Wirtshaussagen zwischen Alpen und Donau - Karl-Heinz Hummel - E-Book

Wirtshaussagen zwischen Alpen und Donau E-Book

Karl-Heinz Hummel

0,0

Beschreibung

Dass ein Wirtshaus nicht nur ein Ort zum Ausschank meist alkoholhaltiger Getränke und zur Abgabe mehr oder weniger gut zubereiteter Speisen ist, sondern auch der Platz, wo Sagen, Geschichten, Lieder und Gedichte eine Heimat haben, wird in diesem Band eindrücklich klar. Unheimliche Gestalten, seltsame Truden, schaurige Hexen auf Ofenbänken, Geschichten über Mord und Totschlag, Geister und Gespenster, Untote und Teufelstänze - schaurig-schön gehts zu im Wirtshaus von München bis Brixen, vom Bayerischen Wald bis nach Wien. Eine berauschende Sagensammlung rund um die Wirtshauskultur zwischen Alpen und Donau, zusammengestellt von Ernst-Hoferichter-Preisträger Karl-Heinz Hummel und illustriert von Bernd Wiedemann - ein grandios-skurriles Leseerlebnis.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 132

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



WIRTSHAUSSAGEN ZWISCHEN ALPEN UND DONAU

KARL-HEINZ HUMMEL ist Autor mehrerer Bücher und schreibt seit Jahrzehnten Lied- und Kabaretttexte (für Kabarest und Simone Solga) sowie Libretti (Opernfassung Der Brandner Kaspar und Der Kaiser im Rottal). 2018 wurde er mit dem Ernst-Hoferichter-Preis ausgezeichnet. Zuletzt erschienen von Karl-Heinz Hummel im Allitera Verlag Obacht Weihnacht! (2018) und in der Reihe Sagenumwobenes Bayern die Bände Raunachtssagen aus Bayern und Tirol, Wassersagen aus Bayern und Wirtshaussagen zwischen Alpen und Donau (2019).

BERND WIEDEMANN illustriert als freiberuflicher Grafiker ausdrucksstark und dynamisch. Der studierte Diplomkommunikationsdesigner ist Dozent für Illustration an diversen Instituten, Vorsitzender des Kunstvereins Gauting e. V. und Günther-Klinge-Preisträger.

KARL-HEINZ HUMMEL

WIRTSHAUSSAGEN

ZWISCHEN ALPEN UND DONAU

Mit Illustrationen von Bernd Wiedemann

Informationen über den Verlag und sein Programm unter:

