We Are Everlong - Emilia Cole - E-Book

We Are Everlong E-Book

Emilia Cole

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Beschreibung

Auf der Bühne bin ich frei, Musik lässt mich fliegen, doch nur sie bringt mir Ruhe.

Ich habe mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass eine hübsche Frau unangekündigt vor meiner Tür steht. Eine simple Verwechslung, die Sam und mich zusammenführt.

Sie ist geheimnisvoll.
Und ich spüre, dass sie mir gefährlich werden kann.

Ich sollte mich von Sam fernhalten, dennoch schafft sie es, mich in ihren Bann zu ziehen. Und schon nach kurzer Zeit steht mehr auf dem Spiel als nur mein Herz.



In sich abgeschlossen, kein Cliffhanger

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Inhalt

Inhalt

Impressum

Playlist

Bandaufstellung

Sam(uel)

Sam(antha)

Sam(uel)

Sam(uel)

Sam(antha)

Sam(antha)

Sam(uel)

Sam(antha)

Sam(uel)

Sam(antha)

Sam(uel)

Sam(uel)

Sam(antha)

Sam(uel)

Sam(uel)

Sam(uel)

Epilog

Nachwort

 

Impressum

 

 

 

 

© 2024 Rinoa Verlag

c/o Emilia Cole

Kolpingstraße 31

47608 Geldern

 

ISBN: 978-3-910653-29-0

 

rinoaverlag.de

emilia-cole.de

 

Alle Personen und Handlungen in diesem Roman sind frei erfunden. Jedwede Ähnlichkeit zu lebenden Personen ist rein zufällig.

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Playlist

 

 

 

The Mayan Factor – Beauty and the Beast

The Mayan Factor – Warflower

Falling In Reverse – Coming Home

Architects – Deep Fake

Foo Fighters – Everlong

Lady Gaga – Bad Romance

Justin Timberlake – My Love

Kylie Minogue – Can’t Get You out of My Head

The Last Dinner Party – Nothing Matters

The Last Dinner Party – Sinner

Ray Parker Jr – Ghostbusters

After Midnight Project – Take Me Home

The World Alive – Life Cycles

Make Them Suffer – The Attendant

Imminence – Death of You

We Came As Romans – I Knew You Were Trouble

 

Bandaufstellung

 

 

 

Ivory Dice

 

Jonas Knox Robertson – Gesang

Elija Kircubbin – Gesang, Gitarre

Samuel Monaghan – Bass

Sam(uel)

 

New York City, Brooklyn Heights

(Tonstudio, Maes und Knox’ Appartement)

 

 

»Lila oder pink?«

»Was?«

»Lila oder pink?«

Knox hebt den Blick vom Tablet. »Was soll dieses dämliche Gefrage?«

»Lila oder pink.« Ich halte ihm und auch Elija das Handy hin, auf dem ich die Seite eines Musikstores geöffnet habe.

Elija nimmt mir das Gerät ab. »Du willst einen pinken Bass haben? Was stimmt nicht mit dir?«

Ich nehme das Handy wieder an mich und sehe mir beide Bässe noch einmal an. »Wow, da fühlt sich aber jemand in seiner Männlichkeit bedroht, weil ich einen bunten Bass haben will.«

»Du hast keinen Geschmack«, hält Elija dagegen.

»Du bist empfindlich«, sage ich.

»Leute, können wir uns bitte wieder darauf konzentrieren?« Knox deutete auf das Tablet, auf dem die Namen der Drummer stehen, die wir uns anhören sollen. Das tun wir bereits seit Monaten und haben noch niemanden gefunden, der uns ergänzen kann. Ist etwas frustrierend, aber Knox sagte, das gehöre eben dazu. Auch mal frustriert sein.

Unser Manager schickt uns immer wieder Vorschläge von Drummern, manchmal kommt auch über mehrere Wochen nichts, also zieht es sich. Aber heute haben wir neues Futter bekommen.

»Leg dein verdammtes Handy weg und setz dich zu uns.« Knox sieht mich finster an.

»Ich denke, es wird lila. Wobei pink auch wunderbar wäre. Hach … ich kann mich einfach nicht entscheiden.«

»Sam«, sagt Knox schärfer.

Mit einem Lächeln lege ich mein Handy neben das breite Mischpult in Knox’ persönlichem Studiobereich in seiner Wohnung. Ich mag es hier, einige seiner Gitarren und ein Bass hängen an der Wand, ein bisschen wie eine kleine Schwanzverlängerung, einer davon ist nämlich echt teuer gewesen.

Aber wer bin ich schon, über Dinge zu urteilen, die das eigene Ego steigern?

Der angrenzende Raum, der durch eine Scheibe von diesem getrennt ist, ist mit allem ausgestattet, was das Musikerherz begehrt. Von einem Drumset über die besten Mikrofone hin zu grandiosen Gitarren, den besten Amps und hochwertigen Kabeln.

So ganz wahrhaben kann ich noch immer nicht, dass ich Teil von Ivory Dice bin. Zuvor habe ich ihre Musik im Radio gehört oder Bilder von ihren Auftritten oder auf diversen roten Teppichen gesehen. Ich meine, klar, ich kenne Knox aus der Schule, aber ich bin davon ausgegangen, ihn nie wiederzusehen, als Ivory Dice vor sieben Jahren durchstartete. Und dann stand er einfach in der Bar in Toronto, in der ich gearbeitet habe, und hat mich gefragt, ob ich Teil der Band werden will.

Verrückt.

Super verrückt.

Und jetzt soll ich dazugehören?

Manchmal bekomme ich das dümmliche Grinsen deswegen auch nicht aus meinem Gesicht.

Elija verdreht seine Augen, weil ich noch immer lächle. »Du bist als Kind auch zu oft gegen die Wand gerannt«, brummt er.

»Knox, wir sollten darüber reden, ob er wirklich dabei sein sollte.«

Elija verdreht nur wieder die Augen.

»Nicht, dass sie irgendwann so stehenbleiben.«

Er verengt die Lider. »Das sagt man übers Schielen, du Trottel.«

»Herrgott, es reicht«, meckert Knox und unterstreicht seine dramatische Aussage mit einem Schlag auf den Tisch.

»Du bist so theatralisch. Aber als Musiker musst du das vermutlich auch sein. Ich denke, die Leute erwarten von uns, dass wir irgendwie exzentrisch sind.« Ich nicke Knox bedeutungsschwanger zu und er lässt den Kopf auf den Tisch neben das gigantische Mischpult sinken und klopft leicht mit der Stirn darauf.

»Wieso?«, murmelt er. »Womit habe ich das verdient?«

»Mach einfach das nächste Stück an und ignorier Sam«, meint Elija.

