Waldweben - Manuel Deinert - E-Book

Waldweben E-Book

Manuel Deinert

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Beschreibung

Der Wald, einst ein Ort des Schauderns und der Schrecken. Heute ein Ort der Erholung, mit Handy oder Wanderkarte sicher und gefahrlos zu betreten. Seine Höhlen sind kartographiert, seine Wege verzeichnet. Fast möchte man meinen, er habe seine alten Geheimnisse verloren. Doch noch gibt es sie, die moosigen Felsschluchten, die umrankten Ruinen, die sagenumwobenen Höhlen und knorrigen Bäume. In seinen Gedichten und Balladen erzählt der Autor von ihnen und verrät, was sie ihm in stillen Stunden zugeraunt haben. Daheim oder unterwegs, dieses Büchlein ist ein Traum für jeden Waldfreund!

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Manuel Deinert – als waschechtes Sonntagskind 1979 in Westfalen geboren, sitzt ihm der Schalk im Nacken und die Poesie in der Seele. Seit seiner Jugend schreibt er Gedichte und Lieder und seit einigen Jahren auch Kindergeschichten. Seine ersten beiden Gedichtbände sind vergriffen, und auch das Waldweben wird sicherlich viele Freunde finden.

Nur der Einsame findet den Wald. Wo ihn mehrere suchen, da flieht er und zurück bleiben nur die Bäume. (Peter Rosegger)

Inhalt

Waldweben

Sonntagskind

Schleichpfade

Die alte Waldmühle

Farrenlieder

Dandoline Honigbiene

Das versunkene Schloss

Nebelstimmen

Die Raben

Der vermoderte Kahn

Blanke Stämme

Die hohe Tanne

Der verwilderte Hof

Die alten Mährchen

Waldkind

Gevatter Wald

Das Flüsterchen

Die Feldlerche

Der Alte vom Farrenberg

Ein Heidemährchen

Falkenfeder

Das Echo

Tief im Bergwerk

Das versunkene Dorf

Der Schlaf der Riesen

Morgendämmerung

Der redselige Brunnen

Das Ziegenhäuschen

Waldtagebuch

Die alte Gitarre

Die kalte Eiche

Wir sind nur Gäste

Es klappert die Mühle

Der Opferstein

Das war einmal

Die grüne Einsamkeit

Der zweifelnde Mönch

Der Reiher

Von den Flurnamen

Gespräch mit einer Eiche

Nächtlicher Ruf

Die alte Waldklause

Zapfenstreich

In der Burgruine

Lehrmeister

Die Bibliothek der Grillen

Der Wildbach

Im verlassenen Steinbruch

Am Hünengrab

Endlich wieder

Die Blutfichten

Der stille See

Sagentrost

Der bescheidene Sänger

Die Mahnlinde

Bei Familie Schwarzkittel

Dunkle Wasser

Nachtwanderung

Der hohle Baum

Widerhall

Das Lied der Tiefe

Freudentaumel

Die verborgenen Stollen

Die Heidenquelle

Wurzeln

Ein Waldgleichnis

Das Herz des Berges

Der Erlengrund

Hinauf zum Licht

Der Quell der Lieder

Spuren überall

Die Büchergruft

Ruine Rabenstein

Fallende Blätter

Der gerade Weg

Das Räuberschloss

Die Geisterschlucht

Die Bergquelle

Forst

Das Steinkreuz

Kommt Zeit, kommt Pfad

Der Eichelhäher

Waldeseinsamkeit

Kraniche

Ein letztes Mal

Waldweben

Der Wald webt mancherlei Geschichten.

Mal wunderschön, mit Farn verwoben,

mal wild zerzaust, wenn Stürme toben.

Von Eichen, Buchen, Tannen, Fichten,

mal finster wie die Nacht und schaurig,

mal sehnsuchtsvoll, zum Seufzen traurig.

So manches weiß er zu berichten,

von Kloster-, Hof- und Burgruinen,

von alten Pfaden, Fels und Bienen.