www.allitera.de

Band 3 der Buchreihe

Allitera Verlag

Ein Verlag der Buch&media GmbH, München

© April 2019 Buch&media GmbH, München

Illustration: Bernd Wiedemann

Umschlaggestaltung: Franziska Gumpp

Satz & Layout: Johanna Conrad

Gesetzt aus der Adobe Caslon Pro und der Dax

ISBN: 978-3-96233-103-0

Printed in Europe

Allitera Verlag

Merianstraße 24. 80637 München

[email protected]. www.allitera.de

INHALT

Grandl, Grandlmandl, Grandlweiberl

Zum Geisterwirt

Der Rumplerwirt

Der Weihizer

Die heimkehrenden Musikanten

Das »Teufelstanzl«

Wirtshaus & Spiel

Die Hazardspieler

As Betbüache vom Teifi

Das goldene Kegelspiel von Krungl

Schafkopfsprüch

Mord & Totschlag

Die Mordhütte

Die drei Kohlenbrenner vom Daxstein

Der »Fischerwirt« am Münchner Viktualienmarkt

Betrügen & Bescheißen

Schankkellner

Bestrafter Geiz

Der »Donisl« oder »Mir hams ins Bier an Rausch neido!«

Überladen

Marterlspruch

Raufen & Rausch

Der geschwätzige Oberkofler

Vom Recht aufs Raufen

Der Säufer im Himmel

Zen oder die Langsamkeit des Raufens

Von den Massen

Unheimliches & Unwirkliches

Die Bräuwirtin im Vilstal

Die Hex von der Grubn

Der Kalchmaierwirt in Kremsmünster

Das Kopftuchweiblein

Geweihtes Schießpulver

Die ungläubigen Bauern

Die verhexte Kellnerin

Der Lauterfresser und die Grödner Bärenjäger

Kriege & List

Der Tote im Wirtshaus

Das Reiterloch

Die erlöste Hand

Bruder Kastner von Aldersbach

Gschmackig & Unappetitlich

Unappetitlich bis Gschmackig

Stockbiesler

Bierschoaß mit dem Radikopperer

Bier und Körperformen

Post-it®

Der Hexenspielmann von Hötting

»Zur Kalten Herberge«

Schimmiwirt

Irische Übertragung

Der »Pulverturm« in Milbertshofen

Wirtshäuser & ihre Namen

Der Springerwirt zu Eferding bei Linz

Die »Bumsn« in Schärding

»Zum Koch in der Hölle«

Das brennende Fuhrwerk vom Zacherlwirt

Die »Hundskugel«

»Zum Nassen Hadern«

Wirtshaus- & Biergschichtn

Dass as Wetter so bleibt. Die Schmugglerwirtschaft am Klobenstein

Das wohltätige Wirtshaus der Adele Spitzeder

Die Andechser Bierjungfrau

Hartl, du Depp

Rausch & Heimweg

Der Ampellecker

Der Rauschmeister

Der liebe Augustin

Hin & Weg: Verschwundene Wirtschaften

Die schöne Detta

Quellen

GRANDL, GRANDLMANDL, GRANDLWEIBERL

Wer weiß eigentlich noch, was ein Grandl ist? Ein Grandl, ein Ofengrandl. Im Sprichwort »Der hat sei Grandl aber sauber voll ghabt«, taucht dieses Grandl auf. Es beschreibt mit augenzwinkernd-verständnisvoller Besorgnis einen Mann, der deutlich über den Durst getrunken hat, viel mehr Alkohol zu sich genommen hat, als ihm nach dem inneren Eichstrich zuträglich gewesen wäre. Als Grandl bezeichnet man ein Behältnis, einen aus Kupferblech gefertigten Kasten, der meist seitlich in alten Holzkohlenherden eingebaut war. Am Grandl vorbei führte die Zuleitung zum Ofenrohr, um die Abwärme des Feuers zu nutzen und das darin befindliche Wasser zu erwärmen. Das auf diese Weise beheizte Grandl diente als Warmwasserreservoir, lange bevor Warmwasser aus einer Mischbatterie in der Wand floss, wie es heute selbstverständlich ist.

Das Grandlwasser war nie zu heiß und nie zu kalt, man konnte es mit einem großen Schöpfer entnehmen, um das Knödlwasser zu strecken, eine Suppe oder Soße zu verlängern1, das Spülbecken zu füllen, es in eine Wärmflasche einzugießen oder den Boden eines kupfernen Bierwärmers zu bedecken. Nach der Entnahme musste man das ausgeschöpfte Wasser im Grandl wieder ergänzen. Ein Grandl hatte immer gut gefüllt zu sein!

Diese Art Küchenholzofen findet man heutzutage noch in den Selbstversorgerhütten des Alpenvereins, in den letzten unrenovierten Sozialwohnungen, wo sich eine vergessene Rentnerin darauf eine einsame Salzkartoffel kocht oder als Nostalgie-Gag und Blickfang in einer hyperdesignten Molekularküche in einem Kitzbüheler Chalet.

Ab und zu findet man einen Küchenherd mit Grandl in nur noch gelegentlich betriebenen Dorfwirtshäusern. Wenn aber dort am Wochenende ein Schweinsbraten in einem solchen Holzküchenofen zubereitet und den Gästen serviert wird, dann ruft dieser bei den Kennern wahre Begeisterungsstürme hervor, erreicht doch das Fleisch durch die durchdachte Zufuhr verschiedener Brennholzarten und -stärken seine unvergleichliche Qualität: Man beginnt mit Fichtenspreißeln den Ofen anzuwärmen, legt in der richtigen Menge mittlere Holzscheitel nach, um hohe Anbrathitze zu erreichen, sobald der Braten ins Backrohr geschoben wird. In der mittleren Bratphase legt man ein paar dickere Prügel als Dauerbrenner nach und puscht die Hitze im Finale noch einmal mit einer Handvoll mittelstarker Buchenscheite. Der Braten dankt dieses Heizprogramm mit einer Schwarte, die mit einem Geräusch von knirschendem Harsch zwischen den Mahlzähnen bricht und zärtlich am Gaumen zerbröselt.

