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Als Diana, die Prinzessin von Wales, am 31. August 1997 an den Folgen eines Autounfalls in Paris stirbt, wird ihr noch am Unfallort die Schwelle des Sterbens als letzter Übergang ihres Lebens zum Tod entrissen. Die Paparazzi rauben Diana diese private Schwelle ihres Daseins und überführen ihr Sterben umgehend in die mediale Narration, die um sie herum existiert.
Dies ist nur die äußerste Konsequenz eines Lebens, das immerzu auf der Schwelle, die Öffentliches und Privates trennt, zerrieben worden ist – nicht zuletzt, da das Königshaus als Privatbereich der Königlichen Familie sowie öffentlicher Ort der Repräsentation auf genau dieser Schwelle steht.
Doch mit Dianas Tod gerät auch die britische Gesellschaft in einen ‚Schwellenzustand‘. Stirbt eine Person, die so viele Menschen bewegte, so bewältigt eine Gesellschaft ihre Trauer durch rituelle Handlungen und positioniert sich damit selbst neu. Der Verkehrsunfall zieht weitere ‚Unfälle‘ nach sich: in der Ordnung des Königshauses, der Kunst, der Theoriebildung und Sprache. Von der Schwelle folgt ausgewählten Akteur*innen (Elizabeth II., Elton John, Mohamed Al-Fayed u. a.) und nimmt ihr Sprechen und Handeln anlässlich des Todes von Diana in den Blick. Wie nehmen diese Bezug auf die Schwelle als Ort ihrer Rede, wie wird Diana dort erinnert, welche Geschichten gehen ihrem Sprechen und Handeln voran?
Können wir von der Schwelle des Sterbens sprechen und sie als einen Übergang bezeugen, der nicht zur Überführung und dadurch zur Vereinnahmung des Anderen wird?
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Seitenzahl: 170
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Miriam N. Reinhard
Von der Schwelle
Diana. Ihr eigener Tod in der Ordnung der Anderen
Miriam N. Reinhard studierte Germanistik, Evangelische Theologie, Pädagogik und Performance Studies in Duisburg und Hamburg. Nach einer literaturwissenschaftlichen Promotion zu Fragen der Übersetzung in Uwe Johnsons Jahrestage arbeitete sie u. a. als Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Walter A. Berendsohn Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur in Hamburg. Ihr Forschungsinteresse gilt Themen an der Schnittstelle von Literaturwissenschaft, Philosophie und Kulturtheorie.
Relationen – Essays zur Gegenwart 1
hrsg. von David Jünger, Jessica Nitsche und Sebastian Voigt
Miriam N. Reinhard
Von der Schwelle
Diana. Ihr eigener Tod in der Ordnung der Anderen
Neofelis Verlag
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2014 Neofelis Verlag UG (haftungsbeschränkt), Berlin
www.neofelis-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten.
Umschlaggestaltung: Marija Skara
E-Book-Format: epub, Version 2.0
ISBN: 978-3-943414-78-3
Für Ursula Bonacker
Inhalt
Vorwort
Beim Ankommen
A. An Schwellen geraten
1. Schwellenmomente
„Wohin es gehen soll – Im Übergang
2. Diana und die Schwelle
2.1. Die Schwelle ins Königshaus
2.2. Die Schwelle des Sterbens
B. In der Ordnung der Anderen
1. Beim Zeigen von Flaggen: Elizabeth II.
1.1. Beim Verbannen der Schwelle
1.2. Beim Stehen auf der Schwelle
„More Than A Princess“ – Im Übergang
2. Beim Tausch von Rosen und Kerzen: Elton Johns Candle in the Wind
„Most Hunted“ – Im Übergang
3. Beim Erfinden von Wahrheit: Die Verschwörungstheorien
3.1. Die Schwelle des Fremden: Mohamed Al-Fayed
3.2. Die Spaltung der Welt: Francis Gillerys Lady Died
„Impossible“ – Im Übergang
C. Jenseits der Schwelle
1. Unterbrechung
„ “ – Ohne Übergang
2. Diana im Abstand
Beim Hinausgehen
Bibliographie
Vorwort
‚Von der Schwelle sprechen‘ hat mehrere, ambivalente Bedeutungsebenen: entweder von der Schwelle aus zu sprechen, auf der man sich befindet, oder über die Schwelle selbst zu sprechen. Miriam N. Reinhard bezieht beide Ebenen ein. Sie spricht zunächst über die Schwelle, die der Tod Diana Frances Spencers, besser bekannt als Lady Di, bedeutet. Sie schreibt über den medial in Szene gesetzten Prozess ihres Sterbens im Pariser Alma-Tunnel, also über die Schwelle zwischen Leben und Tod wie auch über die Schwelle zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, die Dianas Leben in besonderer Weise zeichnete. Zugleich verortet sie sich als Autorin selbst an der Schwelle, indem sie sich in ihre Protagonist_innen einfühlt, ohne sich mit ihnen gemein zu machen.
