Weltraumkapitäne und Lebenssammler: 6 Science Fiction Romane - Alfred Bekker - E-Book

Weltraumkapitäne und Lebenssammler: 6 Science Fiction Romane E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romane: (499XE) Alfred Bekker: Ein Raumkapitän der Qriid Alfred Bekker: Commander der STERNENKRIEGER Alfred Bekker: Die abgelegene Sternenstadt Wilfried A. Hary: Die letzte Schlacht Wilfried A. Hary: Re-na-xerv Wilfried A. Hary: Sammler des Lebens Das Randall-Team soll in das Paralleluniversum, um die Gefahr durch die San-dir-umer abzuwenden. Denn San-dir-um hat die Technik entwickelt, Weltentore zu entdecken – und zu nutzen. Damit könnten sie jederzeit in unserer Heimatgalaxis auftauchen, um alles humanoide Leben hier für immer auszulöschen. Also nicht nur die Kyphorer, sondern auch die Menschheit! Weil sie alles Humanoide wie nichts sonst hassen, ausgelöst durch den ständigen Konflikt mit Gro-pan. Sie sagen zu und nehmen auch noch Rotnem mit an Bord, den Kyborg aus der Prupper-Galaxie, dessen Geschichte sie inzwischen auch kennen.

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Wilfried A. Hary, Alfred Bekker

Weltraumkapitäne und Lebenssammler: 6 Science Fiction Romane

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Inhaltsverzeichnis

Weltraumkapitäne und Lebenssammler: 6 Science Fiction Romane

Copyright

Ein Raumkapitän der Qriid

Commander der STERNENKRIEGER

Die abgelegene Sternenstadt

Die letzte Schlacht

Re-na-xerv

Sammler des Lebens

Weltraumkapitäne und Lebenssammler: 6 Science Fiction Romane

Wilfried A. Hary, Alfred Bekker

Dieser Band enthält folgende Romane:

Alfred Bekker: Ein Raumkapitän der Qriid

Alfred Bekker: Commander der STERNENKRIEGER

Alfred Bekker: Die abgelegene Sternenstadt

Wilfried A. Hary: Die letzte Schlacht

Wilfried A. Hary: Re-na-xerv

Wilfried A. Hary: Sammler des Lebens

Das Randall-Team soll in das Paralleluniversum, um die Gefahr durch die San-dir-umer abzuwenden. Denn San-dir-um hat die Technik entwickelt, Weltentore zu entdecken – und zu nutzen. Damit könnten sie jederzeit in unserer Heimatgalaxis auftauchen, um alles humanoide Leben hier für immer auszulöschen. Also nicht nur die Kyphorer, sondern auch die Menschheit! Weil sie alles Humanoide wie nichts sonst hassen, ausgelöst durch den ständigen Konflikt mit Gro-pan.

Sie sagen zu und nehmen auch noch Rotnem mit an Bord, den Kyborg aus der Prupper-Galaxie, dessen Geschichte sie inzwischen auch kennen.

Copyright

COVER WOLFGANG SIGL

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

Ein Raumkapitän der Qriid

von Alfred Bekker

Commander Reilly #17:

Chronik der Sternenkrieger

Science Fiction Roman von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 126 Taschenbuchseiten.

Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, Jack Raymond, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Übersicht über die Serie “Chronik der Sternenkrieger”

in chronologischer Reihenfolge

Einzelfolgen:

Commander Reilly 1: Ferne Mission (Handlungszeit 2234)

Commander Reilly 2: Raumschiff STERNENKRIEGER im Einsatz

Commander Reilly 3: Commander im Niemandsland

Commander Reilly 4: Das Niemandsland der Galaxis

Commander Reilly 5: Commander der drei Sonnen

Commander Reilly 6: Kampf um drei Sonnen

Commander Reilly 7: Commander im Sternenkrieg

Commander Reilly 8: Kosmischer Krisenherd

Commander Reilly 9: Invasion der Arachnoiden

Commander Reilly 10: Das Imperium der Arachnoiden

Commander Reilly 11: Verschwörer der Humanen Welten

Commander Reilly 12: Commander der Humanen Welten

Commander Reilly 13: Einsatzort Roter Stern

Commander Reilly 14: Im Licht des Roten Sterns

Commander Reilly 15: Die Weisen vom Sirius

Commander Reilly 16: Die Flotte der Qriid

Commander Reilly 17: Ein Raumkapitän der Qriid

Commander Reilly 18: Commander der Sternenkrieger

Commander Reilly 19: Eine Kolonie für Übermenschen

Commander Reilly 20: Kampfzone Tau Ceti

Commander Reilly 21: Prophet der Verräter

Commander Reilly 22: Einsamer Commander

Terrifors Geschichte: Ein Space Army Corps Roman (Handlungszeit 2238)

Erstes Kommando: Extra-Roman (Handlungszeit 2242)

Erster Offizier: Extra-Roman (Handlungszeit 2246)

Chronik der Sternenkrieger 1 Captain auf der Brücke (Handlungszeit 2250)

Chronik der Sternenkrieger 2 Sieben Monde

Chronik der Sternenkrieger 3 Prototyp

Chronik der Sternenkrieger 4 Heiliges Imperium

Chronik der Sternenkrieger 5 Der Wega-Krieg

Chronik der Sternenkrieger 6 Zwischen allen Fronten

Chronik der Sternenkrieger 7 Höllenplanet

Chronik der Sternenkrieger 8 Wahre Marsianer

Chronik der Sternenkrieger 9 Überfall der Naarash

Chronik der Sternenkrieger 10 Der Palast

Chronik der Sternenkrieger 11 Angriff auf Alpha

Chronik der Sternenkrieger 12 Hinter dem Wurmloch

Chronik der Sternenkrieger 13 Letzte Chance

Chronik der Sternenkrieger 14 Dunkle Welten

Chronik der Sternenkrieger 15 In den Höhlen

Chronik der Sternenkrieger 16 Die Feuerwelt

Chronik der Sternenkrieger 17 Die Invasion

Chronik der Sternenkrieger 18 Planetarer Kampf

Chronik der Sternenkrieger 19 Notlandung

Chronik der Sternenkrieger 20 Vergeltung

Chronik der Sternenkrieger 21 Ins Herz des Feindes

Chronik der Sternenkrieger 22 Sklavenschiff

Chronik der Sternenkrieger 23 Alte Götter

Chronik der Sternenkrieger 24 Schlachtpläne

Chronik der Sternenkrieger 25 Aussichtslos

Chronik der Sternenkrieger 26 Schläfer

Chronik der Sternenkrieger 27 In Ruuneds Reich

Chronik der Sternenkrieger 28 Die verschwundenen Raumschiffe

Chronik der Sternenkrieger 29 Die Spur der Götter

Chronik der Sternenkrieger 30 Mission der Verlorenen

Chronik der Sternenkrieger 31 Planet der Wyyryy

Chronik der Sternenkrieger 32 Absturz des Phoenix

Chronik der Sternenkrieger 33 Goldenes Artefakt

Chronik der Sternenkrieger 34 Hundssterne

Chronik der Sternenkrieger 35 Ukasis Hölle

Chronik der Sternenkrieger 36 Die Exodus-Flotte (Handlungszeit 2256)

Chronik der Sternenkrieger 37 Zerstörer

Chronik der Sternenkrieger 38 Sunfrosts Weg (in Vorbereitung)

Sammelbände:

Sammelband 1: Captain und Commander

Sammelband 2: Raumgefechte

Sammelband 3: Ferne Galaxis

Sammelband 4: Kosmischer Feind

Sammelband 5: Der Etnord-Krieg

Sammelband 6: Götter und Gegner

Sammelband 7: Schlächter des Alls

Sammelband 8: Verlorene Götter

Sammelband 9: Galaktischer Ruf

Sonderausgaben:

Der Anfang der Saga (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando” und

Chronik der Sternenkrieger #1-4)

Im Dienst des Space Army Corps (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando”)

Druckausgabe (auch als E-Book):

Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #1 -12 (#1 enthält Terrifors Geschichte, Erstes Kommando und Captain auf der Brücke, die folgenden enthalten jeweils drei Bände und folgen der Nummerierung von Band 2 “Sieben Monde” an.)

Ferner erschienen Doppelbände, teilweise auch im Druck.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

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Prolog

Gott aber sprach zum Ersten Aarriid: Du sollst mein Stellvertreter sein und in meinem Namen den Gläubigen die Richtung zeigen. Herrsche über das Volk, dass ich erwählt habe, so wie ich dich erwählt habe.

Errichte die Göttliche Ordnung und sorge dafür, dass das zuletzt erwählte Volk nicht in gleicher Weise der Hybris erliegt wie mein zuerst erwähltes Volk, von dem nichts weiter als der Staub einer verblassenden Erinnerung blieb und das mahnende Gedenken an ihre Fehlbarkeit.

Und da sandte der Erste Aarriid die siebzehn Krieger aus, die man später die siebzehn Heiligen nennen sollte und schickte sie in die Fremde.

Und die Kraft des Glaubens verwandelte siebzehn Krieger in siebzehn Heere, und sie begannen die Heiden zu erschlagen, sodass Ströme ihres Blutes die großen Wasser färbten.

Doch der Erste Aarriid erkannte die Gefahr. Er sah die Hybris in den Taten jener, die er geschickt hatte und er begriff die Prüfung, die ihm gestellt wurde.

Und so rief er die siebzehn Heiligen zurück und sprach zu ihnen: Will Gott einen Kosmos, der einer Totenstätte gleicht? Der Heide ist der Spiegel des Gläubigen. Lass ihn deshalb am Leben, wenn er die Göttliche Ordnung nicht gefährdet.

Aus den Schriften des Ersten Aarriid

Gott ist ewig. Der Krieg muss es nicht sein.

Worte des Predigers Ron-Nertas

Ich stamme von Second Earth, auch bekannt als Tau Ceti III. Der vierte Planet des Systems trägt den Namen Gnome und ist heute eine Sperrzone. Viele denken, dass wir die Guten in diesem interstellaren Krieg sind, der zurzeit zwischen Menschen und Qriid tobt. Viele wollen die jüngere Geschichte Tau Cetis am liebsten totschweigen. Und das hat seinen Grund, denn wer immer sich auch näher damit beschäftigt, wird am Ende der qriidischen Auffassung, nach der die Menschheit aus Barbaren besteht, nur zustimmen können.

Als ich Tau Ceti verließ, dachte ich eigentlich nicht daran, jemals wieder hierher zurückzukehren.

Mein Job als Schiffsarzt der STERNENKRIEGER brachte es dann mit sich, dass ich Jahre später doch wieder diesen gelben Zwilling der irdischen Sonne vor mir auf dem Panorama-Schirm sah. Ich war wie versteinert und die Erinnerungen drängten sich mir auf wie finstere Alpträume.

