Von Geistern, Vampiren und Seelendieben: Geister Fantasy Sammelband 3 Romane - Alfred Bekker - E-Book

Von Geistern, Vampiren und Seelendieben: Geister Fantasy Sammelband 3 Romane E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Titel: Geist aus dem Nichts (Wolf G. Rahn) Das Blutreich (Alfred Bekker) Der Kuss der Seelendiebin (Klaus Frank) Innerhalb von vier Tagen rapide altern und sterben. Das passiert allen Männern, die in die Fänge der Dämonin Bhelchiinah geraten. So ergeht es auch Ben Fuller, und es gibt keine Möglichkeit, den Prozess umzukehren. Stefan Crenz, sein Freund und Kollege versucht alles, bis hin zu einer Dämonenbeschwörung, zwecklos. Auch Professor Kilmister weiß keinen Rat.

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Seitenzahl: 378

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Wolf G. Rahn, Alfred Bekker, Klaus Frank

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Inhaltsverzeichnis

Von Geistern, Vampiren und Seelendieben: Geister Fantasy Sammelband 3 Romane

Copyright

Geist aus dem Nichts

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Das Blutreich

Der Kuss der Seelendiebin

Von Geistern, Vampiren und Seelendieben: Geister Fantasy Sammelband 3 Romane

Alfred Bekker, Wolf G. Rahn, Klaus Frank

Dieser Band enthält folgende Titel:

Geist aus dem Nichts (Wolf G. Rahn)

Das Blutreich (Alfred Bekker)

Der Kuss der Seelendiebin (Klaus Frank)

Innerhalb von vier Tagen rapide altern und sterben. Das passiert allen Männern, die in die Fänge der Dämonin Bhelchiinah geraten. So ergeht es auch Ben Fuller, und es gibt keine Möglichkeit, den Prozess umzukehren. Stefan Crenz, sein Freund und Kollege versucht alles, bis hin zu einer Dämonenbeschwörung, zwecklos. Auch Professor Kilmister weiß keinen Rat.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfredbooks und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author / COVER WERNER ÖCKL

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Geist aus dem Nichts

Gruselkrimi von Wolf G. Rahn

Der Umfang dieses Buchs entspricht 127 Taschenbuchseiten.

Eigentlich hat Mark Foster gehofft, bei dieser Séance Kontakt mit dem Übersinnlichen zu bekommen, doch sein Freund Bob hindert ihn daran, auf eine Schwindlerin hereinzufallen, die nur auf Geld aus ist. Doch dann erzählt Bob der Alliance Contempt of Death, wo er tatsächlich Kontakt zum Übersinnlichen bekommt. Als Bob spurlos verschwindet und plötzlich gleich mehrere Leichen aus Marks Umfeld auftauchen, sieht sich Mark mitten im Grauen gefangen. Kann Miriam helfen? Die hübsche Frau begleitet Mark durch ein Labyrinth des Grauen...

1

Der Totenschädel in der Mitte des Tisches grinste diabolisch. Mark Foster konnte sich eines Fröstelns nicht erwehren. Er schielte zu seinem Freund Bobby Gibson hinüber. Auch dessen Gesicht war ungewöhnlich bleich, wenn auch seine Mundwinkel spöttisch nach unten gezogen waren.

»Billiger Hokuspokus!«, zischte Bob Gibson so leise, dass nur Mark Foster es verstand.

Am anderen Ende des ovalen Tisches wurde unwilliges Räuspern laut. Eine Frau mit gelblichem Haar, weiß geschminktem Gesicht und unnatürlich starr wirkenden, schwarzen Augen warf einen tadelnden Blick zu Gibson und Foster hinüber. Auch die übrigen zehn Teilnehmer der Séance wandten ihre Köpfe, seufzten kurz und verfielen in die ursprüngliche Bewegungslosigkeit.

»Erhabener!«, ließ sich die Frau wieder hören. »Gib uns ein Zeichen, wodurch wir dich freundlich stimmen können.«

Wieder trat minutenlange Stille ein. Der intensive Duft der im Raum verteilten Räucherkerzen begann Kopfschmerzen zu verursachen. Mark Foster atmete schwer. Das flackernde Licht der trüben Kerzen ließ die Augenlider flattern.

»Heiliger Shaifuu«, hauchte die Frau erneut, »du hast den Sohn unserer Schwester Jane zu dir gerufen. Lass ihn durch deinen Mund zu uns sprechen, damit wir erfahren, was dich gekränkt hat, und wie wir unsere Schuld sühnen können.«

Mark Foster stockte der Atem. Nein, es war keine Einbildung! Ein eisiger Windhauch strich durch das abgedunkelte Zimmer. Der Duft der Kerzen wurde plötzlich von modrigem Geruch überlagert, und aus der Luft drangen Geräusche, die sich anhörten, als keuche jemand unter großer Anstrengung.

Die Männer und Frauen am Tisch wagten kaum noch zu atmen. Die spürbare Begegnung mit dem Gerufenen, der aus einer anderen, unfassbaren Welt zu ihnen kam, überwältigte sie.

Nur die Frau, die den Geist beschworen hatte, jubelte in höchster Verzückung: »Ein Zeichen!«

Sie breitete die Arme aus und lehnte sich weit in ihrem Stuhl zurück. So lag sie eher als sie saß, und ihr monumentaler Busen, den sie unter einen dunkelblauen, mit astrologischen Symbolen übersäten Umhang gezwängt hatte, verdeckte ihr Gesicht.

Shaifuu, der Geist aus dem Nichts, setzte seine Signale fort. In das Keuchen mischten sich metallene Klänge, wie wenn Münzen in den Korb fielen, der herumgereicht wurde.

Die Frau richtete sich steil auf.

»Ihr habt es gehört«, kreischte sie in Ekstase. »Shaifuu ist nahe. Seine Gunst zu erringen, war noch nie so leicht. Er scheint mit einer kleinen Opfergabe zufrieden zu sein. Welch ein Glück für unseren Zirkel!«

Sie beugte sich weit über den Tisch, ergriff den Totenschädel und zog ihn heran.

Erst jetzt sah Mark Foster, dass sich die Knochenplatte oberhalb der dämonischen Augen abnehmen ließ. Der Kopf bildete ein makabres Gefäß, in dem die Frau mit großartiger Geste eine Perlenkette verschwinden ließ, die sie zuvor aus ihrem Ausschnitt gezogen hatte.

Dann schob sie den Schädel mit aufforderndem Blick zu ihrem Tischnachbarn, der nicht zögerte, dem ersten Opfer einen größeren Geldschein folgen zu lassen.

Niemand am Tisch schloss sich aus. Alle wussten, dass die Verweigerung des Opfers Shaifuu beleidigen würde. Und das wollte niemand riskieren, da der ersehnte Kontakt zur Welt des Unbegreiflichen endlich hergestellt war.

Der Schädel wanderte und stand plötzlich vor Mark Foster, der fieberhaft überlegte, was er dem Dämon anbieten konnte. Sein mitgeführter Barbetrag war lächerlich gering, dass er von vornherein nicht in Frage kam. Blieb also nur die Uhr mit der fein gearbeiteten Gravur im Deckel, die Foster in dem Gefäß verschwinden ließ. Dann reichte er den Kopf weiter.

Bob Gibson zögerte eine Sekunde.

»Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, rief er zornig, während er die Uhr wieder an sich nahm. »Sie stammt noch von deinem Urgroßvater. Merkst du denn nicht, dass wir hier auf ganz primitive Art übers Ohr gehauen werden?«

Er sprang von seinem Stuhl auf und riss Mark Foster mit sich hoch.

Aber auch die übrigen Teilnehmer saßen nicht mehr auf ihren Plätzen. Fassungslos starrten sie Foster und Gibson an, in ihren Gesichtern stand der Ausdruck höchster Empörung.

Lediglich die weißgeschminkte Frau mit den gelblichen Haaren verriet blanken Hass. Wie eine Furie beugte sie sich weit über den Tisch und riss den Totenschädel an sich.

