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Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen. Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.
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Seitenzahl: 144
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Weide in Flammen
Ein CassiopeiaPress E-Book
© 2012 Author
© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress
www.AlfredBekker.de
1. digitale Auflage 2014 Zeilenwert GmbH
ISBN 9783956173172
Cover
Titel
Impressum
Über den Autor
Weide in Flammen
Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F. Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.
Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."
Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.
Der verwehende Klang eines Schusses trieb über die Hügel heran. Jim Kane zügelte seinen Pinto. Er lauschte der zerflatternden Detonation hinterher, bis eine unnatürliche, lastende Stille eintrat.
»Go on«, sagte Kane, das Pferd ging nach einem leichten Schenkeldruck an. Mit hellwachem Blick tastete der einsame Reiter seine Umgebung ab. Einmal glaubte er für einen Moment, dumpfen, rumorenden, aber weit entfernten Hufschlag zu vernehmen. Er konnte allerdings nicht ausschließen, dass ihm seine angespannten Sinne einen Streich spielten.
Vor ihm wand sich der Weg wie eine überdimensionale graugelbe Schlange über die Hügelflanke hinauf. Dornige, ineinander verfilzte Comas, Felsblöcke und vereinzelte, riesige Kakteen säumten ihn. Die Staubkristalle funkelten im grellen Sonnenlicht wie blankes Silber.
Der letzte Teil des Anstiegs war steil. Das Pferd hatte Mühe, hinaufzukommen. Schließlich aber erreichte Kane die Hügelkuppe. Er nahm die Zügel kurz. Der Pinto hielt an und blähte die Nüstern. Vor den Beinen des Tieres ging es in natürlichen Windungen wieder steil hinunter.
Kane überlegte nicht lange. »Hüh!« Er ruckte im Sattel. Das Pferd kam ins Rutschen. Die Hufe zogen helle Spuren auf dem glatten Stein. Der Pinto brach hinten ein, bockte wieder hoch und der Mann wurde auf den Pferdehals katapultiert. Ein kurzes, schrilles Wiehern, das Tier warf den Kopf in die Höhe und rollte mit den Augen, die Mähne wehte vor Kanes Augen. Er zerbiss einen wütenden Fluch. Aber dann fand das Pferd Halt und der Pfad wurde flacher. Kane setzte sich im Sattel zurecht.
Er lenkte den Pinto zwischen zwei Felsbarrieren, zwischen denen der Weg zu verschwinden schien. Und als Kane die Engstelle passiert hatte, eröffnete sich seinem Blick ein kleiner Talkessel, der von dem natürlichen Pfad zerschnitten wurde wie von einem staubigen Arroyo. Auf der Sohle der Senke stand mit hängenden Zügeln ein Fuchswallach. Daneben lag ein Mann auf dem Gesicht. Reglos, wie tot. Sein Hut lag einige Schritte abseits. Das Bild sprang Kane in die Augen. Er spornte den Pinto an. Bei der stillen Gestalt sprang er vom Pferd. Der Fuchswallach schnaubte zornig und scheute zurück.
Das Haar des Mannes auf der Erde war grau, fast weiß. Er trug Weidereiterkleidung. Um seine Hüften lag ein Patronengurt. Im Halfter am rechten Oberschenkel steckte ein langläufiger 44er. Kane presste die Lippen zusammen und drehte den Mann auf den Rücken. Sekundenlang starrte er in ein von Sonne, Wind und Regen gegerbtes, faltiges Gesicht. Dann fiel ihm die Wunde des Mannes ins Auge.
Die Kugel war ihm in die linke Brustseite gefahren. Das rotkarierte Hemd war dunkel vom Blut. Kane fühlte den Pulsschlag des Getroffenen. Er nahm ihn nur ganz schwach wahr. Sein forschender Blick schweifte in die Runde. Der Mann zu seinen Füßen schien aus dem Hinterhalt niedergeschossen worden zu sein. Aber nichts ließ darauf schließen, dass sich der Heckenschütze noch in der Nähe befand. Seine Sinne hatten ihn also nicht getäuscht, als er glaubte, sich entfernenden Hufschlag zu vernehmen.
