Was soll schon schiefgehen? - Michael Büker - E-Book

Was soll schon schiefgehen? E-Book

Michael Büker

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Beschreibung

Michael Büker brennt für bahnbrechende, skurrile und gefährliche physikalische Experimente aus der Geschichte und dafür, wie sie unser Verständnis der Welt auf den Kopf gestellt haben. Da er selbst Physiker ist weiß Michael Büker aber auch: Viele seiner Kolleg*innen sind bereit alles zu geben, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu erlangen und diese experimentell zu belegen.

Hochspannend, vielseitig, unterhaltsam und wissenschaftlich fundiert berichtet Michael Büker in seiner Kolumne »Bükers Testgelände« seit Jahren im P.M.-Magazin wie es zu diesen außergewöhnlichen Experimenten kam, und wie sie die Welt der Physik und die Welt wie wir sie verstehen, verändert haben. Die interessantesten und haarsträubendsten Geschichten – und natürlich auch neue, für das Buch verfasste – werden erstmals, zusammen mit weiteren spannenden Details und zusätzlichen wissenschaftlichen Hintergrundinformationen, in diesem Buch zusammengefasst.

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Seitenzahl: 272

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Wie weit gehen Forscherinnen und Forscher, um an ihre Erkenntnisse zu kommen?

Ein Wetterforscher geht einer astronomischen Theorie nach, indem er ein Blasorchester auf einem fahrenden Güterzug trompeten lässt. Eine Wissenschaftlerin wälzt endlose Zahlenreihen am Schreibtisch und entdeckt dabei die Bewegung der Kontinentalplatten. Eine Raumsonde fliegt etliche Millionen Kilometer, um die Oberfläche der Venus zu fotografieren. Dann klemmt die Objektivklappe.

Wie haben solche verrückten Versuche und ihre überraschenden Erkenntnisse unsere Sicht auf die Welt geformt?

Michael Büker liebt die Geschichten hinter den historischen Experimenten der Physik. Jeden Monat stellt er sie in seiner Kolumne »Bükers Testgelände« im P.M. Magazin vor. Die haarsträubendsten, verblüffendsten und folgenreichsten sind hier erstmals gesammelt, überarbeitet und ergänzt um historische und wissenschaftliche Hintergründe.

Michael Büker

Was sollschonschiefgehen?

30 abenteuerliche physikalische Experimente und wie sie die Welt veränderten

WILHELMHEYNEVERLAG

MÜNCHEN

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Copyright © & ® 2022 Lizenz der Marke P.M. durch Gruner + Jahr Deutschland GmbH – Alle Rechte vorbehalten –

Der Wilhelm Heyne Verlag, München, ist ein Verlag der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Marie Melzer

Umschlaggestaltung: Eisele Grafik Design

unter Verwendung eines Motives von: Eisele Grafik Design

Illustrationen: Eisele Grafik Design

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-26788-9V001

www.heyne.de

Für Opa Jürgen,der nie um eine gute Geschichteverlegen ist

Inhalt

Vorwort

1. Forschung mit allen Mitteln

Dem Klischee zufolge hantieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Reagenzgläsern, starren durch Mikroskope und lassen Blitze durch ihr Labor schlagen. Tatsächlich wurden Erkenntnisse aber schon mit den kuriosesten Mitteln und an den ausgefallensten Orten gewonnen. Manchmal konnten die Versuche sogar unseren Blick auf die Welt verändern.

1.1. Mit Zügen und Trompeten zu den Sternen

Christian Doppler wollte mit seiner Wellentheorie die Farben der Sterne erklären, doch Astronomen schenkten ihm keine Beachtung. Stattdessen wurde seine These von einem findigen Wetterforscher bewiesen – mit einem Blasorchester auf einem fahrenden Zug.

1.2. Vermissmeinlicht

Die moderne Physik weiß: Nichts ist schneller als das Licht. Doch bei der ersten Messung der Lichtgeschwindigkeit gab es noch keine Elektronik, keine Satelliten und keine Laser. Dem Forscher Hippolyte Fizeau genügten ein paar Lampen und Zahnräder über den Dächern von Paris.

1.3. Schattenjagd mit der Concorde 001

Eine Sonnenfinsternis kann nirgendwo auf der Erde länger als 8 Minuten dauern. In den 1970er-Jahren fragten sich französische Astronomen: Könnte man dem Schatten der Sonne mit der Concorde nachjagen, um eine stundenlange Sonnenfinsternis zu erleben?

2. Die Erde zu unseren Füßen

Wir verbringen praktisch unser ganzes Leben auf der Erde. Sie ist so groß und allgegenwärtig, dass wir kaum je über sie nachdenken. Umso überraschender ist es, was Forscher im Laufe der Zeit über unseren Planeten herausgefunden haben.

2.1. Den Nil entlang zum Erdumfang

Wie groß ist die Welt? Eine Frage, die sich scheinbar nur mit moderner Technik beantworten lässt. Und doch gelang es einem Gelehrten schon vor über zweitausend Jahren, die Größe unseres Planeten zu vermessen – ohne überhaupt seinen Wohnort zu verlassen.

2.2. Ein Pendel geht um die Welt

Das Foucaultsche Pendel zeigt so einfach wie eindrucksvoll, dass die Erde sich dreht. Bis heute verzaubert es die Menschen weltweit mit seiner Einfachheit und Aussagekraft. Außer an ein paar Orten, wo es niemals funktionieren kann.

2.3. Revolution am Schreibtisch

Als Frau ließen ihre Kollegen die Geologin Marie Tharp nicht mit auf See. Sie durfte lediglich Daten des Meeresgrunds auswerten. Trotzdem konnte sie gegen alle Ungerechtigkeiten unser Bild von der Gestalt der Erde umkrempeln.