»Verwerflicher!«, keuchte sie. »Für diese Tat wird dich Shaifuu strafen. Du hast ihn auf infame Weise bestohlen. Dafür verlangt der Erhabene Sühne. Unsere Arbeit von Monaten ist zunichte gemacht durch deine Tollheit. Er wird uns deinen Frevel büßen lassen. Es sei denn …«

Ihre Augen brannten sich in denen von Bob Gibson fest. Dann blickte sie sich um. Auffordernd sah sie einen nach dem anderen an, und keiner besaß den geringsten Zweifel, was sie meinte. Shaifuu sollte sein Opfer bekommen, auf der Stelle. Nur das Blut des Sünders würde den Großmächtigen wieder versöhnen.

Eine Hand griff nach dem Mann. Er spürte einen Hieb in der Magengegend. Mark Foster war plötzlich nicht mehr neben ihm. Zwanzig Hände streckten sich gierig nach ihm aus. Ekstatische Verzückung beseelte die Augen der Séance-Teilnehmer.

Bob Gibson zögerte nicht länger. Zwölf Verrückte, auch wenn es sich zum größten Teil um Frauen oder schwächliche Männer handelte, konnten eine Gefahr werden, wenn sie von religiösem Hokuspokus aufgestachelt waren.

Er warf seinen Stuhl um und ließ die Fäuste seitlich wegschnellen. Ein paar Wehlaute antworteten ihm. Er nutzte die Verwirrung und setzte nach. Seine Fäuste vollführten einen Trommelwirbel. Er sah trotz der gegnerischen Übermacht gar nicht schlecht für ihn aus.

Das Bild änderte sich, als sich die Männer zurückzogen, dafür aber die Frauen kreischend und mit scharfen Fingernägeln auf ihn einstürmten. Eine Frau, selbst wenn sie wenig Ähnlichkeit mit seinem weiblichen Ideal besaß, zu schlagen, widerstrebte ihm entschieden. Er spreizte die Finger, riss Mund und Augen weit auf und stieß ein infernalisches Geheul aus, das augenblicklich die Hysterischen ausflippen ließ.

Einige fielen in Ohnmacht. Die Überzeugung, der rachsüchtige Shaifuu stünde leibhaftig vor ihnen, war zu übermächtig. Die Übrigen mussten sich erst von ihrem Entsetzen erholen, bevor sie erneut zu einem Angriff übergingen.

Doch den wartete Bob Gibson nicht mehr ab. Er hatte Mark Foster im Strudel empörter Leiber entdeckt. Rücksichtslos arbeitete er sich zu dem apathisch Stehenden durch, packte ihn an der Schulter und zog ihn hinter sich. Wütendes, drohendes Keifen begleitete seinen Rückzug. Das Letzte, was er wahrnahm, war der hasserfüllte Blick der Frau mit den gelblichen Haaren.

2

Mark Foster lief neben seinem Freund her, ohne zu begreifen, welche Richtung dieser einschlug. Sein Innerstes war aufgewühlt, als hätte ihn jemand rücksichtslos aus hypnotischem Schlaf gerissen. Die Ereignisse belasteten seine Erinnerung fast schmerzhaft.

Vor seinen Augen erschienen bunte Bilder, die ihm seltsam bekannt vorkamen. Sie verschwammen zu einem grellen Farbspiel, kamen auf ihn zu. Immer näher. Gleich musste er in sie eintauchen.

Da schwangen sie lautlos zurück und ließen ihn durch, ohne ihn zu berühren, ohne von ihm Besitz zu ergreifen.

Blöde Fratzen starrten ihn an. Es überlief ihn heiß und kalt. Der Tempel des Shaifuu? Dort hinten der Kerl mit der Spiegelglatze – war es der Erhabene selbst oder nur einer seiner Gralshüter? Und die Frau mit den feurigen Augen, die so brannten, als wollten sie ihn versengen, und den geschmeidigen, lockenden Armen, die so bleich waren, als wohnte der unwiderrufliche Tod in ihnen – war das eine der verfemten Seelen? Hatte der Großmächtige die Bedauernswerte auf ewig versklavt?

»Daran, wie du die kleine Miriam mit den Augen verschlingst, erkenne ich, dass du wieder halbwegs normal zu sein scheinst«, hörte er Bob Gibson neben sich sagen.

Zögernd kehrte Foster in die Wirklichkeit zurück. Gewaltsam versuchte er, sich von dem heißen Blick der Verfemten, die Bob Miriam genannt hatte, loszureißen, als diese ihn ansprach: »Ist Ihnen nicht gut, Mark? Ich bringe Ihnen lieber gleich einen Dreistöckigen, bevor Sie noch vom Stuhl kippen.«

Miriam machte kehrt. Ihr super kurzer Mini ließ den Slip zwar nicht sehen, aber zumindest ahnen, und Foster begriff, wer da langbeinig zum Tresen trippelte: Miriam, die süße Mieze aus dem Golden Inn.

»Du hast sie angesehen, als wolltest du sie hier auf der Stelle und vor allen Leuten in die Untiefen deines Charakters einweihen«, feixte Bob Gibson. »Was ist los mit dir? Du warst unterwegs gerade nicht gesprächig.«

»Ich … äh, ich bin ein bisschen durcheinander.«

»Ein bisschen ist gut. Wenn du mich fragst, dann halte ich dich entweder für total durchgedreht oder für den abgefeimtesten Schurken, der je durch die Straßen von Bounding spazierte.«

»Ich verstehe dich nicht ganz«, bedauerte Mark Foster. Er trug einen leichten, hellen Sommeranzug mit einer braunen Krawatte. Seine Hände, die nervös mit einem Stapel Bierfilze spielten, waren schmal. Das Gesicht wies als einzige Farbtupfer ein paar vereinzelte Sommersprossen auf, während seine glatten, blonden Haare fast ganz weiß waren.

Gibson bildete zu diesem Abbild eines wohlerzogenen Internatsschülers den direkten Gegensatz. Seine Haut war von der Sonne gebräunt. Der schwarze Wuschelkopf hatte sich bis heute erfolgreich jeder Frisur widersetzt. Zu seiner schon etwas abgewetzten Cordhose trug er einen saloppen Pulli, unter dem sich überall dort, wo es die Mädchen gern sahen, beneidenswerte Muskelstränge abzeichneten. Bob Gibson war breiter und stärker als sein Freund, dafür jedoch einen halben Kopf kleiner. Er sah Mark Foster prüfend an und schüttelte schließlich den Kopf.

»Nein«, stellte er achselzuckend fest. »Ich fürchte, du bist doch nur durchgedreht. Was in aller Welt hat dich dazu bewogen, Urgroßvaters Erbstück in den Klingelbeutel zu werfen?«

»Du meinst die Uhr?« Mark Foster zog die Stirn in Falten. Die über dem Tisch baumelnde Lampe zeichnete tiefe Schatten in die Falten. Dadurch sah das bleiche, farblose Gesicht des jungen Mannes wie eine Kohlezeichnung aus. »Ich hatte nichts anderes bei mir, was ich Shaifuu hätte anbieten können.«

Gibson brachte nicht genug Höflichkeit auf, um nicht laut loszulachen. Die übrigen Gäste sahen nur kurz auf. Es war nichts Besonderes, wenn mal einer etwas lauter wurde. Das Golden Inn war kein stinkfeiner Laden. Hier verkehrten Fernfahrer ebenso wie kleine Bankangestellte. Und manchmal verirrte sich auch ein harmloser Gauner.

»Was hast du?«, fragte Mark Foster ärgerlich. »Du warst doch selbst an dem Zirkel interessiert. Du bist doch ganz aus dem berühmten Häuschen gewesen, als ich den Namen Shaifuu nur erwähnte. Warum tust du jetzt so erhaben und stempelst die Arbeit unseres Kreises als billigen Jahrmarktsrummel ab?«

Gibson schlürfte genießerisch den Schaum vom Bier, das Miriam gerade auf den Tisch gestellt hatte. Dann betrachtete er seine rechte Hand und anschließend das knackige Hinterteil des Mädchens und kam zu dem Ergebnis, dass beide gut zusammenpassen müssten.

Miriams funkelnder Blick warnte ihn jedoch gerade noch rechtzeitig. Man erzählte sich, dass ihre Ohrfeigen neben dem Gin, den sie ausschenkte, und den Röstkartoffeln mit Speck zu den drei Spezialitäten dieses Gasthauses gehörten.