Knox murmelt noch irgendetwas vor sich hin, dann wendet er sich wieder einem der Bildschirme zu und wählt den nächsten Drummer an. »Irgendein Jake«, sagt er hörbar abwesend. Er öffnet die Datei und lehnt sich zurück.

Wir schauen auf den Desktop, als eins unserer neuen Stücke startet. Darunter liegt die Drumlinie.

Die ersten Töne der Gitarren verschmelzen mit den Toms und Becken.

Es beginnt wie ein kleines Zündeln, das zu einem wahren Feuerwerk heranwächst.

Gebannt starre ich auf die Tonspur.

Der Kerl ist verdammt gut.

Sein unterlegter Takt schmiegt sich an unsere Musik wie die Saiten meines Basses an meine Fingerkuppen.

Knox sieht sich zu uns um und tauscht mit uns beiden einen Blick aus, dann stoppt er den Track. »Das …«

»Ist echt verdammt gut«, sage ich. »Wie heißt der Kerl?« Ich beuge mich an Elija vorbei zu Knox.

»Hier steht nur Jake und der Name unseres Tracks.«

Elija tippt beides in sein Smartphone ein. »Den merken wir uns.«

»Hören wir weiter?«, frage ich.

»Hm«, macht Knox. »Ich wäre dafür, dass ich Dave Bescheid gebe, damit Jake mal persönlich vorspielen kann. Wir müssen uns immerhin auch riechen können. Sollte es nicht passen, können wir noch immer weiterhören.« Knox zückt sein Handy und öffnet den Chat mit unserem Manager.

Elija schiebt das iPhone in seine Hosentasche. »Da steht echt nur Jake? Das ist total seltsam.«

»Stimmt schon, bei den anderen war auch ein Nachname dabei«, nuschelt Knox. Er sieht sich zu uns um. »Bringt ja alles nichts, wir lassen ihn vorspielen, dann erfahren wir mehr. Ich gebe Dave Bescheid.« Er nickt uns mit diesem besonderen Blick zu, was gleichbedeutend damit ist, dass wir für heute fertig sind. Ich kann den Ausdruck nicht so ganz beschreiben, manchmal kommt es mir vor, als würde er uns auch einfach loswerden wollen.

Wir haben gerade einmal halb vier, normalerweise sind wir bis spät abends im Studio, aber heute tut mir der frühzeitige Schluss gut, ich bin kaputt. Das mit den Drummern schlaucht total und ich freue mich darauf, den restlichen Tag vor der Konsole oder so zu verbringen.

Ich strecke mich ausgiebig auf dem Stuhl, wodurch ein Wirbel in meinem Rücken knackt.

Das Geräusch summt in meinem Kopf nach und ich kneife die Finger kurz in die Nasenwurzel, dabei atme ich einmal tief ein und wieder aus.

In dem Moment klopft es und Mae streckt ihren Kopf vorsichtig ins Studio. »Hey, Jungs.« Ihr Blick bleibt an Knox hängen.

Der dreht sich nicht um, sondern winkt sie zu sich. »Babe, komm her, wir haben jemanden.«

»Das hat wirklich lang gedauert.« Mae schließt die Tür hinter sich, stellt sich hinter Knox und legt ihre Hände auf seine Schultern.

Er sieht sich kurz zu ihr um. »Du bist schon zurück? Ich dachte, du hast bis heute Abend Vorlesungen?«

»Ich wollte Alex in der Klinik besuchen.«

»Hör dir das an, der Typ passt perfekt.«

Sie mustert mich irgendwie ausdruckslos. »Er interessiert sich so sehr für mein Leben, das liebe ich an ihm.«

Knox brummt. »Erzähl keinen Unsinn, Weib.«

Sie lacht leise und küsst seinen Scheitel. Ich finde die beiden bezaubernd und muss immer lächeln, wenn ich sie zusammen sehe. Sie ergänzen sich wunderbar.

»Ihr seid wie Catdog«, sage ich, wobei ich den Kopf hin- und herwiege.

»Was?« Mae runzelt die Stirn.

»Die sind auch so verbunden wie ihr beide. Ich finde das total schön.«

Knox atmet genervt aus. »Hast du mal darüber nachgedacht, wie das Vieh aufs Klo gehen soll? Danke für den Vergleich.«

»Immer gern.«

Elija verdreht nur wieder die Augen und ich tue es ihm extra übertrieben gleich, sodass er ebenfalls entnervt ausatmet. Er steht auf. »Wir werden hier ja nicht mehr gebraucht. Außerdem halte ich Sams Gerede nicht mehr aus.« Ohne uns noch einmal anzusehen, greift er seine Jacke und reißt die Tür auf.

»Viel Spaß bei deinem geheimen Doppelleben«, rufe ich, als er die Tür zuknallt.

Mae zuckt sichtbar.

»Was treibt der immer?«, frage ich irritiert.

Mae mustert die Tür einen Moment, dann schaut sie mich an. »Vielleicht schläft er einfach nur, wenn er nicht hier ist?«

»Ich glaube, er macht heimlich Untergrundkämpfe.«

Sie lacht. »Vermutlich, deswegen sieht er auch noch so taufrisch aus, weil er sich jede Nacht vermöbeln lässt.«

»Mist, da ist was dran. Irgendein Fetisch?«

»Möglicherweise verkleidet er sich in der Nacht und jagt Verbrecher?«

Jetzt muss ich lachen. »Das traue ich ihm nicht zu, dafür ist er zu egoistisch.«

»Samuel Monaghan, was sind denn das für neue Töne?« Sie legt die Hand an ihre Brust und sieht mich entrüstet an.

»Das ist nichts als die Wahrheit.« Ich nicke Mae zu. »Wie geht es Alex?«

Sie seufzt und ihr Lächeln wird irgendwie traurig. »Es wird, aber so richtig stabil ist sie noch nicht.«

»Soll sie nicht bald rauskommen?«

»Ja, in zwei Wochen.« Sie knetet Knox’ Schultern, der dabei in den Stuhl sinkt und das sichtlich genießt – was er niemals zugeben würde. »Es war echt hart für sie, das durchzumachen.«

»Ein Entzug ist nie leicht«, stimme ich zu.

»Ach, deine Schwester soll sich nicht so anstellen«, mischt sich Knox ein und fängt sich sofort einen Schlag von Mae gegen den Hinterkopf ein. Er sieht sie finster über seine Schulter an. »Lass das.«

Sie küsst seine Stirn und grinst mich wieder an. »Er ist ein Idiot und trotzdem liebe ich ihn.«

Knox’ Blick wird noch eine Spur dunkler und ich lache unterdrückt. Das ist mein Zeichen, die beiden lieber allein zu lassen. Ich stehe auf und nehme meine Jacke, die an der Lehne des Stuhls hängt. »Leute, ich bin auch weg. Macht euch nen schönen Abend.«

Knox winkt nur wieder, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen, und Mae schenkt mir zum Abschied ein hübsches Lächeln. Als ich den Raum verlasse und die Tür hinter mir schließe, bleibe ich kurz stehen.