Nun, der Mann musste versorgt werden. Kane holte von seinem Sattel die Wasserflasche, kniete in den Staub, schraubte die Flasche auf und hob mit der flachen Rechten den Kopf des Besinnungslosen ein wenig an. Dann setzte er ihm die Flasche an die rissigen, staubverkrusteten Lippen und träufelte ihm etwas Wasser ein. Der Ohnmächtige schluckte automatisch. Sachte ließ Kane den Kopf zurückgleiten. Er holte sein Taschenmesser hervor und zerschnitt das blutgetränkte Hemd über der Wunde, die grässlich aussah. Die Kugel saß noch im Körper, da es keinen Austrittskanal gab.
Kane säuberte mit dem etwas brackigen Wasser aus seiner Flasche die Wunde, so gut es ging, dann holte er Verbandszeug.
Nach zehn Minuten war der Bewusstlose verarztet. Kane gab ihm noch einmal zu trinken. Plötzlich zuckten seine Lider. Schwerfällig hoben sie sich. Seine Augen wirkten trüb und stumpf. Ein unverständliches Krächzen stieg aus seiner Kehle. Kane beugte sich tiefer zu ihm hinunter. Schweiß perlte auf der Stirn des Verwundeten. Seine Hände wischten fahrig über den Boden, verletzten sich am scharfen Gestein, aber der Mann bemerkte es nicht. Er war vom Blutverlust viel zu geschwächt, um überhaupt etwas zu empfinden — außer einer grenzenlosen Leere.
»Stranger, wer immer Sie auch sind – bringen Sie mich nach Hause …« Die Stimme erstarb, ein erstickter Husten folgte.
Der Anfall war vorüber. Der Weißhaarige versuchte, den Kopf anzuheben. Seine Lippen bebten. Die Anstrengung verzerrte sein Gesicht, über das nun der Schweiß in Bächen lief. Kane war ihm behilflich. Schwer ruhte der kantige Kopf schließlich auf seiner flachen Hand.
»Ich denke, ich bringe Sie lieber nach Conejos, Mister«, murmelte Kane abgehackt und rau. »Bis in die Stadt sind es nur noch drei Meilen. Und dort gibt es sicher einen Doc, der …«
Er brach ab, als der Verletzte matt den Kopf schüttelte. »Bitte, Fremder — nach Hause. Auf die Ranch — zu meiner Tochter …« Die weiteren Worte waren nur noch ein unverständliches Murmeln.
Kane entschloss sich schnell. »Wo liegt Ihre Ranch?«
Der Mann am Boden atmete schwer und rasselnd. Auf seinen Lippen bildete sich blutiger Schaum. Ein Blutfaden rann aus seinem Mundwinkel. »Folgen Sie dem — Creek. Zwei Meilen nach Nordosten …« Sein Kopf kippte zur Seite. Seine Gestalt erschlaffte. Er war wieder ohnmächtig geworden.
Versonnen starrte Kane einige Herzschläge lang in das vom Tod gezeichnete, eingefallene Gesicht. Dann holte er seinen Pinto.
Jim Kane hielt den Besinnungslosen vor sich auf dem Pferd. Den Fuchswallach führte er am langen Zügel. Der Kopf des Weißhaarigen baumelte haltlos vor der Brust. Jim wusste nicht genau, ob überhaupt noch Leben in dem schlaffen Körper steckte.
Susan Morrison sah sie durch das Fenster der Wohnstube in den Ranchhof reiten. Sekundenlang war sie wie gelähmt. Schließlich aber schüttelte sie ihre Erstarrung ab und lief hinaus auf die Veranda.
Dumpf hallte der Hufschlag zwischen den grauen, verwitterten Ranchgebäuden. Susans Gesichtsausdruck war Spiegelbild ihrer Empfindungen. Sie stand unter einer ungeheueren, inneren Erregung. Langsam, fast zögernd stieg sie die wenigen Stufen hinunter in den Hof.
Aus dem Pferdestall trat Miguel, der junge mexikanische Peon, den es nach Colorado verschlagen hatte. Aus dem Bunkhouse kam ein älterer, hagerer Cowboy. Aus engen Lidschlitzen starrte er dem Fremden entgegen.
Jim zügelte den Pinto. Der Fuchswallach verhielt automatisch. Der Mann stieß sich mit einer knappen Bewegung den Stetson etwas aus der Stirn, dann tippte er kurz mit den Fingern gegen die Krempe und sagte ein wenig staubheiser: »Tag, Miss. Mein Name ist Kane – Jim Kane. Ich fand Ihren Vater mit einer Kugel in der Brust zwei Meilen von hier. Es hat ihn ziemlich schlimm erwischt."
