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Wir alle sehnen uns nach ein bisschen Freude im Alltag. Oft sind es Kleinigkeiten, die den Tag versüßen: ein freundliches Lächeln eines Mitmenschen, eine Nachricht per Post oder WhatsApp, der erste Gesang der Vögel im Frühjahr oder die ersten sanften Schneeflocken im Winter. Freude ist eine wesentliche Kraft im Leben. Sie schenkt uns Leichtigkeit und Lebendigkeit, aber auch Mut und Kraft in schwierigen Zeiten. Anselm Grün gelingt es in seinem Schreiben immer wieder, diese Freude in den kleinen Dingen des Alltags sichtbar werden zu lassen, sie aber auch in den großen Fragen des Lebens zu entdecken. Dieses Buch ist daher ein wunderbares Geschenk – an sich selbst, aber auch an Menschen, die gerade eine Aufmunterung oder Unterstützung brauchen. Denn die Freude, die wir anderen schenken, kehrt wieder zu uns zurück.
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Seitenzahl: 82
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Printausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2024
ISBN 978-3-7365-0571-1
E-Book-Ausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2024
ISBN 978-3-7365-0632-9
Alle Rechte vorbehalten
E-Book-Erstellung: Sarah Östreicher
Lektorat: Marlene Fritsch
Covergestaltung: Chandima Soysa
Covermotiv: Kobsoft/shutterstock
www.vier-tuerme-verlag.de
Anselm Grün
Was Freude schenkt
Bibliothek der Lebenskunst Band 2
Vier-Türme-Verlag
WAS FREUDE SCHENKT
Freude kann man nicht befehlen. Doch wenn uns beispielsweise jemand ein schönes Geschenk macht, freuen wir uns darüber. Wir können uns auch selbst etwas schenken, über das wir uns freuen können. Wenn ich mir Stille gönne und mir einfach erlaube, einmal gar nichts zu tun, sondern nur den Augenblick zu genießen, dann spüre ich, wie in meinem Herzen Freude aufsteigt. Ich fühle mich dann frei, so wie Hans in dem Märchen »Hans im Glück« vor Freude tanzt, weil er gar nichts dazu braucht, um sich freuen zu können, sondern einfach nur das Leben genießt. Er freut sich seines Lebens. Das ist eine eigene Kunst, für die wir nichts benötigen als die Fähigkeit, ganz in dem zu sein, was wir gerade tun.
Nicht nur wir selbst vermögen uns Freude zu schenken, es ist auch das Leben, das uns immer wieder Gelegenheit zur Freude bietet, wenn wir nur achtsam genug sind. Ein Ort dafür ist zum Beispiel die Schönheit. Wenn ich die Schönheit einer Landschaft betrachte, dann steigt in mir Freude auf. Oder wenn ich mich auf ein schönes Gemälde einlasse und mich selbst dabei vergesse, dann bin ich auf einmal voller Freude. Die Schönheit erfreut – das wussten schon die mittelalterlichen Theologen Anselm von Canterbury, der von einer liebenswerten Schönheit spricht, oder Thomas von Aquin, der sagt, dass das Schöne dem Menschen gefällt und ihm guttut.
Wir können Freude nicht befehlen, aber wir können uns durchaus für die Freude entscheiden. Denn wir können wählen, ob wir uns ständig mit den Problemen dieser Welt beschäftigen und uns von den oft negativen Informationen niederdrücken lassen, oder ob wir uns mitten in den Problemen dieser Zeit – ohne die Augen davor zu verschließen – bewusst den schönen Aspekten des Lebens zuwenden: der Schönheit der Natur, der Dankbarkeit für unsere Familie, unsere Freunde. Wir können uns nicht aussuchen, was uns das Leben beschert, ob es uns Gesundheit oder Krankheit, Glück oder Unglück bringt. Aber wir können uns entscheiden, ob wir mit der Brille der Bitterkeit auf unser Leben schauen oder aber mit der Brille der Dankbarkeit. Albert Schweitzer meinte einmal, wenn es uns nicht so gut gehe, sollten wir uns etwas suchen, wofür wir dankbar seien. Das würde unser Gefühl verwandeln. Es gibt immer etwas, wofür wir dankbar sein können: unser Leben, dass wir durch alle Schwierigkeiten hindurch zu dem geworden sind, der wir jetzt sind, oder für das freundliche Lächeln, das uns jemand im Alltag schenkt.