Heute war ein guter Arbeitstag.

Dass wir endlich jemanden gefunden haben, der uns allen gefällt, ist ein riesiger Fortschritt. In den letzten Wochen haben wir zu oft zu intensive Diskussionen über beinahe jeden Schlagzeuger geführt, der uns empfohlen wurde. Das Problem war, dass einer von uns dreien immer etwas auszusetzen gehabt hat.

Ich streife die Jacke über und gehe durch den Flur, vorbei an einigen Film- und auch alten Konzertpostern von Ivory Dice. Auf der Kücheninsel liegt mein Autoschlüssel, den ich im Vorbeigehen nehme, ehe ich Meas und Knox’ Appartement verlasse.

Morgen werden wir uns dann wieder im Label treffen, vermutlich wird in den nächsten Tagen der neue Drummer dabei sein. Das wird gut, ich freue mich drauf, ihn kennenzulernen.

Hoffentlich schreiben wir endlich an dem neuen Stück weiter, das mir echt gut gefällt. Ich liebe die Art, wie Elijas Gitarre und mein Bass harmonieren, als würden sie eine Geschichte erzählen.

Geschichten von Freundschaft und Liebe.

Ich muss grinsen, weil Elija wirklich zu wenig für die guten Dinge im Leben übrig hat und sich immer aufregt. Hach, ich mag es aber auch, ihn aufzuziehen.

Während ich auf den Aufzug warte, denke ich wieder darüber nach, welchen der beiden Bässe ich mir gönnen möchte. Für die Shows möchte ich unbedingt einen hübschen neuen haben. Ja, es wird noch Monate dauern, bis wir irgendwo auftreten, aber ich will vorbereitet sein und das Schätzchen auch entsprechend beherrschen.

Jeder Bass ist schließlich anders. Jeder ist auf seine Art besonders und anders zu spielen.

Mein alter Chevy steht neben Knox’ Wagen vor dem Haus auf dem Parkplatz. Seit wir hier öfter mal im Studio sind, haben Elija und ich eine Fernbedienung für das Tor und sogar einen Wohnungsschlüssel bekommen. Voraussetzung, dass wir ihn behalten dürfen: Wir müssen uns ankündigen und dürfen zusätzlich zum Proberaum nur die Küche und das Bad im Untergeschoss nutzen.

Verstehe ich, Knox hat vermutlich Angst, dass wir ihn beim Vögeln erwischen oder so. Das ist mir einmal auf der Highschool passiert, er hat irgendso ein Mädel gegen die widerliche Klowand der Schultoilette gevögelt, und den Anblick will ich echt nicht nochmal durchmachen.

Gut, Mae würde sich sicherlich nicht gegen so eine widerliche Wand vögeln lassen … Verdammt, Schluss mit diesem dämlichen Gedankenzirkus.

Manchmal gehe ich mir echt selbst auf die Nerven.

Der Winter hält Einzug und heute ist es bitterkalt. Die Bäume an den Straßen haben beinahe all ihre bunten Blätter verloren, vorhin hat es außerdem geregnet, weshalb der Geruch von nassen Blättern und Staub in der Luft liegt.

Ich entriegle den Wagen, wobei ich einen Blick zur Straße werfe. Als mir jemand mit einer Kamera auffällt, winke ich rüber und nicke.

Es passiert selten, dass mal kein Fotograf vor dem Tor auf den perfekten Schnappschuss wartet. Vielleicht genieße ich es auch ein bisschen, dass es so ist. Ja, okay, tue ich. Ich liebe, dass ich jetzt hin und wieder in Berichten im Netz auftauche. Ich liebe, dass die Social-Media-Kanäle teilweise voll von Aufnahmen von uns sind. Und ich liebe, dass meine eigenen Kanäle durch die Decke schießen, seit GR bekanntgegeben hat, dass ich Teil von Ivory Dice bin.

Und ich mag sogar die ganzen unangebrachten und anzüglichen Nachrichten von Frauen und Männern auf meinen Accounts. Bescheuert, ich weiß. Mir ist aber aufgefallen, dass ich echt gut bei Männern ankomme. Möglicherweise liegt das an meinen brasilianischen Wurzeln oder so, ich hab’s noch nicht rausgefunden. Ich werde dauernd gefragt, ob ich auf Männer stehe, da frage ich mich auch, wieso. Vielleicht hake ich deswegen mal bei Mae nach, möglicherweise hat sie eine plausible Erklärung.

Nie zuvor in meinem Leben habe ich so viel Aufmerksamkeit bekommen … Vor allem nicht in Red Deer …

Ich reibe über mein Gesicht, um den Gedanken abzuschütteln, setze mich hinters Steuer und lasse den Motor an, was mir einen angenehmen Schauder über den Rücken jagt. Den Wagen habe ich mir gekauft, als ich nach New York gezogen bin.

Man gönnt sich ja sonst nichts.

Knox sagte mir, ich solle gefälligst keinen Höhenflug bekommen – weil ich eine schicke Wohnung und einen geilen alten Wagen habe. Ich hatte Bock darauf, also habe ich ihn mir einfach gekauft.

Schließlich kann ich es jetzt.

Die Vorschüsse sind gewaltig. Es ist mehr, als ich in meinem gesamten Leben verdient habe, es ist mehr als ein Jahresgehalt meiner Eltern.

Das Auto ist gelb, aber ohne die schwarzen Streifen auf der Motorhaube, trotzdem heißt er Bee. Ich mag die Filme nicht besonders, doch der Soundtrack von Steve Jablonsky ist der Wahnsinn.

Der Weg zu meinem Appartement ist mit dem Auto in etwa zwei Minuten zurückgelegt, meine Wohnung liegt auf der Pineapple Street, das ist ebenfalls in den Brooklyn Heights.

Schon klar, es ist überflüssig mit dem Wagen zu Knox zu fahren.

Unter dem Haus befindet sich eine Tiefgarage und am Empfang sitzt sogar ein Portier. Das ist alles ziemlich extravagant.

Ich stelle den Wagen auf meinen Platz in der Nähe des Aufzugs und entriegle diesen mit einem Code, um ins Erdgeschoss zu gelangen. Das Haus versprüht einen schicken Zwanzigerjahre-Flair, die Lobby ist im Stil der Epoche gehalten. Das ist alles echt dekadent.

Der nette ältere Herr sitzt am Empfang, als ich die Lobby betrete. »Guten Tag, Sir«, sagt er, wie immer freundlich. Dabei nickt er mir zu.