2.4. CSI: Yucatán – der Cold Case von Chicxulub

Sollte ein Asteroid die Dinosaurier ausgelöscht haben – wo ist er dann heute? Eine Gruppe von Forschern machte sich auf die Suche nach Spuren des tödlichen Projektils. Obwohl der Brocken beim Einschlag in seine Atome zerlegt wurde, kamen sie ihm auf die Spur.

3. Auf großer Fahrt

Bisweilen unternehmen Forschende große Reisen, manchmal schicken sie ihre Instrumente um die Welt. Allen Widrigkeiten zum Trotz sammeln sie Daten, die nie ein Mensch zuvor gesammelt hat.

3.1. Schiffsuhr gegen Himmelsuhr

Als Wunderkind und Quereinsteiger baute John Harrison die präzisesten Uhren seiner Epoche. Doch der Nachweis und die Anerkennung seiner Leistung ließen Jahre und Jahrzehnte auf sich warten, während seine Uhren um die Welt segelten.

3.2. Abgehobene Messungen

Mit einem Ballon stieg Victor Hess in schwindelerregende Höhen auf, um einer rätselhaften Strahlung aus der Erde zu entkommen. Doch ausgerechnet über den Wolken wurde sie immer stärker. Hess musst einsehen: Die Strahlung kommt nicht von unten, sondern von oben.

3.3. Das Schiff, das kein Magnetfeld hatte

Das Schiff Carnegie wurde für eine einzige Mission gebaut: das Magnetfeld der Erde zu vermessen. Dafür bestand sie komplett aus Holz und nicht-magnetischen Metallen. Das Schiff revolutionierte die Erforschung des Planeten – aber endete in einer Tragödie.

4. Unsichtbar und tödlich

Man kann Radioaktivität nicht sehen, nicht fühlen und nicht riechen – und doch kann sie tödlich sein. Die Geschichte ihrer Erforschung ist eine Geschichte von wissenschaftlichen Höhenflügen und menschlichen Abgründen.

4.1. Wilhelm Conrad Röntgen hat den Durchblick

Nach der Entdeckung der Röntgenstrahlung durchleuchtete ihr Namensgeber alles, was nicht niet- und nagelfest war: Laborausrüstung, Alltagsgegenstände, Möbel. Als ihm nichts weiter einfiel, durchleuchtete er sogar seine Frau – wofür er weltberühmt wurde.

4.2. Ein Leben für die Forschung

Heute ist Marie Curie eine Ikone, doch zu Lebzeiten wurde sie ebenso verachtet wie verehrt. Mit beispielloser Leidensfähigkeit und Hingabe ergründete sie die neu entdeckte Radioaktivität. Marie Curie widmete ihr Leben der Forschung – und verlor es an sie.

4.3. Entdeckung im Exil

Entgegen aller Verbote machte Lise Meitner in den 1920er-Jahren Karriere als Physikerin. Die Nationalsozialisten zwangen sie ins Exil, und ausgerechnet dort erklärte sie als Erste die Kernspaltung. Zu ihrem Entsetzen stürzte ihre Entdeckung die Welt in ein Wettrüsten.

5. Außer Kontrolle

Neue Entdeckungen in der Forschung bringen meist auch neue Technik mit sich. Nicht immer sind die Menschen imstande, diese Technik auch zu kontrollieren. Manchmal bringen Forscher sich selbst in Lebensgefahr – und manchmal Unbeteiligte.

5.1. Tödliche Arbeit an der Atombombe

Mit haarsträubend gefährlichen Experimenten wurde in den USA unter Hochdruck an der Atombombe geforscht. Louis Slotin verursachte eine tödliche Kettenreaktion, als er mit einem Schraubenzieher ausrutschte.

5.2. Der einzigartige Überlebende

Teilchenbeschleuniger sind Quellen für extreme Strahlung. Als einziger Mensch in der Geschichte wurde der Forscher Anatoli Bugorski von gebündelten, hochenergetischen Protonen durchbohrt. Er überlebte – aber nicht unversehrt.

5.3. Der Test von Tschernobyl

Eines der dramatischsten Reaktorunglücke der Geschichte geschah wegen menschlichen Versagens auf zahlreichen Ebenen: Konstruktionsfehler, schlechte Planung, Rücksichtslosigkeit und ahnungslose Verantwortliche.

6. Das Albert-Einstein-Spezial

Albert Einstein gilt als einer der besten Physiker aller Zeiten. Doch er ist für seine Theorien bekannt, nicht für Experimente. Andere Forscher haben vor, während und nach Einsteins Zeit die Versuche gemacht, die seine Theorien bis heute stützen.

6.1. Albert zum Quadrat

Albert Michelson war schon lange Forscher, als Einstein gerade erst geboren wurde. Seine Arbeit legte einen Grundstein für Einsteins Erfolg – und ermöglichte ein Jahrhundert später ihren bisher größten Triumph.

6.2. Freundschaftsbeweis

Als Albert Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie veröffentlichte, fehlte ein schlagender Beweis. Der Erste Weltkrieg machte die Suche danach beinahe unmöglich. Doch ein Freund, der trotz aller Widrigkeiten an Einstein glaubte, verhalf ihm über Nacht zum Weltruhm.

6.3. Für 80 Nanosekunden um die Welt

Zeit ist relativ, sagt die Relativitätstheorie. Zwei Forscher aus den USA fanden einen beeindruckenden Beweis dafür, indem sie mit kühlschrankgroßen Atomuhren in Linienflugzeuge stiegen und mehrmals um die Welt flogen.