»Weißt du, dass ich mich in dem Kreis nie wieder blicken lassen kann?«, nörgelte Mark Foster. »Ich bin ein Ausgestoßener.«

»Aber wieso denn! Wenn du reumütig die goldene Uhr ablieferst und noch ein paar Pfund drauflegst, wird man dich in Gnade wieder auf nehmen«, versicherte der Mann mit dem Wuschelkopf.

Mark Foster rümpfte die Nase.

»Ich hätte es mir denken können«, sagte er, »dass du dich nur über uns lustig machen wolltest. Du hast keine Ader für die Geheimnisse, die unerforschten Rätsel unseres Daseins. Die brennenden Fragen nach dem Woher und Wohin, die nur Shaifuu beantworten kann, lassen dich kalt.«

Bob Gibsons Gesicht war plötzlich ernst geworden. Er legte seine Hand auf den Arm seines aufgebrachten Freundes und sah ihn lange an.

»Nein«, flüsterte er. »Diese Fragen lassen mich keineswegs unberührt. Als du den Namen Shaifuu nanntest und mir verrietest, dass du Angehöriger eines geheimen Zirkels seist, der die Verbindung mit dem Geist aus dem Nichts pflegt und der Beantwortung der Fragen nahe sei, habe ich Hoffnung geschöpft. Da ich dich als einen nüchternen, gescheiten Burschen in Erinnerung habe, von dem ich auf dem College am liebsten abschrieb, glaubte ich, dass du Zugang zu wissenden Kreisen gefunden hättest. Nur aus diesem Grund ließ ich mich bereitwillig von dir zu der Teilnahme an der heutigen Séance überreden.«

»Und trotzdem hast du sie böswillig gestört. Was bedeutet die Hingabe einer Taschenuhr, wenn man dafür Shaifuus Weisheit näher kommt?«

Bob Gibson stocherte missmutig in seinen Röstkartoffeln. Er hatte offensichtlich nicht den richtigen Appetit. Schließlich schob er den Teller mit einem Ruck zurück, dass ein Speckbrocken über den Rand fiel.

Mit zwei spitzen Fingern schnippte Mark Foster das fette Stück von seinem Hosenbein.

»Die kann ich in die Reinigung geben«, brummte er.

»Dein Gehirn hat eine gründliche Reinigung nötiger«, erwiderte sein Freund ungerührt. »Bildest du dir im Ernst ein, der Geist aus dem Nichts legt Wert auf Perlenketten und Taschenuhren? In dem Reich, in dem er herrscht, braucht er keine Pfundnoten. Dagegen schien mir eure vollbusige Geisterbeschwörerin mit der albernen Maskerade ziemlich scharf auf den Inhalt des Totenkopfes zu sein. Ein ganz hübsches Taschengeld für eine, die zu alt ist, um sich ihre Sandwiches auf andere Weise zu verdienen.«

»Wenn du nicht mein Freund wärst, würde ich dir für diese Geschmacklosigkeit deine männliche Vorderseite ein wenig in Unordnung bringen. Wär’ mal gespannt, ob die kleine Miriam auch deinem zerknautschten Kinn zuliebe dir nach wie vor das größere Bier hinstellen würde.«

Bob Gibson grinste breit.

»Die Puppe hat eben einen gediegenen Geschmack, mein Lieber. Was kann so ein mageres Bürschchen wie du ihr schon bieten. Und wenn sie jetzt auch noch begreift, dass es in deiner Gehirnlade nicht ganz stimmt, mache ich sowieso das Rennen bei ihr.«

»Du verstehst es immer wieder, vom Wesentlichen abzulenken« tadelte Mark Foster.

»Miriams Po halte ich für sehr wesentlich. Natürlich gibt es bei ihr noch einige andere Punkte, die man nicht außer Acht lassen sollte.«

»Weiberheld!«

»Neidhammel!«

»Zurück zu unserem Zirkel. Du hältst also alle, die daran teilgenommen haben, für Idioten?«

»Das habe ich nicht gesagt«, wehrte Bob Gibson ab. »Ihr seid Suchende – genau wie wir. Allerdings befindet ihr euch auf einem falschen Weg. Nichts anderes wollte ich dir begreiflich machen.«

Mark Foster hob überrascht den Kopf.

»Genau wie ihr?«, stieß er heiser hervor. »Willst du damit sagen, dass auch du …?«

Gibson hob die Hand.

»Schrei doch um Himmels willen nicht so! Es muss ja schließlich nicht gleich jeder hören. Auch dir vertraue ich es nur an, damit du siehst, dass ich lediglich euren Kinderkram verdamme, nicht aber die ehrliche Suche nach Shaifuu.«

»Du gehörst einem Zirkel an?«, fragte Mark Foster atemlos.

»Wir nennen unsere Alliance Contempt of Death.«

»Todesverachtung?«

»Es gibt Wichtigeres als den Tod.«

»Natürlich, das Leben!«

Bob Gibson sah den Freund rätselhaft an. In seinem Blick lag etwas Entrücktes. Aber er wurde sofort wieder klar, als er erklärte: »Das Leben. Ja! Aber das Leben mit Shaifuu.«

»Ihr huldigt dem gleichen Geist?«

»Wir bauen eine Brücke zu ihm. Nicht mit Ketten und Uhren. Wenn es sein muss, bringen wir größere Opfer. Wirkliche Opfer, wenn du verstehst.«

»Du meinst doch nicht etwa …« Mark Foster schauderte. Er ließ seinen fürchterlichen Verdacht unausgesprochen und versank in Grübeln.

Bob Gibson hatte sich schnell wieder gefangen. Heiter wie gewohnt lenkte er das Gespräch in andere, unverfängliche Bahnen. Er machte der koketten Miriam schöne Augen und versuchte, sie zu einem Stelldichein zu überreden, was sie allerdings mit gut gespielter Empörung ablehnte.

Die Freunde blieben noch eine Weile hocken, ehe sie sich verabschiedeten. Auf der Straße trennten sie sich. Sie wohnten in verschiedenen Richtungen.

Mark Foster sah sich an der Ecke noch mal nach Bob Gibson um. Er konnte gerade noch sehen, dass dieser in ein offenbar erregtes Gespräch mit einem Mann verwickelt war, der ihn nach einigem Hin und Her überredete, mit ihm ein Taxi zu besteigen.

Der blasse Mann mit den weißblonden Haaren wusste selbst nicht, warum er sich die Nummer des Mietautos notierte.

3

Während der folgenden Tage fand Mark Foster keine Zeit, sich mit okkulten Fragen zu befassen. Sein Beruf eines Steuerberaters brachte es mit sich, dass ihm gegen Ende eines jeden Sommers die Arbeit über den Kopf wuchs. Der letzte Termin für die Einkommensteuererklärung rückte heran, und es gab zu seinem Leidwesen immer noch zu viele Zeitgenossen, die mit dieser heiklen Offenbarung bis zum letzten Moment warteten.

Er ließ sogar einen kurzen Anruf von Bob Gibson, den das Tonband seines automatischen Anrufbeantworters aufgezeichnet hatte, ohne Antwort, da es sich nur um die Einladung zu einem sinnlosen Besäufnis handeln konnte, denn warum sonst hätte Bob, der alte Halunke, ihn mitten in der Nacht erreichen wollen.

Als die Arbeit endlich abflaute, gönnte er sich ein paar Tage der Entspannung in einer alten Jagdhütte in der Nähe von Watsy Forest.

Die Hütte war das einzige, was ihm sein Vater vor drei Jahren auf der Haben-Seite hinterlassen hatte. Außer einer erklecklichen Summe von Schulden war da noch eine Lebensversicherung über zwanzigtausend Pfund gewesen, die sein alter Herr vor fünfzehn Jahren zu seinen Gunsten abgeschlossen hatte. Dummerweise war er mit den Prämien sechs Monate im Rückstand, so dass ihm die Gesellschaft zu ihrem außerordentlichen Bedauern mitteilen musste, dass die Ansprüche aus der Police leider verfallen waren.

Mark Foster war glücklich über die Jagdhütte, wenn er auch die zwanzigtausend Pfund nicht abgelehnt hätte.

Einmal im Jahr kam er hierher, schleppte Bier und Konservendosen für vier Wochen ran und studierte bereits am dritten Tag verbissen sämtliche Zeitungen, die er bekommen konnte, ob nicht in England ein Industriekonzern auf seine Hilfe lauerte, um sich vor dem Pleitegeier retten zu lassen.

