Wassersagen aus Bayern - Karl-Heinz Hummel - E-Book

Wassersagen aus Bayern E-Book

Karl-Heinz Hummel

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Beschreibung

Der Erzähler staunt nicht schlecht, als er eines Nachts eine nackte Schönheit im Tegernsee schwimmen sieht. Zwischen den Pflanzen des Ufers versteckt, beobachtet er ganz verzaubert die mysteriöse Wasserfrau - doch etwas scheint nicht zu stimmen … Eine Reise in die Welt der Sagen und Legenden rund um die bayerischen Gewässer, in deren Tiefen und Untiefen sich recht Erstaunliches tummelt: scheußliche Seewürmer, gefährliche Riesen­waller, verspielte Wassernixen und hinterfotzige Wetterhexen, menschenhungrige Inseldrachen, adelige Unholde und versunkene Armeen. Unglaublich, was aus Starnberger und Waginger See emportaucht, aber auch aus den Fluten von Ammer-, König-, Walchen-, ­Staffel-, Chiem- und Alatsee, ganz zu schweigen aus ­Donau, Isar und Inn. Eine aquadämonische Sagensammlung rund um die bayerischen Gewässer, zusammengestellt vom Ernst-Hoferichter­Preisträger Karl-Heinz Hummel und illustriert von Bernd Wiedemann - ein mysteriöses Leseerlebnis.

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Seitenzahl: 140

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WASSERSAGEN AUS BAYERN

KARL-HEINZ HUMMEL ist Autor mehrerer Bücher und schreibt seit Jahrzehnten Lied- und Kabaretttexte (für Kabarest und Simone Solga) sowie Libretti (Opernfassung Der Brandner Kaspar und Der Kaiser im Rottal). 2018 wurde er mit dem Ernst-Hoferichter-Preis ausgezeichnet. Zuletzt erschienen von Karl-Heinz Hummel im Allitera Verlag Obacht Weihnacht! (2018) und in der Reihe Sagenumwobenes Bayern die Bände Raunachtssagen aus Bayern und Tirol, Wassersagen aus Bayern und Wirtshaussagen zwischen Alpen und Donau (2019).

BERND WIEDEMANN illustriert als freiberuflicher Grafiker ausdrucksstark und dynamisch. Der studierte Diplomkommunikationsdesigner ist Dozent für Illustration an diversen Instituten, Vorsitzender des Kunstvereins Gauting e. V. und Günther-Klinge-Preisträger.

KARL-HEINZ HUMMEL

WASSERSAGEN

AUS BAYERN

Mit Illustrationen von Bernd Wiedemann

Informationen über den Verlag und sein Programm unter:

www.allitera.de

Band 2 der Buchreihe

Allitera Verlag

Ein Verlag der Buch&media GmbH, München

© April 2019 Buch&media GmbH, München

Illustration: Bernd Wiedemann

Umschlaggestaltung: Franziska Gumpp

Satz & Layout: Johanna Conrad

Gesetzt aus der Adobe Caslon Pro und der Dax

ISBN: 978-3-96233-137-5

Printed in Europe

Allitera Verlag

Merianstraße 24. 80637 München

[email protected]· www.allitera.de

INHALT

Seen & Ungeheuer in Bayern

Das Rockadirl vom Tegernsee

Weg und Steg

21 Uhr: Schwimmerin im Sonnenuntergang

Der Waller vom Walchensee

Der mutige Schullehrer von Urfeld am Walchensee

Wallereien

Walchensee und Lissabon

22 Uhr: Bergwind

Der umgehende Jäger vom Soinsee

Wetterhex und Kampenwand

Die selige Irmengard vom Chiemsee

23 Uhr: Treibholz

Die Mausinsel im Wörthsee und woher sie ihren Namen hat

Sternschnuppennacht

Der Drache im Staffelsee

Silurus Bartl und die Seenixe Ambrosia vom Ammersee

0 Uhr: Mitternacht am Seeufer

Die Wasserfrauen vom Langbürgner See

Die Unleidl und die Krautinsel im Chiemsee

Panduren im Starnberger See

Der feurige Tatzlwurm in der Aschauer Klamm

Die Flusspiraten von Teufelsbruck am Inn

1 Uhr: Ende der Geisterstunde

Die Wildfrauen vom Königssee

2 Uhr: Käuze und andere Nachteulen

Der Taucher im Ammersee

3 Uhr: Stunde der Dämonen

Der Bergrutsch am Alatsee

Der Mönch vom Faulenbach am Alatsee

Die goldenen Fische vom Waginger See

Aquadämonische Gedanken

Das Seeungeheuer vom Starnberger See

4 Uhr: Morgengrauen

Die schöne Vev vom Walchensee & Schliersee

5 Uhr: Frühmorgendlicher Absacker

Am Morgen danach

Lied vom Rockadirl

Seefundstücke

Der Schwedenbrunnen am Alpsee und die Schwedeninsel im Ammersee

Der feurige Fischer am Bodensee 

Der Schwamm im Staffelsee

SEEN & UNGEHEUER IN BAYERN

WASSERSAGEN UND BAYERISCHE SEEUNGEHEUER – da ist dem Herrn Verleger ja ein originelles Thema eingefallen! Freilich, ein Buch muss sich mit seiner Idee aus dem Meer der Neuerscheinungen hervorheben. Aber bayerische Seeungeheuer? Passt das überhaupt zusammen?

Im Wasser lebende Ungeheuer sind doch von alten Seekarten der großen Weltmeere her bekannt: riesige Kraken, die mit ihren Saugnäpfen mächtige Walfangschiffe festhalten und diese mit Mann und Maus in die Tiefe ziehen. Giftspeiende Seeschlangen, die aus dem Ozean auftauchen und selbst die verwegensten Seeleute in Angst und Schrecken versetzen. Riesenhaie, die hölzerne Boote samt ihrer Ruderbesatzung zwischen messerscharfen Kiefern zermalmen oder gigantische Teufelsrochen, die Segelschiffe an ihren Ankerketten hinter sich durchs Meer ziehen, auf verdeckte, gefährliche Riffe zu. In den gewaltigen Tiefen der Meere existieren wohl alle möglichen Ungeheuer, welche die Fantasie der Seemänner und Schiffsleute inspiriert haben, aber hier in unseren lieblich daliegenden bayerischen Seen?

Diese malerisch vor die Alpen hindrapierte Wasserlandschaft, ein Diadem mit Juwelen aus Seen, Weihern und Lacken, wie sie uns die letzte große Eiszeit als Erinnerung an ihre gewaltige Formkraft hinterlassen hat. Entsprungen aus Quellen im Gebirge, gespeist von geschwätzigen Bergbächen. Selbstbewusst entwässert von mäandernden Flüssen und betonierten Kanälen. Bayerische Seen, gebettet in hügelige Endmoränen, bekränzt von Schilfgürteln, Weiden, Sandbuchten und Kiesecken. Orte von harmloser Friedfertigkeit – aber doch nicht Versteck von bösen, gewaltigen, Angst einjagenden Untieren!

Mein Verleger sieht den Titel schon vor sich, aber schreiben muss das Buch davor sein Schreibersknecht. 1

Schreiben ist eine hirnmarternde Qual, besonders wenn das imaginäre Werk noch als Gebinde unbeschriebener Seiten mahnend vor dem inneren Auge schwebt und Manuskriptabgabe, die Illustrationsvorlage für den Grafiker und Drucktermin als graue Eminenzen mahnend am Zeithorizont stehen.

Aber immer noch herrscht gähnende Leere im Kopf, Ebbe im Hirn, keine Idee keimt in den assoziativen Bereichen auf, es ist der berüchtigte »horror vacui«, die Angst vor dem leeren, weißen Blatt Papier.

Das Sinnvollste in solchen Schaffenskrisen ist es, seinen Körper durchzulüften, das Hirn durchwehen zu lassen, die Beine bewegen, bis Körper und Geist in einen meditativen Zustand übergehen, das vertreibt den Groll und die Selbstzweifel: hinauf aufs Radl und hinaus aus der Stadt!