Mir persönlich schenkt die Erfahrung des Segens Freude. Wenn ich erleben darf, dass das Gespräch mit ihm den Hilfesuchenden aufgerichtet hat, sodass er aufrechter und hoffnungsvoller von mir gehen kann, dann freue ich mich. Und ich spüre: Es ist nicht mein Verdienst. Es ist der Segen Gottes, der dieses Gespräch gelingen ließ.
So wünsche ich Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, dass Sie immer wieder den Segen Gottes in Ihrem Leben erfahren und sich darüber dankbar freuen können.
IhrP. Anselm Grün
GLAUBEN UND VERTRAUEN
In der Umgangssprache gebrauchen wir das Wort Glauben häufig im Sinne von: »Ich glaube dir. Ich glaube, was du sagst. Ich vertraue darauf, dass du mir die Wahrheit sagst.« Glaube ist also durchaus eine Grundhaltung des menschlichen Lebens. Wenn wir einander nicht glauben würden, wäre das Miteinander sehr schwierig. Es würde nur Misstrauen herrschen.
Zum Glauben gehört das Vertrauen. Der Psychologe Erik Erikson spricht vom Urvertrauen, das ein Kind vor allem durch die Begegnung mit der Mutter von Anfang an mitbekommt. Wer dieses Urvertrauen entwickelt, der fühlt sich in der Welt willkommen. Er hat das Gefühl, dass es gut ist, zu leben und in dieser Welt zu sein. Die Welt, so wie sie ist, ist gut. Wem an diesem Urvertrauen mangelt, der geht mit einem Grundmisstrauen in die Welt. Er traut den Menschen nicht, den Umständen nicht, der Zukunft nicht. Er lebt in Angst, dass alles schiefgehen könnte. Das Urvertrauen ist die Grundbedingung dafür, dass menschliches Leben gelingt.
Die deutsche Sprache verbindet den Glauben mit dem Sehen. Der Glaube ist eine ganz bestimmte Weise, die Wirklichkeit zu sehen. Das deutsche Wort Glauben geht auf die althochdeutsche Wurzel liob zurück, das »gut« bedeutet. Glauben heißt dann: gut sehen, das Gute sehen, etwas für lieb halten, es gutheißen. Glauben scheint hier auf den ersten Blick nichts mit Gott zu tun zu haben. Es geht vielmehr darum, das Gute im Menschen zu sehen, das Gute in der Welt wahrzunehmen und mit einem guten Blick auf alles zu schauen, was sich mir anbietet. Es gibt Menschen, die immer sofort das Haar in der Suppe sehen. Glauben heißt: bewusst die Dinge mit einem guten Auge anschauen, das Gute in allem entdecken.
Letztlich hat aber diese Sichtweise durchaus etwas mit Gott zu tun. Denn es geht darum, Gott in allem zu sehen, Gott auch im menschlichen Antlitz zu erkennen. Gott ist der Urgrund des Guten. Das Gute kann ich nur sehen, wenn ich glaube, dass Gott in allem ist. So hat es der heilige Benedikt verstanden, wenn er die Mönche auffordert, im Bruder und in der Schwester Christus zu sehen. Ob ich an Gott glaube, das zeigt sich für Benedikt auch daran, dass ich an den Menschen glaube, dass ich an den göttlichen Kern, an Christus in jedem Menschen glaube. Wenn ich an das Gute im anderen glaube, dann ermögliche ich auch ihm, dass er sich selbst mit einem guten Blick anschaut, anstatt sich zu verurteilen.
