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Weihnachten mit Johann Wolfgang Goethe E-Book

Johann Wolfgang von Goethe

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Beschreibung

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. »Cristtag früh. Es ist noch Nacht lieber Kestner, ich binn aufgestanden um bey Lichte Morgens wieder zu schreiben, das mir angenehme Erinnerungen voriger Zeiten zurückruft; ich habe mir Coffee machen lassen den Festtag zu ehren und will euch schreiben biss es Tag ist. Der Türmer hat sein Lied schon geblasen ich wachte darüber auf. Gelobet seyst du Jesu Christ. Ich hab diese Zeit des Jahrs gar lieb, die Lieder die man singt; und die Kälte die eingefallen ist macht mich vollends vergnügt.« (Johann Wolfgang Goethe)

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Johann Wolfgang Goethe

Weihnachten mit Johann Wolfgang Goethe

Herausgegeben von Ulrike-Christine Sander und Matthias Siedenschnur-Sander

Anthologie

Fischer e-books

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Und so erreichen wir wieder Weihnachten und Neujahr, dem alten Schlendrian des Kalenders nach, aber, wie mir dünken will, mit immer gleich neuen und frischen Freundesgesinnungen, die denn doch zuletzt allein das Leben aufrecht erhalten und fördern.

Gedichte zur Weihnachtszeit

Weihnachten

Bäume leuchtend, Bäume blendend,

Überall das Süße spendend,

In dem Glanze sich bewegend,

Alt- und junges Herz erregend –

Solch ein Fest ist uns bescheret,

Mancher Gaben Schmuck verehret;

Staunend schaun wir auf und nieder,

Hin und her und immer wieder.

Aber, Fürst, wenn dir’s begegnet,

Und ein Abend so dich segnet,

Daß als Lichter, daß als Flammen

Vor dir glänzten allzusammen

Alles, was du ausgerichtet,

Alle, die sich dir verpflichtet:

Mit erhöhten Geistesblicken

Fühltest herrliches Entzücken.

Christgeschenk

Mein süßes Liebchen! Hier in Schachtelwänden

Gar mannigfalt geformte Süßigkeiten.

Die Früchte sind es heil’ger Weihnachtszeiten,

Gebackne nur, den Kindern auszuspenden!

Dir möcht’ ich dann mit süßem Redewenden

Poetisch Zuckerbrot zum Fest bereiten;

Allein was soll’s mit solchen Eitelkeiten?

Weg den Versuch, mit Schmeichelei zu blenden!

Doch gibt es noch ein Süßes, das vom Innern

Zum Innern spricht, genießbar in der Ferne,

Das kann nur bis zu dir hinüberwehen.

Und fühlst du dann ein freundliches Erinnern,

Als blinkten froh dir wohlbekannte Sterne,

Wirst du die kleinste Gabe nicht verschmähen.

»Gegen soviel schöne Dinge …«

Gegen soviel schöne Dinge

Weis ich nicht was ich dir bringe.

Späne, die sich leicht entzünden.

Licht, in dunckler Nacht zu finden;

Becher, die den Wein verbessern.

Feinde von gefüllten Fässern;

Süßigkeit auf Süßigkeiten!

Alles kann nur Glück bedeuten,

Welches all, im nächsten Jahre,

Holde Geberinn, erfahre.

Weimar d. 26. Dez. 1814  J W v Goethe

An Frau v. Stein zu ihrem Geburtstag am 25. Dezember 1815

Daß du zugleich mit dem heil’gen Christ

An diesem Tage geboren bist,

Und August auch, der werte, schlanke,

Dafür ich Gott im Herzen danke.

Dies gibt in tiefer Winterszeit

Erwünschteste Gelegenheit,

Mit einigem Zucker dich zu grüßen,

Abwesenheit mir zu versüßen,

Der ich, wie sonst, in Sonnenferne

Im stillen liebe, leide, lerne.

