage, indem er sie einlud? Vermutlich gerade wegen ihrer unverhohlenen Abneigung, dachte er. Er erwartete keineswegs, dass ihm jede Frau zu Füßen fiel, die er kennenlernte. So überheblich war er wirklich nicht. Abneigung auf den ersten Blick weckte er jedoch normalerweise auch nicht!
Er hatte im Lauf der Jahre seinen Anteil an Beziehungen gehabt. Einige waren sehr schön gewesen, andere hatten nicht so viel Spaß gemacht. Dass ihn eine Frau ablehnte, war ihm noch nie passiert … Und Sabina hatte nur erreicht, dass er sich noch mehr für sie interessierte!
Nachdem die Haushälterin das Zimmer verlassen hatte, stand Brice auf. “Ich denke, wir können für heute ebenso gut Schluss machen”, sagte er hart. “Offensichtlich sind Sie …” Er verstummte, denn Sabina hatte die Briefe fallen lassen, sobald er zu sprechen begonnen hatte. Verdammt, hielt sie ihn nach der dummen Einladung zum Abendessen für so ein Monster, dass ihr allein der Klang seiner Stimme einen Schrecken einjagte? Wenn ja, er … “Was ist los?”, fragte er scharf. Sabina hatte die Briefe aufgehoben und sich langsam aufgerichtet. Ihr Gesicht war nicht einfach blass, sondern aschfahl. “Sabina?” Er ging zu ihr, umfasste ihren Arm und musterte forschend ihr betörend schönes Gesicht. Sie sah aus, als würde sie gleich ohnmächtig werden! Er setzte sie in einen Sessel, ging zu dem Tablett mit alkoholischen Getränken und schenkte ihr einen Brandy ein.
“Nein, danke”, lehnte Sabina heiser ab. “Es würde keinen allzu guten Eindruck auf meine Mutter machen, wenn ich nach Brandy riechend zum Mittagessen erscheine”, sagte sie scherzhaft.
Sie versuchte, ihn von der Tatsache abzulenken, dass sie schockiert aussah. Ohne Erfolg! Brice stand stirnrunzelnd mit dem Glas in der Hand vor ihr und brauchte den Brandy jetzt dringend selbst. “Ist Ihnen der Gedanke an ein Abendessen mit mir wirklich so zuwider, dass Sie …?” Er konnte nicht glauben, dass seine Einladung diese Wirkung auf sie gehabt hatte.
“Wie bitte?” Sabina sah verwirrt zu ihm hoch.
War es nicht seine Einladung gewesen? Aber was hatte sie dann so aus der Fassung gebracht? Er betrachtete die Briefe, die sie aufgehoben hatte. Sie hielt alle bis auf einen in der rechten Hand. Mit der linken umklammerte sie einen hellgrünen Umschlag so fest, dass er schon zerknittert war. Sie hatte noch keine Zeit gehabt, einen der Briefe zu öffnen. Allein beim Anblick des hellgrünen Umschlags war ihr alle Farbe aus dem Gesicht gewichen! “Sabina …”
Sie stand auf. “Natürlich ist mir der Gedanke an ein Abendessen mit Ihnen nicht zuwider”, sagte sie gespielt heiter. “Tatsächlich ist es eine wundervolle Idee.”
Den Eindruck hatte sie nicht erweckt, bevor die Haushälterin mit der Post hereingekommen war. Brice war überzeugt, dass Sabina bis zu diesem Moment fest entschlossen gewesen war, die Einladung abzulehnen. Aus irgendeinem Grund erkannte sie den grünen Umschlag wieder und wusste, von wem der Brief war, ohne ihn zu öffnen. Und es hatte sie so beunruhigt, dass sie die Einladung jetzt annehmen wollte. Das wurde ja immer seltsamer. “Gut”, sagte er, bevor sie es sich anders überlegen konnte. “Ich hole Sie gegen halb acht ab, wenn das okay ist?”
“Ist mir sehr recht”, erwiderte sie schnell.
Offensichtlich wollte sie nur, dass er ging. Damit sie den Brief in dem hellgrünen Umschlag lesen konnte? Brice verzog den Mund. “Soll ich einen Tisch für drei Personen bestellen, oder werden Sie Clive den Abend freigeben?”
Sabina warf Brice einen tadelnden Blick zu. “Einen Abend lang kann ich sicher ohne Clive auskommen”, sagte sie kurz angebunden. Sie sah auf ihre Armbanduhr. “Es tut mir leid, dass wir heute Morgen nicht viel geschafft haben, aber ich muss jetzt los, sonst schaffe ich es nicht pünktlich zu meiner Verabredung.”
“Das würde Ihrer Mutter missfallen. Und das müssen wir ja nicht haben”, spottete Brice.
Ich sollte mich nicht beklagen, schalt er sich, während er seine Sachen nahm und Anstalten machte zu gehen. Er hatte an diesem Morgen mehr erreicht, als er erwartet hatte. Sabina hatte ihm viel über ihren Vater und ihre konventionelle Mutter erzählt, die jetzt in Schottland lebte. In welcher Gegend? fragte sich Brice unwillkürlich, weil er selbst Verwandte in Schottland hatte.