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Die Welt der Quanten ist voller atemberaubender Geschichten und Ideen – von winzigen Teilchen, die sich an zwei Orten gleichzeitig befinden, von Katzen, die lebendig und zugleich tot sind, von Quantenbomben, Raumschiffen und Teleportation. Gleichzeitig bestimmt Quantenphysik längst unseren Alltag: Laser, Mikrochips oder MRT-Bilder wären ohne Quantentheorie nicht möglich. Oft heißt es: Quanten sind so kompliziert, dass sie höchstens von ein paar Genies verstanden werden können. Stimmt nicht, beweist nun Florian Aigner: Wir alle können die Welt der Quanten verstehen, wenn wir aus unseren gewohnten Denkmustern ausbrechen. Wie das gelingt, zeigt diese Reise in die erstaunliche Welt der kleinsten Teilchen: unterhaltsam, höchst erhellend und horizonterweiternd.
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Seitenzahl: 309
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Florian Aigner
*unsere Teilchen aberschon
Ein Reiseführer durchdie Welt der Quanten
Wie man dieses Buch lesen soll
1Wellen, Teilchen, Quantenschwubbel
Warum es uns nicht überraschen sollte, dass uns die Quantenphysik überrascht, warum Tomaten und Wasserwellen völlig unterschiedliche Dinge sind und wie man die wahre Natur des Lichts verstehen kann: Licht ist weder Welle noch Teilchen, sondern gewissermaßen beides gleichzeitig.
2Nur wenn niemand misst
Was mit Teilchen im Doppelspaltexperiment passiert, warum das nur funktioniert, wenn sie unbeobachtet sind, und warum das deutlich weniger mysteriös ist, als viele Leute behaupten: Elektronen, Atome und sogar Moleküle haben Welleneigenschaften.
3Quantensprünge: Die Welt in kleinen Portionen
Wie Max Planck durch einen verzweifelten Trick die Quantenphysik erfand, warum Niels Bohrs Atommodell zwar wunderschön, aber ziemlich falsch ist, und was Werner Heisenbergs Unschärferelation mit einem Pistolenschuss zu tun hat: Auf kleinsten Skalen wird die Natur unscharf und sprunghaft.
4Eine neue Sorte Zufall
Warum ein Elektron keine Kirsche ist, warum Teilchenwellen kollabieren und warum die Quantentheorie eine völlig neue Art von Zufall mit sich bringt: Manchmal kann man nur Wahrscheinlichkeiten berechnen, das tatsächliche Ergebnis einer Messung bleibt unvorhersehbar.
5Ein Elektron ist kein Planet
Warum man sich Elektronen nicht wie rotierende Mini-Planeten vorstellen soll, warum es eigentlich bloß Ansichtssache ist, ob sich ein Teilchen in einem Überlagerungszustand befindet oder nicht, und wie 3D-Brillen im Kino funktionieren: über Drehungen, Spin und Polarisation.
6Quantenradierer und Quantenbomben
Warum man mit Quantenphysik die Vergangenheit nicht verändern kann, wie ein Quantenradierer zerstörte Wellenmuster wiederherstellt und wie man mit Quantentricks Bomben entschärft. Man soll die Quantentheorie nicht mystifizieren – aber ein bisschen verrückt klingt sie manchmal schon.
7Warum wir nicht durch Wände gehen
Warum der Raum zwischen den Elektronen alles andere als leer ist, warum uns das Pauli-Prinzip beim Katzenstreicheln hilft und warum es Sterne gibt, die nur aus Neutronen bestehen: Die Quantentheorie erklärt die Eigenschaften der Materie.
8Quantenverschränkung und die „spukhafte Fernwirkung“
Warum Quantenteilchen keine Socken sind, wie eine Messung an einem Teilchen den Zustand eines anderen, weit entfernten Teilchens beeinflusst und wie man beweist, dass uns die Natur nicht mit verborgenen Variablen austrickst: die Natur der Quantenverschränkung.
9Das Beamen und der abhörsichere Code
Wie Quanten-Teleportation funktioniert, wie man mithilfe verschränkter Teilchen geheime Botschaften versenden kann und warum die Quantenphysik keine Gedankenübertragung erlaubt: Quantenverschränkung kann man für faszinierende Technologien nutzen.
10 Schrödingers Katze
Wie man den Unterschied zwischen Atomen und Katzen verstehen kann, warum „Quanten-Darwinismus“ nur ganz bestimmte Zustände überleben lässt und wie Dekohärenz dafür sorgt, dass es überhaupt eine Wirklichkeit gibt: Bei der Messung kommt die mikroskopische Welt in Kontakt mit der makroskopischen Welt.
11 Quantenphilosophie und Quantenesoterik
Warum man nicht über philosophische Interpretationen der Quantentheorie streiten soll, warum Paralleluniversen keine Probleme lösen und warum Quantentheorie so oft für esoterischen Unsinn missbraucht wird: Nicht alles, was wissenschaftlich klingt, ist tatsächlich sinnvoll.
12 Wofür uns Quanten nützlich sind
Wie die Quantenphysik unser Leben bestimmt, warum der Quantencomputer vielleicht gar nicht so wichtig ist und warum ein Quantenzufall unsere Galaxie hervorgebracht hat: Auch wenn wir heute vieles wissen – in der Quantenforschung gibt es immer noch viel zu tun.
Anhang
Glossar · Literatur · Danke!
Wer dieses Buch liest, wird sich wundern. Es ist ein Buch über kleine Teilchen und große Ideen. Es geht um Elektronen und Atome, um Menschen und Katzen, um Sterne und das Universum. Dieses Buch stellt die vielleicht faszinierendste wissenschaftliche Theorie vor, die sich Menschen jemals ausgedacht haben: die Quantentheorie.
Auf Formeln wird in diesem Buch verzichtet – mathematisches Vorwissen ist nicht nötig. Es geht darum, die wichtigsten Grundgedanken der Quantenphysik Schritt für Schritt kennenzulernen – auf einfache, leicht nachvollziehbare Weise, ohne Fachjargon und ohne philosophisches Brimborium.