7. Weltraumforschung auf Umwegen

Seit es Menschen auf der Erde gibt, versuchen sie das All zu erkunden. Früher reichten dafür ein Teleskop und ein Notizbuch aus. Später hingegen kam moderne Technik zum Einsatz – die manchmal funktionierte und manchmal nicht.

7.1. Gute Vorsätze fürs neue Jahrhundert

Wie weit sind die Sonne und die Planeten von uns entfernt? Den Gelehrten der Renaissance fehlte nur eine Beobachtung, um diese uralte Frage zu beantworten. Doch die entscheidende Messung ist höchstens zweimal im Jahrhundert für einige Minuten möglich.

7.2. Mit dem Bleistift auf Planetenjagd

Im 18. und 19. Jahrhundert entdeckten Astronomen immer neue Planeten dank immer besserer Teleskope. Doch einer wurde mit Papier und Bleistift entdeckt.

7.3. Die Raumsonde, die ihre Klappe hielt

Technische Probleme gehören in der Forschung zum Alltag. So manche Fehlfunktion lässt sich mit einem gezielten Handgriff beheben. Außer natürlich, das Experiment steht bereits Millionen Kilometer entfernt auf einem lebensfeindlichen Planeten.

8. Auf den zweiten Blick

Eine Frage zu beantworten heißt, ein Dutzend neuer Fragen aufzuwerfen – so ein geflügeltes Wort in der Wissenschaft. Immer wieder hat die Geschichte gezeigt, dass sich ein zweiter Blick lohnt, um die Rätsel der Natur zu lüften.

8.1. Die nackte Wahrheit

Jeder kennt die Geschichte vom nackten Archimedes, der in der Badewanne das Prinzip des Auftriebs entdeckt und so im Auftrag des Königs einen Goldschmied des Betrugs überführt. Doch so wie überliefert dürfte es sich kaum abgespielt haben.

8.2. Pferdchen lauf Galopp

Bis ins 19. Jahrhundert wusste niemand, wie sich ein Pferd im Galopp tatsächlich bewegt: die menschliche Wahrnehmung war dafür einfach zu langsam. Ein Filmpionier offenbarte erstmals dank genialer Technik das Geheimnis der Pferde.

8.3. Verkehrte Welt

Ein Foto von der Arbeit des Physikers Carl Anderson ging in die Geschichte der Wissenschaft ein. Doch als es zum ersten Mal jemand in der Hand hielt, fragte er sich verwundert: War das Negativ womöglich verkehrt herum entwickelt worden?

9. Die Wissenschaft als Seifenoper

Neid und Missgunst, Unglück und Tod: Auch in der Wissenschaft geht es manchmal zu wie im Kino. Geniale Experimentatoren und Nobelpreisträger sind vor Schicksalsschlägen und menschlichen Regungen nicht sicher.

9.1. Die Zähmung der Bestie

Das chemische Element Fluor hat einige Leichen im Keller. Denn es greift nicht nur zahlreiche Materialien an – sondern auch jene, die es erforschen wollen. Auch der, dem die Zähmung des Fluors erstmals gelang, blieb nicht verschont.

9.2. Ehre und Elektronen

Der Experimentalphysiker Robert Millikan wird für seine Entdeckung der Elementarladung gefeiert. Doch es gibt Zweifel an seiner wissenschaftlichen Redlichkeit. Besonders eine Frage seines Rivalen Felix Ehrenhaft wurde für ihn zur Frage der Ehre.

9.3. Tiefe Einblicke

Die Magnetresonanztomografie ist ein Segen – darin sind sich alle einig. Umstritten ist jedoch, wer sie erfunden hat. Zwei ehrgeizige Forscher, viele Prototypen und ein verpasster Nobelpreis stecken hinter der Erfindung, die einen neuen Blick in den menschlichen Körper ermöglichte.

9.4. Der ewige Pechvogel

Wie lange kann die Durchführung eines Versuchs dauern? Das australische Pechtropfenexperiment läuft seit über 90 Jahren ununterbrochen. Alle paar Jahrzehnte fällt ein Tropfen – doch der Mann, der zum Gesicht des Experiments wurde, hatte nichts als Pech damit.

10. Epilog: Wer im Treibhaus sitzt

John Tyndall untersuchte, wie bestimmte Gase in der Erdatmosphäre Wärme einfangen – und entdeckte dabei den Treibhauseffekt. Seit 150 Jahren kann die Menschheit in Zeitlupe verfolgen, wie recht Tyndall hatte.

11. Bonuskapitel

11.1. Spieglein, Spieglein im Labor

Beim Blick in den Spiegel sehen wir mal Erfreuliches und mal Unerfreuliches. Niemals würden wir jedoch erwarten, etwas vollkommen Unmögliches zu sehen. Umso erstaunter war Chien-Shiung Wu, als sie 1956 in ihrem Labor von einem Spiegelbild belogen wurde.

Anhang

Dank

Zeitstrahl: kleine Geschichte der Physik in 31 Experimenten

Quellen und Errata

Vorwort

Verständlich und unterhaltsam die Physik zu erklären – das ist mein Beruf. Das schönste Lob für meine Arbeit in Artikeln, Podcasts und Büchern ist: »Mensch, ich wusste gar nicht, dass Physik so viel Spaß machen kann!« Oft folgt dann: »In der Schule mochte ich das Fach ja nie.«

Das kann ich verstehen, aber ich finde es auch schade. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass Schulbücher die Geschichte der Physik furchtbar öde darstellen: Honorige Männer drehen an seltsamen Apparaten oder brüten über Formeln und Zahlenkolonnen – und am Ende kommt irgendwas Schlaues heraus.