Wenn er ein solches Unternehmen auch nie ausfindig machte, so verließ er die Hütte doch regelmäßig nach der ersten Woche und freute sich auf der Rückfahrt im geliehenen Morris auf das Wiedersehen mit seiner Kanzlei und Wanda, der Aufwartefrau, die ihm gehorsam vorlog, wie gut er sich erholt habe.

Die ersten beiden Stunden zu Hause verbrachte er damit, das Tonband des Telefonanrufbeantworters abzuhören. Er ging, während das Band lief, meistens in die kleine Junggesellenküche, um nachzusehen, ob Wanda rechtzeitig für frischen Joghurt gesorgt hatte, als er die Stimme Bob Gibsons hörte.

Eilig schloss er den Kühlschrank und kehrte ins Wohnzimmer zurück.

Gibson hatte inzwischen aufgehört. Mark Foster erkannte jetzt Fat Fatson, den feisten Grundstücksmakler, spulte das Band einige Meter zurück und spielte es erneut ab. Er wartete vergeblich auf Bob Gibson. Zwischen Harry D. Brattly und Fat Fatson waren lediglich ein paar eigenartige Geräusche zu hören. Es klang fast wie Keuchen oder Stöhnen, als würde sich ein Mensch vor Schmerzen kaum noch zu helfen wissen.

Mark Foster stoppte das Band, kratzte sich am Hinterkopf und schnitt eine Grimasse.

»Zu viel Bier inhaliert, alter Freund«, murmelte er. »Oder ist es der Gin?«

Er drückte die graue Taste und ließ das Band ein drittes Mal vorwärts laufen. Die letzten Sätze von Harry D. Brattly … Dann Pause. Kein Keuchen, kein Stöhnen … Aber plötzlich ein langgezogener Schrei! Der blonde Mann hatte noch nie in seinem Leben einen Todesschrei gehört, aber so stellte er ihn sich vor. Dann folgte wieder eine kurze Pause, und schließlich Fat Fatson mit seiner öligen Stimme.

Mark Foster zitterte. Er goss sich den vierten Gin ein und verschüttete das meiste. Was war los mit ihm? Wenn er sonst von der Jagdhütte kam, waren seine Nerven für den bevorstehenden Alltag gewappnet. Diesmal spielten sie ihm schon in der ersten Stunden einen makabren Streich.

Ängstlich starrte er das Tonband an. Er besaß das Gerät jetzt über zwei Jahre. Es hatte immer ausgezeichnet funktioniert.

Von technischen Dingen verstand er nicht viel. Bob kannte sich da besser aus. Dass man sich so täuschen konnte! Mark hätte schwören können, dass es Bobs Stimme auf dem Tonband war. Und nicht nur, dass sie plötzlich verschwand, das verdammte Band spielte ihm auch noch jedes Mal etwas anderes vor …

Er lachte grimmig. Na warte! Mal sehen, was du diesmal für eine Überraschung bereit hältst.

Das Tonband surrte zurück. Beim Stopp bildete es eine winzige Schlaufe. Dann ruckte es wieder an, und Harry D. Brattleys Stimme füllte den Raum.

Ungeduldig wartete Mark Foster auf das letzte Wort des Eisenwarenhändlers. Er verhielt sich völlig ruhig und schärfte seinen Gehörsinn. Er kroch fast in das Gerät hinein.

Dann kam es. Es klang zuerst wie das monotone Singen von Telegrafendrähten. Eintönig und ermüdend. Doch schon bald verdichtete es ich zu einer Musik. Sie hatte keine Melodie, und selbst für fanatische Anhänger der modernen Richtung war sie wohl nicht singbar. Trotzdem war ihr Volumen gewaltig. Die Klangfülle steigerte sich rasch in einen Taumel der Besinnungslosigkeit. Mark Foster fühlte sich mitgerissen, gegen seinen Willen in eine andere Sphäre entführt.

Als er sich – total widerstandslos – der Klangfülle ausliefern wollte, zerbarst alles in einer gewaltigen Detonation. Das Tonbandgerät flog in die Luft und schlug den Putz aus der Zimmerdecke. Eine Rauchwolke stieg empor, und es roch verdächtig nach Ampere.

Mark Foster zog den Kopf ein und brachte sich vor den auf den Boden prasselnden Resten des technischen Wunderwerkes in Sicherheit. Zum Schluss fiel das Magnetband wie eine bunte Luftschlange auf den Tisch und kringelte sich zwischen Ginglas, Flasche und Aschenbecher. Es war verschmort und nicht mehr zu gebrauchen.

Aber das allein war es nicht, was Mark Foster die Augen aus dem Kopf trieb. In seine Pupillen trat ein irrer Glanz. Seine Mundwinkel bebten. Er merkte es nicht mal. Seine Lippen versuchten, Worte zu formen. Die Worte, die das Band in eigenwilligen Windungen auf der Tischplatte aus künstlichem Marmor bildete.

Schließlich gelang es ihm, und er las halblaut mit tonloser Stimme: »Shaifuu!!!«

4

Mark Foster schloss die Augen und riss sie gleich wieder auf. Das Bild blieb! Die Worte verschwanden nicht! Der höllische Spuk war vorüber, doch der Name dessen, der sich dazu bekannte, stand unverrückbar auf der Tischplatte.

Der blonde Mann atmete schwer. Seine Hände waren eiskalt. Er lernte kennen, was Grauen bedeutet.

Im Zirkel hätte er eine solche Botschaft wahrscheinlich mit Begeisterung – gemischt mit britischer Gelassenheit – entgegengenommen. Jetzt, da ihn das Unerklärbare allein überfiel, kühlte seine Freude merklich ab.

Er betrachtete die Trümmer des Tonbandgerätes und kam zu dem nüchternen Schluss, dass das kein Spaß war. Gleichzeitig bekam er sich wieder halbwegs in die Gewalt. Er fand, dass Shaifuus Botschaft es wert war, im Foto festgehalten zu werden. Vielleicht schuf er in dieser Minute ein einmaliges Dokument, das Zweifler bekehrte und Anhänger begeisterte.

Er kramte seine Pocketkamera aus dem Schrank und stellte umständlich Entfernung und Belichtungszeit ein. Er schoss drei Bilder. Nach dem dritten zuckte er zusammen. Etwas Heißes bohrte sich in seinen Fuß. Er schaute an sich herab und stellte fest, dass das Objektiv seiner Kamera träge wie Sirup aus dem Apparat rann, sich durch seinen Schuh brannte und dabei war, seine Zehen zu misshandeln …

Fluchend warf Foster die Kamera auf den nächsten Stuhl und riss den Schuh vom Fuß. Er fand nur eine stark gerötete Stelle, doch er war überzeugt, dass sie sich in eine wunderschöne Blase verwandeln würde.

Mit seiner Fassung war es endgültig vorbei. Gab es eine andere Erklärung für die seltsamen Vorgänge in seiner Wohnung, als dass Shaifuu Rache an ihm nahm? War es der Zorn des Geistes über die ihm vorenthaltene goldene Uhr?

Bob hatte ihm die Geschichte eingebrockt, er sollte deshalb auch gefälligst sehen, wie er ihn wieder rausholte.

Mark Fosters Hand streckte sich nach dem Telefonhörer aus. Doch gleich darauf zog er sie wieder zurück. Er hatte keine Lust, den Dämon zum dritten Mal herauszufordern. Shaifuu hatte anscheinend etwas gegen technische Geräte, und Mark wollte nicht seine ganze Wohnung ruinieren.

Er tränkte ein Papiertaschentuch mit Gin und tupfte damit die geschundene Stelle ab. Dass sich dadurch die Haut am Fuß löste, stimmte ihn nicht besonders heiter. Er suchte ein Pflaster und beklebte damit die dämonische Wunde, kroch in frische Socken und andere Schuhe, verließ die Wohnung und hastete zum Golden Inn.

5

Er übersah beim Eintreten Miriam. Das Mädchen überprüfte daraufhin ahnungsvoll in der Küche sein Make-up sowie den Sitz seiner spärlichen Bekleidung, konnte jedoch keinen Mangel feststellen. Kopfschüttelnd und immer noch verunsichert kehrte Miriam in die Gaststube zurück und suchte den seltsamen Burschen, der sonst seinen Blick nie von den wohlgeformten Oberschenkeln reißen konnte.