Prügelhitze, verbunden mit der natürlichen, langwelligen Strahlungswärme sowie dem Bepinseln mit Salzwasser oder malzigem Dunkelbier, ergibt dieses Wunderwerk, welches die Versprechung der »Ofenfrische«2 wahrhaftig einlöst. Nur in einem Holzofen ist die Mutter aller Schweinsbraten in höchster Perfektion herstellbar, während gleichzeitig auf der Herdplatte das Knödlwasser simmert, sich auf seiner Oberfläche die Kartoffelstärke absetzt, die vorsichtig abgenommen zum Binden der Soße im Bratrohr genutzt werden kann. Grandl und Reine, Knödl und Wasser, Dampf und eine schwitzende Köchin mittendrin - dazu eine Halbe Bier – sind der perfekte Übergang in ein frühnachmittägliches Verdauungskoma.

Das Grandl in einem großen Wirtshausherd war natürlich professioneller ausgestattet als das in einer kleinbürgerlichen Wohnküche. Es fasste das Volumen einer Zinkbadewanne, war von einem schwenkbaren Wasserhahn überbaut und besaß am Grandlboden ein Ablassventil, um das heiße Wasser in einen der großen Wirtshaustöpfe abzulassen.

Verzeihen Sie den kleinen Exkurs über den Aufbau eines Küchenofens, aber er ist notwendig, um die folgende Geschichte verstehen zu können.

Ein später Novembertag in den Isarauen vor Puppling hat seinen ganz eigenen Reiz. Eine graue, bleierne Stille liegt über der einzigartigen Auenlandschaft, Krüppelkiefern und Tamarisken auf den Kiesbänken bereiten sich auf den herannahenden Winter vor. Auf den zahlreichen Kieselwegen ist niemand mehr unterwegs, nur auf den Schotterbänken erinnern kohlige Feuerstellen an sommerliche Grillorgien. Von Nordwesten nähert sich eine Kaltfront mit dem ersten Wintereinbruch, staut sich vor dem Wettersteinmassiv und dem Karwendel, von wo mein Freund, der Fluss, herkommt. Schneeschauer nehmen mir die Sicht, der steinzeitliche Instinkt des demütigen Überlebens in einer feindlichen Umwelt stellt sich mit wohligem Schauer ein.

Mein Hund, der die Schnauze auf der Wanderung kaum vom Boden hochgebracht hat, bleibt abrupt stehen. Angespannt ist sein Körper, die Nase im Wind, irgendetwas beunruhigt ihn, etwas am Hochufer scheint seine Aufmerksamkeit hervorzurufen. Ich halte ihn am Halsband fest. Leise beginnt er zu winseln: Dort ist irgendetwas, was nicht hierhergehört.

Durch das Flockenballett hindurch flackert wie ein fernes Leuchtfeuer ein warmer Lichtstrahl, Stimmen sind zu vernehmen und verklingen auch wieder. Was ist das, da drüben?

Vorsichtig nähere ich mich auf einem bekiesten Pfad dem unbekannten Objekt. Der Lichtschein hat durchaus etwas Heimeliges und schimmert durch ein Fensterkreuz. Tatsächlich: Ein altes, verlassenes Haus steht dort an einem alten Weg, der vielleicht einmal früher die Tölzer Flößer nach einer Fahrt über München, Landshut, Passau, Wien – oder noch weiter – wieder heimgeführt hat.