»Hey, Mr. Follet.« Er hat aber nichts mit dem Schriftsteller zu tun, was ich persönlich gut gefunden hätte, auch wenn ich nicht viel lese. Ich nicke ebenso und gehe zu den Briefkästen. »Wie war Ihr Tag?«

»Wie immer keine Auffälligkeiten. Sie sind früh zurück heute.«

»Wir haben endlich jemanden gefunden. Ist das jetzt gut oder schlecht mit den Auffälligkeiten?« Grinsend suche ich den Schlüssel fürs Postfach zwischen den anderen.

»Das ist beides gut, Sir.«

»Das klingt aber nach echt wenig Abwechslung.«

»Nun, lieber ein ruhiger Tag mehr, als ein weiterer Tag, der meinem Rücken nicht guttut.«

»Hm. Auch wieder wahr.« Er schenkt mir noch ein Lächeln und ich öffne den Briefkasten.

Hui, ziemlich viel Post heute. Ich greife nach den fünf oder sechs Briefen und nicke dem Herrn noch einmal zu, wonach ich wieder in den Aufzug gehe und nach oben fahre.

Dabei blättere ich die Post durch.

»Moment mal«, murmle ich.

Samantha Monaham?

Die Briefe sind nicht für mich. Irritiert sehe ich sie weiter durch, lediglich ein Kuvert ist an mich adressiert, die anderen sind für diese Samantha. Sie muss hier neu eingezogen sein, ich erinnere mich nicht, den Namen auf den sechs Briefkästen schon einmal gesehen zu haben. Ich wohne bereits vier Monate hier, ein so ähnlicher Name wäre mir auf jeden Fall ins Auge gestochen.

Die Türen öffnen sich mit einem Pling und ich gehe durch den breiten Hausflur, dabei starre ich aber weiter auf den Namen und trete beinahe die Topfpflanze um, die an der Wand steht. Gerade so schaffe ich einen Ausfallschritt.

Kein Wunder, dass der Postbote das verwechselt hat. Er muss die Namen lediglich überflogen haben und es ist schon ein echt verrückter Zufall, wie ähnlich sie sich sind.

Vor meinem Appartement bleibe ich stehen und sehe auf die Tür gegenüber. Auch mit zusammengekniffenen Augen kann ich den Namen neben der Zarge nicht erkennen, also gehe ich ein paar Schritte darauf zu.

Monaham.

Sie wohnt gegenüber. Aber klar bekomme ich das nicht mit, wenn jemand hier einzieht, schließlich arbeite ich sonst bis spät abends.

Ich will die Briefe vor die Tür legen, doch dann klopfe ich einfach. So kann man sich mal kennenlernen.

Es ist gut, sich mit den Nachbarn zu verstehen, das hat meine Mom schon immer gepredigt.

Bestimmt ist sie auch so eine reiche alte Dame, wie die zwei anderen, die hier noch wohnen. Die habe ich in der Lobby bereits getroffen, sie haben mir von ihren verstorbenen Männern erzählt und was die ihnen alles hinterlassen haben. Die eine ist witzig, sie hat einen Buckel und ist vermutlich schon einhundert oder so.

Gerade als ich mich abwenden will, um es später erneut zu versuchen, ertönt das Türschloss.

Als Erstes sehe ich auf rot lackierte Fußnägel und hässliche rosafarbene Hausschuhe. Langsam lasse ich meine Aufmerksamkeit höherwandern, über die einfache Jeans hin zu dem lilafarbenen Schlabbershirt. Vage nehme ich die Kartons in ihrer Wohnung wahr. Sie lehnt im Rahmen, eine Hand hat sie an der Türkante liegen, auch ihre Fingernägel sind knallig rot. An ihrem Handgelenk baumeln einige schmale Silberkettchen. Beinahe schwarze glatte Haare lenken meinen Blick schlussendlich auf ihr Gesicht.

Wow.

Ihre Augen haben ein tiefes und einnehmendes Kaffeebraun, das habe ich zuvor noch nie gesehen. Zumindest sind mir braune Augen noch nie so auffällig vorgekommen.

»Hallo?« Sie legt den Kopf auf die Seite und hebt die perfekt gezupften Brauen.

Moment, hat sie zuvor schon was gesagt?

»Ähm … hi.« Ja, sehr elegante und lässige Antwort.

Sie ist eindeutig keine ältere Dame.

Eindeutig.

Ich zeige mit dem Daumen hinter mich. »Ich wohne gegenüber.« Sie sieht an mir vorbei, dann wieder zu mir auf. Ihre Brauen wandern noch höher.

»Sehr schön.« Sie klingt wenig interessiert.

Ich räuspere mich. »Sam.« Ich will ihr meine Hand reichen, aber sie starrt vorerst nur darauf.

»Sam?«, fragt sie.

Verdammt, was ist mit ihrer Stimme? Sie klingt echt angenehm, als würde sie jeden Morgen Milch mit Honig trinken und darin baden oder so. Ja … diese Gedanken mit dem Bad schiebe ich lieber schnell aus meinem Kopf.

»Samuel«, lege ich nach und sie löst die Hand von der Tür und greift nach meiner.

»Sie heißen wirklich Sam?«

Ich packe fest zu und nicke langsam. »Samuel Monaghan.«

»Verarschen Sie mich?«

Ich lasse sie widerwillig los und nehme das Kuvert, das an mich adressiert ist. Das halte ich ihr hin. »Nein, das ist echt mein Name. Hier.« Sie nimmt den Umschlag an und starrt kurz darauf, dann auf mich und dann auf die anderen Briefe in meiner Hand. »Oh, ja. Die sind für Sie. Der Postbote hat die Namen wohl nur überflogen. Kommt bestimmt nicht mehr vor.«

Wäre doch super, wenn das erneut passiert.

Dann hätte ich noch mal einen Grund, herzukommen.

Sie nimmt mir die Briefe ab und tritt langsam aus der Tür zurück in ihr Appartement, allerdings rühre ich mich nicht. »Kann ich sonst noch helfen?«

»Ähm … nein. Sorry.« Ich wende mich ab und gehe zu meiner Tür. Sorry? Habe ich mich gerade entschuldigt? Für was denn? Scheiße, ist das peinlich.

Ich spüre ihren Blick in meinem Rücken und ziehe den Schlüssel hastig hervor. Ich brauche drei Versuche, ihn ins Schloss zu bekommen, dann drücke ich die Tür auf und schließe sie leider etwas zu fest.

Stille.

Nur mein heftig gehender Atem und mein wild hämmerndes Herz sind in meinem Kopf zu hören.

Und weil ich offenbar ein Psycho bin, schiele ich durch den Spion. Sie steht noch in der Tür und starrt sichtlich irritiert in den Flur. Dann schüttelt sie den Kopf und schließt sie Tür.

Ich habe verkackt.

So dermaßen.