Dabei sieht die Realität ganz anders aus. Seit einigen Jahren erkunde ich, was hinter bedeutenden Experimenten der Geschichte steckt, und erzähle in meiner Kolumne »Bükers Testgelände« im P.M. Magazin davon. Dabei erstaunt es mich immer wieder, wie kurios und menschlich es in allen Jahrhunderten zuging. Mit Zahnrädern und Trompeten wurden wichtige Theorien bewiesen, die unmöglichsten Gerätschaften wurden auf Schiffe, Ballons und Flugzeuge gehievt, Forscherinnen und Forscher mussten sich mit haarsträubenden Pannen und Fehlfunktionen – oder ihren Zeitgenossen – herumschlagen.

Ich habe Dokumente aus über fünf Jahrhunderten in mindestens fünf Sprachen gewälzt: wissenschaftliche Veröffentlichungen, Vorträge, persönliche Briefe, Labor-Notizen, Nachrufe, Zeitungsartikel und Blogs. Dabei habe ich auch persönliche Höhen und Tiefen erlebt: Einmal starrte ich eine gefühlte Ewigkeit auf eine zur Spirale gebogene Büroklammer im Spiegel. Ein anderes Mal habe ich (mit meiner kleinen Tochter im Tragetuch) vor dem Haus den Schatten eines Besenstiels vermessen, um die Größe der Weltkugel zu bestimmen. Und einmal tröstete mich im Krankenhaus das physikalische Wissen um ein medizinisches Instrument, in das ich hineingeschoben wurde.

Manchmal erscheint die Geschichte der Physik sogar wie die reinste Seifenoper. Da eskalieren Rivalitäten zwischen gekränkten Männern, Frauen müssen gegen Chauvinismus um Anerkennung kämpfen, und Forscher widmen ihr ganzes Leben einer einzigen Frage – deren Auflösung sie nie erleben. Eine gute Geschichte erkenne ich stets daran, dass mich beim Schreiben des letzten Satzes Gefühle ergreifen: von der Tragik eines Schicksals, dem Triumph einer großen Anstrengung, der Tragweite einer Erkenntnis.

Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, möchte ich mit diesem Buch nicht nur die Physik erklären – sondern Ihnen auch die Unterhaltung, die Spannung und die Menschlichkeit zeigen, die darin steckt.

Kapitel 1

Forschung mit allen Mitteln

1.1. Mit Zügen und Trompeten zu den Sternen

Der Doppler-Effekt ist ein bekanntes Alltagsphänomen: Das Geräusch eines Fahrzeugs ändert im Vorbeifahren seine Tonhöhe. Vor allem schnelle Motorräder machen ein eindrückliches »Niiiiieee-Jooouuuuu«. Was weniger bekannt ist: Mit Licht passiert das Gleiche. Andere Fahrzeuge, oder auch eine Raststätte am Straßenrand, zeigen im Vorbeifahren andere Farben als beim Halten. Doch die Geschwindigkeiten des Alltags sind viel zu gering, um diesen Effekt jemals zu bemerken.

Im Physikstudium haben wir einst ausgerechnet, dass durch den Doppler-Effekt eine eigentlich rote Ampel für eine Autofahrerin durchaus grün aussehen könnte. Allerdings müsste sie mit etwa einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit rasen, also rund 350 Millionen km/h. Das ist erstens verboten und zweitens nicht ratsam: Allein der Luftwiderstand würde ihr Auto so stark aufheizen, dass es verglüht.

Als der Doppler-Effekt erstmals beschrieben wurde, gab es weder Kraftfahrzeuge noch Ampeln. Sein Namensgeber Christian Doppler war als Professor für Mathematik und Physik in Prag und Wien ein angesehener Wissenschaftler im Kaisertum Österreich und darüber hinaus. Doch der holperige Karriereweg des gebürtigen Salzburgers durch Prag und Wien zeugt auch davon, dass Christian Doppler zeitlebens kränkelte und es ihm vermutlich an Durchsetzungsfähigkeit fehlte.

Doppler veröffentliche 1842 in Prag erstmals seine Theorie über Wellen und Bewegung. Er begründete sie mit dem bestechenden Bild eines Schiffes im Wasser: Je mehr Fahrt ein Schiff hat, desto schneller schlagen die Wellen nacheinander gegen seinen Bug – obwohl sich der Abstand der Wellen auf dem Wasser gar nicht ändert.

Doppler erkannte schnell, dass die von ihm beobachtete Eigenschaft von Wasserwellen auch für Schallwellen in der Luft gelten müsste – und sogar für Lichtwellen, wobei deren genaue Natur noch umstritten war. Gerade das Licht war dabei für Doppler am wichtigsten. Er wollte nämlich erklären, warum die Sterne am Himmel bei genauerem Hinsehen in verschiedenen Farben schienen: oft weiß und gelblich, manchmal auch rot und orange, bisweilen sogar bläulich und grünlich. Wenn sich zwei Sterne gegenseitig umkreisen, so Dopplers Idee, dann müsste sich einer von beiden stets auf uns zu und der andere von uns weg bewegen. Täten sie dies ausreichend schnell, so vermutete Doppler, müssten ihre Lichtwellen zu verschiedenen Farben hin verschoben werden.

Doch diese Argumente Dopplers stützten sich auf Annahmen, die schon damals schwer haltbar waren. Er ging beispielsweise davon aus, dass nur Doppelsterne farbig erschienen, während einzelne Sterne ein gewissermaßen unverfälschtes, natürliches Weiß zeigten. Außerdem überschätzte er die Bedeutung von scheinbaren Farbwechseln der Sterne, die verschiedene Astronomen im Laufe der Zeit aufgezeichnet hatten. Die von ihnen berichteten Verwandlungen und Verschiebungen in der Farbe des Sternlichts waren bisweilen nur eingebildet. Sie ließen sich genauso gut durch Eigenheiten der Teleskope oder Luftverwirbelungen in der Erdatmosphäre erklären.