Das Gebäude: offenbar ein altes Wirtshaus. Der Zaun zerfallen, die Fensterscheiben blind. Vorsichtig trete ich näher, den Hund dicht am Fuß. Ein Blick in den Gastraum: Die Stühle strecken die Beine zur Decke, nur an einem hinteren Tisch stehen sie unordentlich verteilt auf dem Boden, als ob dort gerade noch ein paar Kartenspieler gesessen hätten. Seltsam – aus der Küche ist ein leichter, flackernder Schein zu erkennen. Ich gehe zur Eingangstür, ein ausgebleichtes Schild weist darauf hin: »Derzeit vorübergehend geschlossen!«

Trotz der Ankündigung ist die Eingangstüre nur angelehnt. Dem Hund ist das alles nicht geheuer, er weicht nicht von meiner Seite. Ich schiebe die Türe einen Spalt weit auf, orientiere mich vorsichtig: »Hallo, ist da jemand?«

Keine Antwort, aber hinter der nächsten Tür, die zur Küche führt, ein leises, plätscherndes Geräusch. »Wirtschaft! Bedienung!«, rufe ich, um die friedlichen Absichten meines Eindringens zu unterstreichen. Wenn es hier jetzt irgendwas, eine Halbe Bier zum Beispiel, gäbe, ich würde sie gern nehmen und auch bezahlen. Dafür sind Wirtshäuser schließlich da, und »Derzeit vorübergehend geschlossen!« bedeutet, dass auch irgendwann wiedereröffnet wird.

Schon vor Jahrtausenden hat es hier Wirtshäuser gegeben. Drüben im Würmtal ist man auf die Fundamente eines solchen gestoßen, aus der Römerzeit, nahe der alten Salzstraße. Händler, Fuhrknechte, Abenteurer, Fremde, Sänger, Herumtreiber, Männer und Frauen mit Waren vom sonnigen Süden oder aus dem weiten Osten haben hier gerastet, übernachtet, gesungen, gegessen und gesoffen, heimlich geil geliebt, streng überwacht von einem geschäftstüchtigen Wirt und seiner scharfäugigen Frau. Wirt und Wirtin – die beiden haben hier einen Anteil von der geschäftigen, aufstrebenden, vagabundierenden Welt abgeschöpft. Willkommen war jeder, der noch ein paar Münzen im Sack hatte, gekatzbuckelt wurde vor jedem, der nach Wohlhaben roch, egal wo er herkam und wo er hinwollte. Das Wirtshaus – ein Ankerplatz. Mochte die Fremde auch noch so bedrohlich sein, das Wirtshaus war dem Reisenden ein behütender Schoß. Der Nutzen zwischen Wirt und Gast war beidseitig. Eine Gegend ohne Wirtshaus: unwirtlich!

Langsam schiebe ich die Küchentür auf: Es ist gut beheizt hier, aus dem Spalt des Ofenlochs strahlt rotwellige Tiefenwärme. Ein kurzes Plätschern ist aus dem Grandl heraus zu vernehmen, ein Wispern, dann Ruhe. Aber eine angespannte Ruhe. Der Hund hat die Ohren angelegt, ein leises Knurren geht hinüber zu dem altertümlichen Warmwasserbehälter. Irgendwas ist hier im Raum.

Der rechteckige Kupferdeckel über dem Grandl ist leicht verschoben, daneben liegen zwei graue, fadenscheinige Küchenhandtücher wie am Seeuferstrand. Wasserdampf steigt auf. Ich gehe zum Herd hinüber und hebe den Grandldeckel hoch:

»Hoit!« Eine leise Männerstimme, bayerischer Klang, bestimmt: »Deckel zua!«

»Keine Belästigung, bitte!« Eine leise Frauenstimme, ebenfalls aus der Kupferwanne, etwas rauchig und mit östlichem Akzent.

»Entschuldigung!« Jetzt bin ich irritiert. »Ich wollte nicht stören, aber draußen saut es und ich wollte mich nur wärmen und unterstellen. Vielleicht was trinken, ich zahle auch!«

Kurzes Flüstern im Inneren des Grandls. »Reichen Sie mir das Handtuch, bitte!« Ich schiebe das Tuch zum Grandl hinüber.