Mark Foster stand beim Telefon und bearbeitete die Wählscheibe. Ungeduldig drosch er auf die Gabel, worauf sich das Spiel wiederholte.

Das ging fünf bis sechs Mal so. Erst beim siebten Versuch schritt Miriam ein.

»Das ist ein Fernsprechapparat und kein Sparringpartner, Mark«, flötete sie. »Wussten Sie das nicht?«

Der Mann hob den Blick, ein Schimmer des Erkennens stahl sich hinein, bevor er nach unten rutschte und an den strumpfbehosten Beinen kleben blieb.

Miriam seufzte erleichtert auf. Gott sei Dank! Es war noch alles in Ordnung.

»Ich versuche, meinen Freund zu erreichen«, sagte Mark Foster zur Entschuldigung.

»Ihrem Temperament nach zu urteilen müssen Sie eine Mordswut auf ihn haben«, vermutete Miriam und lachte. »Ich bringe Ihnen einen Beruhigungsschluck.«

»Mordswut stimmt nicht, aber Beruhigungsschluck ist gut. Bringen Sie für sich auch einen mit, Miriam.«

»Danke!« Das Mädchen machte einen albernen Knicks und verschwand hinter dem Tresen. Miriam kam mit zwei Gläsern zurück, und Mark Foster merkte sofort, dass nur in einem Gin war. Das andere sah verdächtig nach klarem Wasser aus.

Er griff danach und wollte seine Nase hineinstecken, aber Miriam schlief auch nicht. Ihre Finger huschten vor und entwanden ihm das Glas. Dabei strahlte sie ihn entwaffnend an und schnurrte: »Nicht böse sein, Mark! Mein Tag fängt gerade erst an, und die Burschen merken gleich, wenn Miriam einen gezwitschert hat. Sie erlauben sich dann gleich mehr.«

»Ich würde mir auch ganz gern mehr erlauben, wenn Sie keinen gezwitschert haben.« Mark Foster fand die Gelegenheit ziemlich günstig.

Miriam hob drohend den lackierten Zeigefinger, lächelte aber immer noch.

»Sie sind ja ein Draufgänger, Mark«, stellte sie überrascht fest. »Ein Draufgänger in Boxerlaune, das ist eine gefährliche Mischung.«

»Ich glaube nicht, dass ich Ihnen gefährlich werden könnte. Dafür ist Bob eher der Typ.«

»Bob? Sie meinen den aufregenden Menschen, der aussieht wie eine Kreuzung zwischen Rock Hudson und einem Pudel?«

»Es wird ihn freuen, Ihre gute Meinung über ihn zu hören. War er in den letzten Tagen hier?«

»Sind Sie eifersüchtig, Mark?« Das Lächeln wurde spitzbübisch.

»Natürlich. Aber deshalb frage ich nicht. Ich habe versucht, bei ihm anzurufen.«

»Ihr Schlagabtausch ist mir nicht entgangen.«

Mark Foster ignorierte den Einwand.

»Kein Anschluss unter dieser Nummer, quäkt das blöde Telefon jedes Mal.«

»Versuchen Sie es doch mal mit einer anderen«, schlug Miriam vor.

»Mit einer anderen was?«

»Einer anderen Nummer. Sie haben sich bestimmt nur in der Zahl geirrt.«

Mark Foster sah das Mädchen fassungslos an. Er kippte den Inhalt seines Glases, aber es war bereits leer, und Miriam hatte noch nicht nachgeschenkt. Jetzt war sie aber umgehend mit der Flasche zur Stelle und holte das Versäumte gründlich nach.

Der Mann trank wie ein Verdurstender. Dann stieß er hervor: »In der Zahl geirrt! Ich? Wissen Sie nicht, dass Zahlen mein Beruf sind? Ich ernähre mich davon.«

»Ziemlich einseitige Ernährung«, fand Miriam. »Und nicht sehr vitaminreich.«

»Ich bin Steuerberater.«

»Ist das ansteckend?«

»Im Ernst, Miriam. Ich habe hundert Telefonnummern im Kopf und vergesse keine einzige davon. Übrigens, wollen Sie mir nicht Ihre auch verraten?«

»Ihr Supergedächtnis ist mir zu gefährlich.«

»Dachte ich mir. Ihnen sind Burschen lieber, die sich mal in der Adresse irren.«

»Wenn Sie unverschämt werden wollen, dann setzen Sie sich an einen Tisch und trinken Ihren Gin in trüber Einsamkeit.«

Die Kleine wandte sich schmollend ihren Gläsern zu, die sie verbissen polierte.

Mark Foster brummte was, was so ähnlich klang wie nicht so gemeint, und ließ seine Augen so traurig hängen, bis Miriam endlich wieder lachte und ihm schelmisch gegen die Brust tippte.

»Sie haben mir immer noch nicht verraten, ob Bob kürzlich Ihre strahlenden Augen in dieser miesen Spelunke gesucht hat«, bohrte der Weißblonde weiter.

Miriam schüttelte den Kopf, dass ihre dunklen Locken flogen.

»Weder meine strahlenden Augen, noch etwas anderes«, antwortete sie mit gespieltem Bedauern. »Wenn ich so richtig in der Erinnerung krame, möchte ich sogar behaupten, dass er das letzte Mal mit Ihnen hier war. Das ist schon eine halbe Ewigkeit her. Wissen Sie noch? Sie waren nicht besonders gut in Form. Wir mussten anschließend neu tapezieren, weil Sie lauter Löcher in die Wände gestarrt hatten.«

»So lange ist das schon her?«, wunderte sich Mark Foster. »Kam er nicht sonst jede Woche vorbei?«

»Mindestens einmal«, bestätigte das Mädchen. »Meistens öfter.«

»Ist das nicht eigenartig?«

»Was soll eigenartig sein?«

»Er ist unter seiner Telefonnummer nicht mehr zu erreichen, er vernachlässigt seine Stammkneipe, obwohl…«

»Sie waren genauso lange nicht hier, Mark«, erinnerte Miriam.

»Das ist etwas anderes. Ich hatte zu arbeiten.«

»Bob wahrscheinlich auch.«

Er sah das Mädchen an, als hätte es ihm soeben eröffnet, dass es sich um einen Sitz im Unterhaus bewerben wolle.

»Bob?«, stammelte er. »Bob und arbeiten? Hat Ihnen der Schuft jemals weiszumachen versucht, dass er den Gin, den er hier schluckt, selbst verdient? Bob ist in unserer Gesellschaft ungefähr so unnütz wie ein Putzlappen in einem Plumpudding. Arbeit bezeichnet er als Knechtschaft, oder – was noch ärger ist – als Vorstufe zum Fegefeuer.«

»Für einen Freund haben Sie aber recht eigenwillige Ansichten über ihn.«

»Sie klopfen vergeblich an mein Gewissen. Ich bin überzeugt, dass er in keinster Weise ehrerbietiger über mich spricht.«

»Womit Sie ausnahmsweise sogar recht haben, Mark. Männerfreundschaft ist schon was Seltsames.«

»Es gibt nichts Schöneres«, schwärmte der Blonde und räumte gleich darauf ein: »Außer vielleicht die Freundschaft mit einem glutäugigen Mädchen. Aber recht heiß und innig müsste sie sein.«

Miriam räusperte sich vernehmlich.

»Bleiben wir bei Bob. Sie können ihn also nicht erreichen. Waren Sie schon in seiner Wohnung?«

»Dafür habe ich mir keine Zeit genommen. Ich muss ihm etwas sehr Dringendes mitteilen.«

»Jetzt begreife ich. Es ist so dringend, dass Sie die zehn Minuten im Bus nicht verschwenden können. Dafür hocken Sie lieber eine halbe Stunde im Golden Inn und demolieren die Telefone und bringen unschuldige Mädchen in Verlegenheit.«

Mark Foster sah sich suchend um.

»Das Telefon sehe ich«, meinte er gedehnt, »aber wo ist …?«

Die Luft wurde ihm plötzlich knapp. Etwas zog seine Krawatte immer enger. Seine Augen wurden glasig und krochen gemächlich aus ihren Höhlen.

»Früher wurden die Gangster schon für geringere Frechheiten gehängt«, sagte sie und rollte fürchterlich mit den hübschen Augen. Sie ließ seine Krawatte los, und Mark Foster brauchte dringend einen Schluck.

Dann ging er.

»Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie ihn aufgespürt haben!«, rief sie hinter ihm her.

»Sie machen sich auch Sorgen, nicht wahr?«

Das Mädchen lächelte geheimnisvoll.

»Ja!«, gab es zu. »Ich bin mir nur noch nicht sicher, um wen.«

6

Mark Foster nahm den Bus. An der Ecke Virginia Street stieg er aus und ging die letzten hundert Meter zu Fuß.

Bob Gibson wohnte in einer Bude, die seinem Bankkonto hohnlachte. Das war typisch für ihn. Er kleidete sich wie ein Skilehrer, wohnte wie ein Hippie und lebte wie ein Playboy. Dass er sich außerdem für die Lehre des Shaifuu interessierte, hätte Mark Foster nicht so überrascht, wenn er ihn erst vor einigen Wochen kennengelernt hätte. Aber sie kannten sich schon eine Ewigkeit. Dass Bob ihn in dieses Geheimnis nicht schon früher eingeweiht hatte, kränkte ihn ein wenig.

Dafür würde er an die Decke jumpen, wenn er erfuhr, was sich alles in seiner Wohnung zugetragen hatte. Fast kam es Mark Foster inzwischen selbst schon wieder unwirklich vor, nur die Schmerzen in seinem Fuß waren so real, dass er auch das explodierende Tonbandgerät, die Signatur des Magnetbandes und die zerfließende Optik plastisch vor sich sah.

Auf sein Klingeln rührte sich nichts. Der blonde Mann bewies große Ausdauer, die trotzdem nicht belohnt wurde. Zornig stampfte er mit dem Fuß auf. Da brauchte man mal einen Freund, und dann war dieser natürlich nicht verfügbar.

Er griff in die Jackentasche und holte einen Kalender heraus. Mit dem Kugelschreiber, der in einer Schlaufe steckte, kritzelte er ein paar Zeilen und riss das Blatt heraus. Er faltete es zusammen und steckte es in den Briefkasten. Erst jetzt sah er, dass Bobs Namensschild aus der Halterung gerutscht sein musste. Es befand sich nicht mehr am Briefkasten und war auch auf der Erde nicht zu finden.

»Typisch Bob«, murmelte Mark Foster, »schlampig, aber charmant.«

Unzufrieden mit dem Ergebnis seines Besuches ging er zur Bushaltestelle zurück. Er würde gleich nochmal zu Miriam gehen. Vielleicht hatte sie noch einen Gin für ihn.

Gedankenverloren überquerte er die Straße. Jemand riss ihn am Arm zurück.

»Keine Augen im Kopf, was?«

Mark Foster nahm den Mann überhaupt nicht richtig wahr. Dafür um so mehr den großen, schwarzen Wagen, unter dessen Rädern er um ein Haar gelandet wäre. Er murmelte einen Dank und starrte dem Wagen nach.

Das Gefährt hielt genau vor dem Haus, bei dem er vor einer Minute seine erfolglosen Klingelversuche abgebrochen hatte. Zwei Männer sprangen heraus und verschwanden hinter der Tür, ohne zuvor auch nur probiert zu haben, den Wohnungsinhaber herauszubitten.

Mark Foster fiel das Kinn herunter. Die Männer kamen ihm reichlich verdächtig vor. Sie waren gekleidet wie Kaminfeger, doch sie machten ihm nicht den entsprechenden Eindruck. Abgesehen von der Tatsache, dass sie ihn um ein Haar über den Haufen gefahren hätten, stufte er die Firma Harper und Sohn – diese Bezeichnung stand mit verschnörkelten Buchstaben an den Seiten und der Hecktür des Wagens – nicht in die reelle Kategorie ein.

Ohne zu zögern ging er zurück. Wenn die Leute bei Bob Einlass fanden, würde es ihm wohl auch möglich sein. Oder war er beleidigt, dass er damals auf seinen nächtlichen Anruf nicht reagiert hatte? Unsinn! Bob war keine Mimose.

Der vertrug schon einen Hieb.

Der Schlag, den Mark Foster traf, ließ ihn dagegen fast aus den Schuhen kippen. Er hatte das Haus mit dem parkenden Wagen kaum erreicht, als die beiden Finsterlinge wieder auf die Straße traten. Sie trugen einen länglichen, dunkelbraunen Kasten, einer vorn, der andere hinten. Das Ungetüm musste schwer sein, denn sie blickten finster und verdrossen.

Mark Foster sträubten sich die Nackenhaare. Selbst wenn Harper und Sohn unter der Bezeichnung eines Juweliergeschäftes firmierten, ließ er sich doch nicht von der Ansicht abbringen, dass es sich bei dem länglichen Kasten um einen Sarg handelte. Und da ein leerer Sarg kein nennenswertes Gewicht besitzt, konnte dieser Sarg nicht leer sein!

Wer lag darin?

Mark Foster überwand seine Abneigung und stellte die Frage einem der beiden Männer, die den Kasten inzwischen im Wagen verstaut hatte.

Der Blick, der ihn traf, ließ ihn die Möglichkeit in Betracht ziehen, ob er nicht selbst der Tote war. Er fühlte zumindest nichts als Kälte. Das Blut in seinen Adern gefror von einer Sekunde zur anderen. Die Augen seines Gegenüber waren seltsam leer und doch voller Hass, dass Mark Foster glaubte, seinem Todfeind gegenüberzustehen.

Der Mann maß ihn mit seinen starren Pupillen. Nahm er etwa für den nächsten Sarg Maß? Den Mund verzog er leicht nach oben. Es sah teuflisch aus. Aber er öffnete ihn nicht.

Mark Foster stellte seine Frage kein zweites Mal. Er war froh, dass ihn der Unheimliche ungeschoren ließ. Nie im Leben würde er diesen Blick vergessen.

Die Fremden stiegen in den Wagen. Mark Foster machte unwillkürlich einen Sprung zur Seite. Er war nicht mehr sicher, ob der Kerl ihn vorhin nicht absichtlich fast über den Haufen gekarrt hatte.

Sinnend sah er den Rücklichtern nach. Die noch unbeantwortete Frage drängte sich ihm erneut auf. Wer lag in dem Sarg?

Bob wohnte allein in einer Bude. Zwar bekam er häufig Besuch, auch hielt er sich eine Aufwartefrau. Natürlich nicht so eine alte wie seine Wanda, sondern eine schnucklige Biene, die vermutlich die wenigste Zeit mit Putzen, Einkäufen und Kochen verbrachte. Aber an Jolly hätten zwei Männer nicht so schwer zu schleppen gehabt. Sie war ein ziemlich leichtes Mädchen, im doppelten Sinn des Wortes.

Mark Foster gab sich einen Ruck. Hier auf der Straße würde er die Antwort nicht erhalten. Er musste sie sich schon an Ort und Stelle holen. Wenn die beiden Sargträger ohne Schlüssel ins Haus kamen, würde es auch für ihn keine Schwierigkeit bedeuten.

Er hastete die wenigen Schritte zur Tür und stieß sie auf. Innen war alles erleuchtet. Eigenartig, dass er außen nicht den geringsten Lichtschimmer wahrgenommen hatte. Ihm fiel ein unangenehmer Geruch im Gang auf. Bob schien die Wohnung längere Zeit nicht gelüftet zu haben.

»Bob?«

Niemand antwortete.

Die Garderobe war unaufgeräumt wie immer. Mark Foster fiel zwischen den Klamotten seines Freundes ein zauberhaftes Kleid auf. Es bestand aus taftähnlichem Material, war aber viel geschmeidiger. Es war bis zum Kragen geschlossen, dafür besaß es ein gewagtes Rückendekolleté. Am Saum glitzerten winzige Perlen. Sie sahen wie Tränen aus.

Jolly traute er ein solches Kleid nicht zu. Die lief entweder in Jeans oder nackt herum. Bobs Geschmack lief offenbar in neue Richtungen.

Auf einem kleinen Tisch stand das Telefon. Obwohl Mark wusste, dass es überflüssig war, kontrollierte er die Nummer. Sie hatte sich nicht geändert.

Ihm kam ein Gedanke. Er würde Miriam bitten, hier anzurufen. Dann würde er ja feststellen, ob er sich sechsmal verwählt hatte.