Trotzdem inspirierte Dopplers Arbeit den niederländischen Meteorologen Christoph Buys Ballot. Er schrieb 18451: »Sobald mir das Schriftchen des Hrn. Doppler in die Hände gekommen war, reizte mich der Scharfsinn der darin entwickelten Theorie; es wurde aber auch Zweifel in mir erregt über die Anwendbarkeit dieser Theorie auf die Farben der Doppelsterne.« In seiner Abhandlung lässt Buys Ballot kein gutes Haar an Dopplers astronomischen Ideen. Dafür bewunderte Buys Ballot die Theorien Dopplers zur Ausbreitung des Schalls in der Luft. Er wollte unbedingt beweisen, dass sich der Ton einer Schallquelle wirklich veränderte, wenn sie in Bewegung war.

Nur wie? Mitte des 19. Jahrhunderts polterten Pferdewagen durch die Straßen, und die wenigen Eisenbahnen waren langsame Ungetüme mit Kohleofen und Dampfmaschine. Es gab keine Flugzeuge, keine Lautsprecher und keine Mikrofone. Wie um alles in der Welt sollte eine präzise Messung von Geräuschen in schneller Bewegung gelingen?

Christoph Buys Ballot fasste einen Plan: Er wollte Trompeter auf einen offenen Eisenbahnwagen stellen. Sie sollten mit gleichmäßig hoher Geschwindigkeit an Beobachtern vorbeifahren, die ebenfalls Musiker waren. Während die Trompeter auf dem Zug einen zuvor abgesprochenen Ton bliesen, sollten die Beobachter am Streckenrand das Gleiche tun – und dann notieren, ob sie von den Trompeten auf dem Zug und in ihrer Hand unterschiedlich hohe Töne gehört hatten.

In der Praxis war das alles noch vertrackter, als es ohnehin klingt. Buys Ballot konnte zwar die zuständigen Beamten überzeugen, ihm für seine Versuche einen Zug und die Strecke zwischen der Stadt Utrecht und ihrem Vorort Maarssen zu überlassen. Außerdem engagierte er mehr als ein Dutzend Musiker und Helfer. Doch der Lokführer hatte Probleme, eine konstante Geschwindigkeit zu halten, und das Dröhnen und Rattern des Zugs übertönte die Trompeten, die sich zu allem Überfluss noch durch Temperaturschwankungen verstimmten.

Beharrlich wiederholte Buys Ballot seinen Versuch, setzte dabei auf lautere Signaltrompeten und sortierte die Musiker um, die zu seiner Frustration immer wieder Einsätze verpassten und unvollständige Notizen machten. In seinem Artikel empfiehlt er entnervt die Wiederholung seines Versuchs durch »jemanden, der über stärkere Instrumente oder disciplinirtere Personen zu verfügen hat«.

Doch immerhin waren sich am Ende alle Beobachter einig, dass näher kommende Trompeten höher klangen als davonfahrende. Der Doppler-Effekt war bewiesen, und wenig später konnte sogar Doppler selbst die Versuche Buys Ballots wiederholen. Nur wenige Jahre später starb Doppler im Alter von 50 Jahren an Tuberkulose. Die Theorie von den Farben der Sterne, die ihm so wichtig gewesen war – sie blieb ohne Beachtung.

Sie hätte auch keine Chance gehabt, denn Dopplers Vorstellungen vom Wesen der Sterne und ihrem Licht erwiesen sich mit der Zeit als falsch. In Wahrheit bestimmen die Masse und Temperatur der Sterne ihre Farben: Kleine, kühlere Sterne leuchten rot, die durchschnittlichen Geschwister unserer Sonne gelb bis weiß und die größten und heißesten blau. Dabei ist es unerheblich, ob sie einen Partnerstern umkreisen oder nicht.

Und dennoch ist der Doppler-Effekt aus der heutigen Astronomie nicht mehr wegzudenken. Er zeigt sich anders als Doppler vermutete, doch er zeigt sich beinahe überall: Die »Rotverschiebung« und »Blauverschiebung« allen Lichts offenbart die Bewegung von Sternen und sogar ganzen Galaxien. Der Doppler-Effekt zeigt uns sogar die Ausdehnung des Universums, verrät die Existenz von Planeten, die ferne Sterne umkreisen, und erlaubt es uns sogar, die Flugbahn von Raumsonden auf ihrem Weg durch unser Sonnensystem zu verfolgen.

Und so wurde – mit einem Umweg über die Blasmusik – der vermutlich größte Traum des Christian Doppler doch noch wahr: dass selbst Jahrhunderte später noch unmöglich von Sternen gesprochen werden kann, ohne seinen Namen zu nennen.

Das wilde Jahrhundert

Das 19. Jahrhundert gehört zu meinen liebsten Epochen – es war eine Art »Sturm und Drang« für die Physik. Von etwa 1800 bis kurz nach 1900 wandelte sich das Verständnis der Welt so radikal, dass einem schwindelig werden kann.

Um 1800 waren elektrische Ströme und Magneten bloße Kuriositäten ohne jeden Nutzen. Um 1900 wurden Städte elektrisch beleuchtet, und die mächtige Theorie des Elektromagnetismus hatte den Grundstein für drahtlose Telegrafen und das Radio gelegt.