Er sah den verzweifelten Ausdruck in ihrem Gesicht. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie drückte die flache Hand auf ihren Hansansatz, als könne sie so ihren fliegenden Atem beruhigen. Schließlich aber erkundigte sie sich mit allen Anzeichen des Entsetzens: »Was ist geschehen? Wer hat auf Dad geschossen?« Sie trat nahe an den Pinto heran und konnte ihren Blick nicht von den zerklüfteten, eingefallenen Zügen ihres Vaters lösen. Ein schmerzlicher Ausdruck glitt über ihr Antlitz.
»Wir müssen ihn ins Haus bringen, Miss«, murmelte Jim. Er sah dem Cowboy entgegen, der langsam herankam. »Helfen Sie mir mal, Mister!«, rief er und nahm aus den Augenwinkeln wahr, dass sich aus dem Schatten des Stalles der Mexikaner löste.
Vorsichtig hoben sie den Rancher vom Pferd. Jim saß ab. Seine Hände waren blutverschmiert. Zwei Minuten später lag John Morrison auf dem Sofa in der Wohnstube. Erschüttert wandte sich der Cowboy ab. Susans Blick hatte sich am blutgetränkten Verband um die Brust ihres Vaters verkrallt. Jim war im Türrahmen stehen geblieben. »Ich kann Ihnen auf keine Ihrer Fragen Antwort geben, Miss«, gab er zu verstehen. »Ich hörte den Schuss und ritt dem Klang nach. Da fand ich Ihren Vater. Von dem hinterhältigen Schützen hörte ich nur noch den Hufschlag.«
»Por Dios«, ächzte Miguel, der Peon, »wir müssen etwas tun, Susan. Wir …« Er beugte sich über den Ohnmächtigen und tupfte ihm mit seinem Halstuch den Schweiß von der Stirn.
Seine Worte ließen Susan zusammenzucken. In ihre Gestalt geriet Leben. »Ja!«, stieß sie hervor. »Ted, ich brauche Wasser und frisches Verbandszeug. Du, Miguel, reitest wie der Teufel in die Stadt und bringst Doc Madison her.« Ihr Kopf flog herum zu dem Cowboy. »Mach schnell, Ted. Jede Sekunde ist kostbar.«
Die beiden Männer eilten nach draußen. Susan machte sich daran, den Verband zu lösen, den Jim dem Verletzten angelegt hatte. Jim trat neben sie. »Kann ich helfen?«
»Ja, richten Sie ihn etwas auf, damit ich ihm das Hemd ausziehen kann.« Ihre Stimme hatte einen festen resoluten Klang angenommen, ihre Handgriffe waren sicher und überlegt. Der verschmutzte Verband fiel. Der Rancher stöhnte. Ted Butler brachte eine Schüssel mit sauberem Wasser, Tücher und Verbandszeug. Und schließlich lag ein frischer Verband um die gereinigte Wunde. Susan richtete sich tief durchatmend auf.
Ted Butler, der schweigend dabeigestanden hatte, fuhr sich über die Augen und meinte brüchig: »Ich gehe und versorge die Pferde.« Er richtete seinen fragenden Blick auf Jim. »Soll ich Ihren Gaul absatteln, Kane, oder …«
»Nein«, unterbrach ihn Kane. »Ich reite weiter.«
Der Weidereiter stapfte hinaus. Susan musterte Jim. »Ich danke Ihnen, dass Sie meinen Vater hergebracht haben, Mr. Kane. Er verfügt über eine Rossnatur. Mit Gottes Hilfe wird er vielleicht wieder gesund.«
Jim war skeptisch. Aber er sprach nicht aus, was in ihm vorging. Ein wenig betreten schaute er an ihr vorbei, streifte mit seinem Blick das wächsern anmutende Gesicht John Morrisons, und um seine Verlegenheit zu überspielen murmelte er: »Haben Sie eine Ahnung, Miss, wer der Schuft war, der auf ihn schoss? Hat Ihr Vater Feinde, die seinen Tod wollen?«
Ihre Miene veränderte sich auf erschreckende Weise. Und einen Moment lang glaubte Jim einen Anflug von Hass in ihren tiefblauen Augen wahrzunehmen. »Unser Feind heißt McPherson, Kane!«, stieß sie hervor. »Rick McPherson. Er ist der Feind aller Smallrancher und Farmer im Tal des Rio Grande. Er will uns alle vertreiben, um seinen Traum von einem Rinderreich zu verwirklichen.« Die Festigkeit in ihrer Stimme zerrann. »Dass er sich allerdings zu einem niederträchtigen Mord hinreißen lässt, hätte ich nicht für möglich gehalten«, schloss sie, ging zum Tisch und ließ sich schwer auf einen Stuhl sinken. Versonnen musterte sie die stille Gestalt auf der Couch, deren Atem nur ganz flach ging.