Er langte zum Hörer. Plötzlich öffnete sich hinter ihm die Tür. Er wusste, dass sie zu der Schlafwohnküche führte. Bobs Luxusappartement bestand lediglich aus dem Gang und einem allerdings ungewöhnlich geräumigen Zimmer.

Er wandte sich um – und prallte mit einem Schreckenslaut zurück. Vor ihm stand der Kerl mit den leeren, hasserfüllten Augen. Der Sargträger von Harper und Sohn …

7

Mark Foster konnte unmöglich erläutern, auf welche Weise er das Haus verlassen hatte. Er hielt es nicht mal für ausgeschlossen, dass der Unheimliche dabei nachgeholfen hatte. Jedenfalls erreichte er mit rekordverdächtigem Tempo die Bushaltestelle, holte sogar den Bus noch ein, obwohl er ihm fast hundert Meter nachlaufen musste, und kam völlig aufgelöst im Golden Inn an.

Miriam bediente ein paar Kerle am Tresen. Sie sah Mark sofort, als er die Kneipe betrat, und schnitt ihm eine Grimasse, die er unterschiedlich auffassen konnte.

Er entschied sich dafür, dass dem Mädchen die Gesellschaft unangenehm war, und beschloss, Miriam davon zu befreien.

Rasch zerrte er an seiner Krawatte und fuhr sich mit der Hand durch seine korrekte Frisur. In seinen Augen verkörperte er nun den Gipfel der Unordentlichkeit. Jeder musste ihn für einen Säufer und Raufbold halten.

Er stolperte an den Tischen vorbei, wie er es bei Betrunkenen im Fernsehen gesehen hatte, und drängte sich zwischen die Männer am Tresen. Es waren drei.

»He!«, rief einer, als hätten sie die Szene gut einstudiert. »Seht euch mal den feinen Pinkel an! Den lässt die Mami nur mit Halsleine auf die Straße …«

Er zupfte kichernd an der gepunkteten Krawatte und freute sich, dass Mark Fosters Kopf dadurch ein bisschen nach hinten knickte. Er war ein bulliger Typ. Seine Rückseite hatte einen bedeutend schmaleren Eindruck gemacht.

Auch die beiden anderen waren nicht gerade mager. Gegen sie nahm sich Foster wie ein Gelehrter zwischen Gewichthebern aus.

Für einen Moment stellte er den Erfolg seiner Alleingangaktion in Frage, aber er konnte nicht mehr zurück.

Foster musterte den Bullen aus schläfrigen Augen. Dann schlug er zu. Die Pupillen des anderen krochen aufeinander zu, dann kippte der Kerl nach hinten über und schlug dumpf auf den Fußboden.

An den Tischen lachten ein paar Männer. Die anderen waren still. Auch die beiden am Tresen. Sie verständigten sich mit kurzem Blick. Darauf packten sie den Blonden, hoben ihn hoch und warfen ihn in Richtung Kleiderständer.

Der hatte seinen Platz vor einer Trennwand aus Holz. Dahinter ging es in einen kleinen Clubraum.

Mark Foster blieb nicht, wie die beiden gehofft hatten, an einem Haken hängen. Er landete auch nicht auf allen Vieren, sondern schlug mit den Füßen gegen die Holzwand, federte geschickt ab und katapultierte zu den Männern zurück. Er streckte seine Fäuste vor und rammte sie dem einen genau in die Magengrube. Der andere schaute dumm.

Der erste hatte sich inzwischen wieder aufgerafft, klopfte den Dreck aus den Klamotten und wankte zum Tresen.

»Was hat er eigentlich?«, lallte er. Seine Augen glitzerten tückisch.

Mark Foster verschloss sie mit zwei wunderschönen Veilchen.

Der dritte schlang den Arm um seinen Hals und drückte zu. Er tat das von hinten, und Mark Foster konnte sein zufriedenes Gesicht nicht erkennen. Der Blonde knickte in den Knien ein. Seine Arme fuhren nach hinten über des Angreifers Kopf. Dann vollführte er eine herrliche Rolle und beobachtete, dass sich der andere, der einen gekonnten Sturzflug quer durch die ganze Kneipe absolviert hatte, verdutzt auf die Füße stellte.

Die Tür des Golden Inn ging dreimal kurz hintereinander.

»Ich hoffe, es waren keine Stammgäste«, meinte Mark Foster grinsend, rückte seine Krawatte gerade und fuhr sich mit einem Kamm aus Aluminium durch die Haare.

»Ich bin nicht sicher, Mark, aber mir schien es, als hätten Sie diesen Streit absichtlich provoziert.«

»Das wäre üble Nachrede, Miriam. Geben Sie mir lieber einen Schluck. Ich kann einen tüchtigen gebrauchen. Noch so einen Tag wie diesen, und ich erreiche mein Rentenalter nicht.«

Das Mädchen schenkte ein und ließ die Ginflasche gleich stehen.

»Sie waren bei Bob?«

Mark Foster erstattete Bericht. Die Sache mit Shaifuu ließ er dabei weg. Miriams Augen wurden so rund, als hätte sie die Flasche allein leer getrunken. Ihr kam ein ähnlicher Gedanke, doch bezog sie ihn offensichtlich auf ihr Gegenüber.

»Mark, seien Sie mal ehrlich!«, forderte sie. »Sie erreichen Ihren Freund telefonisch nicht, obwohl sich seine Nummer nicht geändert hat. Sie lassen sich fast von einem Auto überfahren. Sie sehen Särge und unheimliche Männer, die dazu noch an verschiedenen Orten gleichzeitig auftauchen. Sie fangen Krach mit meinen – zugegebenermaßen – nicht sehr sympathischen Gästen an und jagen sie in die Flucht, bevor sie ihre Zeche gezahlt haben. Sind Sie ganz sicher, dass Sie nicht betrunken sind?«

Der Mann griff zum Glas und stellte es mit einem Ruck zurück, dass sich der Gin über seine Hand ergoss. Er sah Miriam fest in die Augen, und sie zwinkerte nervös. Das passierte ihr nicht oft.

»Hören Sie«, raunte er. »Ich brauche Ihre Hilfe. Sie kennen Bob, und Sie mögen ihn, nicht wahr? Ich bin davon überzeugt, dass er sich in einer kritischen Situation befindet, wenn es nicht noch schlimmer ist. Ich möchte, dass Sie mir helfen, Bob ausfindig zu machen.«

»Das ist doch ein Trick, Mark. Ein ganz plumper Trick! Wenn Sie mit mir ins Kino wollen, dann sagen Sie es. Wenn Sie was anderes planen, probieren Sie es. Beim ersten sage ich vielleicht nicht mal nein. Beim zweiten kassieren Sie eine Ohrfeige ein, die sich gewaschen hat.«

Mark Foster grinste hilflos.

»Sie schätzen meine Wünsche durchaus richtig ein«, gab er zu. »Aber augenblicklich geht es mir wirklich nur um Bob. Ich habe Angst um ihn, und das sollten Sie auch haben, wenn Sie ihn mögen.«

Das Mädchen seufzte.

»Ihr Männer seid ein ulkiges Volk. Was erwarten Sie von mir?«

»Sie sind eine Frau, Miriam. Sie werden Harper und Sohn kennen.«

Das Mädchen dachte nach.

»Ich kenne meistens nur die Vornamen meiner Gäste, und auch die nicht immer. Können Sie sie nicht genauer beschreiben?«

»Ich rede nicht von Ihren Schnapstrinkern. Harper und Sohn ist ein Juweliergeschäft. Der Name stand auf dem Wagen, in den die Männer den Sarg schoben.«

»Na hören Sie, Mark! Sehe ich so aus, als könnte ich mir echten Schmuck leisten? Mit Harper und Sohn habe ich ungefähr so viel zu tun wie mit den Rothschilds. Nur kenne ich von denen wenigstens den Namen.«

»Also nicht. Ich brauche unbedingt die Adresse.«

»Wozu gibt es ein Branchenfernsprechbuch?«

Mark Foster strahlte.

»Miriam, Sie sind ein Schatz.«

Sie blätterten in drei dicken Wälzern und zogen jede erdenkliche Schreibweise in Erwägung. Ein Juweliergeschäft Harper und Sohn war nicht verzeichnet.

»Glauben Sie mir jetzt, dass an der Sache was faul ist?«, fragte Mark Foster. Er hätte triumphieren können, doch ihm gefiel der Anlass nicht.