Es ist ein Buch für Menschen, die von Quantentheorie noch keine Ahnung haben und sich in eine fantastische neue Welt einladen lassen wollen. Es ist aber auch ein Buch für Menschen, die vielleicht schon einiges über Quantentheorie gelesen haben und manches noch genauer verstehen möchten. Oder auch für all jene, die bereits recht viel über Quanten wissen, aber sich darüber freuen, manches aus einem neuen Blickwinkel präsentiert zu bekommen – vom Welle-Teilchen-Dualismus bis hin zu moderneren Themen wie der Bellschen Ungleichung oder der Quantendekohärenz.
Weil man nicht alle Anforderungen gleichzeitig erfüllen kann, gibt es im Buch immer wieder spezielle Einschübe, die anders formatiert sind – so wie dieser Absatz. Dabei handelt es sich um Zusatzinformation, um genauere, manchmal etwas technischere Erklärungen. Diese Zusatzabschnitte sind nicht nötig, um das zu verstehen, was danach kommt. Man kann sie also entweder mitlesen oder getrost überblättern. Oder zuerst ignorieren und dann ganz am Ende nachlesen. Oder am Ende bloß behaupten, sie gelesen zu haben. Es gibt keine Regeln.
Zusätzlich gibt es am Ende des Buchs auch noch ein Glossar, in dem man zu einigen wichtigen Begriffen noch ein paar erklärende Anmerkungen finden kann.
Auf jeden Fall werden wir auf unserer Reise durch die Welt der Quanten auf viele verrückte Geschichten stoßen: Es wird um den Unterschied zwischen Tomaten und Elektronen gehen, um das bestmögliche Versteck für einen Nobelpreis in Kopenhagen, um Quantenbomben, Raumschiffe und Teleportation.
Wir werden uns merkwürdige Fragen stellen: Warum können wir nicht durch Wände laufen, wenn die Materie doch eigentlich hauptsächlich aus Zwischenräumen besteht? Was bedeutet das Gedankenexperiment von Schrödingers Katze, die angeblich gleichzeitig tot und lebendig sein kann? Und wie ist es überhaupt möglich, dass wir eine eindeutige, klare Wirklichkeit erleben, wenn die Welt auf mikroskopischer Ebene ein wildes, unscharfes Quantengeflimmer ist?
Indem wir solche Fragen unter die Lupe nehmen, wird uns Schritt für Schritt vieles klarer – was Quantenüberlagerungen sind, wie die Welt der kleinen Teilchen mit unserer gewohnten Alltagswelt zusammenhängt oder warum Quantenverschränkung etwas völlig anderes ist als Sockensortieren.
Wer sich mit Quantentheorie beschäftigt, wird sich von Anfang an wundern – und wird sich am Ende noch immer wundern. Aber auf deutlich höherem Niveau und mit einem erweiterten Blick auf die Welt. Und das ist ein Fortschritt, den man sich nicht entgehen lassen sollte.
Warum es uns nicht überraschen sollte, dass uns die Quantenphysik überrascht, warum Tomaten und Wasserwellen völlig unterschiedliche Dinge sind und wie man die wahre Natur des Lichts verstehen kann: Licht ist weder Welle noch Teilchen, sondern gewissermaßen beides gleichzeitig.
Das Universum ist gar nicht so kompliziert. Und das ist auch gut so. Über viele Grundregeln der Natur müssen wir im Alltag kaum nachdenken, weil sie uns völlig selbstverständlich vorkommen.
Wenn eine Katze nach links läuft, dann läuft sie in diesem Augenblick garantiert nicht nach rechts. Wenn mir ein Ei auf den Boden fällt, ist es danach entweder kaputt oder es ist heil geblieben. Wenn ich eine Tomate in hohem Bogen gegen eine Wand werfe, dann bewegt sie sich Punkt für Punkt auf einer ganz bestimmten Bahn, bis sie an die Wand klatscht und als roter Matschfleck kleben bleibt.
Nichts davon erscheint uns überraschend. So verhalten sich Objekte eben, so haben wir das unser ganzes Leben lang beobachtet. Wir haben ein ziemlich gutes Bauchgefühl dafür, welches Verhalten wir von der Natur erwarten können.
Doch wenn wir uns mit Quantenphysik beschäftigen, dann lässt uns dieses Bauchgefühl plötzlich im Stich. Atome, Moleküle und andere Quantenteilchen verhalten sich völlig anders als Katzen, Eier oder Tomaten.
Wenn sich ein Atom nach links bewegt, kann es sich gleichzeitig auch nach rechts bewegen. Ein Molekül, das mit einem Laserstrahl getroffen wird, kann gleichzeitig auseinanderbrechen und ganz bleiben. Ein Elektron, das sich um den Atomkern bewegt, folgt keiner bestimmten Bahn. Wenn es sich vor einem Augenblick links vom Atomkern befunden hat und jetzt rechts davon, dann muss es den Weg dazwischen nicht Punkt für Punkt zurückgelegt haben.
Aber was soll das nun bedeuten? Wie sollen wir uns das vorstellen? Auf welche Weise soll das jemals Sinn ergeben? Solche Phänomene passen einfach nicht zu unserem schönen, übersichtlichen Weltbild, das wir uns im Kopf zurechtgebastelt haben. Wenn es um Quantenteilchen geht, dann ist unsere Intuition überfordert, unser Bauchgefühl knickt ein, unser Alltagsverstand muss sich geschlagen geben.
Daraus wird dann leider oft der Schluss gezogen, die Quantentheorie sei etwas prinzipiell Unverständliches. Wenn man sich nicht die Mühe machen will, verwirrenden Dingen auf den Grund zu gehen, kann man natürlich auch einfach mit bedeutungsvoller Stimme verkünden: „Ein Teilchen, das sich gleichzeitig nach links und nach rechts bewegt, das widerspricht dem gesunden Menschenverstand! Die Quantentheorie ist also völlig verrückt und für unseren menschlichen Geist unbegreiflich! Niemand kann die Quantenphysik wirklich verstehen!“
Aber damit hat man nichts gewonnen, nichts erklärt und niemandem geholfen. Man hat bloß mystisches Bauchkribbeln produziert, keine nützliche Erkenntnis. Manche Leute driften dann überhaupt in magisches Denken ab und bringen Quantentheorie mit esoterischen Ideen in Verbindung – von übersinnlicher Gedankenübertragung bis hin zu Wunderheilungen. Nichts daran ist sinnvoll.