»Und jetzt umdrehen!« Ich folge dem Wunsch. Hinter mir ein umständliches Gewerkel: Der Deckel wird verschoben, es plätschert, jemand macht sich zurecht, ich bleibe diskret.

»So, jetzt drah di wieder retour!«, fordert die Männerstimme.

Ein kleinwüchsiges Paar, Mann und Frau, Alter vielleicht in der Lebensmitte. Er drahtig, schnauzbärtig und vorsichtig blickend, sie mit dunklem langen Haar, großen braunen Augen, beide höchstens einen halben Meter groß, sitzen am Grandlrand, lassen die Füße ins Wasser hängen und haben ihre Blöße mit den bereitliegenden Trockentüchern bedeckt. Von den Haaren der Frau tropfen Wasserperlen.

»Hund bitte gut festhalten!«

»Der tut nichts!«, beruhige ich. »Sitz!«

Der Hund streckt sich folgsam auf dem Boden aus, macht sich behaglich lang, alles in Ordnung. »Wer seid ihr?«

»Wer sind Sie?«

»Ich bin der Gelati!«

Prusten! »Eigenartiger Name!«

»Ein Spitzname, aus meiner Jugend.«

»Des is die Detta und i bin da Gregor. Gori ruft ma mi!«

»Lebt ihr hier?«

»Mir san nur auf da Durchreise, quasi!« Gori winkt ab.

»Wir wollten uns nur etwas frisch machen hier, entspannen und erholen«, ergänzt Detta.

»Durchreise wohin?«

»Des wiss ma selber net genau«, antwortet Gori. »Mir san net so gebunden, an irgendwo.«

»Nur an uns, da sind wir schon gebunden!« Sie strahlt mit ihren tiefbraunen Augen und haucht dem Gori einen Kuss zu.

»Mir san, ja wie soll ich des jetzt sagen, Badegäste.«

»Im Grandl?«

»Net immer, aber wenn es sich ergibt!«

»Aber Grandl gibt es immer weniger!« Detta schüttelt ihre langen Haare. »Und deshalb nehmen wir auch Grandl mit, wenn es sich ergibt!«.

»Wie hier, wo noch so ein alter Herd steht.«

»Genau! Wir haben es uns hier ein wenig gemütlich gemacht Wasser, Küche.«

»Wir kennan uns aus, warn selber Wirtsleut, früher!«

»Interessant! Und wo?«

»Weit weg von hier, eher östlich, flussabwärts, stromabwärts, immer entlang von Duna!«

»Donau! I bin ursprünglich scho vo da, gebürtig! Aber i bin ziemlich rumkemma in da Welt!« Gori nickt Detta zu.

Mit einem Mal ist vom Dachboden ein schleifendes Geräusch zu vernehmen, ein Poltern, Schritte, ein kurzes Wimmern. Der Hund ist wie elektrisiert hochgesprungen.

»Was war das?« Mir wird mein zufälliger Aufenthalt nun doch etwas unheimlich.

»Altes Haus, macht immer Geräusche«, besänftigt mich Detta.

»Aber das waren doch Schritte, Schlurfen, Schleifen?«

»So a oide Wirtschaft erzählt halt so Gschichtn. Die steckan da drin in de Mauern, im Bier- und im Weinkeller, in de Kreuzgewölbe und in de Dachbödn.«

»Was einmal innerhalb von Mauern passiert ist, das bleibt auf immer darin enthalten. Kann man aber hören, wenn man will. Und im Wirtshaus ist immer was passiert. «

»Aber das Geräusch? Welche Geschichte?«

»Wenn Sie wollen und wenn Sie ein bisschen Zeit haben, dann können wir schon etwas erzählen, von Wirtshäusern. Als Grandlbadegast kriegt man immer was mit. Draußen ist eh sehr ungemütliches Wetter. Was soll man machen?«

»Gern, ich hab eh nichts anderes vor, als mich aufzuwärmen. Und, wenns interessiert, ich kenn auch so manche Wirtshausgschicht!«

Die Grandlmadam strahlt mich an: »Das ist sehr schön, dann erfährt man wieder ein paar Neuigkeiten!«

»Und, wega dem Lärm da drobn …« Das Grandlmandl beugt sich verschwörerisch zu mir: »… des is möglicherweise pfeilgrad irgendein Geisterwirt. Schlechtes Gwissen, unruhige Geister, vastehst? Da Rumpler oder da Weihizer!«

»Weihizer? Rumpler?«

»Kennst du die net? Oiso dann, pass amoi auf!«

1Fünf sind geladen, zehn sind gekommen. Gieß Wasser zur Suppe, heiß alle willkommen.