Epiphanias

Die heil’gen drei König’ mit ihrem Stern,

Sie essen, sie trinken, und bezahlen nicht gern;

Sie essen gern, sie trinken gern,

Sie essen, trinken, und bezahlen nicht gern.

Die heil’gen drei König’ sind kommen allhier,

Es sind ihrer drei und sind nicht ihrer vier;

Und wenn zu dreien der vierte wär’,

So wär’ ein heil’ger drei König mehr.

Ich erster bin der weiß’ und auch der schön’,

Bei Tage solltet ihr erst mich sehn!

Doch ach, mit allen Spezerein

Werd’ ich sein Tag kein Mädchen mir erfrein.

Ich aber bin der braun’ und bin der lang’,

Bekannt bei Weibern wohl und bei Gesang.

Ich bringe Gold statt Spezerein,

Da werd’ ich überall willkommen sein.

Ich endlich bin der schwarz’ und bin der klein’

Und mag auch wohl einmal recht lustig sein.

Ich esse gern, ich trinke gern,

Ich esse, trinke und bedanke mich gern.

Die heil’gen drei König’ sind wohlgesinnt,

Sie suchen die Mutter und das Kind;

Der Joseph fromm sitzt auch dabei,

Der Ochs und Esel liegen auf der Streu.

Wir bringen Myrrhen, wir bringen Gold,

Dem Weihrauch sind die Damen hold;

Und haben wir Wein von gutem Gewächs,

So trinken wir drei so gut als ihrer sechs.

Da wir nun hier schöne Herrn und Fraun,

Aber keine Ochsen und Esel schaun,

So sind wir nicht am rechten Ort

Und ziehen unseres Weges weiter fort.

Catharina Elisabeth Goethe an Luise von Göchhausen

 Geliebtes Freulein!

          Die Mode es ist,

Daß frommen Kindern der heilige Christ

Wann sie das Jahr hübsch brav gewesen,

manch schöne Gabe hat auserlesen.

Torten, Rosinen, Gärten mit Lichtern,

Herrn und Dammen mit höltzern Gesichtern,

Äpffel und Birn, Geigen, u Flöten,

Zuckerwerck, Ruthen, Mandlen, Pasteten

Reuter mit Pferden, gut ausstaffirt

nachdem ein jedes sich aufgeführt.

Da nun Frau Aja wohlgemuth –

Den alten Gebräuchen ist hertzlich gut

und Freulein Thusnelda in diesem Jahr

gantz auserordtenlich artig war

So schickt sie hir ein Bildnüß fein,

Das Ihnen wohl mögte kentlich seyn;

und bittet es zum Angedencken,

An Ihren Schwannen Hals zu hencken.

Dadurch ihm dann große Ehre geschicht

s ists aber auch drauf eingericht!

Eitel Gold von vornen von hinten,

Das müßen Sie freylich treflich finden.

Dafür verlang ich ohn Ihr beschweren

Daß Sie mir eine Bitte gewähren.

Mit Ihnen mein Freulein zu discuriren

thu ich oft großen Lusten verspühren

Doch ist der Weg verteufelt weit

Zum Reißen ists jetz garstige Zeit

Drum thu ich Ihnen zu Gemüthe führen,

mit meinem Gesicht eins zu parliren

Antworten wirds Ihnen freylich nie

Allein wer läugnet wohl Simpatie!

Da wird sich mein Hertzlein vor Freude bewegen

Daß mein Gedächnüß blüht im Seegen

Bey Menschen die Bieder, gut und treu,

Voll warmer Freundschafft ohn Heucheley

Den heut zu Tag sind Freundschafftthaten

so rahr wie unbeschnittne Ducaten –

Doch ist Frau Aja auserkohrn

in einem guten Zeichen gebohrn

kent brave Leute deß ist sie froh,

und singt In dulci Jubilo.

Auch freut sie sich Hertzinniglich

Daß sie kan unterschreiben sich

Dero wahre Freund und Dienerin,

Die ich gewiß von Hertzen bin.