Der Aufstieg der Dampfmaschine stellte die Physik zunächst bloß: Niemand konnte erklären, wie sie genau funktionierte – und doch funktionierte sie. Eine ganz neue Lehre von Wärme und Energie musste her. Die Entdeckungen des 19. Jahrhunderts bilden bis heute die Grundlage aller Wärmekraftmaschinen, vom Verbrennungsmotor im Auto bis zur Wärmepumpe, die ein Haus heizt.

Außerdem wurden, besonders zum Ende des Jahrhunderts, zig Sorten unsichtbarer Strahlung entdeckt: kosmische Strahlen, Röntgenstrahlen, ionisierende Strahlen und mehr. Ihre Existenz hatte niemand auch nur geahnt. Sie begründeten ganze Forschungsfelder, von der Astrophysik über die Radioaktivität und die medizinische Bildgebung bis zur modernen Teilchenphysik.

Selbst im Sonnensystem kam im 19. Jahrhundert plötzlich Gedränge auf. Um das Jahr 1800 war das Teleskop schon fast 200 Jahre alt, doch die Astronomie kannte nur sieben Planeten und ein gutes Dutzend Monde. Zur nächsten Jahrhundertwende waren schon über vierhundert Himmelskörper im Sonnensystem entdeckt worden, die meisten davon Asteroiden.

Auch die Protagonisten dieses Kapitels, Christian Doppler und Christoph Buys Ballot, hatten ihre liebe Mühe, mitzuhalten. Als Buys Ballot 1845 Dopplers Ideen diskutiert, erwähnt er den äußersten Planeten des Sonnensystems: Uranus. Schon wenig später sah er damit alt aus – denn 1846 wurde noch hinter dem Uranus der Planet Neptun entdeckt (Kapitel 7.2.).

Eine Frage wühlte im 19. Jahrhundert die wissenschaftliche Welt auf wie keine andere: Was ist das Licht? Klar: Es ist hell, es ist bunt, es ist überall; man kann es ablenken oder spiegeln. Aber was ist das Licht?, grübelten schon die Gelehrten der Antike, und bedeutende Persönlichkeiten wie Isaac Newton und Johann Wolfgang von Goethe waren im 18. Jahrhundert von dieser Frage regelrecht besessen.

Zuvor war die Debatte um das Licht überschaubar und weitgehend gesittet. Doch im 19. Jahrhundert wurde sie zu einer Art wissenschaftlichen Kneipenschlägerei – gewagte Vermutungen, ausgefuchste Experimente, umstrittene Theorien und hartnäckige Irrtümer allerorten. Gerade noch schwang Christian Doppler die Fäuste, um das farbige Licht der Sterne zu erklären. Jetzt wenden wir uns dem jungen Hippolyte Fizeau zu, der sich in den 1840er-Jahren neu ins Getümmel wirft und dabei beachtliche Treffer landet.

1.2. Vermissmeinlicht

Neben dem Beruf spreche ich auch gern privat über Physik. Da trifft es sich, dass meine Frau ebenfalls Physikerin ist. Wenn ich sie nach einer spannenden Neuigkeit auf ihrem Forschungsgebiet frage, grinst sie und sagt: »Das kanntest du noch nicht? Das ist doch ein hot topic!«

Ein hot topic – also ein heißes Thema – ist eine wissenschaftliche Frage, an der viele Forscher zugleich arbeiten. Sie alle wollen vor der Konkurrenz etwas Neues herausfinden. Hätte es den Begriff schon vor 150 Jahren gegeben, dann wäre eines der größten hot topics zweifellos die Natur des Lichts gewesen.

Zahllose Physikerinnen und Philosophen fragten sich: Woraus besteht das Licht? Wie kommen seine Farben zustande? Braucht das Licht einen Stoff, durch den es sich fortpflanzt, oder fliegt es auch durch das Nichts? Wie schnell gelangt Licht von einem Ort zum anderen? Um das Jahr 1800 waren fast alle diese Fragen noch offen. Kurz nach 1900 wurden sie ein für alle Mal beantwortet. Aber der Reihe nach.

Schon seit der Antike kursierten diverse Theorien zur Natur des Lichts. Sie waren aus heutiger Sicht größtenteils geraten, denn sie wurden nicht systematisch in Experimenten überprüft. Um das Jahr 1700 standen sich dann plötzlich gleich zwei wissenschaftlich fundierte Theorien gegenüber. Der Niederländer Christiaan Huygens hatte 1690 die These aufgestellt: Licht ist eine Welle, ähnlich den Wellen des Wassers. Isaac Newton bestand dagegen in seinem Werk Opticks von 1704 darauf, dass das Licht aus Teilchen besteht, die wie Gewehrkugeln durch die Welt flitzen.

Viele glaubten Newton eher, denn er galt schon damals als größter Wissenschaftler aller Zeiten. Andere lehnten alle modernen Vorstellungen vom Licht als Teilchen oder Welle aus philosophisch-religiösen Gründen rundheraus ab. Zu ihnen gehörte Johann Wolfgang von Goethe mit seiner Farbenlehre von 1810, die jedoch letztlich keine Bedeutung für die Physik hatte.

Theorien, Philosophien und wissenschaftliche Autoritäten gab es also genug. Doch was könnte man dem Licht in konkreten Experimenten an Informationen abluchsen? In den 1840er-Jahren wurde die Frage, wie schnell und in welcher Form sich das Licht ausbreitet, direkten Experimenten zugänglich.