Dr. Miles Rollins, Schiffsarzt des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER

Erstes Kapitel: Nirat-Son, Sohn und Enkel von Nirat-Son

Mein Name ist Nirat-Son.

Der Name meines Vaters war Nirat-Son.

Und ebenso war dies der Name meines Großvaters.

Meine Eimutter hieß Eramée, was in der alten Sprache, die zur Zeit des Aarriid in Gebrauch war und in der seine Schriften verfasst wurden, nichts anderes bedeutete als Gewissheit.

Es gibt qriidische Gelehrte, die glauben, dass der Name der Eimutter eine schicksalhafte Bedeutung hat.

In meinem Fall kann das nicht zutreffen.

Ich habe stets nach Gewissheit gesucht, aber je länger ich sie suchte, desto weniger fand ich sie. Heute weiß ich, dass abgesehen von Gott und seinem Wort, das er uns durch den Ersten Aarriid vor langer Zeit gab, nichts gewiss ist, es sei denn, wir sorgen dafür, dass es sich erfüllt.

1

Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückblicke, so gibt es darin eine Konstante, wie sie jedem Gläubigen gut ansteht. Es ist die Suche nach Gott. Nach allem, was ich über meine Zeit bei den schnabellosen Heiden berichtet habe, mag man sich vielleicht wundern oder sogar auf die Idee kommen, dass ich mich ganz im Gegenteil, von der wärmenden Sonne mutwillig entfernt habe, die die Anwesenheit Gottes bedeutet. Eine Anwesenheit, die sich in vielen Dingen manifestiert. Vor allem aber in der Gemeinschaft der Gläubigen und in der Göttlichen Ordnung, die ein auserwähltes Volk dem Universum gibt, auf dass es nicht im Chaos der Unbewusstheit versinke.

Aber ehrlich gesagt, fühlte ich mich dem Glauben nie mehr verbunden als in jenen Jahren, die ich unter den Ungläubigen verbrachte. Die eigene Herkunft lernt man im Licht der Fremde um so stärker schätzen. Eine Weisheit, die schon der Erste Aarriid in seinen Schriften verkündet hat und der sich in meinem Leben zweifellos bewahrheitete.

2

„Du solltest zu den Seraif gehen, wie ich es tat“, sagte mein Onkel Feran-San, der Bruder meines Vaters. „Die Seraif sind eine Elite unter den Kämpfern des Glaubens. Allein ihnen anzugehören ist eine Ehre.“

„Später, Feran-San“, erwiderte ich, während wir auf einem der Balkone des Vierundzwanzigsten Turms der Krieger standen. Jemand, der nicht aus Qatlanor stammt, dieser heiligsten aller Städte, weiß vielleicht nicht, was ein Turm der Krieger ist, denn auf fast allen anderen Planeten unseres Heiligen Imperiums wird eine bodennähere Bauweise bevorzugt. Nicht so in Qatlanor, das auf der westlichen Hemisphäre unserer Urheimat Qriidia einen halben Kontinent ausfüllt. Und diese Stadt der Städte wächst noch immer. Allerdings gibt es eine Bergkette, die das Wachstum der Stadt eingrenzt.[Maßeinheiten sind in dieser Übersetzung aus dem Hoch-Qriidischen in irdische Maße umgerechnet worden.] Das Bauhindernis liegt dabei einerseits in der Tatsache begründet, dass manche dieser Höhen weiter als zehntausend Meter emporragen. Aber auch ein religiöses Tabu lässt die Stadtverwaltung davor zurückschrecken, wenigstens die tiefer gelegenen Hänge und Hochebenen zu besiedeln, denn die Priesterschaft vertritt die Ansicht, dass der gesamte Gebirgszug als Berg des Ersten Aarriid anzusehen ist.

Tatsache ist, dass sich heute nicht mehr feststellen lässt, auf welchem genau der Erste Aarriid die Gebote Gottes empfing und wo ihm verkündet wurde, der Anführer eines auserwählten Volkes zu sein, dessen Aufgabe es sei, die Göttliche Ordnung bis zu den Grenzen des Universums zu tragen. Da aber nicht gewiss ist, welcher dieser zahlreichen Berge nun als heilig anzusehen ist, so hat man kurzerhand, alle in Frage kommenden Höhen als heilig definiert. Das hat durchaus einen gewissen Sinn. Schließlich minimiert man auf diese Weise die Gefahr eines Frevels. So kann es nicht geschehen, dass wir die heiligste Stätte der gesamten Qriidheit schänden, ohne es auch nur zu ahnen, in dem wir ein profanes Gebäude errichten. Dagegen gibt es seit langem eine Opposition, die vor allem in der Stadtverwaltung von Qatlanor ihren Sitz hat. Im Laufe von Jahrtausenden hat sich der typische Baustil dieser Stadt auf diese Weise herausgebildet.

Man baut in die Höhe und nicht in die Breite, wie es sonst unserer Art entspräche.

Allerdings ist bereits absehbar, wann auch diese Bauweise uns vor theologische Probleme stellen wird. Schließlich reichen die Gebäude Qatlanors immer höher empor. Wie Stacheln ragen sie in den Himmel und es gibt immer mehr Schriftgelehrte und Würdenträger der Priesterschaft, die es als Frevel ansehen, wenn ein bestimmtes Maß überschritten wird.

Sie verweisen auf das zuerst erwählte Volk Gottes, die wir Sambano oder Sambana nennen. Jene Rasse, die das Universum beherrschte, goldene Artefakte hinterließ und ein technisches Verständnis besaß, von dem unsere Ingenieure nicht einmal zu träumen wagen. Aber sie erlagen der Hybris und jedes Gebäude, das zu weit in die Höhe ragt, hält uns selbst diese Gefahr immer vor Augen.

Immerhin gibt es Gesetze, die vorschreiben, dass die Wohntürme nicht höher sein dürfen, als die Tempel. Findige Stadtplaner sind allerdings einfach dazu übergegangen, im Laufe von Jahrhunderten, die Tempel immer weiter in die Höhe wachsen zu lassen. Vorgeblich zu Ehren Gottes, aber vielleicht auch deshalb, weil ein religiöses Tabu im Sinne einer effektiven Stadtplanung umgangen werden sollte.

Es kann manchmal nicht leicht sein, den Geboten Gottes und den Erfordernissen des unvollkommenen Kosmos gleichermaßen gerecht zu werden. Irgendwann werden Tempel und Wohntürme zu den Heiligen hinaufreichen. Ich weiß nicht, ob es je möglich sein wird, sie zu übertreffen. Aber Tatsache ist auch, dass sie wie Symbole jener Gefahr wirken, der schon einmal ein auserwähltes Volk erlag. Der Gefahr der Hybris nämlich. Der Gefahr, dass der Gläubige seine eigene Rolle im Kosmos überschätzt, dass er nicht mehr nur an Gott glaubt, sondern glaubt, selbst Gott zu sein.

Innerhalb der Menschheit gibt es viele, die so denken. Die ihr eigenes Urteil, ihre eigenen Bedürfnisse, die Entfaltung ihrer eigenen Individualität als höchstes Gut ansehen. Eine Gesellschaft von lauter selbsternannten Klein-Göttern fand ich unter den Heiden vor, von denen jeder einen Allmächtigkeitsanspruch stellte, der sich zumindest auf das eigene Schicksal beziehen sollte.

Natürlich konnte dieser Anspruch für so gut wie keinen dieser schnabellosen Narren erfüllt werden.

Aber ich schweife ab - bedingt durch den tiefen Eindruck, den meine Zeit als Austauschoffizier des Menschenschiffes STERNENKRIEGER hinterlassen hat. Aber darüber habe ich mich an anderer Stelle breit genug ausgelassen.

Die Ereignisse, über die ich berichten will, sind viele Jahre früher geschehen. Die Menschheit und das Heilige Imperium der Qriid standen sich feindlich gegenüber. Im Moment gibt es ein Bündnis zwischen ihnen, weil ein Prediger für den noch unmündigen Nachfolger des Aarriid regiert, der die Auffassung vertritt, dass der Heilige Krieg keineswegs ewig sein muss. Aber eins steht auch fest – irgendwann wird man ihn wieder aufnehmen müssen. Denn wir sind dazu auserwählt, dem Universum die göttliche Ordnung zu bringen. Es wird sich zeigen, wie die Menschheit sich dazu stellt. Ob sie ein Werkzeug der Göttlichen Ordnung oder des Chaos wird. Ich fürchte, es wird wieder Krieg geben. Irgendwann. Und es mag sein, dass ich dann jenen, die ich unter den Menschen als Freunde gewann, im Kampf gegenüberstehen würde.

Ich tat es schon einmal. Als Rekrut, als Raumkapitän, für kurze Zeit sogar als Mitglied der Seraif-Elite. Aber letzteres ist ein anderes Kapitel, über das ich jetzt nicht berichten möchte. Manches bleibt für immer verschlossen. Und das ist gut so.

Doch für anderes ist jetzt die Zeit da, es zu offenbaren.

Mein Ungeschick und meine mangelnde Begabung dabei möge man mir verzeihen.

Es werden andere kommen und es mir gleichtun, davon bin ich überzeugt.

Und sie werden aus meinen Fehlern lernen – auch davon bin ich überzeugt.

3

Die Menschheit ist ein Teil des Heidentums. Das vergesse ich nie, auch wenn ich nicht ohne Zuneigung über dieses Volk schreibe. Aber das bedeutet nicht, dass es unter ihnen nicht auch Religionen gäbe, auch wenn ihre Kraft und ihr theologisches Niveau vielleicht nicht mit der jahrtausendealten Hochkultur unserer eigenen Theologie vergleichbar sind.

Auch wenn der Materialismus unter den Menschen vorherrscht, so haben sich doch Gruppen erhalten, die ebenfalls an Gott glauben, auch wenn sie ihn nicht auf dem richtigen Weg suchen, ihn falsch verstehen. Aber für Wesen, die von Gott nicht auserwählt wurden, sind diese spirituellen Bemühungen schon ganz beachtlich.

Zumindest in einem Punkt könnten wir vielleicht von ihnen lernen. Sie billigen dem Schicksal des Einzelnen ein stärkeres Gewicht zu und entfalten genau daraus die Kraft ihrer zugegebenermaßen primitiven religiösen Vorstellungen.

Vielleicht hat unser Glaube diese Kraftquelle allzu lange übersehen…

Ich weiß, dass dieser Satz für manche schon an Häresie grenzt und erst die Machtübernahme des Predigers Ron-Nertas machte es überhaupt möglich, ihn gefahrlos zu formulieren und abzuspeichern – scheint er doch ganz auf dessen Linie zu liegen.