C. E. Goethe.

Das Puppentheather

Das Vermächtnis der Großmutter

Gewöhnlich hielten wir uns in allen unsern Freistunden zur Großmutter, in deren geräumigem Wohnzimmer wir hinlänglich Platz zu unsern Spielen fanden. Sie wußte uns mit allerlei Kleinigkeiten zu beschäftigen, und mit allerlei guten Bissen zu erquicken. An einem Weihnachtsabende jedoch setzte sie allen ihren Wohltaten die Krone auf, indem sie uns ein Puppenspiel vorstellen ließ, und so in dem alten Hause eine neue Welt erschuf. Dieses unerwartete Schauspiel zog die jungen Gemüter mit Gewalt an sich; besonders auf den Knaben machte es einen sehr starken Eindruck, der in eine große langdauernde Wirkung nachklang.

Die kleine Bühne mit ihrem stummen Personal, die man uns anfangs nur vorgezeigt hatte, nachher aber zu eigner Übung und dramatischer Belebung übergab, mußte uns Kindern um so viel werter sein, als es das letzte Vermächtnis unserer guten Großmutter war, die bald darauf durch zunehmende Krankheit unsern Augen erst entzogen, und dann für immer durch den Tod entrissen wurde. Ihr Abscheiden war für die Familie von desto größerer Bedeutung, als es eine völlige Veränderung in dem Zustande derselben nach sich zog.

 

[…]

 

Man hielt uns Kinder mehr als bisher zu Hause, und suchte uns auf mancherlei Weise zu beschäftigen und zu unterhalten. Zu solchem Ende hatte man das von der Großmutter hinterlassene Puppenspiel wieder aufgestellt, und zwar dergestalt eingerichtet, daß die Zuschauer in meinem Giebelzimmer sitzen, die spielenden und dirigierenden Personen aber, so wie das Theater selbst vom Proszenium an, in einem Nebenzimmer Platz und Raum fanden. Durch die besondere Vergünstigung, bald diesen bald jenen Knaben als Zuschauer einzulassen, erwarb ich mir anfangs viele Freunde; allein die Unruhe, die in den Kindern steckt, ließ sie nicht lange geduldige Zuschauer bleiben. Sie störten das Spiel, und wir mußten uns ein jüngeres Publikum aussuchen, das noch allenfalls durch Ammen und Mägde in der Ordnung gehalten werden konnte. Wir hatten das ursprüngliche Hauptdrama, worauf die Puppengesellschaft eigentlich eingerichtet war, auswendig gelernt, und führten es anfangs auch ausschließlich auf; allein dies ermüdete uns bald, wir veränderten die Garderobe, die Dekorationen und wagten uns an verschiedene Stücke, die freilich für einen so kleinen Schauplatz zu weitläuftig waren. Ob wir uns nun gleich durch diese Anmaßung dasjenige, was wir wirklich hätten leisten können, verkümmerten und zuletzt gar zerstörten, so hat doch diese kindliche Unterhaltung und Beschäftigung auf sehr mannigfaltige Weise bei mir das Erfindungs- und Darstellungsvermögen, die Einbildungskraft und eine gewisse Technik geübt und befördert, wie es vielleicht auf keinem andern Wege in so kurzer Zeit, in einem so engen Raume, mit so wenigem Aufwand hätte geschehen können.

»Voller Hoffnungen, Drang und Ahndung«

Es war einige Tage vor dem Christabend 174–, als Benedikt Meister, Bürger und Handelsmann zu M –, einer mittleren Reichsstadt, aus seinem gewöhnlichen Kränzchen abends gegen achte nach Hause ging. Es hatte sich wider die Gewohnheit die Tarockpartie früher geendigt, und es war ihm nicht ganz gelegen, daß er so zeitlich in seine vier Wände zurückkehren sollte, die ihm seine Frau eben nicht zum Paradiese machte. Es war noch Zeit bis zum Nachtessen, und so einen Zwischenraum pflegte sie ihm nicht mit Annehmlichkeiten auszufüllen, deswegen er lieber nicht ehe zu Tische kam, als wenn die Suppe schon etwas überkocht hatte.