Für einen Moment lasse ich die Hände noch an dem weiß lackierten Holz liegen, dann schaffe ich es endlich, mich zu rühren. Ich lege den einen Brief auf den kleinen Tisch im Eingang, ziehe Schuhe und Jacke aus und gehe in den Wohnbereich.

Da starre ich erst mal planlos Löcher in die Luft.

Diese Augen haben es in sich gehabt. Ihr Blick war so … durchdringend gewesen, als hätte sie mir direkt bis in die Seele geschaut. Schon fast gruselig.

»Fuck«, flüstere ich, gehe an meinem niedrigen Plattenregal vor dem Sofa vorbei und lasse mich ins Polster fallen. Mit einem weiteren, viel zu angestrengten Ausatmen lege ich die Arme auf die Lehne und starre aus den deckenhohen Fenstern auf meine Dachterrasse. »Fuck.«

Gegenüber wohnt eine verflucht heiße Frau. Vermutlich ist sie ein paar Jahre älter, aber so etwas kommt doch normalerweise nur in Filmen vor, oder?

Automatisch gleitet mein Blick durch den dunklen Flur zur Wohnungstür und ich überlege ernsthaft, nochmal rüberzugehen. Ich könnte ihr einen Kaffee anbieten oder so. Macht man das, wenn jemand gegenüber eingezogen ist? Es gibt doch irgendetwas, das ich ihr anbieten kann. Muss ich mich da an Konventionen halten? Immerhin muss sie auch echt viel Geld haben und stammt bestimmt aus gutem Hause. Kann ich so einer Frau überhaupt das Wasser reichen?

Verdammt, ich denke schon wieder alles kaputt und kenne diese Samantha noch nicht einmal. Vielleicht sollte ich es entspannt angehen, einfach noch mal rüberschlendern. Genau, und dann klopfe ich und lehne superlässig im Rahmen, um sie einzuladen oder so. Ich könnte ihr etwas zu essen kochen, für mich stehe ich gleich ohnehin am Herd.

Guter Plan.

Ich stehe wieder auf und ehe ich mich versehe, sind meine Füße bereits auf dem Weg. Der warme Teppich in meinem Wohnzimmer wird von kühlem Marmor abgelöst, als ich im Hausflur bin. Vor ihrer Tür verharre ich still und will klopfen, doch mache dann wieder ein paar Schritte zurück, tigere auf dem Flur hin und her.

»Reiß dich zusammen«, murmle ich, gehe entschlossen zurück klopfe.

Scheiße.

Ich hab’s echt getan.

Was sage ich?

Verdammt, ich habe nicht darüber nachgedacht, was ich genau sagen soll. Doch bevor ich irgendetwas tun oder abhauen kann – was natürlich sehr elegant von mir wäre – geht die Tür auf.

Samantha sieht mich mit gehobenen Brauen an und ich kann mir echt nicht helfen, aber sie erinnert mich an jemanden. Aber ich weiß gerade einfach nicht, womit ich sie in Verbindung bringen kann.

Ich deute hinter mich und will etwas sagen, mein Mund öffnet sich, aber ich bekomme kein Wort raus.

Durch ihre dunklen Augen mustert sie mich abschätzend und etwas amüsiert, wenn mich nicht alles täuscht. Sie lehnt sich mit verschränkten Armen in den Rahmen und zeigt ihre Lässigkeit mit Brillanz, so wie ich es vorgehabt habe.

»Was ist noch, Samuel Monaghan?« Sie stößt ein ganz leises Lachen aus und endlich fällt die Anspannung auch ein wenig von meinen Schultern.

»Wenn Sie möchten, koche ich etwas für Sie mit.«

Ihre Brauen wandern in Zeitlupe höher. »Ähm …«

Ich hebe meine Hände beruhigend. »Weil Sie offensichtlich heute eingezogen sind … und Ihre Klamotten vermutlich noch in den Kartons liegen.«

Mit einem Schmunzeln mustert sie mich weiter und ich kann mir nicht helfen, aber finde es ungemein angenehm, wenn sie mich scannt. Sie sieht dabei ein bisschen aus, als würde sie verstohlen zu mir schielen und niemand darf es sehen, dass sie mich interessant findet.

Das war immer eine total komische Fantasie in meiner Jugend, dass mich eine Frau genau so ansieht. Okay, ich wollte, dass meine Biolehrerin mich so ansieht, weil ich eine Zeit lang echt in sie verknallt war.

»Das ist wirklich lieb, Samuel Monaghan, aber ich habe mir Pizza bestellt. Trotzdem danke.« Sie greift wieder an die Tür und tritt aus dem Rahmen zurück.

»Dann morgen«, platze ich heraus.

Fuck, was wird das?!

Innerlich breche ich bereits in Panik aus, in meinem Kopf stehe ich schweißgebadet vor ihr, wie in so einem schrägen Comic.

»Morgen?« Sie runzelt die Stirn.

»Ich … koche morgen für Sie.« Verdammt, ich mache es schlimmer, glaube ich. Zumindest wenn ich nach ihrem Ausdruck gehe, der ihr immer mehr entgleitet.

Sie lacht. »Sweetheart, Sie sind zwar echt niedlich, aber wohl etwas zu jung für mich.« Damit schließt sie die Tür vor meiner Nase und ich starre vollkommen perplex gegen das weiße Holz.

Hat sie mich gerade niedlich genannt?

Niedlich?

Als wäre ich ein kleiner Hamster? Oder schlimmer noch, ein Kaninchenbaby oder so? Eine Babyziege? Irgendein verdammtes Baby?

Langsam drehe ich mich zurück und gehe in die Wohnung, wo ich die Tür ebenso erschlagen hinter mir schließe. Einige Sekunden starre ich auf den Tisch, wo der Brief neben meinem Schlüsselbund liegt.

Irgendwie dachte ich, wenn ich zu Ivory Dice gehöre, kann ich jede Frau um den Finger wickeln, aber klar, war das Wunschdenken. Allerdings hat diese Abfuhr mich jetzt doch härter getroffen, als mir lieb ist.

Ich reibe mit der Hand über die Stelle auf meiner Brust, unter der mein Herz hämmert. Spürbar heftig.

Egal, wie gut ich glaube, damit klarzukommen, solche Dinge schleudern mich grundsätzlich zurück in meine Schulzeit.

Gott, ich hasse das.

Sam(antha)

 

New York City, Upper East Side

(Daily Globe)

 

 

Das Klacken meiner High Heels hallt in dem Raum wider, den ich hinaufeile. Einige Kollegen schauen über die Abtrennungen ihrer persönlichen Parzellen zu mir herüber, weil sie wissen, dass ich wieder einmal einen Einlauf von Sullivan bekommen werde. Ich kann in diesem engen Bleistiftrock kaum laufen und die Schuhe erschweren mir das Rennen. Ich schnaube vermutlich wie ein Wasserbüffel und gelange an seinem Büro an. Die Tür ist offen, mein Chef starrt gebannt auf seinen Bildschirm, deswegen klopfe ich leicht mit dem Knöchel gegen die Glasscheibe.