Aber ich würde auch den Konservativen unter uns anraten, darüber zumindest nachzudenken. Jene Konservativen, zu denen ich mich selbst auch rechne, denn ich habe keineswegs die Beendigung des Krieges begrüßt und wäre durchaus glücklicher unter der direkten Herrschaft des Aarriid zu leben anstatt unter der eines Predigers, der für den Moment vielen kriegsmüden Kriegern aus dem Herzen gesprochen haben mag – der aber meiner Ansicht nach auf Dauer die Bestimmung unseres Volkes verrät.

Eine Bestimmung, die wir uns nicht selbst ausgesucht haben.

Eine Bestimmung, die uns vom höchsten auferlegt wurde.

Das Schicksal der Sambano sollte uns eine Warnung sein, was jenen geschieht, die sich dieser Bestimmung zu entziehen versuchen. Unter den Menschen nennt man sie die „Alten Götter“. Eine passende Bezeichnung, auch wenn sie ursprünglich nicht von Menschen, sondern von den fischähnlichen Intelligenzen des Tardelli-Systems [irdische Bezeichnung auch im Original. Man kann ihre Verwendung als sprachliches Indiz dafür sehen, wie sehr ihn die relativ kurze Zeit, die er unter Menschen verbrachte, doch geprägt hat. – Der Übersetzer.], die sich selbst Fash’rar nennen, stammt.

Die Sambano wollten selbst Götter sein und wurden vom Antlitz des Universums getilgt wie Geschmeiß. Überall sind ihre Hinterlassenschaften noch zu sehen. Golden wie glitzernder Tand, so wirken diese Artefakte, die schon auf so mancher Welt entdeckt wurden, die man dem Imperium eingliederte. Die Menschheit jagt dem Rätsel nach, das diese „Alten Götter“ für sie darstellen. Sie begreifen ihr Vorhandensein in fernster Vergangenheit nicht als einen Aufruf zur Demut, sondern als eine Anstachelung ihrer eigenen Hybris, was ihre sittliche Minderwertigkeit beweist.

„Du solltest den Weg des Kriegers gehen“, sagte mein Onkel in jenem Augenblick zu mir, als wir auf dem Balkon des Wohnturms standen und in Richtung der heiligen Berge blickten.

Er hatte mir das schon so oft gesagt. An die meisten Gelegenheiten erinnere ich mich gar nicht mehr, so häufig geschah dies. Eigentlich immer dann, wenn er von seinen Einsätzen in den heimatlichen Wohnturm in Qatlanor zurückkehrte.

In meiner Jugendzeit hatte er mich damit gequält. Später, als ich selbst Tanjaj wurde, überschnitten sich unsere Urlaubszeiten Gott sei Dank nicht mehr so oft.

An diesen Moment auf dem Balkon und im Angesicht des heiligen Gebirges erinnere ich mich deshalb so genau, weil es das erste Mal war, dass ich es wagte, in offen zu widersprechen.

„Genau das tue ich doch“, sagte ich. Und konnte dabei nicht verhindern, dass sich meine Schnabelhälften zunächst geräuschvoll aneinander rieben und sich meiner Kehle ein glucksender, gurgelnder Laut entrang. Damals war ich jung und unerfahren. Heute habe ich gelernt, solche Laute zu unterdrücken, da sie meine menschlichen Gesprächspartner stets irritierten. Das Fehlen dieser Laute – oder doch ihre merkliche Reduktion auf ein absolut unvermeidbares Maß – irritiert im Übrigen jetzt, nach meiner Rückkehr, häufig qriidische Gesprächspartner. Die Menschen würden das eine Ironie nennen. Aber was man darunter versteht, werde ich an anderer Stelle erläutern, damit man mir nicht vorwirft, von der Hauptsache abzuschweifen. Jeder, der dies so empfindet, mag mir allerdings zu Gute halten, dass ich nicht darin geübt bin, das, was mich persönlich bewegt, zu formulieren und abzuspeichern. Niemand ist darin geübt, denn unsere Schriften beschäftigen sich mit vielen Dingen. Mit theologischen Problemen, mit der Suche nach Gott, mit der Errichtung der göttlichen Ordnung und damit, wie mit Ketzern zu verfahren ist oder wie sich der Eifer eines Ketzers von dem Eifer eines Rechtgläubigen abgrenzt.

Aber wie ich schon einmal erwähnte, hat die persönliche Befindlichkeit, das ganz auf den Einzelnen bezogene Erlebnis, bisher kaum Platz in den Aufzeichnungen unseres Volkes gehabt.

Wie hätte es auch anders sein können?

Was ist schon persönliches Schicksal, ein persönlicher Gedanke, ein persönliches Glück oder Unglück gegenüber dem Gelingen oder Scheitern jener gewaltigen Aufgabe, die den Qriid aufgebürdet wurde? Verblasst dagegen nicht alles andere? Wie kann jemand, dessen Bestimmung es ist, die göttliche Ordnung des Kosmos zu errichten, sich darüber viele Gedanken machen, welches Glück oder Unglück die Verbindung mit einer bestimmten Eierlegerin bedeuten kann?

Ich habe dem Drängen eines Onkels später nachgegeben und bin tatsächlich den Seraif für kurze Zeit beigetreten. Das Motiv dafür dürfte nicht allein die Tiefe des Glaubens gewesen sein.

Ich bin Realist genug, um das zu erkennen.

Es war wohl mindestens ebenso sehr dem Drang geschuldet, etwas Besonderes vollbringen zu wollen. Ein Drang, der mich in einer bestimmten Phase meines Lebens stärker erfasste, als es nach den Maximen des Glaubens eigentlich sein sollte.

Die Menschheit hat ein paar interessante Theorien zu diesem Thema entwickelt und ich muss gestehen, dass ich darin nicht nur mich selbst, sondern auch das Schicksal vieler anderer Qriid gespiegelt sah. Es erstaunte mich zudem, wie ähnlich sich unsere Spezies dann bei aller sonstigen Verschiedenheit doch erwiesen, was in mir kurzzeitig die Frage aufwarf, was es wohl sein mochte, dass Gott dazu bewegt hatte, ausgerechnet mein Volk zum Auserwählten zu machen.

Oft habe ich mit Bruder Guillermo, einem Mitglied des Wissenschaftlerordens der Olvanorer über diese Theorien gesprochen, die von Menschen wie Sigmund Freud oder Alfred Adler erfunden und von anderen ausdifferenziert und weiterentwickelt wurden. So vertrat Adler die These, dass ein Gefühl der Minderwertigkeit das Handeln motiviert. Die Minderwertigkeit Einzelner gegenüber anderen Einzelnen ebenso wie das Gefühl der Minderwertigkeit von Gruppen oder Völkern gegenüber anderen Gruppen oder Völkern.

„Das stärkste Minderwertigkeitsgefühl empfindet das Individuum aber gegenüber dem Kosmos selbst“, so erläuterte mir der Mönch einmal. „Adler sah darin den Ursprung der Religion.“

„Wie können Sie so etwas sagen, wo Sie doch selbst ein Mann des – wenn auch in wesentlichen Punkten falschen – Glaubens sind“, fuhr ich ihn damals an und machte dabei so viele unbeabsichtigte Nebengeräusche, dass er wahrscheinlich große Mühe hatte, mich zu verstehen.

Allerdings haben die Olvanorer-Mönche in dieser Hinsicht ein besonderes Talent, so dass mir die Peinlichkeit erspart blieb, meine Worte zu wiederholen und neu zu ordnen.

„Adler war gewiss ein Atheist“, sagte Bruder Guillermo. „Aber das würde mich niemals davon abhalten, daran die Wahrheit oder Unwahrheit seiner Theorien zu bemessen.“ Er lächelte damals. Die Menschen verstehen darunter eine bestimmte Bewegung der Muskulatur um ihre Ess- und Sprechöffnung. Diese Zuckungen werden für non-verbale Äußerungen benutzt, die ich mich die ganze Zeit, da ich unter Menschen gelebt habe, immer bemühte, richtig zu verstehen. Es gelang mir nicht immer, aber im Laufe der Zeit immer besser. So erkannte ich unter anderem irgendwann, dass ein Lächeln nicht nur dazu benutzt wird, eine freundliche Stimmung gegenüber dem Gesprächspartner auszudrücken, sondern auch dazu, eine unfreundliche Haltung zu verbergen. Doch ich will an dieser Stelle niemanden mit den Feinheiten dessen langweilen, was die Menschen Mimik nennen und was letztlich nichts anderes als ein Konvolut von non-verbalen Sub-Botschaften darstellt, die das Gesagte relativieren oder seine Bedeutung ins Gegenteil verkehren können. Das ein solches Volk in seiner eigenen Geschichte auf zahlreiche folgenschwere diplomatische Fehler und Missverständnisse zurückblickt, dürfte auf der Hand liegen und ich habe immer wieder versucht, darauf hinzuwirken, dass bei diplomatischen Kontakten auf die schriftliche Form Wert gelegt wird. Denn dabei entfällt dieser verwirrende und teilweise widersprechende Informationsanteil.

Andererseits – wenn man darin wirklich zu lesen versteht, kann man die geheimen und wahren Absichten des Gesprächspartners in einer Weise erkennen, wie es keinem Qriid möglich wäre. Die Olvanorer sind wahrscheinlich die vollkommensten Meister im Lesen dieser Sub-Botschaften. Sie sind sogar so gut darin, dass viele Menschen von ihnen den Eindruck haben, sie könnten Gedanken lesen.

Das können sie nicht, wie mir mein olvanorischer Gesprächspartner stets versicherte.

Sie können Gedanken und Emotionen stattdessen im Gesicht des Gegenübers sehen.

Nur die Tatsache, dass ein schnabelbewehrtes Qriid-Gesicht zwar von unvergleichlicher Schönheit sein kann – aber doch in der Regel recht starr ist, verhalf mir dazu, mich mit Bruder Guillermo unbefangen unterhalten zu können.

4

Was nun meinen Onkel Feran-San betrifft, so glaube ich heute, dass er fast ein Paradebeispiel ist für die Theorie vom Minderwertigkeitsgefühl.

Denn Feran-San fühlte sich minderwertig.

Sein Eivater hatte meinem Vater den Namen weitervererbt und ihn Nirat-Son genannt und ich hatte die Ehre diesen Namen weiter zu tragen. Diese Entscheidung traf sein Eivater – mein Eigroßvater – bevor das Gelege geschlüpft war.