Er ging langsam und dachte so dem Bürgermeisteramte nach, das er das letzte Jahr geführt hatte, und dem Handel und den kleinen Vorteilen, als er eben im Vorbeigehen seiner Mutter Fenster sehr emsig erleuchtet sah. Das alte Weib lebte, nachdem sie ihren Sohn ausgestattet und ihm ihre Handlung übergeben hatte, in einem kleinen Häuschen zurückgezogen, wo sie nun vor sich allein mit einer Magd bei ihren reichlichen Renten sich wohl befand, ihren Kindern und Enkeln mitunter was zu Gute tat, ihnen aber das Beste bis nach ihrem Tode aufhub, wo sie hoffte, daß sie gescheuter sein sollten, als sie bei ihrem Leben nicht hatte sehen können. Meister war durch einen geheimen Zug nach dem Hause geführt, da ihm, als er angepocht hatte, die Magd hastig und geheimnisvoll die Türe öffnete und ihn zur Treppe hinauf begleitete. Er fand, als er zur Stubentüre hineintrat, seine Mutter an einem großen Tische mit Wegräumen und Zudecken beschäftigt, die ihm auf seinen »Guten Abend« mit einem »Du kommst mir nicht ganz gelegen« antwortete. »Weil du nun einmal da bist, so magst du’s wissen, da sieh, was ich zurecht mache,« sagte sie und hob die Servietten auf, die übers Bett geschlagen waren und tat zugleich einen Pelzmantel weg, den sie in der Eile übern Tisch gebreitet hatte, da nun denn der Mann eine Anzahl spannenlanger, artig gekleideter Puppen erblickte, die in schöner Ordnung, die beweglichen Drähte an den Köpfen befestigt, nebeneinanderlagen und nur den Geist zu erwarten schienen, der sie aus ihrer Untätigkeit regen sollte. »Was gibt denn das, Mutter?« sagte Meister. – »Einen heiligen Christ vor deine Kinder!« antwortete die Alte. »Wenn’s ihnen so viel Spaß macht als mir, eh’ ich sie fertig kriegte, soll mir’s lieb sein.« Er besah’s eine Zeitlang, wie es schien, sorgfältig, um ihr nicht gleich den Verdruß zu machen, als hielte er ihre Arbeit vergeblich. »Liebe Mutter«, sagte er endlich, »Kinder sind Kinder, Sie macht sich zu viel zu schaffen, und am Ende seh’ ich nicht, was es nutzen soll.« – »Sei nur stille«, sagte die Alte, indem sie die Kleider der Puppen, die sich etwas verschoben hatten, zurechtrückte, »laß es nur gut sein, sie werden eine rechte Freude haben, es ist so hergebracht bei mir, und das weißt du auch, und ich lasse nicht davon; wie ihr klein wart, wart ihr immer drin vergackelt und trugt euch mit euern Spiel- und Naschsachen herum die ganzen Feiertage; euere Kinder sollen’s nun auch so wohl haben, ich bin Großmutter und weiß, was ich zu tun habe.« – »Ich will Ihr’s nicht verderben«, sagte Meister, »ich denke nur, was soll den Kindern, daß man’s ihnen heut oder morgen gibt; wenn sie was brauchen, so geb’ ich’s ihnen, was braucht’s da heiliger Christ zu? Da sind Leute, die lassen ihre Kinder verlumpen und sparen’s bis auf den Tag.« – »Benedikt«, sagte die Alte, »ich habe ihnen Puppen geputzt und habe ihnen eine Komödie zurechte gemacht, Kinder müssen Komödien haben und Puppen. Es war euch auch in eurer Jugend so, ihr habt mich um manchen Batzen gebracht, um den Doktor Faust und das Mohrenballett zu sehen; ich weiß nun nicht, was ihr mit euern Kindern wollt, und warum ihnen nicht so gut werden soll wie euch.«