Jims Stirn hatte sich umwölkt, als der Name McPherson fiel. Er dachte an den Brief, den er in der Satteltasche aufbewahrte und dessen Absender McPherson war. Jim hatte plötzlich ein bedrückendes Gefühl im Nacken. Seine Gedanken drehten sich unvermittelt wie ein Karussell. Und über seiner Nasenwurzel erschien eine nachdenkliche Falte.
Susan wies auf einen der freien Stühle und Jim setzte sich ebenfalls. »Gibt es in Conejos keinen Sheriff, der diesen McPherson bremst?«, fragte er vorsichtig.
Susan nickte schwer. »Natürlich haben wir einen Sheriff«, flüsterte sie herb, »aber Flaherty ist alt und verbraucht. Er hält sich raus aus allem. Ein halbes Dutzend Kleinrancher und Farmer haben bereits resigniert. McPherson hat ihr Land für einen Spottpreis erworben. Einige Rancher aber, allen voran mein Vater, wollten nicht aufgeben. Dad hat eine Rancherversammlung nach Conejos einberufen. Und er war auf dem Heimweg von dieser Versammlung, als …« Sie brach ab, als weigerte sich ihre Stimme, den Mordversuch an ihrem Vater in Worte zu kleiden.
Ein abgerissenes Gurgeln kam von John Morrison. Schnell erhob sich Susan und ging zu ihm. Der Rancher bewegte den Kopf, rollte ihn von einer Seite auf die andere. Susans Mund begann in den Winkeln heftig zu zittern. »Dad«, flüsterte sie erstickt. Sie beugte sich über ihn und legte ihm sachte die Hand auf die heiße Stirn.
Jim stemmte sich hoch und trat neben sie. Die Bewegungen des Bewusstlosen wurden schneller. Es mutete an, als schüttelte ihn bereits das Fieber. Und plötzlich schlug er die Augen auf. Ihr Ausdruck war überraschend klar. »Oh, mein Gott, Dad …«, wand es sich noch einmal über Susans bleiche Lippen.
Die unkontrollierten Bewegungen des Ranchers hörten auf. »Susan«, entrang es sich ihm. »Es – es hat wohl alles keinen Sinn mehr.« Ein pfeifender Atemzug entwich seinem Mund. Nach einem gepressten Stöhnen fuhr Morrison abgehackt, mit zerrinnender Stimme fort: »Finnegan, Boulder, O'Neil und Bill Cassidy — sie wollen aufgeben. McPherson hat ihnen ein Ultimatum gesetzt. Drei Tage …« Morrisons Stimme erlosch. Die Schatten der Erschöpfung auf den vibrierenden Wangen des Ranchers ließen die Backenknochen stärker hervortreten.
Jim atmete schwer und versuchte zu begreifen, was er eben gehört hatte. Und nur unterbewusst vernahm er Susans erschüttertes, trockenes Schluchzen, und dann ihre wispernde Stimme, als sie sprach: »Miguel ist auf dem Weg zum Doc, Dad. Er kann in einer Stunde hier sein. Du musst jetzt ganz ruhig liegen, Dad. Und du darfst dich nicht aufregen …«
Die Tür wurde aufgestoßen. Ted Butler kam herein. Kane wandte den Kopf und sah das zerknitterte Gesicht, die kalten, drohenden Schatten in den Augen des Weidereiters — und ihm entging nicht der gespannte Colt, den Butler in der Rechten hielt und den er nun auf ihn anschlug. Hart lag der Zeigefinger des Cowboys um den Abzug.
Jim wirbelte herum, knickte in der Mitte leicht ein.