Mit einem Scanner war bereits festgestellt worden, welchen der Eier des Geleges männliche oder weibliche Küken entschlüpfen würden. Das vor dem Schlüpfen zu bestimmen war in jener Zeit in den Familien verdienter Kriege üblich gewesen. Später kamen unter den Tugendwächtern theologische Bedenken auf, die schließlich auch die Priesterschaft erfassten. Ich halte es aber auch für möglich, dass sich die Priesterschaft lediglich dieser populären Bewegung unter den Tugendwächtern bediente, um ihren eigenen Einfluss zu stärken.

Vor Gott sind alle Qriid gleich, so heißt es in den Schriften des Ersten Aarriid. Das dies nur ein Ideal sein kann, dem man nachfolgt, liegt auf der Krallenhand. Denn schon Gott hat die Begabungen unter den Seinen nicht gleichmäßig verteilt, so wie er auch nicht jedes Volk gleichermaßen für würdig gefunden hatte, zur Errichtung seiner Ordnung beizutragen. Aber wer immer eine zu große Ungleichheit anprangert, wird damit im Volk Gehör finden, denn die Überzeugung, dass die Unterschiede in sozialer Hinsicht nicht allzu groß sein sollten, ist in unserem Volk weit verbreitet. Übrigens liegt darin auch ein erheblicher Unterschied zu dem, was ich unter den Menschen erlebte. Sie nehmen Unterschiede in Status und Besitz hin, die Qriid nicht akzeptieren würden.

5

Wie auch immer, Feran-San hatte offenbar den Makel ausgleichen müssen, dass nicht er den Namen seines Eivaters geerbt hatte, sondern sein Bruder – mein Vater. Daher war er stets bestrebt, meinen Eivater in allem zu übertreffen, was nicht ganz leicht war. Mein Vater war ebenso wie mein Großvater erfolgreicher Raumschiffkommandant in den Diensten der Tanjaj. Beide kommandierten Schiffe, die an wichtigen Operationen teilnahmen. Feran-San musste dies übertreffen. Und er wollte meinem Eivater das Gefühl geben, dass auch ich ihn übertraf. Ein Seraif, der stärker im Glauben und höher in Gottes Ansehen wäre, als ein gewöhnlicher Tanjaj.

Ich weiß nicht, weshalb ich dem Drängen meines Onkels schließlich nachgab.

Vielleicht wurde ich aus demselben Grund Seraif wie er: Weil ich einem anderen, der denselben Namen trug wie ich und mein Eivater war, etwas beweisen musste.

Es ist erschreckend zu sehen, dass die menschlichen Denker, die etwas über das Minderwertigkeitsgefühl schrieben, ebenso gut Qriid wie Menschen gemeint haben könnten. Und das in einer Zeit, in der das Menschenvolk seinen Planeten noch nicht einmal verlassen hatten und seine Mathematik gerade weit genug war, um so simple Dinge wie die Relativitätstheorie zu erfassen.

6

„Ich freue mich, dass du jetzt dein eigenes Kommando bekommst“, sagte mein Eivater. „Dazu kann man dich nur beglückwünschen.“

„Danke“, sagte ich.

Die grauen Augen von Nirat-Son dem Älteren ruhten auf mir. Und seine Schnabelhälften erzeugten ein schabendes Geräusch.

„Wirst du mit mir zusammen die Reinigungszeremonie im Tempel durchführen?“, fragte ich.

„Natürlich.“ Ich spürte gleich, dass er mir noch etwas sagen wollte. Er zögerte und ich ahnte bereits, worauf es hinauslief. Schließlich sagte er: „Mein Eibruder könnte dir einen Posten bei den Seraif verschaffen.“

„Feran-San meint es sehr gut mit mir.“

„Ja, du kannst froh sein, dass du mit ihm verwandt bist.“

Ironie ist uns Qriid fremd. Ich lernte sie erst in meiner Zeit bei den Menschen wirklich kennen und es fiel mir schwer zu begreifen, weshalb es einer gelungenen Kommunikation dienen kann, etwas zu sagen und das Gegenteil zu meinen. All meinen menschlichen Lesern, die die diese Zeilen eines Tages aus dem Datennetz abrufen, kann ich also versichern, dass die Bemerkung meines Eivaters ganz sicher nicht ironisch gemeint war.

„Du hast nicht die Fähigkeiten, die man braucht, um den Seraif anzugehören“, sagte er.

Es war eine sachliche Feststellung, aber sie traf mich wie der Hieb mit einer Kampfklaue.

„Nicht einmal Feran-San würde mir das anbieten, wenn er der Meinung wäre, dass ich es nicht schaffen könnte.“

„Dann ist seine Einschätzung schlicht und ergreifend falsch. Du solltest zunächst Erfahrungen im regulären Flottendienst sammeln. Ein Tanjaj-Kommandant, so wie ich einer bin und dein Großvater…“

7

Menschen sind es gewohnt, Entscheidungen über ihr Leben weitgehend selbst zu treffen. Das gibt ihnen zumindest das Gefühl individueller Autonomie und selbst jene, die tief gläubig sind und den unter den Schnabellosen verbreiteten Kulten angehören, trauen den Mächten, an die sie glauben nicht einmal zu, dass sie es sind, die ihr Leben bestimmen und sie führen.

Das ist in der Tat ein fundamentaler Unterschied zwischen unseren Völkern und Kulturen.

Wir verlangen von unserem Gott, dass er mit unserer Hilfe die Ordnung im Kosmos etabliert – einem Kosmos, der von seiner Natur her eigentlich chaotisch, kalt und tot ist. Aber die göttliche Macht schafft es, dies ins Gegenteil zu verkehren.

Aber ein Qriid begibt sich demütig unter die Führung der höheren Macht, an die er glaubt. Er verzichtet darauf, die Illusion zu erzeugen, er sei der Herr seines Schicksals.

Das ist niemand.

Kein Mensch und kein Qriid.

Kein Gläubiger und kein Ungläubiger.

Den einen ist es nur bewusst, dass es so ist – den anderen nicht.

8

Ich kommandierte ein kleines Schiff und nahm an einer gewaltigen Raumschlacht teil, die am Rande eines Systems stattfand, dem die Menschen den Namen New Hope gegeben haben. Es liegt am äußeren Rand des Einflussgebietes, das von der Menschheit beansprucht wird. Innerhalb sehr kurzer Zeit gewannen die dortigen Kolonien großen Einfluss. Und zweifellos musste man New Hope als Ausgangspunkt für weitere Eroberungspläne der sogenannten Humanen Welten innerhalb des Niemandslandes sehen.

Die strategischen Gründe, fast die gesamte Schlagkraft der Flotte gegen dieses System zu wenden, lagen auf der Hand. Für uns wäre New Hope II ein hervorragender Ausgangspunkt für eine Eingliederung der Humanen Welten in die göttliche Ordnung des Heiligen Imperiums gewesen. Die industrielle Basis wäre vorhanden gewesen, um sehr schnell eine hervorragende und effektive Produktion von kriegswichtigen Produkten aller Art aufnehmen zu können.

Tatsache ist, dass diese Schlacht mit einem Ergebnis endete, das man allenfalls als ein Unentschieden betrachten konnte.

Ich vermute, jede der beiden sich bekämpfenden Seiten hat es gegenüber den eigenen Leuten als Sieg verkauft.

Das Verbiegen der Wahrheit im Dienst der Propaganda ist unter der gegenwärtigen menschlichen Gesellschaftsordnung zwar verpönt, aber ein oberflächlicher Blick in die Geschichte dieser Zivilisation (welch großes Wort für ein Sternenreich der Heiden!) zeigt, dass man in dieser Hinsicht in früheren Epochen weitaus weniger Skrupel kannte.

Mein Schiff wurde so stark beschädigt, dass ich im Rückblick gesehen froh sein kann, es damit überhaupt noch einmal zu einer qriidischen Werft geschafft zu haben.

Wir hatten furchtbare Verluste während der Schlacht um New Hope. Unsere Führung hat alle verfügbaren Kräfte in die Schlacht geworfen, um den Widerstand der Menschen und der mit ihnen verbündeten Xabo-Barbaren zu brechen.

Da unser Geheimdienst von inneren politischen Problemen wusste, die das Reich der Menschheit zu dieser Zeit erschütterten, glaubte man, dass der Zeitpunkt gekommen wäre, alles auf eine Karte zu setzen.

Die Humanen Welten schienen dem zu entsprechen, was man unter Menschen ein Kartenhaus nennt.

Aber wir täuschten uns. Der Widerstand war überraschend stark und vielleicht überschätzten auch manche innerhalb der militärischen Hierarchie die Probleme, die der Nachschub über weite Distanzen verursachen kann.

Wir überwanden schließlich das sogenannte Niemandsland zwischen den äußersten Grenzen des Heiligen Imperiums und dem Außenbereich des Menschen-Reichs. In der Vergangenheit hatten wir dort unsere Grenze nach und nach erweitert, aber da es keine wirklich nennenswerten Machtfaktoren mehr innerhalb dieses Gebietes gab, entschloss man sich, den Hauptfeind dieses Sektors auszuschalten und die Eroberung der im Niemandsland gelegenen Systeme in eine spätere Zeit der Konsolidierung zu verschieben.

Ein Fehler, wie man im Nachhinein sagen muss. Aber ich war nur ein kleiner Raumkommandant. Mein Schiff hieß KAMPFKRALLE und es gehörte der damals in unserer Flotte sehr verbreiteten Bal-Ten-Klasse an – benannt nach einem der Helden unserer Vorzeit. Bal-Ten war einer der siebzehn Heiligen, die der Erste Aarriid aussandte, um das Heilige Imperium zu gründen. Ein Vorbild im Glaubenseifer ist er bis heute. [Viele Jahre später unterhielt ich mich mit Bruder Guillermo über dieses Thema und er äußerte Zweifel daran, dass der Erste Aarriid und die siebzehn Heiligen historische Personen gewesen seien. Ich war sehr empört darüber, wie man die religiösen Vorbilder unseres Glaubens so verachten konnte. Allerdings erklärte mir Bruder Guillermo, dass selbst tiefgläubige irdische Theologen die Möglichkeit, dass die Texte über die eigenen Religionsstifter vielleicht nicht wörtlich, sondern auch als Ausdruck ihrer Entstehungszeit oder gleichnishaft zu verstehen sind, ernsthaft erörtern! Was für ein schwacher Glaube!, so dachte ich damals. Mittlerweile bin ich mir nicht sicher, ob diese Denkweise nicht auch ihre Vorteile hat. (Zusatz, der auf dem Originaldatenträger zunächst vom Autor wieder gelöscht und später durch die Rücksetz-Funktion rekonstruiert wurde. Später fügte der Autor eine entschärfte Fassung ein, löschte und rekonstruierte auch diese mehrfach. Die entschärfte Fassung fand schließlich Eingang in die im qriidischen Netz veröffentlichte Fassung. Für die Vorlage-Datei, der diese Übersetzung zu Grunde liegt, wählte der Verfasser dann wieder die ursprüngliche Version. Darin spiegelt sich zweifellos Nirat-Sons innere Zerrissenheit, was die angesprochenen Fragen angeht. – Der Übersetzer.)]