Von der Schwelle aus zu sprechen, ist auch das Anliegen der Reihe Relationen – Essays zur Gegenwart, die mit Miriam N. Reinhards Essay über Diana Spencer eröffnet wird. In der Reihe werden jährlich mehrere Bände erscheinen, die sich mit ganz unterschiedlichen Themen aus dem politischen, künstlerischen und kulturellen Spektrum beschäftigen sowie politische Auseinandersetzungen und Praktiken der Gegenwart in den Blick nehmen. Das verbindende Element der Reihe ist bei aller thematischen Breite der politische Gegenwartsbezug.
Die Essays bewegen sich dabei an der Schnittstelle – oder, um bei der Metapher zu bleiben, auf der Schwelle – zwischen wissenschaftlichen Diskursen und Debatten der politischen Öffentlichkeit. Angetrieben wird die Idee von der Hoffnung, das in akademischen Kreisen und anderen Spezialdiskursen akkumulierte Wissen aus seiner milieubedingten Verengung befreien und für politische Debatten und bestenfalls auch für politisches Handeln öffnen zu können.
Während in den letzten Jahrzehnten viele politische Diskurse Eingang in den akademischen Betrieb gefunden haben, beschreitet Relationen ganz bewusst den entgegengesetzten Weg: Die Reihe möchte aus dem akademischen Betrieb zurück in die Öffentlichkeit wirken. Die Beiträge sollen folglich keine Forschungslücken schließen, keine akademischen Schulen begründen und keine wissenschaftlichen Debatten um ihrer selbst willen führen. Sie beabsichtigen vielmehr, im besten Sinne kritisch zu sein. Die Relationen-Reihe ist somit vor allem einem Kriterium verpflichtet: politische Relevanz zu besitzen.
Kaum eine Ausdrucksform ist für dieses Anliegen besser geeignet als der Essay, in dem das Argument selbst im Vordergrund steht und nicht dessen detaillierter Nachweis in einem ausufernden Anmerkungsapparat. Essays stellen per definitionem Versuche dar, also intellektuelle Suchbewegungen, die es den Autor_innen ermöglichen, Argumente in vielerlei Hinsicht auszutesten. Ein Essay kann zuspitzend und bisweilen polemisch sein. Er darf provozieren, gerade auch um Kritik hervorzurufen. Ein Essay will kritisieren und kritisiert werden. Deshalb sollen in dieser Reihe Themen behandelt sowie Standpunkte und Positionen veröffentlicht werden, die sich nicht nur jenseits der aktuellen Mainstreamdebatten – sei es der Akademie oder der politischen Öffentlichkeit – bewegen, sondern vielmehr vorherrschende Positionen in Frage stellen und herausfordern oder auch ganz neue Positionen ins Spiel bringen.
Der Neofelis Verlag ist dabei ein hervorragender Partner. Vor noch nicht einmal vier Jahren gegründet, hat der Verlag bereits jetzt eine beachtliche Außenwirkung entfaltet. Die thematische Breite des Programms, von Belletristik über Philosophie und Jüdische Studien bis hin zur ersten deutschsprachigen Zeitschrift für Animal Studies – um nur einige Bereiche zu nennen –, bedeutet jedoch keine inhaltliche Beliebigkeit. Die Gründung der Reihe Relationen ging somit explizit auf den Verlag zurück, der sich ein solches Format für das eigene Programm wünschte und sich vertrauensvoll an die Herausgeber_innen wandte, um das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Eine derartige Reihe neu ins Leben zu rufen, stellt dabei für einen jungen Verlag vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Bedingungen auf dem Buchmarkt ein gewisses Risiko dar. Und dennoch werden wir vom Verlag in vielen Belangen unterstützt und genießen darüber hinaus bei der Auswahl der Themen größtmögliche Freiheit. Nicht nur hierfür wollen wir den beiden Verlagsinhabern, Matthias Naumann und Frank Schlöffel, herzlich danken.