Er hebt den Blick und dabei eine Augenbraue, wie immer, wenn er etwas angepisst ist. Okay, sehr angepisst.

»Mr. Sullivan, es tut mir so leid, ich habe im Stau gestanden und -«

»Haben Sie den Artikel fertig?«

»Ja … ja, natürlich. Hier sind die Unterlagen, die ich gefunden habe und den Bericht sende ich ihnen sofort rüber, wenn ich an meinem Platz sitze.«

Dafür habe ich mir die halbe verdammte Nacht um die Ohren geschlagen, für einen Artikel auf Seite drei. Klar, es werden nicht mehr viele Zeitungen verkauft, aber online ist mein Bericht auch weit vorn zu finden.

Ich gehe in sein minimalistisches Büro und reiche die dicke Mappe über den Tisch an Mr. Sullivan. Die Lamellen an den Fenstern filtern Streifen der Morgensonne, die in den Raum fallen. Es erinnert mich immer etwas an die alten Kriminalfilme, das Büro des Ermittlers war grundsätzlich schattig gestreift.

Er legt sie vor sich auf der Schreibtischunterlage ab und öffnet den Umschlag.

»Ich konnte nichts weiter zu Carlos Norwin finden, Sir, habe aber natürlich alles untergebracht, was ich bereits mit Ihnen besprochen habe«, erkläre ich. »Egal, wen ich angerufen oder kontaktiert habe … nichts. Keine Infos.«

Er nickt, wobei er weiterblättert.

Sullivan ist ein hochgewachsener Schwarzer mit kahlrasiertem Kopf und ebenso glattem Kiefer. Er strahlt diese natürliche Autorität aus. Allerdings steht seine Kleidung immer in krassem Kontrast dazu, die könnte auch zu einem Hipster gehören. Heute trägt er ein beigefarbenes längsgestreiftes Hemd mit knallroten Hosenträgern. Es steht ihm. Generell ist er gutaussehend, finde ich zumindest. Keine Ahnung, wie die anderen Mitarbeiter das sehen.

»Vielleicht sollten Sie sich mit ihrem Kollegen Edgar Pierce kurzschließen«, sagt er nach den sich ewig ausdehnenden Sekunden trocken.

»Ich verstehe nicht …«

Er nimmt die schmalgerahmte Brille ab, wobei er den Ordner schließt, um das Gestell schlussendlich danebenzulegen. Er macht das quälend langsam, sodass ich noch unruhiger werde.

»Im Gegensatz zu Ihnen hat er mir bereits gestern Abend die nötigen Infos gemailt.«

»Was?« Ich sehe mich um und Pierces platinblondes Haar erscheint in meinem Sichtfeld, er winkt aus seiner Parzelle zu mir herüber. Dabei grinst er übertrieben herablassend. Manchmal will ich diesem Schleimer echt eine runterhauen, denn das ist nicht das erste Mal, dass er so etwas tut.

Ich wende mich meinem Chef zu. »Aber Sir, das war mein Artikel. Und woher hat er die Infos bitte? Ich habe nichts gefunden.«

»Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und ihm. Er macht Nägel mit Köpfen und Sie schaukeln im Park vor dem Daily Globe.«

Mir bleibt der Mund offen stehen.

»Der Artikel ist bereits veröffentlicht.«

»Was?« Das konnte er doch nicht machen?

»Ms. Monaham … wie wäre es, wenn Sie sich wieder mit Ihren gewohnten Artikeln befassen, uns die Recherche der großen Fälle den alteingesessenen überlassen?«

Alteingesessen? Pierce ist nur zwei Jahre älter als ich, als hätte er die Weisheit bereits mit Löffeln gegessen, dass ich nicht lache.

Und ich sollte wieder diese blöden Klatschzeilen unter den eigentlichen Artikeln füllen? Mit diesen dämlichen Thumbnails ohne Sinn und Verstand? Verdammt, ich wollte mit dem Artikel über Norwin beweisen, dass ich mehr kann, als über Zahnbehandlungen oder Fußpilzcremes zu schreiben.

Er nimmt die Akte auf und hält sie mir über den Tisch. Langsam greife ich danach und wende mich ab, wobei ich den Blick auf den Parkettboden senke.

Ohne ein weiteres Wort gehe ich zurück in den Mitarbeiterraum. Als würde ich den Weg der Schande bestreiten, laufe ich zwischen den Parzellen entlang. Ich spüre die Blicke, ich nehme das Getuschel wahr.

Es ist wie damals in der Highschool.

Schlussendlich gelange ich an meinem Platz an. Ich falle auf den Schreibtischstuhl und werfe die Akte neben die Tastatur.

»Mach dir nichts draus«, sagt Milo leise über den Rand des Raumtrenners. Wenige Sekunden später rollt er mit seinem Stuhl zu mir. »Du bekommst bald bestimmt noch eine Chance.«

»Du musst das nicht tun, Milo«, entgegne ich frustriert. Ich massiere meine Schläfen einen Moment.

Hat Sullivan am Ende doch recht? Es sagte mal, ich sei zu weich und nicht abgebrüht genug, um an alle nötigen Infos zu gelangen und das würde mir schlussendlich jeden Weg verbauen.

»Wie wäre es, wenn wir heute Mittag zu dem niedlichen kleinen Libanesen gegenüber gehen? Ich lade dich ein.«

Ich puste die Luft aus den Wangen, nachdem ich sie einige Sekunden darin aufgehalten habe. »Das ist lieb, danke.«

Er schenkt mir ein Lächeln und drückt meine Schulter einmal. »Dann lasse ich dich mal allein, ich muss noch einen Text zu einer sagenumwobenen neuen Gesichtslotion schreiben.«

Das bringt mich sogar zum Lächeln. »Sagenumwoben.«

Sein Grinsen wird schief und er rollt auf dem Stuhl zurück in sein kleines Abteil und lässt mich mit meinen Gedanken allein.

Überall um mich herum klingeln Telefone, Gespräche sind zu hören und Mitarbeiter laufen durch den großen Büroraum. Es herrscht Unruhe, wie jeden Tag im Globe.

Der Postbote kommt vorbei und bringt mir ein paar Umschläge, die ich auf die Akte lege, wonach ich den Bildschirm meines Rechners einschalte.

Darauf prangt noch eines der Bilder vom Mordfall Norwin. Es ist eine Aufnahme seines Elternhauses. Ich bin sogar sieben Stunden bis Lynchburg in Virginia gefahren, alles für nichts. Hektisch schließe ich die Datei, dann stütze ich die Wangen in die Hände und starre gegen den Bildschirmhintergrund.