Es gibt kein Leben ohne Deutung. Die Frage ist, ob unsere Deutung der Wirklichkeit entspricht oder nicht. Wie wir die Situationen unseres Lebens erfahren, hängt immer von der Deutung ab. Der Glaube ist ein ganz bestimmtes Deutungsmuster. Wenn ich morgens zur Arbeit gehe und nur meiner Frustration nachhänge, werde ich alles negativ erleben. Wenn ich die Arbeit aber bewusst unter den Segen Gottes stelle, wenn ich mir bewusst mache, dass ich im Dienste Gottes stehe, dann bekommt alles ein anderes Gesicht. Wenn ich daran glaube, dass ich mit meiner Arbeit Menschen helfen kann und am schöpferischen Wirken Gottes teilnehme, dann wird die Arbeit nicht zur Last, sondern für mich und andere zum Segen.
Im Glauben bekommt der Mensch eine neue Existenz. Da wandert er aus aus dem Zwang, sich selbst rechtfertigen zu müssen. Da wandert er aus aus dem eigenen Leistungsdruck, sich vor anderen und vor sich selbst beweisen zu müssen. Im Glauben lässt er sich ein auf Gottes barmherzige Liebe. Und da erfährt er seinen wahren Wert. Da erfährt er, dass er von Gott bedingungslos angenommen ist. Es ist ein Urbedürfnis des Menschen, sich selbst etwas zu schaffen, auf das er stolz schauen kann. Der Glaube ist Loslassen all dessen, was ich in der Hand habe, um mich auf den Weg zu machen zu Gott, der meine tiefste Sehnsucht erfüllt.
Als Abraham auszog, wusste er nicht, wohin er kommen würde (vgl. Hebräer 11,8). Trotzdem wagte er es. Glauben heißt auch für uns, die alten Zelte abzubrechen, ohne zu wissen, wo wir uns niederlassen können. Es ist ein Risiko, so auszuziehen. Aber dieses Risiko gehört wesentlich zum Glauben. Es ist eine Verheißung, der wir folgen, keine absolute Gewissheit. Wer glaubt, der vertraut darauf, dass Gott seine Sehnsucht stillen wird und dass er ihn in das Land führt, in dem er wahrhaft daheim sein kann. Alles, was wir uns selbst erbauen, bietet uns keine Heimat. Das ist das letzte Ziel des Glaubens, eine Heimat zu suchen, in der wir für immer daheim sind. So sieht es auch der Hebräerbrief. Die Glaubenden, so sagt der Autor dieses hochtheologischen Schreibens, »geben zu erkennen, dass sie eine Heimat suchen. Hätten sie dabei an die Heimat gedacht, aus der sie weggezogen waren, so wäre ihnen Zeit geblieben zurückzukehren; nun aber streben sie nach einer besseren Heimat, nämlich der himmlischen« (Hebräer 11,14–16). In diesem Vertrauen, dass uns eine bessere Heimat erwartet, die Heimat in Gott, können wir immer wieder das Vertraute loslassen, Sicherheiten aus der Hand geben und uns auf den Weg machen. Der Glaube hält uns in Bewegung. Er befreit uns von allen Abhängigkeiten und Bindungen, von denen unsere Existenz oft genug bestimmt ist.
Die Tugend der Hoffnung ist eine Begabung des Menschen. Das deutsche Wort »Tugend« kommt von taugen. Die Hoffnung als Tugend ist die Voraussetzung, dass der Mensch zu seinem Leben taugt, dass sein Leben gelingt.
Die Hoffnung ist die Tugend des Menschen, der noch auf dem Weg ist, der noch nicht alles hat, was er ersehnt. Der Mensch schwankt hin und her zwischen dem schon Gegenwärtigen und dem »Noch nicht«. In der Hoffnung streckt er sich aus nach dem, was ihn erwartet und was er ersehnt. Die Hoffnung prägt sein Daseinsgefühl. Sie verjüngt den Menschen.
Das deutsche Wort »hoffen« ist mit der Wortgruppe »hüpfen« verwandt. Hoffen hat daher für die Germanen ursprünglich »vor Erwartung zappeln, aufgeregt umherhüpfen« bedeutet. Im deutschen Wort »hoffen« steckt also die Erfahrung eines freudigen Wartens auf ein Ereignis oder auf das Kommen eines Menschen, den man herbeisehnt. Hoffen ist von Freude geprägt. Und hoffen hat mit warten zu tun. Es ist ein aktives Tun des Menschen. Er streckt sich aus nach dem, was kommt.