Der erste Band dieser Reihe liegt nun vor. Miriam N. Reinhard widmet sich darin einem Thema, das prima facie dem Boulevard entliehen zu sein scheint oder doch zumindest hierzulande bislang ausschließlich in der Klatschpresse behandelt wurde. Dass Diana Spencer – ihr Leben, ihr Sterben und die Inszenierung ihres Todes – jedoch alles andere als ein Boulevardthema ist, zeigt die Autorin in ihrem Essay Von der Schwelle. Die Schwelle wird im Essay durch verschiedene Konstellationen markiert, die rund um die Ereignisse am Morgen des 31. August 1997 entfaltet werden, als Diana Spencer, Princess of Wales, an den Folgen eines Autounfalls im Pariser Alma-Tunnel starb.
Reinhard spricht von der Schwelle, die den Übergang vom Leben in den Tod kennzeichnet, vom Prozess des Sterbens, der Diana noch im Tunnel von den anwesenden Paparazzi entrissen wird, indem sie ihr Sterben dramatisch und reißerisch in Szene setzen. Der Verlust dieser Schwelle war jedoch zugleich das generelle Signum ihres Lebens, seit sie zur öffentlichen Person des Königshauses, zur Princess of Wales geworden war. Dass dieses Leben ganz wesentlich auf jener Schwelle zwischen der versuchten Rettung eines Rests an Privatheit und der dies verunmöglichenden Existenz als öffentliche Person stattfand, zeigt kaum etwas deutlicher als die Reaktionen des Königshauses, ganz besonders von Queen Elizabeth II., auf den Tod Dianas. Seit der Scheidung Dianas von Prince Charles war die Königin mit ihr eigentlich nur noch privat – als Großmutter – und nicht mehr öffentlich – als Monarchin– verbunden, dennoch verlangte die Öffentlichkeit eine wahrnehmbare und angemessene Reaktion, die sie schließlich auch bekam.
Von dieser Grundkonstellation zwischen der Öffentlichkeit des Königshauses als Institution und der Privatheit der Menschen des Königshauses ausgehend, begleitet Miriam N. Reinhard verschiedene Protagonist_innen wie Elizabeth II., Elton John oder Mohamed Al-Fayed bei ihren Berührungen mit Diana, dem Königshaus oder dem britischen Staat. Ihr Augenmerk liegt dabei auf den Schwellen, also auf den Bereichen, die die legitime, hierarchische Ordnung stören anstatt sie zu festigen; auf den Zwischenräumen, die keine kohärenten Antworten erlauben, sondern als offene Konstellationen bestehen bleiben. Ihr Blick seziert dabei die feinen Verbindungen zwischen den handelnden Akteuren, die der allgemeinen Aufregung entgehen mussten, die das öffentliche Leben und Sterben Diana Spencers stets begleitete. Reinhard verzichtet somit auf Pathos, Kitsch und moralische Eindeutigkeiten von Gut und Böse und betrachtet stattdessen die agierenden Personen in ihren Auseinandersetzungen, die sie auf verschiedenen Schwellen ihres jeweiligen Lebens führen. Dabei fördert die Autorin neue Erkenntnisse zutage, die in der Beschäftigung mit dem Tod Dianas bisher verborgen geblieben sind.
David Jünger, Jessica Nitsche und Sebastian Voigt
Berlin / Paderborn / München, September 2014
Beim Ankommen
Auf der Schwelle, auf der sich ein Einfall zu einem Text entwickelt, steht man selten allein. Man befindet sich meistens nicht in der Situation, einen Diskurs erstmalig eröffnen zu müssen, denn es existiert bereits innerhalb der Gesellschaft ein vielfältiger Dialog, in den man eintreten kann– und dies ist auch eine große Erleichterung. Zu Diana Frances Spencer, zu der Prinzessin von Wales, kann man sich in verschiedener Weise von verschiedenen Stellen aus äußern, und auch noch nach ihrem Tod zeigen sich viele darin sehr engagiert. Es gibt zahlreiche Biografien über sie, es gibt wissenschaftliche Publikationen, Filme, musikalische Auseinandersetzungen verschiedener Art. In meiner Beschäftigung mit Diana hat mich vieles davon berührt und intensiv beschäftigt. Auch die zahlreichen Gespräche, die ich an verschiedenen Orten mit ganz unterschiedlichen Menschen über Diana geführt habe, blieben nicht ohne Einfluss auf meine Sicht.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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