Im Universum gelten Regeln, auf die man sich verlassen kann. Egal ob man ein Mensch ist oder ein Atom, eine Katze oder ein Laserstrahl – an die Naturgesetze halten sich alle. Das gilt auch in der Welt der kleinen Teilchen. Wir müssen uns bloß darauf einlassen, dass die Regeln der Quantentheorie ein bisschen anders funktionieren als die Regeln unseres Alltags. Und genau das wollen wir nun versuchen: Wir wollen über unsere gewohnten Alltagserfahrungen hinausgehen und Schritt für Schritt immer besser verstehen, warum die merkwürdigen Regeln der Quantentheorie bei näherer Betrachtung gar nicht so merkwürdig sind.
Dass die Quantentheorie nicht so recht zu unserer Alltagserfahrung passt, sollte niemanden verwundern: Schließlich sind die Objekte, mit denen wir Tag für Tag zu tun haben, nun mal gigantisch groß, verglichen mit Atomen oder anderen Teilchen, für die man die Quantentheorie entwickelt hat.
Wir Menschen haben eine Größe von ungefähr einem Meter. Oder vielleicht sind es auch zwei – für Größenordnungsabschätzungen spielt das keine Rolle. Kleine Insekten sind ungefähr tausendmal kleiner als wir, sie werden in Millimetern gemessen. Natürlich gelten für Ameisen oder Mücken dieselben Naturgesetze wie für uns, aber die Physik fühlt sich auf Millimeter-Skala bereits völlig anders an.
So ist zum Beispiel Wasser in unserer Alltagserfahrung etwas Fließendes. Wenn man ein Gefäß mit Wasser füllt, passt sich das Wasser genau an dessen Form an. Ameisen hingegen kennen Wassertropfen auch als große Kugeln, die nach dem Regen plötzlich auf Blättern herumliegen.
Gravitation ist die Kraft, die unseren menschlichen Alltag am stärksten bestimmt, zumindest wenn wir uns nicht gerade in einer Raumstation befinden. Sie sagt uns, wo oben und unten ist, sie bewirkt, dass wir erschöpft sind, wenn wir die Einkaufstasche in den vierten Stock schleppen, und dass wir uns den Fuß verstauchen, wenn wir vom Apfelbaum herunterfallen.
Auch Ameisen spüren die Gravitation, aber im Ameisenalltag hat sie eine völlig andere Bedeutung. Man kann als Ameise problemlos auf der Unterseite eines Blattes herumkrabbeln, ohne den Halt zu verlieren, oder einen Baumstamm hochlaufen, ohne danach außer Atem zu sein. Und wenn eine Ameise abstürzt und Hunderte Ameisenkörperlängen weit zu Boden fällt, dann bricht sie sich dabei kein einziges Bein.
Schon in der Welt der Ameisen gelten also bereits völlig andere Alltagsregeln als bei uns. Aber es geht noch viel weiter. Wenn wir einen weiteren Tausenderschritt machen, bringt uns der von Millimetern zu Mikrometern – von Ameisen zu Bakterien. Wieder sind wir in einer völlig anderen Welt angekommen. Und wenn wir von den Bakterien noch einen Tausenderschritt wagen, dann sind wir bei Nanometern, der Größenordnung von Molekülen und Atomen. Noch zwei weitere Tausenderschritte brauchen wir, um bei der Größenordnung von Protonen und Neutronen anzukommen.
Es ist daher nicht überraschend, sondern sogar ziemlich erwartbar, dass sich die Regeln der Quantenwelt von unseren Alltagsregeln unterscheiden. Für jede Ebene braucht man eben andere Konzepte, Begriffe und Werkzeuge. Mit einem Presslufthammer kann man keine Atome spalten.
Tatsächlich überraschend ist hier etwas ganz anderes – nämlich, dass wir Menschen heute technisch in der Lage sind, solche winzigen Quantenteilchen zu manipulieren. Wir können mit einzelnen Atomen herumspielen oder ihnen gezielt ein Elektron wegnehmen. Und das, obwohl wir milliardenfach größer sind als sie. Das ist ähnlich verrückt, als würden Planeten einem Menschen eine neue Frisur verpassen.
Es gibt zwei ganz unterschiedliche Arten, etwas zu verstehen. Manchmal lernen wir etwas dazu, indem wir den Gedanken, die bereits in unserem Kopf sind, eine neue Ordnung geben. Wir entdecken eine neue Beziehung zwischen Dingen, die wir bereits kennen. Ich weiß, was Spinnen sind, und ich weiß, was Beine sind. Ich erfahre, dass Spinnen genau acht Beine haben, und habe etwas gelernt.
Manchmal genügt das aber nicht. Wenn wir auf etwas völlig Unbekanntes stoßen, dann müssen wir in unserem Kopf ein neues Konzept hinzufügen, eine neue Kategorie anlegen, einen neuen Gedanken wachsen lassen. Ein Kind, das bisher nur mit Menschen zu tun hatte und nun mit quietschender Begeisterung zum ersten Mal eine Katze sieht, lernt dabei etwas grundlegend Neues. Die Katze ist kein kleiner Fellmensch mit Krallen. Sie ist etwas fundamental anderes. Man muss im Kopf das neue Konzept „Katze“ anlegen, dann kann man mit der Katze spielen und sich an sie gewöhnen. Und irgendwann wird sie etwas Alltägliches.
Für Kinder ist das kein Problem. Dann sollte es aber auch für uns kein Problem sein, Quantenteilchen als etwas Neues zu akzeptieren. Ein Elektron ist keine winzige Tomate mit elektrischer Ladung. Es ist etwas fundamental anderes. Man muss im Kopf das neue Konzept „Quantenteilchen“ anlegen, dann kann man wissenschaftlich mit den Elektronen spielen und sich an sie gewöhnen. Und irgendwann wird auch das Quantenteilchen etwas Alltägliches.