»Wer ist denn das?« sagte Meister, indem er eine Puppe aufhub. – »Verwirrt mir die Drähte nicht«, sagte die Alte, es ist mehr Mühe, als ihr denkt, bis man’s so zusammenkriegt. Seht nur, das da ist König Saul. Ihr müßt nicht denken, daß ich was umsonst ausgebe; was Läppchen sind, die hab’ ich all’ in meinem Kasten, und das bißchen falsch Silber und Gold, das drauf ist, das kann ich wohl dran wenden.« – »Die Püppchen sind recht hübsch.« sagte Meister, – »Das denk’ ich«, lächelte die Alte, »und kosten doch nicht viel. Der alte lahme Bildhauer Merks, der mir Interessen schuldig ist von seinem Häuschen so lang, hat mir Hände, Füße und Gesichter ausschneiden müssen, kein Geld krieg’ ich doch nicht von ihm und vertreiben kann ich ihn nicht, er sitzt schon seit meinem seligen Mann her und hat immer richtig eingehalten bis zu seiner zwoten unglücklichen Heurat.« – »Dieser in schwarzem Samt und der goldenen Krone, das ist Saul?« fragte Meister; »wer sind denn die andern?« – »Das solltest du so sehen«, sagte die Mutter. »Das hier ist Jonathan, der hat Gelb und Rot, weil er jung ist und flatterig, und hat einen Turban auf. Der oben ist Samuel, der hat mir am meisten Mühe gemacht mit dem Brustschildchen. Sieh den Leibrock, das ist ein schieler Taft, den ich auch noch als Jungfer getragen habe.« – »Gute Nacht«, sagte Meister, »es schlägt just achte.« – »Sieh nur noch den David!« sagte die Alte. »Ah, der ist schön, der ist ganz geschnitzt und hat rote Haare; sieh, wie klein er ist und hübsch.« – »Wo ist denn nun der Goliath?« sagte Meister; »der wird doch nun auch kommen.« – »Der ist noch nicht fertig.« sagte die Alte. »Das muß ein Meisterstück werden. Wenn’s nur erst alles fertig ist. Das Theater macht mir der Konstabler-Lieutenant fertig, mit seinem Bruder; und hinten zum Tanz, da sind Schäfer und Schäferinnen, Mohren und Mohrinnen, Zwerge und Zwerginnen, es wird recht hübsch werden! Laß es nur gut sein, und sag’ zu Hause nichts davon und mach’ nur, daß dein Wilhelm nicht hergelaufen kommt; der wird eine rechte Freude haben, denn ich denk’s noch, wie ich ihn die letzte Messe ins Puppenspiel schickte, was er mir alles erzählt hat, und wie er’s begriffen hat.« – »Sie gibt sich zu viel Mühe«, sagte Meister, indem er nach der Türe griff. – »Wenn man sich um der Kinder willen keine Mühe gäbe, wie wärt ihr groß geworden?« sagte die Großmutter.