Von Quell und Bächen mag er dichten,

von Dingen unten wie von oben –

mit Mährchen ist der Wald durchwoben.

Sonntagskind

Ich bin ein frohes Sonntagskind,

ich höre, was die Bäume sagen.

Sie plaudern gerne mit dem Wind, voll Lebenslust und Wohlbehagen. Sie rauschen nicht gedankenlos

und rascheln einfach mit den Zweigen. Ein Schwank dem Blatt, ein Witz dem Moos – ein froher Ernst ist Bäumen eigen.

Ich bin ein freches Sonntagskind,

ich höre, was die Bäche reden.

Wo immer so ein Wasser rinnt,

da trifft's und spottet's allweil jeden.

Es murmelt nicht durch Stein und Sand

und springt belanglos seinen Reigen.

Ein toller Streich dem Uferrand –

ein frecher Schalk ist Bächen eigen.

Ich bin ein weises Sonntagskind,

ich höre, was die Felsen künden.

Was immer so ein Steinahn sinnt,

ich kann es quellenklar ergründen.

Sie schlafen nicht für alle Zeit,

verhüllt in graues, tiefes Schweigen.

Sie lehren die Vergangenheit –

ein weiser Geist ist Felsen eigen.

Ich bin ein glücklich Sonntagskind,

ich höre, was die Dinge sprechen.

Verstehen kann ich Fels und Wind

und reden mit Gesträuch und Bächen.

Der Werktagsmensch vernimmt das nicht

und will mir stolz sein Lehrbuch zeigen.

Er ahnt nicht, was die Welt rings spricht –

dies Glück ist Sonntagskindern eigen.

Schleichpfade

Wer nur die breiten Wege geht,

der sieht nur das, was alle sehen.

Und was dort im Verborgnen steht,

im Reich der Eichen und der Schlehen,

das bleibt bekannt allein den Rehen.

Drum siehst du einen schmalen Pfad

ins Unterholz und Dickicht zweigen,

dann husch hinein, wenn niemand naht.

Denn wo sich Farn und Blätter neigen,

da wird der Wald dir Wunder zeigen.

Da harren Bäume, mächtig, alt,

an schilfumwachsnen, grünen Teichen.

Dort geht umher manch Moosgestalt,

und klopft es in den hohen Eichen.

Du musst nur voller Demut schleichen.

Mal wirst du unter dichtem Farn

manch halbzerfallne Mauern finden.

Und bist bereit du, zu verharr'n,

zu lauschen zwischen Fels und Rinden,

so wirst du Kraft und Ruh empfinden.

Auch Beeren und geheimes Kraut,

kannst du auf schmalem Pfad entdecken.

Du sichtest, was sonst niemand schaut,

meist Schönes, doch auch dunkle Schrecken,

dort in den Waldes heimlich Ecken.

Doch wer nur breite Wege geht,

der sieht nur das, was alle sehen.

Und was dort im Verborgnen steht,

im Reich der Eichen und der Schlehen,

das bleibt bekannt allein den Rehen.

Die alte Waldmühle

Waldbach, komm, erzähle mir, was du einst gesehen hast.

Sitzen möchte ich bei dir

als dein still lauschender Gast.

Farn und finstre Schatten lauern

dort an deinem Uferrand,

ein paar grün bemooste Mauern –

Was wohl dort vor Jahren stand?

Eine Mühle? Ist das wahr?

Wo ist denn das Wasserrad?

Längst zerfallen! Ach, ja klar.

Führt dorthin ein schmaler Pfad?

Eine morsche Brücke find' ich

hinter dieser Felsenwand?

Ziemlich wackelig und windig?

Mancher dort bereits verschwand?

Etwas schlummert in den Ecken,

ein Geheimnis tief im Dunkeln?

Mancher wollt' es schon entdecken?

Hörst du sie nachts leise munkeln?

Ei, das klingt verlockend herrlich!

Das muss ich mir glatt beschaun.

Ich soll's lassen? Zu gefährlich?