Wenn wir krampfhaft versuchen, die Quantenphysik irgendwie mit unserer Alltagserfahrung zu erklären, machen wir uns das Leben unnötig schwer. Wir verwirren uns selbst, wenn wir für die Welt der Quanten Begriffe verwenden, die wir uns für Dinge aus unserer Alltagswelt ausgedacht haben. Das kann nicht wirklich gut gehen.
Wenn man Quantenphysik verstehen möchte, stößt man manchmal auf merkwürdige Sätze, wie etwa: „Quantenteilchen haben Wellen- und Teilcheneigenschaften.“ Das ist tatsächlich nicht falsch, aber es ist auch nicht besonders hilfreich. „Welle“ und „Teilchen“ sind Alltagsbegriffe, mit denen wir Alltagsregeln in Verbindung bringen, die auf Quantenobjekte einfach nicht zutreffen – und das führt zu Verwirrungen.
Vielleicht käme uns heute die Quantenphysik viel weniger merkwürdig und irritierend vor, wenn man von Anfang an für die neuen Konzepte der Quantenwelt auch neue Begriffe erfunden hätte. Vielleicht wäre es einfacher, wenn man niemals von einem „wellenartigen Quantenteilchen“ oder „teilchenartigen Quantenwellen“ gesprochen hätte, sondern von einem „Quantenschwubbel“ oder einem „Materieflubber“. Leider gibt es die Begriffe „Welle“ und „Teilchen“ aber nun einmal, wir müssen uns wohl oder übel damit abfinden.
Woran denken wir, wenn wir von „Teilchen“ reden? Vielleicht an so etwas wie Sandkörner. Wenn ich eine Handvoll Sand in die Luft werfe, dann ist es extrem schwierig, die Bahn eines einzelnen Sandkorns nachzuverfolgen. Aber prinzipiell ist es möglich. Für uns ist völlig klar: Jedes einzelne Sandkorn hat seine eigene Bahn, und zu jedem Zeitpunkt hat es einen ganz bestimmten Aufenthaltsort.
Der Abstand zwischen diesem Sandkorn und dem Fußboden gemessen in Metern, exakt zwei Sekunden, nachdem ich den Sand in die Luft geworfen habe, ist eine ganz bestimmte Zahl. Natürlich können wir diese Zahl nie mit unendlich hoher Genauigkeit ermitteln, aber wir gehen gedanklich davon aus, dass diese Zahl existiert. Oder etwas feierlich ausgedrückt: Wir kennen diese Zahl zwar nicht, aber die Natur selbst kennt sie ganz genau. Die Zahl, mit ihren unendlich vielen Nachkommastellen, ist Teil der Wirklichkeit. Wenn wir immer bessere Messgeräte verwenden, dann können wir die Flugbahn der Sandkörner immer genauer vermessen und so der perfekten, unendlich genau festgelegten Wirklichkeit im Prinzip immer näher kommen. Das ist das Teilchenbild der klassischen Physik. So stellte man sich das bis zur Entwicklung der Quantentheorie vor. Und für viele praktische Probleme ist das auch nach wie vor eine sehr nützliche Sichtweise.
Wenn wir hingegen von „Wellen“ sprechen, dann denken wir an etwas ganz anderes. Eine Welle ist ein Ungleichgewicht, das sich ausbreiten kann. Eine spiegelglatte Wasseroberfläche eines Teichs kann aus dem Gleichgewicht gebracht werden, indem man einen Stein hineinfallen lässt – dann entsteht eine Wasserwelle. Die ruhige Luft im Konzertsaal kann aus dem Gleichgewicht gebracht werden, indem auf der Bühne jemand zu singen beginnt – dann entsteht eine Schallwelle.
Wellen bewegen sich auf völlig andere Weise als Sandkörner oder Steine. Die Welle befindet sich zu einem gegebenen Zeitpunkt nicht bloß an einem bestimmten Ort. Sie erfasst immer verschiedene Orte gleichzeitig – sonst wäre sie keine Welle. Wenn die Sängerin auf der Bühne Schallwellen produziert, dann breiten sie sich im Saal aus, sie erreichen mich genauso wie den Zuhörer sieben Sitzplätze links von mir. Der Stein, der in den Teich fällt, verursacht eine kreisrunde Wasserwelle, die sich in alle Richtungen gleichzeitig bewegt, den ganzen Teich erfüllt und an unterschiedlichen Punkten des Ufers gleichzeitig ankommt.
Wellen haben noch eine andere, sehr wichtige Eigenschaft, die sie grundlegend von Teilchen unterscheidet: Sie können sich mit anderen Wellen überlagern. Im Gegensatz zu Teilchen können sich zwei Wellen problemlos am selben Ort aufhalten. Sie können einander widerstandslos durchdringen und sich zu einer Gesamtwelle vereinen. Wenn wir zwei Steine in denselben Teich werfen, entstehen zwei kreisrunde Wellen, die ein kompliziertes Wellenmuster ergeben. Wenn zwei Sängerinnen auf der Bühne singen, vereinen sich ihre Schallwellen zu einem komplizierteren Klang.
Oft überlagern sich Wellen einfach mit sich selbst: Stellen wir uns ein Wasserbecken vor, in dem wir Wellen erzeugen – und zwar sehr gleichmäßig: eine Serie von Wellenbergen und Wellentälern, mit immer gleicher Wellenlänge. Dieses regelmäßige Wellenmuster breitet sich im Wasser aus, bis es den Beckenrand erreicht. Dort wird es wie ein Echo zurückgeworfen. Die Wellenberge und Wellentäler, die Richtung Beckenrand wandern, überlagern sich mit den Wellenbergen und Wellentälern, die vom Beckenrand reflektiert werden.
Dabei werden sie zu einem Gesamtwellenmuster addiert: Wo ein Wellenberg auf einen Wellenberg trifft, entsteht ein noch höherer Wellenberg. Wo ein Wellental auf ein Wellental trifft, entsteht ein noch tieferes Wellental. Und dort, wo sich ein Wellenberg mit einem Wellental addiert, gleicht beides einander aus. Das ist vielleicht das wichtigste Wellenphänomen überhaupt – das Phänomen der Interferenz: Wenn man Wellen überlagert, dann können sie sich an manchen Stellen verstärken und an anderen Stellen auslöschen. Welche Stellen das sind, hängt von der Form der Welle ab und von ihrer Wellenlänge. Auf diese Weise können komplizierte Wellenmuster entstehen.