Die Magd nahm ein Licht und führt’ ihn hinunter. –

***

Der Christabend nahte heran in seiner vollen Feierlichkeit. Die Kinder liefen den ganzen Tag herum und standen am Fenster, in ängstlicher Erwartung, daß es nicht Nacht werden wollte. Endlich rief man sie, und sie traten in die Stube, wo jedem sein wohlerleuchtetes Anteil zu höchstem Erstaunen angewiesen ward. Jeder hatte von dem Seinigen Besitz genommen und war nach einem Zeitlang Angaffen im Begriff, es in eine Ecke und in seine Gewahrsam zu bringen, als ein unerwartetes Schauspiel sich vor ihren Augen auftat. Eine Tür, die aus einem Nebenzimmer hereinging, öffnete sich, allein nicht wie sonst zum Hin- und Widerlaufen; der Eingang war durch eine unerwartete Festlichkeit ausgefüllt, ein grüner Teppich, der über einem Tisch herabhing, bedeckte fest angeschlossen den untern Teil der Öffnung, von da auf baute sich ein Portal in die Höhe, das mit einem mystischen Vorhang verschlossen war, und was von da auf die Türe noch zu hoch sein mochte, bedeckte ein Stück dunkelgrünes Zeug und beschloß das Ganze. Erst standen sie alle von fern, und wie ihre Neugierde größer wurde, um zu sehen, was Blinkendes sich hinter dem Vorhang verbergen möchte, wies man jedem sein Stühlchen an und gebot ihnen freundlich, in Geduld zu warten. Wilhelm war der einzige, der in ehrerbietiger Entfernung stehen blieb und sich’s zwei-, dreimal von seiner Großmutter sagen ließ, bis er auch sein Plätzchen einnahm. So saß nun alles und war still, und mit dem Pfiff rollte der Vorhang in die Höhe und zeigte eine hochrot gemalte Aussicht in den Tempel. Der Hohepriester Samuel erschien mit Jonathan, und ihre wechselnden Stimmen vergeisterten ganz ihre kleinen Zuschauer. Endlich trat Saul auf in großer Verlegenheit über die Impertinenz, womit der schwerlötige Kerl ihn und die Seinigen ausgefordert hatte – wie wohl ward’s da unserm Wilhelm, der alle Worte abpaßte und bei allem zugegen war, als der zwerggestaltete, raupigte Sohn Isai mit seinem Schäferstab und Hirtentasche und Schleuder hervortrat und sprach: »Großmächtigster König und Herr Herr! Es entfalle keinem der Mut um dessentwillen; wenn Ihro Majestät mir erlauben wollen, so will ich hingehen und mit dem gewaltigen Riesen in den Streit treten.« Dieser Actus endigte sich. Die übrigen Kleinen waren alle vergackelt, Wilhelm allein erwartete das Folgende und sann drauf; er war unruhig, den großen Riesen zu sehen, und wie alles ablaufen würde.

Der Vorhang ging wieder auf. David weihte das Fleisch des Ungeheuers den Vögeln unter dem Himmel und den Tieren auf dem Felde. Der Philister sprach Hohn, stampfte viel mit beiden Füßen, fiel endlich wie ein Klotz und gab der ganzen Sache einen herrlichen Ausschlag. Wie dann nachher die Jungfrauen sungen: »Saul hat tausend geschlagen, David aber zehentausend«, und der Kopf des Riesen vor dem kleinen Überwinder hergetragen wurde und er davor die schöne Königstochter zur Gemahlin kriegte, verdroß es Wilhelmen doch bei aller Freude, daß der Glücksprinz so zwergenmäßig gebildet wäre. Denn nach der Idee vom großen Goliath und kleinen David hatte die liebe Großmutter nichts verfehlt, um beide recht charakteristisch zu machen. Die dumpfe Aufmerksamkeit der übrigen Geschwister dauerte ununterbrochen fort, Wilhelm aber geriet in eine Nachdenklichkeit, darüber er das Ballett von Mohren und Mohrinnen, Schäfern und Schäferinnen, Zwergen und Zwerginnen nur wie im Schatten vor sich hingaukeln sah. Der Vorhang fiel zu, die Türe schloß sich, und die ganze kleine Gesellschaft war wie betrunken taumelnd und begierig, ins Bett zu kommen; nur Wilhelm, der aus Gesellschaft mitmußte, lag allein, dunkel über das Vergangene nachdenkend, unbefriedigt in seinem Vergnügen, voller Hoffnungen, Drang und Ahndung.

»Schelten Sie das Puppenspiel nicht«

Als Wilhelm seine Mutter des andern Morgens begrüßte, eröffnete sie ihm, daß der Vater sehr verdrießlich sei und ihm den täglichen Besuch des Schauspiels nächstens untersagen werde. »Wenn ich gleich selbst«, fuhr sie fort, »manchmal gern ins Theater gehe, so möchte ich es doch oft verwünschen, da meine häusliche Ruhe durch deine unmäßige Leidenschaft zu diesem Vergnügen gestört wird. Der Vater wiederholt immer, wozu es nur nütze sei, wie man seine Zeit nur so verderben könne.«