VIA BAVARICA TIROLENSIS oder WASSERWEG – kaum gelangt man südöstlich an den Münchner Stadtrand, locken einen diese Schilder gen Süden, auf die Berge zu, dem Wasser entgegen. Nach der Ödnis des geradlinigen Perlacher Forstes beginnen die Wege sich zu verzweigen, sich zwischen die Hügel, Weiden, Felder, sauren Wiesen der Voralpenlandschaft einzufügen. Gefälle und Steigungen bringen Abwechslung in den Tretrhythmus, Gehölze und Bachauen wechseln sich ab, langsam verfalle ich in die meditative Radlfahrertrance.

Die Schlafstädte mit ihren Gewerbegebieten und Reihenhäusern liegen hinter mir, die tannendunkle Hügellandschaft der Vorberge rückt langsam näher. Unter den Reifen knirscht öfter der Kies, im Gehör hat sich ein Ohrwurm eingenistet. Zwischen den Einschnitten der Täler, zwischen Wall- und Hirschberg grüßen die kariösen Kalkformationen der verwitterten Karwendelriesen. Der Duft von unbändiger Freiheit weht von ihnen her: servus beinand!

»Gmund« steht auf einem Schild, Gmund liegt am Nordende vom Tegernsee, wo die Mangfall aus dem See fließt, wo seit Jahrhunderten Papier geschöpft wird. Wasser und Holzbrei, früher an der Luft zu einzelnen Bögen getrocknet, heute als faseriges Vlies auf langen Maschinenbahnen entwässert, getrocknet, geschnitten. Wasser und Papier, Papier braucht es zum Schreiben, trotz digitaler Hilfsmittel.

Aus irgendeinem Grund hat mich mein Vorderrad zum Tegernsee gezogen. Warum?

Jetzt fällt mir eine Sage ein, die etwas mit Seeungeheuern zu tun hat. Im Bräuhaus dort sind wir oft gelandet, auf dem Heimweg vom Gebirge, nach Hüttenaufenthalten in den Raunächten. Vom Tegernsee ist mir eine Geschichte, ein Fragment in Erinnerung geblieben, die hier erzählt wurde. Friedrich Panzer, beamteter Architekt und bayerischer Sagensammler, hat sie um 1850 in seiner Sammlung Bayerische Sagen und Bräuche veröffentlicht:

»Auf dem See schwimmt nachts eine Jungfrau, das Rockadirl genannt.«

Dieses eigenartige Wesen Rockadirl hat meine Fantasie beflügelt, eine Jungfrau, nachts im See schwimmend, womöglich noch nackert, ist jedoch kein Ungeheuer im engeren Sinne. Eher eine kleine Verheißung.

Am behäbig daliegenden Bräuhaus, durch sein ockergelb und weiß gefärbtes Mauerwerk als wittelsbacherische Dependance erkennbar, stelle ich mein Radl ab, strecke mich, atme durch. Eine Brotzeit ist fällig und ein hier gebrautes Bier.

Mein Blick schweift hinaus über das silberne Gesprenkel, das Wind und Licht aufs Wasser zaubern, hinüber nach Bad Wiessee. Das Seeufer ist weitgehend zugestellt: Rehakliniken, Hotels und Pensionen drängen sich zum Ufer hin. Das Spielcasino lockt mit schnellem Gewinn. Wer dort sein Geld verloren hat, kann nach dem Spiel zur inneren Läuterung den »Jedermann« in einer Freiluftaufführung anschauen. Sünde und Ablass liegen in diesem Landstrich immer noch eng beieinander.

Über dem See buckeln sich die Kuhweiden zu den Erhebungen der Alpenausläufer hinauf, wiederkäuende Kühe liegen wie Streusel auf den kurzgefressenen Wiesen herum, ein landwirtschaftliches Gefährt, das an einen Heuschreck auf Monsterreifen erinnert, wickelt das gemähte Gras zu Rundsilageballen und verteilt diese Plastikcocons über die lieblichen Nutzflächen. Bewaldete Flanken ziehen sich aufwärts, bis die Seekarspitze den Weg hinüber ins Isartal weist.