Die Welle besteht aus Wellenbergen und Wellentälern, der Abstand zwischen zwei Gipfeln oder zwischen zwei Tälern ist die Wellenlänge – oft mit dem Buchstaben λ (Lambda) abgekürzt.
Wellen addieren sich: Wenn sich zwei Wellen überlagern, bei denen Wellenberge und Wellentäler genau zusammenpassen (links), dann verstärken sie einander – das ist „konstruktive Interferenz“. Trifft hingegen der Wellenberg der einen Welle genau auf ein Wellental der anderen Welle, dann löschen sie einander aus (rechts) – das ist „destruktive Interferenz“.
Entscheidend ist: Nur Wellen haben diese Eigenschaft. Wenn man keine Welle ist, kann man auch nicht interferieren. Ein Fußball, der von der Hauswand abprallt, wird sich niemals mit sich selbst zu einem interessanten Wellenmuster überlagern. Wenn man beim Ausparken versucht, das eigene Auto mit dem Nachbarauto zu überlagern, dann addieren sich die beiden nicht zu einem komplizierteren Auto, sondern beide sind kaputt. Interferenz ist ganz eindeutig ein Wellenphänomen.
Meistens ist es also ziemlich einfach, zwischen Teilchen und Wellen zu unterscheiden. Schwieriger ist die Sache aber bei Licht. Hat Licht nun Wellen- oder Teilcheneigenschaften? Licht breitet sich in alle Richtungen aus, und Licht kann problemlos mit Licht überlagert werden, ohne dass es zu Kollisionen kommt. Deshalb kann man mit den Lichtstrahlen von zwei Taschenlampen keinen Schwertkampf durchführen. Das spricht eher für einen Wellencharakter des Lichts. Allerdings nehmen wir im Alltag normalerweise keine Lichtwellenmuster wahr. Es könnte sich bei Licht also auch einfach um einen Strom von winzig kleinen, sehr leichten Teilchen handeln.
Diese These vertrat Isaac Newton, einer der größten Physiker der Geschichte. Newton hatte als Erster eine präzise Theorie der Gravitation entwickelt, er hatte wichtige Prinzipien der Mechanik ergründet und die Bahnen der Planeten berechnet. Und nun wollte er auch noch die Rätsel der Optik lösen. „Opticks“ hieß sein großes Werk, in dem er zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts versuchte, Phänomene wie Reflexion, Brechung und Ablenkung des Lichts zu erklären – und zwar, indem er das Licht als winzige, rasend schnelle Teilchen beschrieb.
Der niederländische Forscher Christiaan Huygens hingegen sah das anders. Er war Astronom und stellte präzise geschliffene Linsen für besonders leistungsfähige Teleskope her. Um das Verhalten seiner optischen Apparate zu verstehen, verwendete er eine Theorie, die Newtons Lichtteilchen-These radikal widersprach. Huygens betrachtete Licht als Überlagerung unzähliger Wellen. Das war offenbar ebenfalls eine nützliche Sichtweise, denn mithilfe dieser Lichtwellentheorie konnte Huygens seine Linsen weiter verbessern.
Doch sich mit dem großen Isaac Newton anzulegen, war damals keine besonders gute Idee. Mit Widerspruch konnte Newton nämlich nicht besonders gut umgehen. Wer an die Wellennatur des Lichts glaubte, war ihm verhasst – und dem großen Isaac Newton verhasst zu sein, war für niemanden angenehm, Newton war schließlich eine berühmte wissenschaftliche Autorität. Das mag ein wichtiger Grund dafür gewesen sein, dass sich die Wellentheorie des Lichts damals nicht richtig durchsetzen konnte.
Solche Streitereien wie die zwischen Huygens und Newton können den Lauf der Wissenschaft manchmal auf ärgerliche Weise bremsen – doch völlig aufhalten können sie ihn nicht. Es kam, wie es kommen musste: Irgendwann hat ein kluger Kopf eine gute Idee, mit der man einen entscheidenden Schritt weiterkommt. Und in diesem Fall gehörte dieser Kopf dem englischen Forscher Thomas Young.
In den ersten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, ungefähr hundert Jahre nach Newtons Teilchentheorie des Lichts, dachte sich Thomas Young verschiedene Experimente aus, um die Wellennatur des Lichts zu untersuchen – darunter auch das berühmte Doppelspaltexperiment.
Ein Doppelspalt ist etwas äußerst Einfaches: Eine Platte mit zwei Schlitzen – mehr braucht man nicht, um festzustellen, ob etwas eine Welle ist oder nicht. Man kann sich leicht überlegen, was passiert, wenn man verschiedene Dinge durch diesen Doppelspalt schickt.
Nehmen wir zuerst ganz gewöhnliche Objekte aus der klassischen Physik, die ganz bestimmt keine Wellen sind – zum Beispiel überreife Tomaten. Wir können eine Tomate nach der anderen mit Wucht an die Wand werfen. Dann entsteht dort ein großer, roter Tomatenfleck. Nun stellen wir uns vor, wir sägen eine Öffnung in eine große Platte, die wir dann vor dieser Wand aufstellen. Wenn wir jetzt wieder Tomaten werfen, dann treffen sie entweder die Platte, oder sie fliegen durch die Öffnung und klatschen dahinter an die Wand. Der Tomatenfleck kann sich nur direkt hinter der Öffnung befinden – alle Tomaten, die anderswo auf die Wand getroffen wären, wurden von der Platte aufgehalten.
Wenn wir nun noch eine zweite Öffnung in die Platte schneiden und wieder Tomaten werfen, werden wir diesmal an der Wand nicht einen, sondern zwei rote Tomatenflecke sehen: Der linke Fleck stammt von Tomaten, die durch die linke Öffnung geflogen sind, und der rechte Fleck stammt von Tomaten, die durch die rechte Öffnung geflogen sind. Es kann auch sein, dass sich die beiden Flecke in der Mitte überlappen.