Ich habe auf ganzer Linie versagt.

Aber was erwarte ich auch von mir? Als wenn ich auf einmal eine grandiose Mordfall-Redakteurin werde, wo ich doch sonst nur Schund schreiben darf.

Es kribbelt in meinen Fingern, die Webseite aufzurufen, um den Artikel von Sir-Schmalzlocke-Pierce zu lesen. Irgendwie schaffe ich es aber mich davon abzuhalten. Das würde mich noch weiter runterziehen.

Nach einer Weile spiele ich mit einem Kugelschreiber und male danach kleine Herzchen auf meine Schreibtischunterlage, als mir das hübsche Gesicht von meinem neuen Nachbarn Samuel in den Kopf schießt.

Er ist ein attraktiver Mann, so viel steht fest und es war wirklich niedlich, wie unsicher er sich verhalten hat. Gut, ich habe ihn auch etwas geneckt, er ist vermutlich nur zwei oder drei Jahre jünger als ich. Aber seine Reaktion war Gold wert. Irgendwie passte sein Auftreten auch gar nicht zu seinem Aussehen. Er ist groß und wenn mich nicht alles täuscht sogar etwas athletisch. Und er hat diese unglaublichen langen braunen Locken, solche, in denen ich meine Finger vergraben will. Auf der Bühne würde er definitiv eine gute Figur machen. Ich stelle mir vor, wie er Gitarre spielt und dabei diese Mähne schwingt.

Ein wenig wie ein Rockstar, das dachte ich mir gestern schon.

Sofort halte ich inne.

Moment mal …

Ich lasse den Stift fallen und tippe seinen Namen in die Suchleiste des Internetbrowsers ein.

»Das ist nicht wahr«, flüstere ich, als ich die Bilder von ihm ansehe. Wenige mit ihrem Sänger Knox, wenige aus Toronto und Dutzende, wie er sich in New York vor irgendwelchen Geschäften aufhält. Ich entdecke eins, auf dem er gerade aus einem Donutladen kommt und genüsslich in den Donut beißt. Er schaut breit lächelnd in die Kamera, als würde ihm das Foto gar nichts ausmachen, als würde ihn der Fotograf sogar aufmuntern.

Das ist irgendwie total niedlich.

»Das kann echt nicht sein«, sage ich lauter und Milos Kopf schießt um die Ecke, gefolgt von seinem Körper mitsamt Stuhl, mit dem er wieder hergerollt ist.

»Was ist los?«

Ich sehe mich um. »Kennst du Samuel Monaghan?«

Er verengt die Augen etwas, wobei er jünger aussieht, als ohnehin. »Hmmm …« Dann wirft er einen Blick an mir vorbei auf den Bildschirm und macht einen noch misstrauischeren Eindruck.

»Braune lange Locken, brasilianische Abstammung, ziemlich heiß, Bassist einer bestimmten Band.«

»Der neue von Ivory Dice, ich sehe schon.« Milo deutet auf die Bilder, dabei runzelt er die Stirn, wobei er älter aussieht, als er eigentlich ist. Ziemlich verrückt, das denke ich mir immer bei seiner Palette an seltsamen Gesichtsausdrücken. »Was ist mit ihm?«

»Ich glaube … nein, ich glaube nicht, ich weiß, er ist mein neuer Nachbar.«

»Wie bitte?« Milo lacht, hektisch schiebt er sich die Brille bis an die Nasenwurzel. »Meinst du das ernst?«

»Ja, er kam gestern zu mir und hat mir die Post gebracht.«

»Moment, noch mal von vorne.« Er hebt die Hände und kommt mit dem Stuhl näher gerollt, weshalb ich ihm etwas Platz mache, damit er besser auf den Bildschirm schauen kann.

»Ich bin umgezogen«, sage ich und er nickt. »In dieses Appartementhaus auf der Pineapple Street.« Wieder ein Nicken von ihm, wobei er grinst und ich versucht bin, genervt zu stöhnen, weil ich weiß, dass er den Straßennamen urkomisch findet. »Gestern stand er vor meiner Tür und hatte meine Post in der Hand. Der Postbote muss unsere Namen vertauscht haben.«

»Du hast recht … ihr heißt beinahe gleich. Das ist gruselig.«

»Das ist es«, sage ich euphorisch und schlage beide Hände auf den Tisch.

»Herrgott, Sam«, meckert Milo und wirft die Hand an die Brust.

Ich stehe so schwungvoll auf, dass der Stuhl hinten gegen die Abtrennung donnert, und eile an Milo vorbei. Wieder einmal werde ich angestarrt, während ich durch die Parzellen zum Büro gehe. Jetzt aber gehe ich mit stolzgeschwellter Brust, denn das hier, verdammt, das ist eine extrem gute Sache.

Gott, das wird die Story.

Das wird mein Durchbruch.

Ich klopfe wieder. »Mr. Sullivan, hätten Sie noch eine Minute?«

Er nimmt die Brille ab und seufzt etwas zu theatralisch, wenn man mich fragt. Dann sieht er mich durch seine beinahe schwarzen Augen an. »Was denn noch?«

Ich gehe in sein Büro und ziehe den Stuhl auf der anderen Tischseite zurück, um mich zu setzen. Sullivan mustert mich dabei wenig begeistert, aber das ignoriere ich. Grinsend verschränke ich die Finger unter meinem Kinn.

Er seufzt erneut und wendet sich mir zu. »Will ich überhaupt wissen, was jetzt wieder für eine Schnapsidee von Ihnen kommt?«

»Sagt Ihnen Samuel Monaghan etwas?«

Er mustert mich eine Sekunde regungslos und ich weiß, ich habe seine Aufmerksamkeit. Dann macht er eine Geste mit der Hand, damit ich fortfahre. »Weiter.«

»Er ist mein neuer Nachbar.« Danke an meine Eltern, dass ich mir dieses Appartement leisten kann. Ich schicke ein stilles Stoßgebet gen Himmel und hoffe, dass sie sich für mich freuen. Denn endlich bekomme ich eine richtige Chance.

»Der Sam Monaghan von Ivory Dice? Verstehe ich das richtig?«

»Genau. Er wohnt direkt gegenüber.«

Wieder starrt er mich einfach an und ich versuche irgendeine Reaktion in seinem Gesicht abzulesen, aber finde nichts. Ist die Idee doch nicht angebracht?

»Sehr gut«, sagt er dann und deutet auf mich. »Vielleicht schaffen Sie es, etwas aus ihm herauszubekommen. Die Band und das Management halten sich derzeit sehr bedeckt. Alle wollen wissen, was da los ist, und die genauen Hintergründe der Trennung sind ja auch noch nicht bekannt. Es kursieren Dutzende Gerüchte, niemand weiß, was hinter den Kulissen abgegangen ist. Das Management hat da leider zu gute Arbeit geleistet.«

Perfekt.