»Ich habe es auch schon von ihm hören müssen«, versetzte Wilhelm, »und habe ihm vielleicht zu hastig geantwortet; aber um ’s Himmels willen, Mutter! ist denn alles unnütz, was uns nicht unmittelbar Geld in den Beutel bringt, was uns nicht den allernächsten Besitz verschafft? Hatten wir in dem alten Hause nicht Raum genug? und war es nötig, ein neues zu bauen? Verwendet der Vater nicht jährlich einen ansehnlichen Teil seines Handelsgewinnes zur Verschönerung der Zimmer? Diese seidenen Tapeten, diese englischen Mobilien, sind sie nicht auch unnütz? Könnten wir uns nicht mit geringeren begnügen? Wenigstens bekenne ich, daß mir diese gestreiften Wände, diese hundertmal wiederholten Blumen, Schnörkel, Körbchen und Figuren einen durchaus unangenehmen Eindruck machen. Sie kommen mir höchstens vor wie unser Theatervorhang. Aber wie anders ist’s, vor diesem zu sitzen! Wenn man noch so lange warten muß, so weiß man doch, er wird in die Höhe gehen, und wir werden die mannigfaltigsten Gegenstände sehen, die uns unterhalten, aufklären und erheben.«

»Mach’ es nur mäßig«, sagte die Mutter, »der Vater will auch abends unterhalten sein; und dann glaubt er, es zerstreue dich, und am Ende trag’ ich, wenn er verdrießlich wird, die Schuld. Wie oft mußte ich mir das verwünschte Puppenspiel vorwerfen lassen, das ich euch vor zwölf Jahren zum heiligen Christ gab, und das euch zuerst Geschmack am Schauspiele beibrachte.«

»Schelten Sie das Puppenspiel nicht, lassen Sie sich Ihre Liebe und Vorsorge nicht gereuen! Es waren die ersten vergnügten Augenblicke, die ich in dem neuen leeren Hause genoß; ich sehe es diesen Augenblick noch vor mir, ich weiß, wie sonderbar es mir vorkam, als man uns, nach Empfang der gewöhnlichen Christgeschenke, vor einer Türe niedersitzen hieß, die aus einem andern Zimmer hereinging. Sie eröffnete sich; allein nicht wie sonst zum Hin- und Widerlaufen, der Eingang war durch eine unerwartete Festlichkeit ausgefüllt. Es baute sich ein Portal in die Höhe, das von einem mystischen Vorhang verdeckt war. Erst standen wir alle von ferne, und wie unsere Neugierde größer ward, um zu sehen, was wohl Blinkendes und Rasselndes sich hinter der halb durchsichtigen Hülle verbergen möchte, wies man jedem sein Stühlchen an und gebot uns, in Geduld zu warten.

So saß nun alles und war still; eine Pfeife gab das Signal, der Vorhang rollte in die Höhe und zeigte eine hochrot gemalte Aussicht in den Tempel. Der Hohepriester Samuel erschien mit Jonathan, und ihre wechselnden wunderlichen Stimmen kamen mir höchst ehrwürdig vor. Kurz darauf betrat Saul die Szene, in großer Verlegenheit über die Impertinenz des schwerlötigen Kriegers, der ihn und die Seinigen herausgefordert hatte. Wie wohl ward es mir daher, als der zwerggestaltete Sohn Isai mit Schäferstab, Hirtentasche und Schleuder hervorhüpfte und sprach: ›Großmächtigster König und Herr Herr! es entfalle keinem der Mut um deswillen; wenn Ihro Majestät mir erlauben wollen, so will ich hingehen und mit dem gewaltigen Riesen in den Streit treten.‹ – Der erste Akt war geendet und die Zuschauer höchst begierig, zu sehen, was nun weiter vorgehen sollte; jedes wünschte, die Musik möchte nur bald aufhören. Endlich ging der Vorhang wieder in die Höhe. David weihte das Fleisch des Ungeheuers den Vögeln unter dem Himmel und den Tieren auf dem Felde; der Philister sprach Hohn, stampfte viel mit beiden Füßen, fiel endlich wie ein Klotz und gab der ganzen Sache einen herrlichen Ausschlag. Wie dann nachher die Jungfrauen sangen: ›Saul hat tausend geschlagen, David aber zehntausend!‹, der Kopf des Riesen vor dem kleinen Überwinder hergetragen wurde, und er die schöne Königstochter zur Gemahlin erhielt, verdroß es mich doch bei aller Freude, daß der Glücksprinz so zwergmäßig gebildet sei. Denn nach der Idee vom großen Goliath und kleinen David hatte man nicht verfehlt, beide recht charakteristisch zu machen. Ich bitte Sie, wo sind die Puppen hingekommen? Ich habe versprochen, sie einem Freunde zu zeigen, dem ich viel Vergnügen machte, indem ich ihn neulich von diesem Kinderspiel unterhielt.«