Fest steht: Wenn wir den linken Schlitz verschließen, können die Tomaten nur durch den rechten Schlitz fliegen, dadurch entsteht ein ganz bestimmtes Tomatenmatschbild. Und wenn wir den rechten Schlitz verschließen, können die Tomaten nur durch den linken Schlitz fliegen, dadurch entsteht ein anderes Tomatenmatschbild. Wenn wir beide Schlitze offen halten, bekommen wir ein Tomatenmatschbild, das einfach der Summe der beiden Einzelmatschbilder entspricht. Nichts daran ist überraschend oder geheimnisvoll – so verhalten sich klassische Objekte nun einmal.
Nun führen wir genau dasselbe Experiment mit Wellen durch – zum Beispiel mit Wasserwellen. Wir teilen ein Wasserbecken mit einem Brett in zwei Hälften, und auch in dieses Brett schneiden wir wieder eine Öffnung. Auf der einen Seite erzeugen wir nun schöne, regelmäßige Wellen, die sich auf das Brett mit der Öffnung zubewegen.
Sobald die Welle das Brett erreicht, wird die Öffnung zum Ausgangspunkt einer neuen Welle, die sich halbkreisförmig in die andere Seite des Beckens ausbreitet. Jede Stelle im Becken wird manchmal von einem Wellenberg erreicht und dann wieder von einem Wellental, schön abwechselnd und regelmäßig.
Links bewegt sich eine Welle auf ein Brett zu, das eine Öffnung hat. Diese Öffnung wird nun zum Ausgangspunkt einer neuen, halbkreisförmigen Welle. Rechts hat das Brett zwei Öffnungen – somit breiten sich nun zwei Wellen halbkreisförmig aus und überlagern einander.
Nun kommt der zweite Teil des Experiments: Wir schneiden eine zweite Öffnung ins Brett. Beide Öffnungen werden gleichzeitig von unserer Welle erreicht, beide Öffnungen werden zum Ausgangspunkt halbkreisförmiger Wellen. Das Brett mit seinen Öffnungen macht aus unserer Welle zwei verschiedene Teilwellen, die sich dann miteinander überlagern und dadurch ein Wellenmuster erzeugen: An manchen Punkten löschen sich Wellenberge und Wellentäler gegenseitig aus, an manchen Stellen verstärken sie einander.
Man kann sich leicht überlegen, wie dieses Wellenmuster genau aussehen muss: Jede Stelle im Wasserbecken wird nun von Wellenbergen und Wellentälern erreicht, die von der linken Öffnung stammen, und von Wellenbergen und Wellentälern, die von der rechten Öffnung stammen. Es gibt Stellen, die von beiden Öffnungen genau gleich weit entfernt sind. Das bedeutet: Wenn dort ein Wellenberg von der linken Öffnung ankommt, dann kommt genau zur selben Zeit dort auch ein Wellenberg von der rechten Öffnung an. Und wenn die Welle, die von der linken Öffnung kommt, gerade in der Wellental-Phase ist, dann ist in diesem Augenblick auch die Welle von der rechten Öffnung in der Wellental-Phase. Man sagt in diesem Fall: Es gibt dort keinen Phasenunterschied zwischen den beiden Wellen.
An solchen Punkten ist der Wellengang maximal: Mal addieren sich dort Wellenberg und Wellenberg zu noch höheren Wellenbergen, mal addiert sich Wellental mit Wellental zu einem noch tieferen Wellental. Die Teilwellen verstärken einander – das nennt man „konstruktive Interferenz“.
Wir können uns aber auch eine andere Stelle ansehen, zum Beispiel eine, die genau drei Wellenlängen von der rechten Öffnung entfernt ist und dreieinhalb Wellenlängen von der linken Öffnung. Dort ist die Situation anders: Immer, wenn von der einen Öffnung ein Wellenberg herankommt, kommt gleichzeitig von der anderen Öffnung ein Wellental heran, und umgekehrt. Die beiden Teilwellen löschen einander immer aus – das nennt man „destruktive Interferenz“. An solchen Stellen bewegt sich das Wasser überhaupt nicht.
Der graue Punkt in der Mitte ist von beiden Öffnungen genau drei Wellenlängen weit entfernt. Der graue Punkt rechts hingegen ist drei Wellenlängen von der rechten und vier Wellenlängen von der linken Öffnung entfernt. In beiden Punkten kommen die beiden Teilwellen von den beiden Öffnungen in derselben Phase an. Irgendwo dazwischen gibt es auch einen Punkt, der drei Wellenlängen von der rechten und dreieinhalb Wellenlängen von der linken Öffnung entfernt ist.
Wenn wir noch ein bisschen weiter zur Seite gehen, dann kommen wir an einen Punkt, der drei Wellenlängen von der rechten Öffnung und vier Wellenlängen von der linken Öffnung entfernt ist. Der Unterschied beträgt also genau eine Wellenlänge – und somit kommt es wieder zu konstruktiver Interferenz. Auch dort kommen beide Teilwellen in perfekter Phasengleichheit an. Wenn wir den Beckenrand entlangspazieren, dann sehen wir dort abwechselnd Stellen, an denen sich die Wasseroberfläche heftig bewegt, und Stellen, an denen sie ziemlich ruhig bleibt – eine wechselnde Abfolge von konstruktiver und destruktiver Interferenz.
Dieses Wechselspiel aus Stellen mit hohem Wellengang und Stellen mit ruhigem Wasser lässt sich nur durch das Zusammenspiel der beiden Wellen erklären. Wenn wir abwechselnd eine der Öffnungen verschließen, ist der Wellengang immer überall ungefähr gleich hoch – der Wellengang beim Doppelspalt ist also nicht einfach die Summe der Einzel-Wellengänge.
Nun haben wir also geklärt, wie man mithilfe eines Doppelspalts erkennen kann, ob etwas eine Welle oder ein Teilchen ist: Teilchen verursachen hinter dem Doppelspalt einen Doppelfleck – wie die Tomaten. Wellen hingegen erzeugen eine wechselnde Abfolge von Wellenmaxima und Wellenminima – ein lang gestrecktes Interferenz-Wellenmuster.