Gut zweihundert Jahre zuvor hatte sich bereits Galileo Galilei an einer solchen Messung versucht. Seine Idee war klug gewesen: Ein Kollege und er stellten sich auf zwei Hügel in einiger Entfernung voneinander. Jeder hatte eine Lampe mit einem kleinen Vorhang dabei. Sie verabredeten: »Du guckst in meine Richtung, aber meine Lampe ist verdeckt. Irgendwann decke ich sie auf, und sobald du mein Licht siehst, deckst du deine Lampe auch auf!«

Der Clou: Für den Forscher auf dem ersten Hügel müsste nach dem Aufdecken eine gewisse Zeit vergehen, bis er das Licht seines Kollegen sieht. Dies wäre die Zeit, in der das Licht einmal zum zweiten Hügel und wieder läuft. Doch in der Realität war das Licht dafür viel zu schnell. Jede Verzögerung, die Galileo und sein Kollege feststellten, war der Reaktionszeit des Menschen geschuldet.

Die Idee hinter dem Experiment war trotzdem gut. Stünden zwei Beobachter mit ausreichend starken Lampen auf der Erde und dem Mond (anstatt auf zwei benachbarten Hügeln), so könnten sie eine deutliche Verzögerung von rund zweieinhalb Sekunden messen.

Experimente auf dem Mond waren natürlich vor dem Raumfahrtzeitalter unmöglich. Doch der Blick ins Sonnensystem lieferte schon früh die ersten Hinweise auf die Geschwindigkeit des Lichts. Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts verkündeten Astronomen: Das Licht braucht mehrere Minuten, um die gewaltigen Distanzen zwischen den Planeten zu überwinden.

Dummerweise wussten sie überhaupt nicht, wie groß diese Distanzen eigentlich waren. Deshalb konnten die Astronomen auch die Geschwindigkeit des Lichts nicht ausrechnen, sondern mussten raten. Immerhin konnten sie ziemlich gut raten, und ihre Schätzung ergab eine Lichtgeschwindigkeit von gut 200.000 Kilometern pro Sekunde – etwa zwei Drittel ihres tatsächlichen Werts.

Und dann, lange nach Galileos Fehlschlag der mutigen Schätzung der Astronomen, gelang dem jungen Franzosen Hippolyte Fizeau die erste Messung der Lichtgeschwindigkeit auf der Erde. Er veröffentlichte seine Ergebnisse erstmals 1849 in Frankreich.

An dieser Stelle hüpft mein Herz als Freund der Fremdsprachen. Fizeau veröffentlichte seine Arbeit 1849 in seiner französischen Muttersprache. Doch in der Wissenschaft war Deutsch mindestens genauso wichtig, und deshalb erschien Fizeaus Arbeit 1850 auch in deutscher Übersetzung. Hält man diese beiden Fassungen nebeneinander, ist der Kontrast zwischen den Sprachen frappierend: Was für eine zerknautschte Wortkarambolage ist die »Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes« gegen die musikalisch-elegante »vitesse de propagation de la lumière«?

Fizeaus Versuchsaufbau bestand aus zwei Stationen. Am Fenster seines Labors in Paris baute er eine starke Lampe und ein Teleskop auf, sodass das Licht der Lampe durch das Teleskop »verschickt« wurde. Mehr als achteinhalb Kilometer entfernt positionierte er auf dem Aussichtsbalkon eines Hauses ein weiteres Teleskop, an das ein Spiegel angebaut war. Lampe, Teleskope und Spiegel waren so ausgerichtet, dass das Licht den ganzen Weg von Fizeaus Labor zum fernen Haus und zurück lief. Dank eines halb durchlässigen Spiegels zwischen Lampe und Teleskop konnte Fizeau das zurückkehrende Licht mit dem Auge beobachten.

Doch Fizeau stand vor dem gleichen Problem wie Galileo Galilei zweihundert Jahre zuvor. Selbst für den mehr als 17 Kilometer langen Weg durch die Pariser Nacht brauchte das Licht – den Schätzungen der Astronomen zufolge – weniger als eine zehntausendstel Sekunde. Wie ließ sich eine so kurze Zeit messen?

Fizeaus Geniestreich: ein Zahnrad zwischen Lampe und Teleskop. Dessen Zähne standen genau im Weg des Lichts, sodass das Licht entweder von einem Zahn abgefangen wurde oder durch eine Zahnlücke hindurchfliegen konnte. Das Zahnrad hatte 720 winzige Zähne und ließ sich mit einem Gewicht an einem Getriebe kontrolliert in eine schnelle Drehung versetzen.

Fizeau entzündete die Lampe, versetzte das Zahnrad in Drehung und spielte so lange mit dessen Geschwindigkeit herum, bis plötzlich die Reflexion des Lichtes von dem fernen Balkon vor seinen Augen verschwand. Nun, so wusste er, war er der Geschwindigkeit des Lichtes auf die Schliche gekommen.

Was war passiert? Verfolgen wir den Weg des Lichts Schritt für Schritt. Die Lampe gibt ein gleichmäßiges Licht ab, das zunächst auf das Zahnrad vor dem Teleskop fällt. Durch dessen schnelle Drehung wird das Licht abwechselnd aufgehalten und durchgelassen. Durch das Teleskop wird deshalb kein stetes Leuchten verschickt, sondern ein schnelles Blinken.

Dieses Blinken rast nun achteinhalb Kilometer zum zweiten Teleskop und wird von dessen Spiegel geradewegs zurück zu Fizeaus Laborfenster geworfen. Dort fällt es wieder durch das erste Teleskop und trifft erneut – diesmal von der anderen Seite – auf das Zahnrad.

Hier passiert nun das Entscheidende. Wenn sich in der Zeit, während das Licht unterwegs war, gerade ein Zahn in den Lichtweg geschoben hat, wird die Reflexion von diesem Zahn abgefangen, und der Lichtblitz bleibt dem Auge des Beobachters verborgen. Als Fizeau trotz leuchtender Lampe nur Dunkelheit vom fernen Balkon sah, wusste er, dass dies der Fall war.