2Ofenfrisch ist genauso unsinnig wie kühlschrankwarm.

ZUM GEISTERWIRT

 

DER RUMPLERWIRT

or vielen Jahren kam ein Handwerksbursch auf der Walz entlang der Donau ins Rumplerwirtshaus in Niederösterreich. Speis und Trank bestellte er bei der Wirtin und fragte nach Weg und Arbeit. Alsdann holte er ein wunderliches Fläschchen aus seinem Ranzen, betrachtete es zärtlich und verwahrte es wieder sorgsam. Neugierig fragte die Wirtin: »Was hast du in dem Flascherl drin?«

»Meinen Schutzgeist!«, antwortete der Geselle. »Ich muss ihn wohl verschlossen halten. Nur Unglück würd er Fremden bringen!« Das machte die Wirtin neugierig. Ihr Mann war auf Reisen, sie füllte dem Gast immer wieder seinen leeren Becher, erzählte von diesem und von jenem. Emsig zechte der Handwerksbursche, bis er müde sein Lager aufsuchte.

Angeblich sei er am nächsten Morgen weitergewandert, der Bursch mit seinem Ränzel. Als die Wirtin den Strohsack ausschüttelte, fiel das geheimnisvolle Geisterfläschchen zu Boden. Warum es wohl in der Herberge zurückgeblieben war?

Die Neugier plagte die Wirtin: »Unglück soll es bringen? Ein Schutzgeist? Nicht glauben kann ichs. Es gilt die Probe zu machen, aufs Exempel!« Aber sie beherrschte sich, betrachtete das Geisterglas weiterhin misstrauisch gespannt und verwahrte es sorgsam in der Truhe.

Als ihr Mann von seiner Reise heimgekehrt war, erzählte sie vom Flascherl und dem Handwerksburschen. »Wirf es in den Donaufluss! Unglück können wir nicht brauchen!«, wies sie der misstrauische Rumplerwirt an. Seine Frau folgte und warf, wenn auch widerwillig, das Glasbehältnis in den Fluss. Vergebens, denn am nächsten Tag lag es wieder in der Truhe. Am übernächsten Tag warf sie es von der Brücke, aber in der Nacht darauf kehrte das Flascherl ebenfalls zurück. Am fünften Tag gab sie es einem vorbeiziehenden Flößer, damit er es zwei Tagesreisen flussabwärts wegwerfen solle, aber es brachte wieder nichts: Wohin auch das Fläschchen gebracht wurde, immer fand es auf geheimnisvolle Weise seinen Weg zurück in die Truhe vom Rumplerwirt.

Der Rumplerwirtschaft schadete das aber nicht: Sie kam zusehends in die Höhe, erblühte regelrecht, vorteilhafte Geschäfte brachten reichlichen Gewinn. Die Wirtsleute glaubten nun langsam an einen schützenden Geist. Die Nachbarn jedoch wurden neidisch und begannen schon, hinter ihrem Rücken übel zu reden.

Als nach geraumer Zeit der Rumplerwirt seinem Sohn die Wirtschaft übergab, führte er ihn auch zu der Truhe, holte das Fläschchen hervor und sprach: »In diesem Glase befindet sich der Rumplergeist. Solange er da drinnen bleibt, wird es dir und deinen Nachkommen wohlergehen. Lass ihn ja nicht heraus!«

Der Sohn beherzigte das anfangs, aber nach einigen Jahren plagte ihn der Übermut: Er öffnete das Fläschchen. Aber nichts, rein gar nichts Besonderes geschah. Da spottete er über das geheimniskrämerische Wesen seines Vaters.