Damit können wir nun zu Thomas Young zurückkehren: Genau mit diesen Überlegungen wollte Young ein für alle Mal klären, ob Licht nun eine Welle ist oder nicht. Man muss einfach nur ein Doppelspaltexperiment mit Licht durchführen. Ein Zimmer wird fast vollständig abgedunkelt, nur durch ein winziges Loch kann ein Sonnenstrahl hereinkommen, an der gegenüberliegenden Wand wird er als kleiner heller Fleck sichtbar. In diesen Lichtstrahl hält man nun eine Karte mit zwei eng nebeneinanderliegenden Schlitzen. Das Licht, das durch die Schlitze hindurchgeht, trifft dahinter auf die Wand.
Die beiden Schlitze teilen den Lichtstrahl in zwei getrennte Strahlen auf. Wenn Licht tatsächlich eine Welle ist, dann hat man es nun also mit zwei Wellen zu tun, die einander überlagern, wenn sie am anderen Ende des Zimmers beide auf dieselbe Stelle an der Wand treffen. Und tatsächlich konnte Thomas Young zeigen, dass auf diese Weise ein ausgedehntes Interferenz-Wellenmuster entsteht, ein regelmäßiges Streifenmuster aus hellen und dunklen Bereichen, genau wie man es von einer Welle erwarten würde.
Damit schien Isaac Newton mit seiner Teilchen-Theorie des Lichts widerlegt. So ein Interferenzmuster lässt sich mit der Lichtteilchen-These nicht erklären. Newton war damals schon lange tot – hätte er Youngs Experiment noch miterlebt, hätte er sich wohl mächtig geärgert.
Licht ist also eine Welle. Damit lässt sich vieles wunderbar verstehen – zum Beispiel, dass Licht unterschiedliche Farben haben kann. Die Farbe des Lichts ist nichts anderes als seine Wellenlänge. Rotes Licht hat eine etwas größere Wellenlänge, violettes Licht hat eine etwas kürzere Wellenlänge. Alle anderen sichtbaren Farben liegen dazwischen. Wellenlängen unterhalb von Rot und oberhalb von Violett gibt es auch, aber unsere Augen können sie nicht wahrnehmen.
Wir können das zum Beispiel an einem Ölfilm in einer Wasserpfütze erkennen, der manchmal in bunten Farben schillert. Ein Lichtstrahl trifft den Ölfilm, wird reflektiert und kommt schließlich in unserem Auge an. Dabei kann das Licht – ganz ähnlich wie beim Doppelspaltexperiment – zwei unterschiedliche Wege nehmen. Ein Teil des Lichts wird direkt an der Oberfläche des Ölfilms reflektiert. Ein anderer Teil des Lichts dringt aber ins Öl ein, wird unmittelbar danach an der Grenze zwischen Ölfilm und Wasser reflektiert und gelangt dann an unser Auge.
Der zweite Weg ist ein kleines bisschen länger – schließlich muss der Lichtstrahl in diesem Fall einen kleinen Umweg durch den Ölfilm nehmen. Wenn der Längenunterschied der beiden Wege genau ein Vielfaches der Wellenlänge ist, dann kommt es zu konstruktiver Interferenz, die beiden Strahlen verstärken einander. Wenn der Längenunterschied ein Vielfaches der Wellenlänge plus eine halbe Wellenlänge ist, dann löschen sie einander aus.
Wie lange dieser Umweg ist, hängt vom Einfallswinkel des Lichtstrahls ab: Wenn der Strahl den Ölfilm in flachem Winkel durchquert, ist der Weg länger, wenn der Winkel steiler ist, dann ist der Weg kürzer. Und ob die Strecke einem Vielfachen der Wellenlänge entspricht, hängt natürlich von der Wellenlänge ab. Für jede Wellenlänge, also für jede Farbe, gibt es bestimmte Einfallswinkel, bei denen genau diese Wellenlänge verstärkt wird. Das Licht der Sonne enthält alle Farben des Regenbogens gleichzeitig, so ergibt sich ein regenbogenbuntes Farbenspiel, wenn man den Ölfilm auf dem Wasser im richtigen Winkel zur Sonne betrachtet. Das bunte Schillern von Seifenblasen hat genau dieselbe Ursache.
Auch Thomas Young hatte in seinen Doppelspaltexperimenten Sonnenlicht verwendet. Er führte seine Versuche also nicht bloß mit einer einzigen Wellenlänge durch, so wie in unserem Beispiel mit dem Doppelspalt im Wasserbecken, sondern mit unterschiedlichen Wellenlängen gleichzeitig. Daher waren seine Ergebnisse auch nicht ganz so sauber, klar und einfach. Unterschiedliche Farben erreichen ihre Maxima und Minima an unterschiedlichen Punkten, daher ergaben sich bei Thomas Youngs Experimenten regenbogenartige Farbeffekte, ähnlich wie bei den Lichtreflexionen am Ölfilm.
Das ändert freilich nichts an Thomas Youngs entscheidender Erkenntnis: Ziemlich genau hundert Jahre nachdem Isaac Newton seine Theorie der Lichtteilchen veröffentlicht hatte, konnte Young zweifellos nachweisen, dass Licht eine Welle ist.
Man hätte meinen können, das sei das Ende der Geschichte. Die Lichtteilchen-Theorie ist widerlegt, die Lichtwellen-Theorie hat gewonnen. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Wieder ziemlich genau hundert Jahre später, zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, hatte nämlich ein anderer junger Mann in der Schweiz ein paar äußerst seltsame Ideen, und plötzlich war wieder alles anders. Dieser Mann hieß Albert Einstein.
Damals wurde an einem neuen, merkwürdigen Phänomen geforscht – dem sogenannten „photoelektrischen Effekt“: Man bestrahlt eine Metallplatte mit Licht, manchmal lösen sich dann plötzlich Elektronen aus der Platte und fliegen davon.
Man stellte fest, dass dieser Effekt von der Wellenlänge des Lichts abhängt. Licht mit großer Wellenlänge hat wenig Energie – wenn man solches Licht verwendet, dann passiert gar nichts. Wenn man aber immer kürzere Wellenlängen verwendet (im ultravioletten Bereich) und somit die Energie erhöht, dann erreicht man irgendwann eine Schwelle, an der sich die Elektronen aus der Platte zu lösen beginnen – der photoelektrische Effekt setzt ein.