Ich zahle, verlasse meinen Logenplatz im Biergarten, hole mir noch ein paar Flaschen des wohlschmeckenden Sudes aus dem Laden, verstaue sie in der Packtasche und radle weiter.

»Auf dem See schwimmt nachts eine Jungfrau, das Rockadirl genannt.«

Der Radweg führt durch den Ort weiter nach Süden. In Rott ach zeigt der Tegernsee seine »allervornehmste« Seite: Ein Luxushotel erhebt sich überproportioniert neben der Bucht, langsam rollt ein Oldtimercabrio mit einem älteren, gepflegten Ehepaar in Landhausmode gewandet, vorbei. Zwei mit Burkas behangene Araberinnen haben ihre etwa zehnjährige Tochter in die Mitte genommen. Sie ist gerade mit einem schönen Dirndlkleid ausgestattet worden, mit Schuhen und modischem Trachtenhut, und sie probiert Schritt für Schritt aus, wie sich diese ungewohnte Bekleidung anfühlt. Alles strahlt hier behäbig satten Wohlstand aus, Fremdenverkehr de luxe. Ich radle weiter.

Am Westufer des Sees, Abwinkel genannt, bin ich gelandet. Hier mündet der Söllbach. Vom Hirschberg fließt er herunter und über Stufen durch das Söllbachtal hinab in den See. Hier findet sich ein von Weiden geschütztes Platzerl, versteckt neben dem gepflegten Uferweg. Mein Blick schweift hinüber zu Baumgartenschneid, Stümpfling und Wallberg. Hinter mir stehen die Bauten der Gesundheitsindustrie, in denen morsche Gelenke und implantierte Ersatzteile wieder zum Laufen gebracht werden.

Lange Zeit war das Tegernseer Tal ein eher bescheidener, ruhiger Fleck. Das war wohl dem Prinzen Carl von Bayern zu verdanken. Nach dem Krieg gegen die Preußen 1866 wurde er heftig kritisiert und zog sich verbittert an den Tegernsee zurück. Jahrelang hat er den Eisenbahnanschluss verhindert, weil er um seine geliebte Ruhe fürchtete. Zustände wie drüben am Starnberger See, hervorgerufen durch Horden von Sommerfrischlern, Städtern und Künstlern, die seit 1854 mit der Eisenbahn einfielen, waren ihm ein Gräuel. Jahrelang schmetterte er alle Petitionen der Tegernsee-Gemeinden für einen Eisenbahnbau ab. 80-jährig kam er am 16. August 1875 bei einem Reitunfall ums Leben. Sein Nachfolger Herzog Carl-Theodor setzte sich umgehend für den Eisenbahnbau ein, und so fuhr 1883 der erste Zug in den Bahnhof von Gmund ein; »und aus war es mit der Ruhe – dasselbe gilt für’n Ammersee!« 2

»Auf dem See schwimmt nachts eine Jungfrau, das Rockadirl genannt.«

Hier, am Abwinkel kürzt noch heute eine Fähre den Weg hinüber nach Tegernsee ab. Und diese Fähre spielt eine Rolle bei dieser weitergesponnenen Geschichte um das Rockadirl, wie sie hier erzählt wird.

 

DAS ROCKADIRL VOM TEGERNSEE

on hier aus fuhr einmal der Wast, Fährmann am Tegernsee, bei einem richtigen Sauwetter hinüber, weil er das »Holüber« vom anderen Ufer gehört hatte. Es war wohl ein Lichtzeichen, kein Ruf, dafür sind die Ufer zu weit voneinander entfernt. Seine Spezln aber warnten ihn: »Spinnst du, die Wetterhex ist außer Rand und Band, heut ist der See viel zu gefährlich für eine Überfahrt!«

Aber der Wast ließ sich davon nicht abhalten. Fährmannsehre: raus auf den See, das ganze Gewicht in die Ruder gelegt, mit Mut und Geschicklichkeit das Boot in die Wellen getrieben, und mit starkem Ruderzug hinüber auf die Tegernseer Seite. Auf der anderen Seite stand eine alte Frau. In ihrem zugezogenen Lodengwand erkannte sie der Wast aber nicht: Es war nämlich die Wallberghex, die sich vom Wast hat holen lassen.