»Sie haben sich ganz einfach geirrt.« Miriam dachte wesentlich nüchterner. »Es wäre äußerst ungewöhnlich, wenn ein Juwelier in seinem Wagen Leichen transportierte.«

»Das ist nicht das einzige Ungewöhnliche. Miriam, was muss ich tun, damit Sie mir glauben?«

»Schlagen Sie was vor!«

»Okay. Aber es wird Ihnen nicht gefallen.«

»Es kommt auf einen Versuch an.«

»Wenn Sie hier mit Ihrem Job fertig sind, möchte ich, dass Sie mit mir in Bobs Wohnung gehen. Ich rechne fest damit, dass wir dort Anhaltspunkte für sein rätselhaftes Verschwinden und für die ganzen merkwürdigen Ereignisse finden werden.«

Das Mädchen sagte lange nichts, ging an einen Tisch und brachte frisches Bier. Da und dort leerte Miriam die Aschenbecher und stellte ein paar Stühle gerade. Dann kehrte sie an den Tresen zurück.

»Wer weiß, in welcher Weise Sie mit Frauen umgehen. Aber Sie werden lachen: Ich komme mit! Und wehe Ihnen, wenn uns nicht wenigstens ein Gespenst begegnet …«

»An ein Gespenst denke ich eigentlich nicht«, sagte Mark Foster und nahm einen ordentlichen Schluck. »Was glauben Sie, dort zu finden?«

»Den Tod!«

8

Sie benutzten Miriams Motorroller. Es war noch Nacht. Die Ampeln waren außer Betrieb. Auf der ganzen Strecke begegneten ihnen nur zwei Autos, aber die zwangen Miriam um ein Haar auf den Bürgersteig.

Sie hielten etwas abseits, weil Foster die Möglichkeit nicht ausschloss, dass noch immer der Unheimliche mit dem leeren Blick in der Nähe war. Miriam zog sogar ihre Pumps aus, weil sie damit zu laut über das Pflaster stöckelte.

»Mit mehr brauchen Sie aber nicht zu rechnen«, flüsterte sie schelmisch.

Sie schlichen bis zur Haustür und fanden sie verschlossen.

»Warum klingeln wir nicht einfach?«, schlug Miriam vor. »Anscheinend ist Bob zurückgekehrt.«

»Oder mein spezieller Freund, der Sargträger … Kommt nicht in Frage! Wir nehmen das Fenster.«

»Langsam zweifle ich, dass das überhaupt Bobs Adresse ist. Wahrscheinlich brauchen Sie bloß eine Komplizin, die für Sie Schmiere steht.«

»Welch entsetzliche Phantasie hat in Ihrem hübschen Kopf Platz! Suchen Sie lieber einen Stein!«

»Na, wenigstens sind Sie kein Profi. Der hätte bestimmt einen Glasschneider dabei.«

Der blonde Mann schlug die Fensterscheibe ein und machte so viel Lärm dabei, dass man es wahrscheinlich noch im schottischen Hochmoor hören konnte.

»Wenn Sie schon kein Profi sind, könnten Sie wenigstens ein bisschen geschickter sein«, tadelte Miriam und wartete atemlos auf die Polizeisirene oder wenigstens auf eine zornige Stimme und Hundekläffen.

Alles blieb ruhig! Gespenstisch ruhig.

»In dieser Gegend kümmern sich die Nachbarn nicht umeinander«, wusste Mark Foster.

Er entfernte sorgfältig die letzten Splitter aus dem Rahmen und zog sich am Fensterbalken hoch. Dann reichte er Miriam die Hand und half ihr ins Zimmer. Dabei stellte er sich die Aussicht von der Straße her vor und bedauerte seinen ungünstigen Platz.

»Es ist stockdunkel, hier, Mark, aber ich sehe förmlich Ihre schlechten Gedanken.«

Der Mann grinste.

»Früher hätte man Sie als Hexe verbrannt.«

»Wäre es Ihnen lieber, ich wäre schon im Mittelalter geboren worden?«

»Hm … Ein paar hundert Jahre jünger sind Sie mir doch lieber … Warten Sie! Ich schaue nach, ob sich jemand im Gang befindet.«

»Sind Sie verrückt?« Eine kleine, warme Hand suchte die seine, befreite sich aber gleich wieder daraus. »Machen Sie wenigstens vorher Licht!«

Foster fand den Lichtschalter sofort. Er kannte sich bei Bob aus.

Das kombinierte Zimmer war leer, auch auf dem Gang befand sich niemand.

»Jetzt stehen Sie aber reichlich dumm da«, fand Miriam.

Der Mann ließ seinen Blick prüfend über die Möbelstücke gleiten. Alles stand am gewohnten Ort. Der runde Tisch mit den abgewetzten Sesseln, der massive Schrank, in dem der Fernsehapparat eingebaut war, die bequeme Couch mit dem pikanten Wissen, das Bücherbord und die beiden fürchterlich modernen Bilder an der Wand, das raffinierte kaschierte Klappbett. Nichts sah ungewöhnlich oder verdächtig aus. Trotzdem wurde Mark Foster das unheimliche Gefühl nicht los, das ihn schon vor einiger Zeit in dieser Wohnung beschlichen hatte. Er hätte sich nicht gewundert, wenn plötzlich die Sargträger hereingekommen wären, um ihn einzupacken und wegzuschaffen.

Aber nichts dergleichen geschah.

Miriam sagte kein Wort. Sie sah den Mann nur verstohlen an und schüttelte den Kopf.

»Ich weiß«, knurrte er ärgerlich, »Sie halten mich für verrückt. Sie denken, Bob ist einfach nur verreist. Aber können Sie mir dann verraten, wer in dem Sarg lag?«

»Ich möchte jetzt gehen«, sagte das Mädchen leise. »Ich habe einen Zehnstundentag hinter mir und bin müde. Für kurze Zeit hatten Sie mich beinahe überzeugt, aber jetzt finde ich Ihre albernen Scherze geschmacklos. Bob hat wahrscheinlich nicht so unrecht, dass er sich von Ihnen zurückzieht.«

»Das ist der Gipfel!« Mark Foster stöhnte. »So hübsch und so dämlich! Soll ich Sie nach Hause bringen, oder finden Sie allein? Ich möchte mich nämlich hier noch ein bisschen umsehen.«

»Meinetwegen können Sie hier übernachten. Ich ziehe allerdings mein eigenes Bett vor. Ich habe Sie gleich gewarnt. Wo geht es zur Tür?«

Mark Foster zeigte ihr den Gang.

»Da, bitte!«, brummte er. »Überzeugen Sie sich selbst, ob ich die Telefonnummer verwechselt habe.« Er deutete auf das Tischchen.

»Ich sehe kein Telefon.«

Die Augen des Mannes weiteten sich. Das Tischchen war leer.

»Ich werde hier noch wahnsinnig«, krächzte er. »Kein Telefon! Glauben Sie im Ernst, dass ein Mann wie Bobby Gibson kein Telefon hat? Lassen Sie sich mal sein Notizbuch zeigen und studieren Sie die ganzen Adressen. Lauter muntere Bienen, und hinter jedem Namen steht eine Nummer. Bob und kein Telefon!«

»Aber es ist keins da …«

»Das sehe ich auch. Aber vor ein paar Stunden stand es noch auf diesem Tisch! Ich habe doch keinen Gedächtnisschwund. Wenn ich auch ein bisschen …«

»O Mark, schauen Sie nur!« Miriams Stimme klang aufgeregt.

»Was haben Sie?«

»Schauen Sie! Dieser Traum von einem Kleid! Ob es mir wohl passt?«

Miriam hatte das Kleid mit den winzigen Perlen am Saum vom Haken genommen und betrachtete sich damit im Spiegel.

»Sie würden darin aussehen wie die Queen aus dem Golden Inn. Der Mini steht Ihnen wesentlich besser.«

»Ich möchte es anprobieren, Mark. Einmal im Leben möchte ich solch ein Kleid tragen. Kann ich mich wo umziehen?«

»Hier ist Platz genug«, entgegnete er grob. Er war sauer, weil Miriam für den eitlen Fetzen mehr Interesse als für Bobs Verschwinden aufbrachte.

»Sie sind ein alter Brummbär, Mark«, schmeichelte das Mädchen. »Also wo?«