Das klingt zunächst eigentlich alles recht logisch. Man braucht eben eine bestimmte Energie, damit etwas Spannendes passieren kann. Das Erstaunliche daran ist allerdings: Hier spielt nur die Wellenlänge des Lichts eine Rolle – die Intensität des Lichts hingegen ist völlig egal.
Wenn wir Licht mit zu großer Wellenlänge verwenden, dann können wir die Intensität so stark erhöhen, wie wir wollen – von einem photoelektrischen Effekt ist nichts zu bemerken. Wir können die hellsten Lampen der Welt verwenden und die Metallplatte bestrahlen – niemals werden wir damit Elektronen herauslösen.
Das ist seltsam. Schließlich hat ein intensiverer Lichtstrahl klarerweise auch mehr Energie. Im hellen Sonnenlicht bekommt man schneller einen Sonnenbrand als im Schatten. Und auch bei Wasserwellen hängt die Energie von der Höhe der Wellenberge ab. Das kann man leicht bei Meereswellen am Strand ausprobieren, die einen nur dann umwerfen, wenn sie sehr hoch sind.
Warum kann man den photoelektrischen Effekt dann nicht mit beliebigen Wellenlängen hervorrufen, solange das Licht ausreichend hell ist? Wenn rotes Licht weniger Energie hat als ultraviolettes Licht – sollte dann nicht extrem starkes Licht in Rot insgesamt trotzdem denselben Effekt haben wie schwaches Licht in Ultraviolett?
Nicht unbedingt. Man kann sich das so ähnlich vorstellen wie Regen, der aufs Glashaus fällt. Jeder einzelne Tropfen hat zu wenig Energie, um das Dach des Glashauses zu beschädigen. Daher ist es für das Glasdach egal, von wie vielen Regentropfen es getroffen wird. Auch der stärkste Regen der Welt wird es nicht zerstören. Ein Hagelkorn hingegen hat mehr Energie als ein Regentropfen – wenn es groß genug ist, kann es das Glasdach durchschlagen. Für das Glasdach ist also nicht die Gesamtintensität des Niederschlags entscheidend, sondern die Energie der einzelnen Teilchen. Das liegt daran, dass Regen oder Hagel eben Teilchencharakter hat: Man könnte Regentropfen und Hagelkörner als „Regen- und Hagelquanten“ bezeichnen.
Albert Einstein erkannte, dass man das Rätsel des photoelektrischen Effekts genau auf dieselbe Weise lösen kann: Man muss dafür bloß annehmen, dass Licht in einzelnen Portionen auf die Metallplatte trifft – als Lichtteilchen. Man kann sie auch „Lichtquanten“ oder „Photonen“ nennen. Einstein hatte den Mut, nach zweihundert Jahren die Theorie von der Teilchennatur des Lichts wieder neu zu beleben.
Die Energie jedes einzelnen Photons wird durch seine Wellenlänge bestimmt. Wenn das Photon in der Metallplatte von einem Elektron absorbiert wird, überträgt sich seine Energie auf das Elektron. Wenn die Lichtwellenlänge kurz genug ist, reicht die Energie des Photons aus, um dem Elektron ein Verlassen der Metallplatte zu ermöglichen.
Höhere Lichtintensität bedeutet mehr Photonen. Daher können von einem hellen Lichtstrahl mit passender Wellenlänge auch mehr Elektronen aus der Platte herausgeschlagen werden. Aber die Energie, die dadurch auf jedes einzelne Elektron übertragen werden kann, wird dadurch nicht größer, denn jedes Elektron wird immer nur von einem einzigen Photon aus der Platte geschlagen. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Photonen exakt gleichzeitig dasselbe Elektron treffen, ist normalerweise verschwindend gering.
Nur wenn man eine Wellenlänge verwendet, bei der jedes einzelne Photon genug Energie hat, um ein Elektron aus der Metallplatte zu befreien, setzt der photoelektrische Effekt ein. Wenn man dann die Energie der Photonen weiter erhöht und noch kürzere Wellenlängen verwendet, können die Photonen noch mehr Energie auf die Elektronen übertragen – das bedeutet, dass die Elektronen noch schneller davonfliegen. Auch die Geschwindigkeit der davonfliegenden Elektronen hängt somit nur von der Wellenlänge des einfallenden Lichts ab, nicht aber von der Lichtintensität.
Albert Einstein zeigte mit seiner Interpretation des Photoeffekts, dass man Licht nur verstehen kann, wenn man Teilchen- und Wellenbild miteinander vereint. Licht hat etwas Teilchenhaftes – es kommt in Form einzelner Portionen vor. Aber diese einzelnen Lichtquanten oder Photonen haben Welleneigenschaften – etwa eine Wellenlänge. Man spricht vom „Welle-Teilchen-Dualismus“.
Albert Einstein war erst sechsundzwanzig Jahre alt, als er seine Arbeit über den photoelektrischen Effekt veröffentlichte. Damit legte er einen der wichtigsten Grundsteine der Quantentheorie – und das, obwohl er eigentlich sein Leben lang mit der Quantentheorie nicht besonders glücklich war. Kurioserweise erhielt Albert Einstein seinen Nobelpreis im Jahr 1921 nicht für sein großes Hauptwerk, die Relativitätstheorie, sondern in erster Linie für seine Erklärung des photoelektrischen Effekts.
Weder das Alltagskonzept „Welle“ noch das Alltagskonzept „Teilchen“ reicht aus, um zu erklären, was Licht ist. Das macht auch nichts. Licht ist eben etwas anderes als Wasserwellen oder Sandkörner – auch wenn es vielleicht mit beidem gewisse Eigenschaften teilt. Katzen sind auch etwas anderes als Hunde oder Mausefallen – auch wenn sie vielleicht mit beiden gewisse Eigenschaften teilen.
Man sollte das nicht mystifizieren. Wenn man nun feierlich verkündet: „Es ist ein ewiges Rätsel! Woher weiß das Licht, ob es in diesem Experiment nun gerade seine Teilchen- oder seine Welleneigenschaften zeigen soll?“, dann hat man etwas Wichtiges nicht verstanden. Nein, Licht wechselt nicht sprunghaft zwischen einem Teilchen- und einem Wellenzustand hin und her. Es ist immer Licht, so wie eine Katze immer eine Katze ist.