Schiffe der Bal-Ten-Klasse hatten etwa hundert Krieger Besatzung. Ich saß auf der Brücke im Sessel des Kommandanten und versuchte meiner Verantwortung gerecht zu werden. Vier Waffenoffiziere gab es an Bord von Schiffen der Bal-Ten-Klasse. Sie bedienten jeweils Strahlengeschütze von unterschiedlicher Größe und Stärke. Das stärkste Traser-Geschütz wurde vom Ersten Waffenoffizier bedient. Es gab da eine klarere Rangfolge, die in den Statuten der Tanjaj festgelegt war. Die taktische Entscheidungen traf jedoch der Kommandant, der sich – anders als ein Kommandant auf irdischen Schiffen - in erster Linie als Krieger sieht und erst in zweiter Hinsicht als Raumfahrer.

„Erweise dich als würdig, Kommandant Nirat-Son!“, wandte sich der Tugendwächter an mich. Obwohl er kein Tanjaj war und nicht einmal eine militärische oder technische Ausbildung hatte, war er in der Hierarchie an Bord die Nummer zwei. Er rangierte zwar nominell hinter dem Ersten Offizier, faktisch aber vor ihm, denn im Zweifelsfall stand ihm sogar das Recht zu, den Kommandant abzusetzen, wenn er Verfehlungen in Glaubensfragen oder so genanntes unwürdiges Verhalten erkannte. Letzteres war ein sehr weit gespannter Begriff. Er konnte sich auf eine unziemliche Annäherung an eine Eierlegerin während eines Stützpunktaufenthaltes ebenso beziehen wie darauf, dass ein Offizier Sympathien für eine der zahllosen Ketzerbewegungen äußerte, die die Geschichte unseres Imperiums ebenso begleitet haben wie die lange Reihe der von Gott erwählten Stellvertreter, die als Aarriid im Palast von Qatlanor residierten.

[Diese Tugendwächter sind bis heute nirgendwo wirklich beliebt, außer vielleicht unter ihresgleichen. Heute, da wir von einem Ketzer regiert werden, ist ihre Funktion nicht mehr so beherrschend. Sie wurden in ihre Schranken gewiesen, was ich als eine der besseren Maßnahmen der Prediger-Regierung ansehe. Allerdings waren sie wohl als Gruppe zu mächtig, als dass selbst jemand mit der Autorität eines Ron-Nertas es hätte wagen können, sie einfach abzuschaffen. Ich weiß, dass viele Tanjaj sich dies nicht nur insgeheim wünschen, sondern auch konkret darauf hinarbeiteten. Für Tanjaj-Mar, unseren Oberbefehlshaber, sind die Tugendwächter doch nichts anderes als der Priesterschaft hörige Spione. Ich selbst bin in dieser Frage gespalten. Damals, zur Zeit der Schlacht von New Hope, fand ich die Tugendwächter einfach nur lästig, weil sie sich in Entscheidungen einmischten, die meines Erachtens unter rein militärischen Aspekten zu treffen gewesen wären. Und deshalb, weil sie die freie Meinungsäußerung unterdrückten. Aber in einer so existenziellen Situation, wie sie eine militärische Auseinandersetzung nun einmal darstellt, ist man darauf angewiesen, die Wahrheit zu erfahren. Nicht hinter jeder schlechten Nachricht steht auch die Absicht, die Gläubigen zu verunsichern, wie es unter den Tugendwächtern ein weit verbreitetes Vorurteil zu sein scheint. Ein Vorurteil, das durch den Umstand geschürt wird, dass sie weder von den technischen noch den militärischen Aspekten des Flottendienstes mehr als nur eine sehr oberflächliche Kenntnis haben. Sie scheinen anzunehmen, dass die Intensität des Glaubens den Mangel an Wissen und Fähigkeiten wettmachen könne. Aber da irren sie. (Vom Verfasser für die qriidische Fassung entfernt. – Der Übersetzer.)]

9

„Kommandant, wir treten aus dem Zwischenraum aus!“, meldete der Rudergänger. Auf einer Positionsübersicht war zu sehen, wie sich eine Formation von Qriid-Schiffen den gigantischen Feuerspuckern der Menschen entgegenstellte.

Ja, Feuerspucker nannten wir die riesigen Schiffe, für die man bei den Menschen die Bezeichnung Dreadnought verwendet – ein Wort, an dem ich mich lange vergeblich an der Aussprache versuchte. In den Gesichtern meiner Menschen-Offizierskollegen an Bord der STERNENKRIEGER sah ich oft das, was ich schon mal als ‚Lächeln’ beschrieben und erläutert habe. Wie schwierig diese Muskelzuckungen zu verstehen sind, zeigte sich gerade an diesem Beispiel. Zuerst glaubte ich, es sei – wie so häufig – einfach ein Zeichen der Freundlichkeit und der Anteilnahme an meinen Bemühungen, eine Sprache zu lernen, für die meine Schnabel-Physiognomie einfach nicht geeignet war. Allerdings ist mir später in der Rückschau klar geworden, dass es wohl in erster Linie Schadenfreude war, die mit diesem Lächeln ausgedrückt wurde. […] [Nirat-Sons Erläuterungen zum offenbar sehr menschlich geprägten Begriff ‚Schadenfreude’ wurden in der Fassung für das Datennetz der Humanen Welten ausgelassen, da man davon ausgehen kann, dass menschliche Downloader mit diesem Begriff ausreichend vertraut sind. – Der Übersetzer]

Die Riesenschlachtschiffe der Menschen Feuerspucker zu nennen war streng genommen nicht richtig, denn sie spuckten kein Feuer, sondern kleine, nicht einmal klauengroße Projektile, die mit einer so großen Wucht auf ihr Ziel trafen, dass sie es glatt durchschlugen. Allein die Wucht dieses Durchschlags löste im Inneren eines getroffenen Raumschiffs Explosionen aus. Wenn dann noch ein energieerzeugendes System, der Antrieb oder irgendein anderer sensibler Bereich getroffen wurden, blieb oft nicht einmal Zeit, um noch das Schiff zu verlassen.

Hunderttausende von Geschossen spuckten diese riesigen Tötungsmaschinen in jedem Augenblick aus Hunderten von Rohren. In dichter Formation positionierten sich die Menschenschiffe und ihr Feuer hatte etwas von einem der gefürchteten Hagelschauer, wie sie häufig zum Wintereinbruch auf der Nordhalbkugel von Qriidia eintreten.

Manchmal, bei meteorologisch äußerst ungünstigen Bedingungen, wenn starke Luftdruckunterschiede aufeinanderprallen, kann man dieses Phänomen sogar im heiligen Qatlanor erleben.

Die Feinde des Glaubens warten mit dem Beschuss immer so lange, bis ihre mit schlechter Zielerfassung ausgestatteten Geschützbatterien eine hinreichende Trefferwahrscheinlichkeit ausmachten.

So versuchten wir eine Annäherung so lange wie möglich zu vermeiden. Gleichzeitig zogen wir eine weit auseinander gespreizte Kampfformation vor, da dies das Trefferrisiko für die einzelne Schiffseinheit erheblich verringerte. Die Menschenschiffe verfolgten eine genau entgegengesetzte Taktik. Sie bevorzugten den kompakten Verband, der koordiniert das Feuer eröffnete und dann eine Feuerkraft entfaltete, mit der keiner unserer bisherigen Gegner aufzuwarten vermochte.

Schon wurden die ersten Schiffe im Dienst des Heiligen Imperiums von zum Teil gleich mehreren Projektilen zerschlagen. Ohne nennenswerten Widerstand drangen sie durch die Außenhülle. Innerhalb von wenigen Augenblicken platzten Teile der Außenverkleidung ab. Das getroffene Schiff wurde förmlich durch die Explosionen in seinem Inneren auseinander gerissen, nachdem der Treffer des Wuchtgeschosses seinen Durchschlagskanal quer durch das Raumschiff getrieben hatte.

Das Schiff – ebenfalls ein Kreuzer der Bal-Ten-Klasse, wie meine KAMPFKRALLE – verwandelte sich in einen Glutball.

Niemand von denen, die im Augenblick auf der Brücke der KAMPFKRALLE ihren Dienst taten, blieb davon unbeeindruckt. Es waren unsere Kameraden, unsere Brüder im Glaubenskampf, die da bei lebendigem Leib verbrannt waren. Nichts würde von ihnen bleiben. Nicht einmal sterbliche Überreste, die man dem Totenritual überantworten konnte. Ein paar Trümmerteile irrlichterten noch durch das All, glühten kurz auf, ehe sie für immer erloschen. Weltraumschrott, der irgendwann in den Atmosphären der New Hope-Planeten verglühen würde.

„Gott empfange ihre Seelen gnädig“, hörte ich den Tugendwächter sagen, der sich als einziger nicht schockiert zeigte. „Ihr Opfer war die Pflicht ihres Glaubens.“

Es herrschte für Augenblicke eine Stille auf der Brücke, die mir lebhafter in Erinnerung geblieben ist, als so manches Gespräch, das ich zuvor oder seitdem geführt habe.

Niemand wagte es, etwas zu sagen.

Aber jeder von uns – da bin ich mir sicher, dachte sich seinen Teil.

Unpassende Bemerkungen sind sicher nicht das Hauptproblem, dass Tanjaj mit den Tugendwächtern haben. Aber man sollte es auch nicht unterschätzen.

Die Verluste waren sehr schnell sehr hoch, was auch etwas damit zu tun hatte, dass der Befehlshaber unserer Angriffsflotte eine frontale Attacke befohlen hatte. Er hoffte, damit den Erfolg zu erzwingen und die Formation der Feuerspucker auseinander treiben zu können. Wenn das gelang, dann verringerte das die geballte Feuerkraft der anderen Seite erheblich und unsere Chancen, den Feinden des Glaubens endlich das Genick brechen zu können, wuchsen erheblich.

Rechts und links von der KAMPFKRALLE wurden Einheiten durch das geballte Wuchtkanonenfeuer der Menschen-Schiffe zerstört.

Mein Erster Offizier meldete die Verluste brav, so wie es der Dienstvorschrift entsprach. Aber der Tugendwächter hielt ihn an, das zu unterlassen. „Du beabsichtigst es vielleicht nicht, aber du untergräbst den Siegeswillen unserer Brückenmannschaft!“, war er überzeugt.