Das ist unglaublich. Ich habe endlich die Chance, zu zeigen, was ich draufhabe.

»Ich finde alles raus. Ich bringe Ihnen jede Information, die für einen guten Artikel von Wert ist«, sage ich aufgeregt.

»Ich verlasse mich auf Sie«, entgegnet er eindringlich. »Sie bekommen dafür einen Platz auf der Titelseite, wenn der Artikel gut ist.«

Die Titelseite.

Wenn ich da wirklich veröffentlicht werden würde, steht mir beinahe jede Redaktionstür der Welt offen.

Dann hätte ich eine Stimme.

»Ich werde Sie nicht enttäuschen.« Ich stehe auf und will aus dem Büro gehen.

»Versauen Sie es nicht, das ist Ihre letzte Chance!«, ruft er mir hinterher, weshalb ich stehenbleibe.

Ich halte den Daumen hoch und werfe ihm noch ein Lächeln zu, ehe ich zurück in mein Abteil eile und mit einem leisen Quietschen auf den Stuhl sinke.

Ich werde allen beweisen, dass ich es kann.

»Was sagt er?«, fragt Milo, der noch hier sitzt. Mittlerweile spielt er mit meinem Tacker. Er lässt ihn immer wieder zuschnappen.

»Ich bekomme die Titelseite, wenn ich eine gute Story liefere.« Ich schiebe die Finger ineinander und drücke die Hände von meinem Körper weg, um mich auf meine neueste Mission vorzubereiten. Milo lacht, weshalb ich ihm einen Schulterblick zuwerfe. »Was?«

»Sicher, dass das eine gute Idee ist? Die bei GR haben nur die besten Anwälte … habe gehört, der Inhaber sei wie ein Terrier, mit dem sollte man sich nicht anlegen.«

»Ich bin Reporterin, Milo. Mir geht es um die Wahrheit und nicht darum, schmutzige Wäsche zu waschen. Außerdem will ich mich nicht mit diesem Inhaber anlegen, sondern nur ein wenig mit Samuel reden.«

Milo steht auf und schiebt seinen Stuhl vor sich her, was ungewöhnlich ist. Dabei beugt er sich zu mir. »Aber genau das ist Journalismus, Schätzchen, wir legen uns mit den ganz Großen an, wenn wir dumm genug sind, uns auf solche Storys einzulassen.« Damit verschwindet er und ich schaue ihm noch einen Moment hinterher, doch widme mich denn meinem Rechner.

Die Großen.

Pfff.

Dennoch kann ich nicht anders und gebe GR-Records und Inhaber in das Suchfeld des Browsers ein. Es erscheinen Berichte und Bilder von und über diesen Cunningham, der ist mir selbstverständlich ein Begriff. Okay … der Kerl ist einer der reichsten Menschen in New York, er hat alle Möglichkeiten der Welt, mich verschwinden zu lassen.

Möglicherweise hat Milo recht.

Schwachsinn.

Er wird gar nicht mitbekommen, dass ich mich mit diesem Sam unterhalte, und so schnell ich in Sams Leben aufgetaucht bin, so schnell verschwinde ich auch wieder. Vielleicht muss ich dann erneut umziehen, aber das ist okay. Wäre nicht das erste Mal.

Ich überlege, wo ich meine Recherche starte und beschließe, den einfachsten Weg zu wählen. Also suche ich einen superguten Lieferdienst raus und rufe dort an. Das geht ab jetzt schließlich alles auf Spesen.

 

 

Klar, dass es in Strömen regnen muss. Jetzt renne ich mit dieser blöden Essenlieferung über den Gehweg und winke Dutzenden Taxis hinterher. Als endlich eins hält, bin ich reichlich genervt und schlage die Tür fest zu, kaum sitze ich.

Der ältere Herr mit der beigefarbenen Schiebermütze sieht sich zu mir um. »Mieses Wetter, hm?«

Ich stelle die Verpackung grob neben mich. »Das können Sie laut sagen. Pineapple, Ecke Willow Street, bitte.«

Er nickt und richtet die Aufmerksamkeit wieder auf die Straße. »Einmal Brooklyn Heights.« Dann fädelt er sich in den unübersichtlichen Verkehr in Manhattan ein.

Ich schaue der Stadt einen Moment zu, wie sie von diesem kaskadenartigen Schauer überflutet wird. Überall rennen Menschen über die Gehwege, einige halten ihre Aktentaschen über die Köpfe, andere haben zu ihrem Glück einen Regenschirm.

Mein Handy klingelt und ich bin überrascht, dass es nach dem Regenguss noch funktioniert. Ich krame kurz in der Tasche und hebe dann lächelnd ab.

»Drei Worte«, schlägt mir Prues aufgeregte Stimme entgegen und ich muss lachen.

»Was?«

»Sexy as Hell.«

»Ähhhm …«

»Ich habe morgen ein Date und wir müssen heute dringend Facetimen, damit ich mich emotional darauf vorbereiten kann, Sam-chan.«

»Ich kann heute nicht«, antworte ich. Sie zieht empört die Luft ein und ich verdrehe die Augen. »Wie wäre es, wenn wir unser Date auf übermorgen verschieben und du mir von deinem Date mit Mr. Sexy as Hell erzählst?«

Wir biegen auf die Brooklyn Bridge ein.

»Ich kann dich ja eh nicht überreden. Die Arbeit?« Sie klingt amüsiert. Prue weiß, dass ich es zu etwas bringen will und ich liebe sie dafür umso mehr, dass sie regelmäßig zurücksteckt, wenn ich mal wieder durchdrehe und keine Zeit habe. »Was ist es dieses Mal? Ein neuer Mord? War es ein Priester? Bitte sag mir, dass es ein Priester war.«

»Wieso denn das?« Wieder lache ich.

»Priester sind oft heiß.«

Ich ziehe meinen Notizblock raus und krame nach dem Kugelschreiber in der Tasche. Zum Glück ist auch das trocken geblieben. »Priester? Ich denke dabei an alte Männer mit weißem Haar.«

»Du treibst dich in den falschen Kirchen rum.«

Ich lege den Block auf meinen Oberschenkel und drücke auf die hintere Kappe des Kulis. »Ich schreibe mir auf, dass du mal wieder gevögelt werden musst.«

Prue prustet und atmet laut aus. »Morgen, Darling. Also, was ist es dieses Mal?«

»Mit sexy lagst du gar nicht so verkehrt.«

»Dein oder mein sexy?«

»Wo liegt denn da der Unterschied?

---ENDE DER LESEPROBE---