Der Wast war verwundert: eine alte Frau und keine Angst vor dem Sturmwetter. Angst? Von wegen: Sobald das Boot wieder seinen Tanz auf den Wellen begonnen hatte, schrie sie und juchzte wie die jungen Madeln auf der Kirchweihhutschn. Auf der Rückfahrt – mitten durch Gischt und Wellen – erzählte die Hex ihm vom Rockadirl. Was heißt erzählte; gegen den Wind schrie sie die Geschichte an:

»Sie war a arms Madl, ledige Tochter einer Zugwanderten. Am End is sie ins Kloster gsteckt worn, weil sie net herpasst hod und si a net hat unterordnen wolln. Irgendwas war unheimlich am Rockadirl, schon ihr Lacha und des Stolze, Rebellische im Blick, was auch scho amoi gega den ›rechten Glauben‹ ganga is. Aufmüpfige Liader hod sie gwusst und sogar gsunga, wenn die junga Leut beinand ghockt san. Manche Burschn warn recht narrisch auf sie, ganz varuckt, aber as Rockadirl hat koan hilassen. Eines Tags is dann oana vo de Burschn im See unterganga, doch da hat sie nix dafür kenna.

›So was‹ hod ma damois hinter Klostermauern eigsperrt, scho zu ihram eignen Schutz, weil überoi im Land ham dortmals die Scheiterhaufn brennt. Angeblich is sie sogar von am herzoglichn Reiter herbracht worn. Doch wia ma dem Rockadirl im Kloster ihre langa, feierroten Haar hod obschneidn wolln, da hod sie si losgerissen, is auf und davogrennt, zur Pfortn naus, zum Ufer hi und ohne Umschaun nei in See. Seither hockt sie da druntn, spinnt Flachs und wart auf an Burschn, der die Schneid hod und sie erlöst! Sein Schadn sollts net sei, a Belohnung tat’s scho gebn.«

»I kannt schon a bisserl a Geld braucha«, rief der Wast zurück. »Ois Fährmo werd ma net reich. Heiratn wui i, aber mit da Mariedl kimm i net zamm. Da Vata stellt si dagegn, am Hungerleider wia mir wui er die Hand vo seina Tochter net gebn. Er möcht a anständigs Heiratsgeid seng.«

»Ja, wia beim Viechmarkt geht’s zua bei da Heirat.«

Die Wallberghex verwandelte sich vor den Augen des Wast von einem alten Weib in eine anmutige Seejungfrau. »I konn di scho nunterführn zum Rockadirl. Dann konnst deim Brautvata mit deim Lohn seine scheinheilign Augn zum Leuchtn bringa!«

Wasser und Gischt schlugen an das Fährboot, wahrlich kein Wetter, bei dem der See einen zu einem Bad einlädt. Aber wenn er durch seinen Mut die Mariedl kriegen könnt, würde sich der Einsatz lohnen!

»Nimm a Ruader mit, du werst as braucha kenna!«, riet die Hexe noch.

Der Wast dachte nicht mehr lange nach, Hut und Lodenumhang flogen ins Heck, die schweren Fährmannstiefel hinterher. Schon lag die Hexe in den Wellen. Wast warf das Ruder voran ins Wasser und sprang selbst über die Bootswand, ihr nach.

Verhext: Dem Wast ging die Luft unter Wasser nicht aus, er sank langsam hinab zum Grund. Vom Sturm war nichts mehr zu spüren. Drunten angekommen gingen beide los, auf einen goldenen Lichtschein zu. Doch die Ruhe war trügerisch.

Plötzlich fuhr aus einer Höhle ein Lindwurm auf ihn los, Gift und Feuer spritzend. Wast packte sein Ruder, schlug wie von Sinnen zu, zog es dem Ungeheuer zack-zack-zack über alle drei Köpfe. Überrascht stellte das Untier den Angriff ein und zog sich wieder zurück in seine Höhle.