Die Waffenoffiziere ließen jedoch unverdrossen ihre Traser-Geschütze sprechen. Der Erste Waffenoffizier war erfahren und ein guter Schütze. Für die drei anderen war es die erste Mission in dieser Funktion. Das merkte man ihnen deutlich an. Sie schossen oft verfrüht oder wenn der Abstand zum Ziel noch zu groß war, um ihn mit den kleineren Geschützen überhaupt überwinden zu können.

Plötzlich leuchtete auf dem Panorama-Schirm der KAMPFKRALLE ein Punkt grell auf, der größer wurde und schließlich den gesamten Bildausschnitt des Schirms erfasste. Eine automatische Abblendfunktion sorgte dafür, dass niemand geblendet wurde.

„Treffer!“, meldete der Ortungsoffizier. Sein Name war Ret-Gon. Ich kannte ihn flüchtig seit meiner Ausbildung bei den Tanjaj. Er hatte eigentlich vorgehabt, sich zum Dienst bei den Seraif zu bewerben, war aber nicht angenommen worden, weshalb er nun im regulären Flottendienst seine Aufgabe erfüllte.

Ich hatte ihn nie danach gefragt und es gab in seiner Personaldatei – wie in solchen Fällen üblich – auch keinerlei Bemerkungen darüber. Stattdessen war vermerkt, dass Ret-Gon sich regelmäßig im Tempel habe sehen lassen und sich oft über Stunden der Meditation hingegeben habe. Deshalb sei er besonders für Beförderungen vorzumerken.

Als ob ein Tugendwächter diese Zeilen diktiert hatte, so war mein erster Gedanke gewesen.

Aber für den Dienst bei den Seraif schien er nicht die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt zu haben.

Der permanente Krieg sorgte natürlich dafür, dass in allen Kriegseinheiten Kämpfer fehlten. Die Verluste waren in den letzten Jahren hoch gewesen. Das ermöglichte es, auch in jungen Jahren bereits schnell Karriere zu machen und in relativ verantwortliche Positionen zu kommen, falls man sich nicht krass religionswidrig verhalten hatte.

Aber bei den Seraif schien noch immer ein so großer Andrang zu herrschen, dass es möglich war, Bewerber mit Qualifikationsdefiziten abzuweisen.

Offenbar hatte mein Ortungsoffizier einfach auch das Pech, keine Verwandten zu besitzen, die ihm in dieser Hinsicht vielleicht weiterhelfen konnten.

„Treffer!“, meldete der Ortungsoffizier. „Es ist zwar eine ihrer kleineren Einheiten, aber es dürfte nichts von ihr übrig geblieben sein!“

Ich ließ mir die Daten auf meinem Display anzeigen.

Sehr viel später, als wir mit den Menschen gegen die Etnord verbündet waren und ich als Austauschoffizier auf einem ihrer Schiffe diente, dachte ich oft an diesen Moment zurück - denn das Schiff, das wir getroffen hatten, entstammte der Klasse der sogenannten Leichten Kreuzer. Genau wie die STERNENKRIEGER, auf der ich später dienen sollte. Ich habe später oft darüber nachdenken müssen, durch welche Zufälle oder Fügungen es bedingt ist, dass man sich entweder auf dem einen oder dem anderen Raumschiff befindet, wenn es zur Explosion kommt. Entweder auf dem, das zerrissen wird und seine Besatzung in einer Flammenhölle verglühen lässt oder auf jener Einheit, von der aus geschossen wurde. Sie ähneln sich doch alle in erschreckender Weise. Es scheint Gesetze der Effektivität zu geben, die das scheinbar erzwingen. Die Brücke der KAMPFKRALLE wies mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zur Brücke der STERNENKRIEGER auf.

Nur das Sitzmobiliar war auf der KAMPFKRALLE eindeutig besser an die orthopädischen Bedürfnisse eines Qriid-Körpers angepasst. Allein die nach hinten geknickten Vogelbeine, die dem erwählten Volk nun einmal eigen sind, bedeuten da schon eine gewisse Schwierigkeit.

Meine Güte, wie hat mir manchmal das Gesäß wehgetan, während ich auf der STERNENKRIEGER diente!

[Allerdings wurde mir durch die schnabellosen Feinde des Glaubens keine schlimmere Folter zuteil, sodass in mir kein verzehrender Hass aus dieser Zeit geblieben ist.] [Diese Passage wurde in der qriidischen Fassung gelöscht. Während Nirat-Son selbst am Gebrauch von Ironie und Sarkasmus eine gewisse experimentelle Freude entwickelt zu haben scheint, traut er wohl den qriidischen Downloadern seiner Aufzeichnungen nicht zu, diese Passagen richtig zu verstehen. Umso erstaunlicher erscheint, dass manche der kritischen Passagen über die Tugendwächter stehen blieben. - Der Übersetzer]

10

Es war kurz nach diesem Treffer. Der Tugendwächter hatte sein Dankgebet noch nicht zu Ende gebracht. Da traf uns die Gewalt der Heiden. Gleich drei Treffer meldete der Ortungsoffizier. Explosionen erschütterten das Schiff und ich wurde zu Boden geschleudert.

Das Licht flackerte und verlosch. Ein ohrenbetäubender Lärm ließ meinen Kopf dröhnen. Ich hörte schmerzverzerrtes Krächzen, bis ich feststellte, dass es mein eigener Schnabel war, dem sich diese Laute entrangen.

Bewusstlosigkeit erlöste mich aus dieser Hölle.

11

Als ich erwachte, fand ich mich auf einer Liege wieder. Ich hob den Blick, der noch etwas verschwommen war. Ich befand mich in einem Raum, in dem Dutzende von Verletzten behandelt wurden. Krieger, die von Treffern und Explosionen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Manche so schwer zugerichtet, dass man sie gnädigerweise von ihren Leiden erlöste. Auch das war eine Aufgabe der Tugendwächter. Sie redeten auf den Betreffenden ein, beteten mit ihm, erinnerten ihn an seine Pflichten gegenüber dem Imperium und dass er nicht zu einer Last für die Gläubigen werden dürfe.

Ein Stich mit dem Dorn der Gnade gab ihnen dann den Frieden.

In Ewigkeit.

Dieser Dorn war eine Art Dolch, aber ohne Schneide. Er ähnelte einem spitzen Horn und hatte eine Länge von etwas mehr als vierzig Zentimetern. Eigentlich handelte es sich um Zähne einer Großkatzenart, die jenseits des Gebirges der Heiligen auf Qriidia lebt – beziehungsweise lebte, denn sie ist so gut wie ausgestorben. Früher war es nur erlaubt, Original-Großkatzenzähne zu verwenden. Heute besteht ein Dorn der Gnade mit einer Wahrscheinlichkeit von siebzig Prozent aus einem nachempfundenen Synthetik-Material, nachdem die Priesterschaft entschied, dass die Euthanasie auch damit durchgeführt werden darf, ohne als Frevel angesehen zu werden.

Es gibt ein einzigartiges, knackendes Geräusch, wenn der Tugendwächter den Dorn der Gnade durch den Brustkorb stößt. Ich hörte dieses Geräusch dutzendfach. Vielleicht noch öfter. Und manchmal wache ich auf, schrecke aus dem Schlaf hoch, spüre wie mir das Herz bis zum Hals schlägt und brauche einige Augenblicke, bis ich merke, dass es mein eigener Schnabel war, der auf meinen Brustkorb drückte – und nicht ein Gnadendorn in der Hand eines Tugendwächters.

Einer der Tugendwächter kam auch an mein Lager.

Er wollte mit mir beten.

Ich sah den nur notdürftig gereinigten Gnadendorn an seiner Seite.

„Willst du eine Belastung für die Gemeinschaft der Gläubigen sein oder deinem Herrn ein letztes Mal dienen, indem du ihm die Kraft deiner Seele gibst und ihn eingehst – auf das du Teil der göttlichen Ordnung wirst in Ewigkeit“, murmelte er.

„Nicht den da!“ herrschte der Medo-Offizier den Tugendwächter auf eine Weise an, in der man mit Tugendwächtern normalerweise nicht umging, weil man dann früher oder später eine Denunziation fürchten musste. „Das ist der falsche, den kriegen wir wieder hin.“ Er streckte die Krallenhand aus und deutete auf das nächste Lager. „Den da meine ich.“

12

Ich fragte einen der Medo-Offiziere, wo ich sei und wie ich hier her käme.

Es stellte sich heraus, dass ich mich auf dem Schlachtschiff HEIDENTÖTER befand. Ein Schlachtschiff in der qriidischen Flotte war und ist allerdings zu keiner Zeit mit den Ungetümen der irdische Flotte vergleichbar. Sie sind nicht einmal ein Drittel so groß, dafür aber wendiger. Schließlich konnten unsere Traser-Geschütze gut genug zielen, so dass wir den Feind nicht mit Salven aus Hunderten von Rohren eindecken mussten. Über die Kampfkraft sagt also die Größe nicht unbedingt etwas aus.

„Dein Ortungsoffizier hat dich gerettet. Ihr habt es in ein Beiboot geschafft – zusammen mit ein paar anderen.“

„Dann können wir ja von glücklicher Führung durch den Herrn sprechen“, sagte ich.

„Du kannst davon sprechen. Deine Retter sind alle tot. Das Beiboot kollidierte mit Trümmerteilen. Ein Kühlgastank wurde beschädigt und deine Kameraden sind erstickt.“

„Und warum ich nicht?“

„Das Beiboot war stark überfüllt. Um Platz zu sparen hat man dich – einen bewusstlosen Verletzten – in einen der Raumanzüge gesteckt, die in dem Seitenschrank in den Standard-Shuttles unserer Flotte hängen. Die künstliche Schwerkraft wird abgeschaltet und man hat ein ideales Krankenlager.“

Ich antwortete nur mit einem Schaben der Schnabelhälften gegeneinander.

13

Größere Blessuren trug ich letztlich nicht davon. Zumindest nichts, was meinen künftigen Dienst in der Flotte dauerhaft gefährdet oder ausgeschlossen hätte.

Aber die Schlacht um New Hope ging ohne mich zu Ende.

Die Strategie unserer Führung änderte sich daraufhin. Es gab Pläne, mit den anderen Feinden der Menschheit in Kontakt zu treten. Wie die Kundschafterschiffe des Imperiums herausgefunden hatten, herrschte seit langem ein Kleinkrieg zwischen den menschenähnlichen K'aradan und den sauroiden Fulirr. Beide Seiten versuchten, das Sternenreich der Menschheit, in diesen Konflikt hineinzuziehen. Immer wieder wurden Anstrengungen in dieser Hinsicht unternommen und der Tanjaj-Mar schien den greisen Aarriid zu der Erkenntnis gebracht zu haben, dass das Imperium daraus vielleicht Nutzen schlagen konnte. Unsere ersten Bemühungen, einen Brückenkopf am Rand des Menschen-Reichs zu errichten, schlugen leider fehl. Über die genaueren Umstände weiß ich nichts – aber letztlich war es das Fehlen eines Brückenkopfes, das bisher wohl dafür gesorgt hatte, dass wir militärisch unsere ehrgeizigen Ziele im Kampf mit der Menschheit nicht erreicht hatten.