Doch eines konnte Fizeau noch nicht wissen: Hatte das rasend schnelle Zahnrad wirklich den nächsten Zahn in den Lichtweg geschoben oder etwa den übernächsten oder den überübernächsten? Er musste das Zahnrad langsam anlaufen lassen und die niedrigste Geschwindigkeit finden, bei der die Reflexion verschwand.

Und er fand sie. Mit eigenen Worten berichtete Fizeau: »Unter den Umständen, unter welchen der Versuch gemacht wurde, geschah die erste Verfinsterung bei 12,6 Umläufen in der Sekunde.« Sein Endergebnis: »Das Mittel aus 28 bisher angestellten Beobachtungen, gab nämlich diesen Werth zu 70948 Lieues, von 25 auf den Grad.« Am besten lassen wir uns nicht aufhalten von der Frage nach den französischen Maßeinheiten des 19. Jahrhunderts und rechnen Fizeaus damaliges Ergebnis direkt um: in 315.000 Kilometer pro Sekunde.

Dieser Wert lag nur etwa fünf Prozent über dem heute festgelegten Wert von 299.792,458 km/s – ein höchst respektables Ergebnis angesichts der damaligen Technik. Die wichtigste Fehlerquelle, so vermutete Fizeau richtig, lag in der ungenauen Mechanik, welche ihm die Geschwindigkeit seines Zahnrades anzeigte.

Fizeau wurde für sein Experiment gebührend gefeiert und mit den höchsten Ehren der französischen Wissenschaftswelt bedacht. Völlig zu Recht, wie ich finde – denn mit kaum mehr als einem Zahnrad gelang dem jungen Fizeau im Alleingang, woran fast 250 Jahre zuvor der große Galileo Galilei höchstselbst gescheitert war.

Immer wieder wird uns in diesem Buch die Frage nach der Natur des Lichts begegnen. Vieles, was die moderne Physik ausmacht, hängt direkt damit zusammen: die elektromagnetische Strahlung, die Relativitätstheorie und die Quantenphysik.

Stück für Stück werden wir der Antwort näher kommen. Doch zuerst verzückt uns nun eine besondere Lichterscheinung, die man auch ohne jedes physikalische Hintergrundwissen genießen kann: eine totale Sonnenfinsternis.

1.3. Schattenjagd mit der Concorde 001

In meiner Kindheit war die Concorde das Meisterwerk der Luftfahrt: ein überschallschnelles Linienflugzeug! Natürlich waren Flüge mit der Concorde für meine Familie unerschwinglich, und sie wären es auch heute noch – ganz abgesehen von der desaströsen Klimabilanz solcher Reisen. Und doch scheint mir, als würde der Welt etwas fehlen, nun da die Concorde ausgemustert ist. Erst lange danach habe ich überhaupt erfahren: Die erste Concorde, die jemals flog, stellte einen bis heute unerreichten Weltrekord auf. Sie ermöglichte nämlich die längste Beobachtung, die je von einer totalen Sonnenfinsternis gemacht wurde.

Eine Fläche von der Größe Belgiens verschwindet während einer totalen Sonnenfinsternis in der Dunkelheit des Mondschattens. Doch der Schatten steht niemals still, sondern rast mit mehreren Hundert Metern pro Sekunde über die Erdoberfläche. Nirgendwo auf der Erde kann eine totale Sonnenfinsternis deshalb länger als siebeneinhalb Minuten andauern. Würde jetzt, in diesem Augenblick, die Sonne hinter dem Mond verschwinden, so wäre die Dunkelheit wahrscheinlich schon wieder vorüber, bevor Sie dieses Kapitel gelesen haben.

Kein Mensch könnte also jemals mehr als sieben bis acht Minuten einer totalen Sonnenfinsternis erleben – es sei denn, er könnte dem Schatten hinterherjagen. Was läge da näher, als es mit einem Flugzeug zu versuchen, das einen gleichzeitig noch der Sonne näher bringt. Schon kurz nach Beginn der Fliegerei verfolgten Piloten 1912 eine Sonnenfinsternis mit einem Doppeldecker über Paris.

In den folgenden Jahrzehnten wurden vor allem umgebaute Flugzeuge der US-Luftwaffe für astronomische Beobachtungen in großer Höhe eingesetzt. Das brachte einige Schwierigkeiten mit sich, wie etwa die Vibrationen an Bord der alten Propellermaschinen oder die Gefahr durch schlechtes Wetter. Ein entscheidender Vorteil war aber, dass die Erdatmosphäre in großer Höhe viel dünner ist als am Erdboden und sie die Erforschung von Himmelskörpern deshalb weniger stört.

In einem dieser amerikanischen Flugzeuge lernte auch der französische Astronom Pierre Léna in den 1960er-Jahren das Handwerk der flugzeuggestützten Astronomie. Als er 1972 wieder als Astrophysiker in Frankreich arbeitete, elektrisierte ihn die bevorstehende Sonnenfinsternis vom 30. Juni 1973. Da der Schatten des Mondes die Erde besonders nah am Äquator treffen sollte, würde sie mit über sieben Minuten Dunkelheit an jedem verschatteten Ort zu den längsten totalen Sonnenfinsternissen seit Jahrhunderten gehören. Der Mondschatten sollte den ganzen afrikanischen Kontinent von Mauretanien im Westen über Niger und den Sudan bis nach Kenia im Osten überstreichen. In Westafrika, damals erst seit gut zehn Jahren von französischer Kolonialherrschaft befreit, hatten sich bereits hochrangige Astronomen aus Frankreich und der Welt eingerichtet, um die Finsternis zu beobachten.