Kaum waren beide ein Stück weitergegangen, rankte sich eine Schlingpflanze um sein Bein. Wie spielerisch war es am Anfang, doch Wast spürte, wie sie sich fester und fester zuzog. Über Bein und Arme rankte sie sich bereits hinauf und eine Sprosse umwand schon seinen Hals. Die Kreatur spielte nicht nur, sie drückte zu, immer fester! War das eine Pflanze oder eine Schlange? Bevor es ihm die Luft abschnürte, gelang es dem Wast, sein Fischermesser in die Hand zu bekommen, und mit einem Schnitt vom Hals bis zu den Zehen befreite er sich aus der tödlichen Umklammerung.

Da schoss ein gewaltiger Raubfisch auf ihn zu, riss sein mit Zähnen gespicktes Maul auf und drohte, ihn zu verschlingen. Wast packte wieder sein Ruder, und mit einer geschickten Drehung stemmte er es hochkant in das Maul des Fisches. Der war überrascht, dass er den todbringenden Biss nicht mehr ansetzen konnte. So sehr der Riesenfisch auch den Seegrund mit wütenden Flossenschlägen aufwühlte, seinen Angriff auf den mutigen Fährmann konnte er nicht fortführen. Jetzt waren alle Prüfungen bestanden, und der Wast erreichte mit der Wallberghex eine leuchtende Grotte. Da drinnen saß, mit feuerrotem Haar und grünen Augen, schön und gefährlich: das Rockadirl!

»Du gfallst mir, mutiger Fährmann!«, sagte sie und schaute ihn mit einem tiefen Blick aus moosgrünen Augen an. Doch der Wast ließ sich nicht durcheinanderbringen, dachte nur an seine Mariedl und stellt sich ihre treuen Augen vor.

»Mit der Wallberghex war’s ausgmacht: Meinen Lohn möcht ich habn! Heiratn will ich mit dem Geld!«

Seufzend griff das Rockadirl hinter sich und holte ein Säcklein mit Goldstücken hervor.

»Ich danke dir, Fährbursch! Jetzt bin i frei, net ois Mensch, sondern als Zwischenwesen, das alles weiß und alles kennt«, sagte sie und gab dem Wast seinen Lohn. Sie ließ ihr Spinnrad los, drehte sich um und schwamm aus ihrem Gefängnis davon.

Weil er drei Gefahren und einer Versuchung widerstanden hatte, befand sich der Wast einen Wimpernschlag später wieder in seinem Boot. Mit dem Ersatzruder trieb er den Kahn zurück zum Abwinkel. Mit den gewonnenen Goldstücken konnte er seinen widerständigen Schwiegervater für sich gewinnen. Er baute sich und der Mariedl ein Haus am See, sogar mit Fischräucherei und Wirtsstube. Sie feierten Hochzeit und ihre Ehe war mit einer ganzen Reihe Kinder gesegnet. Und wenn das Mariedl einmal nachfragte, woher damals der plötzliche Reichtum nach der stürmischen Überfahrt herstammte, dann schwieg der Wast, dachte ein ganz kleines bisserl an das rothaarige Rockadirl, schlug sich den Gedanken aber gleich wieder aus dem Kopf.

Das Rockadirl aber ist seitdem frei und was es so treibt, das weiß keiner so genau, weder am Tegernsee noch sonst wo an einem Gewässer.

So ungefähr war das mit der Geschichte vom Rockadirl im Tegernsee, jeder erzählt sie wohl etwas anders. Aber so ist das mit solchen Erzählungen, sie wandern wie die Kiesel im Bach, von Mund zu Mund, von Ort zu Ort und von Zeit zu Zeit.

1Du, du, dalkerter Schreibersbua,I, i, wer dirs austreibn:I, i, sauf dir dei Tintn aus,Dass du nimmer kannst schreibn!Altbayerische Volksweise.

2Karl Valentin (angeblich laut unbekannter Quelle): Still ruht der See. Parodie.

WEG UND STEG