»Verdammt!«, fauchte er. »Was soll das?« Sein Blick saugte sich an dem Schießeisen fest, und Butler brauchte gar nichts zu sagen. Schlagartig wusste Jim, was den Weidereiter leitete. Es war der verdammte Brief.
*
Susans Aufmerksamkeit wurde von dem Verwundeten abgelenkt. Ihr hübsches Gesicht, das vor einer Sekunde noch tiefe Besorgnis und Angst ausgedrückt hatte, spiegelte Bestürzung und Überraschung wider. Ihr verstörter Blick sprang zwischen Kane und Ted Butler hin und her.
Die linke Hand des Weidereiters wedelte mit einem Blatt Papier. Die Rechte hielt unverrückbar den Colt auf Jim gerichtet.
»Ich glaube, Susan, mit diesem Mister ist uns ein höllischer Vogel ins Nest geflattert«, zischte Butler. »Irgendwie hat er mir von Anfang an nicht gefallen. Und es war wohl eine Eingebung, die mich einen Blick in seine Satteltaschen werfen ließ. Hier, der Brief – er ist von McPherson geschrieben. Er hat damit diesen Revolverschwinger ins Land geholt. Als Weidedetektiv!«
Ätzender Spott lag in den letzten Worten Butlers.
Jim fing sich schnell wieder. Seine Haltung entspannte sich. Locker ließ er die Anne hängen. Er hütete sich, irgendeine Bewegung, die der wütende und tödlich entschlossen wirkende Cowboy falsch deuten konnte, auszuführen. »Stöbern Sie immer im Gepäck anderer Leute, Hombre?« Langsam drehte er den Kopf zu Susan herum. Ihm blieben Enttäuschung und Verbitterung in ihren Augen nicht verborgen, und es traf ihn wie ein Stich. Er schluckte und nickte bedeutungsvoll. Dann sagte er kehlig: »Es stimmt, Miss. Ein alter Freund von mir steht auf McPhersons Lohnliste. Er gab dem Rancher den Tipp, mir zu schreiben. In dem Brief steht, dass die Diamant-M-Ranch McPhersons dem Rustlerunwesen in der Gegend nicht mehr Herr wird. Und da ich lange Jahre in Texas als Weidedetektiv arbeitete, machte McPherson mir ein derart gutes Angebot …«
»Ja, in dem Brief steht, dass er ihm für jeden Rustler — tot oder lebendig — fünfhundert Dollar bar auf die Hand zahlt!« In Ted Butlers Stimme wütete ungezügelter Hass.
Ungläubig starrte Susan in Jims Gesicht. Ihre Nasenflügel bebten. Ein Zittern durchlief ihre Gestalt. Als sie aber sprach, klang ihre Stimme überraschend ruhig. »Und Sie haben McPhersons Angebot angenommen, nicht wahr?«
Jim fühlte den Widerwillen, der ihm jäh von ihr entgegenschlug, die kalte Ablehnung und die tiefe Abscheu, atmete scharf aus und erwiderte gepresst: »Ich sah keinen Grund, es auszuschlagen. Rustler sind Banditen und …«
»Rustler!«, rief Susan und in ihrem Tonfall lag nichts als eisige Verachtung. »McPherson wird Sie auf uns Smallrancher und auf die Farmer, die sich am Rio Grande niedergelassen haben, hetzen. Fünfhundert Dollar Abschussprämie!« Sie lachte auf, und es klang beinahe hysterisch. Dann aber kehrte wieder eisige Geringschätzigkeit in ihre Miene ein. Steif fuhr sie fort: »Sie haben meinen Vater hergebracht, Kane, und dafür bin ich Ihnen zu Dank verpflichtet. Wenn Sie wollen, bezahle ich Sie dafür. Ich kann zwar keine fünfhundert Dollar bieten, denke aber, dass hundert genug sein dürften.« Sie maß ihn frostig von oben bis unten. Ein Ruck durchfuhr sie. Sie ging entschlossen zu einer Kommode, zog die Schublade heraus und wühlte darin.
Einem ersten Impuls folgend wollte Jim einen Schritt in ihre Richtung machen, aber die brechende Stimme Ted Butlers bannte ihn auf der Stelle. »Rühr dich nur nicht, Coltschwinger, sonst blase ich dich in die Hölle. Und das ist kein leeres Versprechen.«
»Zum Teufel!«, begehrte Jim auf. »Ich bin fremd hier und habe keine Ahnung, was …«