Als ich zurück in Qatlanor war, versuchte mein Onkel mich erneut dazu zu überreden, den Seraif beizutreten. Aber ich hatte zu viel Verwirrendes erlebt, um die Initiative zu ergreifen und mich zu bewerben.

Davon abgesehen, hatte ich mich als schwach erlebt. Nicht als ein strahlender Kriegsheld, der die Schiffe der Glaubensfeinde im Alleingang besiegt, sondern als jemand, der mit knapper Not dem Tode entkommen war. Ich hätte es damals um keinen Preis zugeben wollen, aber ich war wohl doch tiefer verunsichert, als ich mir das selbst habe eingestehen wollen.

Es mag den einen oder anderen Downloader schockieren, dass ich hier über manche Begleit-Aspekte des permanenten Krieges berichte, die ansonsten gerne im Verborgenen gehalten werden. Menschliche Frauen haben die Angewohnheit, den Betrachter über ihr tatsächliches Alter mit Hilfe von Kosmetika zu täuschen, weil sie sich so ein höheres Maß an sexueller Anziehungskraft erhoffen. Verzichtet ein Menschenweibchen auf diese Hilfsmittel, nennt man sie ungeschminkt – was sprichwörtlich als synonym dafür gilt, die Wahrheit zu präsentieren.

Es ist ein sprachlich sehr schönes Bild, wie ich finde.

Und genauso will ich ungeschminkt über das berichten, was mir widerfuhr und was ich dazu denke. Die Tatsache, dass ich als ruhmreicher Tanjaj anerkannt bin, hilft mir, den sicherlich auftretenden Anfeindungen zu begegnen. Genauso wie die Tatsache, dass ich ursprünglich kein erklärter kriegsmüder Anhänger des Predigers war!

Wiederholt habe ich jedem, der es hören und auch manchem, der es nicht hören wollte gesagt, das ich die Wiederaufnahme des permanenten Krieges für die Verbreitung des Glaubens und der Göttlichen Ordnung als unerlässlich ansehe.

Und doch sollten alle darüber die Wahrheit wissen.

Auch wenn sie schmerzt.

Auch wenn sie mit dem schwer vereinbar ist, was uns erzählt und überliefert wurde.

Auch wenn sie offenbart, dass die siebzehn Heiligen vielleicht Helden gewesen sein mögen, aber die Helden von heute nicht unbedingt Heilige sind.

Einschub: Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung versuchten sowohl Priesterschaft als auch die Organisation der Tugendwächter und der amtierende Tanjaj-Mar die Veröffentlichung zu verhindern. Dem Widerspruch des Predigers Ron-Nertas und der Feindschaft, die all jene erwähnten Gruppen untereinander verbindet, ist es zu verdanken, dass man diese Aufzeichnungen beinahe im gesamten Heiligen Imperium downloaden kann.

Warten wir ab, wie lange das der Fall ist.

14

In Qatlanor wurde ich Zeuge einer Prozession, die sich durch die Straße dahinschleppte. Der greise Aarriid wurde auf einer Sänfte getragen und mindestens zwei Millionen Gläubige waren auf den Beinen, um einen Blick auf ihn zu erhaschen. Die Luft war erfüllt von Liedern und Gebeten.

160 Jahre war dieser Aarriid schon am Leben. Er war älter geworden als fast jeder andere Qriid in den vergangenen zehntausend Jahren. Seine bisherige Lebensspanne überschritt das normale Maß um ein Viertel. Viele sagten, dass es die Kraft Gottes war, die ihn so lange am Leben ließ, bis der permanente Krieg zumindest für eine Weile unterbrochen werden konnte. Aber wie wäre das möglich gewesen, solange unser schlimmster Feind sich nicht ergeben hatte?

Wie hätte das sein können, solange die gigantischen Mordsmaschinen der Erdensöhne uns bedrohten und eine stete Verhöhnung der göttlichen Ordnung zu sein schienen? Wie hätten wir es diesen Barbaren gestatten können, dass auf den Tod eines Aarriid regelmäßig folgende Interregnum auszunutzen, während dessen der Heilige Krieg stets unterbrochen wurde?

Also war der Aarriid zum Leben verdammt.

Er war kaum noch in der Lage den Kopf alleine zu heben, wenn man ihn durch die Straßen trug. Seine Augen waren die meiste Zeit über geschlossen. Die Haut war ledern und faltig und wirkte wie ein zu groß geschnittenes Gewand. Denn das Innere war langst dahingeschwunden. Seine Muskeln, das Fett – all das hatte er im Laufe der Zeit verloren. Es hieß, dass er kaum noch aß und manchmal tagelang in tiefer spiritueller Versenkung verbrachte.

Die Führung des Imperiums lag faktisch in den Händen der obersten Tanjaj und der Priesterschaft.

Beide Gruppen buhlten bereits um die Macht, als hätte das Interregnum bis zum Einsetzen eines neuen Aarriid längst begonnen.

Solange der Krieg andauerte, war der militärische Oberbefehlshaber dabei natürlich im Vorteil. Er traf faktisch die alltäglichen Entscheidungen.

Und jedem, der die Bilder des hinfälligen Aarriid noch in der Erinnerung bewahrt, wird klar, weshalb das Heilige Imperium so große Anstrengungen unternahm, die Menschheit schneller niederzukämpfen, als es unseren Fähigkeiten entsprach.

Bevor der Aarriid endgültig die Augen schloss, sollte das Etappenziel des permanenten Krieges erreicht sein.

Die Menschheit musste bis dahin unterworfen und ihr industrielles Potenzial dem heiligen Krieg zugeführt werden.

Danach mochte sich dann eine mehr oder weniger lange Epoche der Konsolidierung anschließen. Eine Phase des Interregnums, in der im Übrigen traditionellerweise die Macht der Priesterschaft wuchs, je länger diese Phase andauerte.

Die Priesterschaft hatte dann nämlich alle Trümpfe in der Hand, denn sie bestimmte den Aarriid – und den Zeitpunkt seiner Einsetzung. Und je weniger Entscheidungen auf militärischer Ebene gefällt werden musst oder mit militärischen Erwägungen begründet werden konnten, desto mehr schmolz die Machtbasis des Tanjaj dahin.

Ein ewiges Spiel, das sich schon so oft in unserer bewegten Geschichte wiederholte.

15

Der Tanjaj-Mar empfing mich einige Zeit später persönlich.

Das war etwas sehr Ungewöhnliches. Schließlich war ich nur einfacher Raumschiffkommandant, der im Übrigen nicht nur darauf wartete, dass sein Körper wieder einigermaßen hergestellt und einsatzfähig war, sondern auch ein neues Kommando in Aussicht hatte. Das Schiff, das ich kommandieren sollte war geringfügig größer als die KAMPFKRALLE, hatte hundertfünfzig Mann Besatzung und mehrere sehr variabel einsetzbare Beiboote, die mit Traser-Geschützen ausgerüstet waren und sich hervorragend zur Durchführung von Kommandounternehmungen eigneten.

Allerdings war dieses Schiff noch nicht zur Gänze fertig gestellt, es trug auch noch keinen Namen, aber das war wohl das geringste Problem dabei. Unsere Werften arbeiteten auf Hochtouren, aber es war momentan unmöglich, in der Produktion mit der Zahl der durch Feindberührung zerstörten Einheiten mitzuhalten. So kam es immer wieder zu erheblichen Engpässen.

Der Tanjaj-Mar musterte mich mit seinen grauen Augen.

Ich war ihm einmal begegnet – und das war, als ich in der großen Halle der Krieger – direkt neben dem Zentraltempel in Qatlanor gelegen – an der Vereidigungszeremonie für angehende Tanjaj teilnahm. Er vertrat damals im Grunde genommen den Aarriid, der wohl gesundheitlich nicht in der Lage gewesen war, an dieser Feier teilzunehmen.

Doch da hatte ich ihn nur aus weiter Ferne gesehen.

Allerdings war sowohl die Anwesenheit des Aarriid als auch jene des Tanjaj-Mar bei der Vereidigung eine Ausnahme, die nur wenigen Privilegierten zuteil wurde. Wahrscheinlich hatte es mit den Verdiensten meines Vaters oder meines Großvaters zu tun. Vielleicht auch damit, dass Feran-San ein Seraif war und im Allgemeinen auch für die Angehörigen dieser Eliteeinheit gewisse Vergünstigungen galten. Offiziell wurde das natürlich stets bestritten, aber jeder wusste, dass es so war. Nicht einmal die Tugendwächter versuchten das zu leugnen.

Jetzt stand ich dem Tanjaj-Mar, dem Oberbefehlshaber der ruhmreichen Glaubenskrieger des Heiligen Imperiums, von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Er empfing mich in seinem Arbeitszimmer.

„Ich habe viel von dir gehört, Nirat-Son“, sagte er.

Ich verneigte den Kopf so tief, dass der Schnabel beinahe mein Brustbein berührte.

„Ich fühle mich tief geehrt“, sagte ich.

„Du kommst aus einer guten Familie.“

„Es freut mich, dass dies anerkannt wird!“

„Das wird es! Dein Onkel zeigte bei den Seraif besonderen Glaubenseifer und hat dich zur Aufnahme in diese Einheit vorgeschlagen.“

Ich öffnete den Schnabel, vergaß ihn für ein paar Augenblicke wieder zu schließen und brachte dann nichts weiter als ein heiseres Krächzen hervor. So hatte Feran-San also Tatsachen geschaffen!, ging es mir durch den Kopf. Aber vielleicht war es gar nicht so schlecht. Hatte sich nicht zumindest eine Hälfte von mir immer danach gesehnt, etwas Besonderes zu sein? Etwas Besonderes zu vollbringen? Gott besonders zu dienen?

Ach, Eitelkeit und tiefe Frömmigkeit liegen doch manchmal so dicht nebeneinander, dass es mir bei dem Gedanken daran schaudert.

Im Übrigen wusste ich, dass ich ohnehin keine Wahl hatte.

Ich musste tun, was man mir befahl.

Die Worte des Tugendwächters mit dem Gnadendorn gingen mir durch den Kopf und wiederholten sich dort in einer Art Endlosschleife. „Willst du eine Belastung für die Gemeinschaft der Gläubigen sein oder deinem Herrn ein letztes Mal dienen?“

Ich hatte nicht mehr die Herrschaft über meine Gedanken und ich konnte nur hoffen, dass es wirklich eine göttliche Macht war, die von ihnen Besitz ergriffen hatte.