Lieber Bach, hab nur Vertraun!

Farrenlieder

Ach, Wald, du friedlicher Geselle,

wie wohl tut mir dein Wipfelklang. Dein Harzduft kühlt mich wie die Quelle und allseits freut dein Vogelsang.

Auf Wurzelwegen

dem Moos entgegen

und leichter wird mein Gang.

Du Bach, mein fröhlicher Geselle, mit deinem klaren Tropfgesang.

Du tänzelst froh durch Felsgefälle

und säuselst unterm Farnbehang.

So frei und munter

zum Thal hinunter

und leichter wird mein Gang.

Ach Herz, du fragender Geselle,

was kümmert dich der Weltendrang?

Allein bei Felsen, Farn, Forelle

schlägst du befreit und ohne Zwang.

Nur immer wieder

die Farrenlieder

und leichter wird mein Gang.

Dandoline Honigbiene

(Ein Bienen-, Burg- und Blumenmährchen)

Am Fuße dieser Burgruine

geschah's, dass Fräulein Dandoline –

das schönste Kind der Königsbiene –

ganz plötzlich, ohne Spur, verschwand.

Ein Buntspecht wusste zu berichten,

dass sie am Abend aus dem dichten

Gebüsch kam, um Vergissmeinnichten

zu naschen, die man stets hier fand.

Der Maulwurf hatte nichts gesehen

und konnt' den Trubel nicht verstehen.

»Tja, Sommer kommen, Sommer gehen.

Und Kinder gehen irgendwann.«

So ähnlich zischelte die Schlange:

»Sind das die Bienenstockbelange?

Um ihretwegen ist euch Bange?

Was geht denn mich das Bienchen an?«

Ein Heuschreck sah sie bei der Mauer,

sie schien ganz aufgeregt und sauer,

doch wüsste er das nicht genauer.

Im Gegensatz zum Regenwurm:

»Ein dreister Drohn hat sie betrogen!

Da ist sie schmollend weggeflogen

und hat ein Schneckenhaus bezogen.

Es liegt gleich hinterm alten Turm.«

Den Bienen schien das unerklärlich,

am Burgturm war es saugefährlich.

Zwar war's am Tag dort ehrlich herrlich,

doch mit der Dunkelheit nicht mehr.

Es ging auf jenen Wiesenmatten

schier Unbegreifliches vonstatten,

sobald am Abend dunkle Schatten

sich legten auf das Blumenmeer.

Geschichten rankten sich um diese,

von Trümmern übersäte Wiese.

In einem jener Burgverliese

schien irgendwas zu leben, das

bei Nacht umherschlich bis es tagte.

Man glaubte, dass es jeden jagte,

sich selbst an große Bären wagte,

die nah genug am satten Gras.

Da hörten sie ein lautes Fluchen,

ein Schimpfen aus den hohen Buchen:

»Prinzesschen dürft ihr dort nicht suchen,

der Regenwurm erzählt nur Scheiß!«

Auf einem Ast saß Falter Walter,

ein waldbekannter Pollenspalter.

»Der Wurm ist bloß ein ungestalter,

voll schlabberiger Höhlengreis.«

Die Bienen stellten ihn zur Rede:

»Es weiß hier wirklich eine jede

von eurer alten Stammesfehde.

Drum sage uns die Wahrheit, sprich!«

»Ich sah sie bei den Wildkaninchen,

mit ihrem Freund, dem Fridolinchen.

Ein ganz schön forsches Honigbienchen,

so gar nicht fromm und königlich!«

Die Bienen schüttelten die Fühler,

der Kerl war echt ein Blütenspüler.

Zudem wurd auch der Abend kühler,

die Sonne stand schon hinterm Wald.

Man flog nochmal entlang der Mauer,

hm, irgendwie erschien sie grauer,

als fiele gleich ein Regenschauer.

So huschten sie in einen Spalt.

Der Spalt verzweigte sich in Gänge,

aus denen sonderbare Klänge