»Es wundert mich nicht, daß du dich dieser Dinge so lebhaft erinnerst; denn du nahmst gleich den größten Anteil daran. Ich weiß, wie du mir das Büchlein entwendetest und das ganze Stück auswendig lerntest; ich wurde es erst gewahr, als du eines Abends dir einen Goliath und David von Wachs machtest, sie beide gegeneinander perorieren ließest, dem Riesen endlich einen Stoß gabst und sein unförmliches Haupt auf einer großen Stecknadel mit wächsernem Griff dem kleinen David in die Hand klebtest. Ich hatte damals so eine herzliche mütterliche Freude über dein gutes Gedächtnis und deine pathetische Rede, daß ich mir sogleich vornahm, dir die hölzerne Truppe nun selbst zu übergeben. Ich dachte damals nicht, daß es mir so manche verdrießliche Stunde machen sollte.«

»Lassen Sie sich’s nicht gereuen«, versetzte Wilhelm, »denn es haben uns diese Scherze manche vergnügte Stunde gemacht.«

Und mit diesem erbat er sich die Schlüssel, eilte, fand die Puppen und war einen Augenblick in jene Zeiten versetzt, wo sie ihm noch belebt schienen, wo er sie durch die Lebhaftigkeit seiner Stimme, durch die Bewegung seiner Hände zu beleben glaubte. Er nahm sie mit auf seine Stube und verwahrte sie sorgfältig.

»Puppenspiele kutterbunt« – Catharina Elisabeth Goethe an Luise von Göchhausen

[Anfang Januar 1779.]

Dein guter Wunsch auf grün papier

Hat mir gemacht sehr viel pläsir,

Im Verse machen habe nicht viel gethan

Das sieht mann diesen Warlich an

Doch hab ich gebohren ein Knäbelein schön

Das thut das alles gar trefflich verstehn

Schreibt Puppenspiele kutterbunt

Tausend Allexandriner in einer Stund

Doch da derselbe zu dieser frist

Geheimdter Legations Rath in Weimar ist

So kan Er bey bewandten Sachen

keine Verse vor Frau Aja machen

Sonst solldest du wohl was bessers kriegen

jetzt mußt du dich hieran begnügen

Es mag also dabey verbleiben

Ich will meinen Danck in prosa schreiben

Ein Gaudium für Mutter Aja – Catharina Elisabeth Goethe an Johann Wolfgang Goethe

den 19ten Jenner 1795

Lieber Sohn!

Den besten und schönsten Danck vor deinen Willhelm! Das war einmahl wieder vor mich ein Gaudium! Ich fühlte mich 30 Jahre jünger – sahe dich und die andern Knaben 3 Treppen hoch die preparatoien zum Puppenspiel machen – sahe wie die Elise Bethmann brügel vom ältesten Mors kriegte u.d.m. Könte ich dir meine Empfindungen so klahr darstellen – die ich empfand – du würdest froh und frölig seyn – deiner Mutter so einen vergnügten Tag gemacht zu haben […]

Weihnachtspuppen und Gespenster – Johanna Schopenhauer an Arthur Schopenhauer

5. Januar 1807