„Ich will dir etwas erklären“, sagte der Mar Tanjaj mit leiser, fast krächzfreier Stimme. Er trat nahe an mich heran und legte mir eine Krallenhand auf die Schulter, was wohl ermutigend wirken sollte. In Wahrheit wirkte es jedoch nur einschüchternd. Ich hielt die Luft an.

Ziemlich lange.

„Bevor du zu den Seraif gehst, solltest du dich als würdig erweisen. Dein Schiff ist bald fertig. Dann wirst du auf eine Mission geschickt.“

„Eine Mission?“

„Wir müssen unsere Kräfte für den nächsten Schlag sammeln und du solltest dabei helfen dies vorzubereiten. Das System, das ich meine, liegt mitten im Sternenreich der Menschheit. 14 Lichtjahre von ihrer Urheimat entfernt. Die Katalognummer habe ich vergessen. Aber dort wirst du eingesetzt werden.“

Dann übergab er mir einen Datenträger.

„Was ist das?“, fragte ich.

„Der Bericht deines Großvaters, der denselben Namen trug wie du. Er unternahm vor einem Jahrhundert einen geheimen Kundschafterflug in dieselbe Region und vielleicht sind dir diese Aufzeichnungen von Nutzen… Außerdem enthält der Datenträger natürlich die Befehlsdateien mit geheimen Informationen.“

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Meinen Eigroßvater hatte ich nicht mehr kennen gelernt. Er war zuvor in einer Schlacht gegen irgendwelche spinnenartigen Feinde des Glaubens ums Leben gekommen. In so fern war es auch auf persönlicher Ebene sehr berührend, die Daten abzurufen.

Sie unterliegen heute nicht mehr der Geheimhaltung. Mit dem Feind von damals sind wir verbündet.

Noch.

Das System, das mein Großvater mit seinem Kundschafterflug ansteuerte, wird von den Menschen Tau Ceti genannt.

14 Lichtjahre von der Erde entfernt.

Mitten im Territorium der Humanen Welten.

Ein guter Ansatzpunkt, um der Menschheit militärisch den Gnadendorn-Stoß zu geben.

Zweites Kapitel: Anschlag im Tau Ceti System

Seltsam, den Jahreswechsel nicht auf der Erde oder wenigstens im Sol-System zu verbringen!, dachte Commander Willard Reilly. Aber sollte der Captain eines Raumschiffs wirklich so empfinden? Schließlich war es ein integraler Bestandteil des Dienstes im Space Army Corps der Humanen Welten, dass man große, vor noch gar nicht so langer Zeit, schier unüberwindbare Distanzen überbrückte. Eine Kugel mit einem Radius von 50 Lichtjahren rund um Sol beanspruchte das Sternenreich der Menschheit für sich. Hier und da ging sein Einfluss auch leicht darüber hinaus, aber die Welten innerhalb dieser Raumkugel betrachteten die Menschen in gewisser Weise als ihren Besitz. Und dass, obwohl es auch innerhalb dieses Radius Systeme gab, die aber niemand bisher besonders zur Kenntnis genommen hatte und auf denen es allenfalls ein paar Stationen gab. Auch wenn der Nachthimmel auf jedem beliebigen Planeten, dessen atmosphärische Bedingungen es zuließen, ihn anzusehen, den Eindruck erweckte, als sei das Universum ein Ort voller Materie, so war die Wahrheit selbst im Zentralbereich einer Galaxis doch eine ganz andere.

Das All bestand zum größten Teil aus gar nichts.

Reilly blicke auf den Panorama-Schirm des Orbiters. Im Vordergrund war der zylinderförmige Schiffskörper des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER zu sehen. Majestätisch groß im Vergleich zum Orbiter, aber nur ein Winzling gegen die CONSTITUTION, ein Schlachtschiff der Dreadnought-Klasse, das zur selben Zeit ebenfalls im Orbit von Tau Ceti III schwebte und gerade im Begriff war an die Werfstation TCSP anzudocken. Letzteres war die Abkürzung für Tau Ceti Spacedock. Die Station war nicht in die Nummerierung der anderen Spacedock-Stationen des Space Army Corps integriert, weil sie tatsächlich schon sehr viel älter war als das Space Army Corps und auch unabhängig davon errichtet wurde.

Die ersten Siedler hatten Tau Ceti, diesen etwa 14 Lichtjahre entfernten Zwilling der irdischen Sonne – bereits vor mehr als einem Jahrhundert erreicht – in lächerlich langsamen Schiffen. Inzwischen waren die Tau Ceti-Kolonien neben Wega, Sirius, Procyon, New Hope, sowie den Drei Systemen der Genetics zu einem der bedeutendsten Siedlungszentren der Humanen Welten geworden. Vier Planeten und sechs Monde lagen innerhalb der Lebenszone von Tau Ceti und boten für menschliche Siedler Lebensbedingungen, die von hervorragend bis erträglich reichten.

Der Grund dafür, dass Commander Reilly mit dem Leichten Kreuzer STERNENKRIEGER hier her geflogen war, lag darin, dass nach den zum Teil desaströsen Kämpfen, die das Space Army Corps in den letzen Monaten und Jahren hatte bestehen müssen, ein Großteil der Schiffe dringen instandsetzungsbedürftig waren. Die Werften des Sol-Systems waren allesamt zu über hundert Prozent ausgelastet, obwohl bereits private Kapazitäten beschlagnahmt worden waren.

Daher mussten die reparaturbedürftigen Einheiten im gesamten Bundesterritorium der Humanen Welten verteilt werden.

Außer Commander Reilly befanden sich noch der Shuttle-Pilot Moss Triffler, sowie die leitende Ingenieurin Lieutenant Catherine White und der Waffenoffizier Lieutenant Chip Barus in dem Shuttle, das extrem manövrierfähig war. Diese Orbiter wurden vom Tau Ceti Spacedock zur Verfügung gestellt, um Qualitätskontrollen von Außenarbeiten an den Schiffen durchführen zu können.

„Stellen Sie eine Funkverbindung zu Soldo her“, verlangte Reilly.

„Aye, aye, Sir“, murmelte Triffler. „Kanal ist offen.“

„Hier Soldo“, meldete sich der Erste Offizier der STERNENKRIEGER von der Brücke aus. Gesicht und Oberkörper waren auf einem Nebenbildschirm zu sehen. Sein von blondem Haar umrahmtes Gesicht wirkte sehr hell. Die Augenbrauen waren kaum zu sehen. Die strahlend blauen Augen traten dafür umso mehr hervor. Seit einiger Zeit experimentierte er damit, sich einen Bart stehen zu lassen, aber im Moment war er wieder glatt rasiert.

Reilly musste darüber schmunzeln. Er wird schon noch irgendwann Konturen in seiner Persönlichkeit entwickeln, die völlig unabhängig von solchen Äußerlichkeiten wirken!, ging es dem Commander durch den Kopf.

„Alles bereit, I.O.?“, fragte Reilly.

Soldo nickte. „Alles bereit“, bestätigte er.

Reilly wandte sich an Barus.

„Ich schlage vor, Sie übernehmen jetzt die Regie.“

„In Ordnung.“ Chip Barus blickte auf das Kontrolldisplay seiner Konsole. „Ich empfange den Signalstrom.“

„Dann werde ich jetzt die Geschütze ausfahren!“, sagte Soldo. Er grinste. „Erinnert mich an die Zeit, als ich selbst noch Waffenoffizier war“, meinte er.

„Dann will ich hoffen, dass Sie nichts verlernt haben“, sagte Reilly.

Auf dem Hauptschirm war zu sehen, wie sich die Verschlussklappen öffneten und die Außengeschütze ausgefahren wurden. Der ganze Vorgang dauerte nur Sekunden und Soldo meldete Gefechtsfähigkeit.

„Kann ich nur bestätigen“, gab Barus zurück. „Wiederholen Sie den Vorgang bitte, sobald ich das Signal gebe.“

„In Ordnung, Barus.“

Barus nahm ein paar Schaltungen an seiner Konsole vor.

„Stimmt etwas nicht“, wollte Lieutenant Catherine White wissen. Die kleine, etwas mollige und sehr weiblich wirkende Leitende Ingenieurin hob die Augenbrauen und blickte auf Barus’ Display.

„Ich weiß noch nicht. Ich würde mir gerne Geschütz 27 noch einmal aus der Nähe ansehen.

De Zoom des Hauptschirms veränderte sich.

Barus sorgte dafür, dass die Mündung von Geschütz 27 aus der Nähe zu sehen war.

„Sie nehmen eine optische Strukturanalyse vor?“, wunderte sich Catherine White.

Barus nickte. „Ja.“

„Aber es gibt keine Anzeichen für eine Materialschwäche…“

„Es gab aber geringfügige Abweichungen bei den Oberflächenwerten. Und da wir in unserem letzten Gefecht in dieser Region einen schweren Treffer hinnehmen mussten, sagt mir mein Instinkt, dass man da genauer hinsehen muss.“

Reilly begrüßte es, dass Barus diese Dinge sehr genau nahm. Geringfügige Materialfehler konnten Katastrophen nach sich ziehen. Schließlich wurde ein Schiff wie die STERNENKRIEGER nicht nur im Gefecht, sondern schon während ganz normaler Raummanöver erheblichen Belastungen ausgesetzt.

In diesem Augenblick schrillte Commander Reillys Armbandkommunikator. Aber es war keineswegs einer jener vertrauten Summtöne, die nichts anderes anzeigten, als dass jemand ein Gespräch wünschte. Vielmehr schrillte der Lautsprecher so durchdringend, dass für eine Sekunde alles andere übertönt wurde. Ein Geräusch, das so eindringlich war, dass es einen garantiert aus allem, womit man sich bis dahin beschäftigt haben mochte, herausriss. Ganz gleich, was auch immer es gewesen sein mochte.

Barus, White und Triffler empfingen denselben Alarmton, sodass er sich durch den gleichzeitigen Empfang auf mehreren Geräten in seiner Wirkung noch potenzierte.

Reilly blickte auf das Display.

Ein Alpha-Alarm!, durchfuhr es ihn. Der wurde nur gegeben, wenn eine absolut erstrangige Bedrohung aufgetaucht war. Reilly fragte sich, wie das möglich war.

Natürlich wäre es theoretisch möglich gewesen, dass qriidische Kampfverbände überall innerhalb der Humanen Welten zuschlugen. Während des Zwischenraumfluges waren sie weder zu orten noch daran zu hindern, ihr Ziel anzusteuern. Erst wenn sie den Zwischenraum dann wieder verließen und ins Einstein-Universum eingetaucht waren, war es möglich, sie überhaupt zu orten und anschließend militärisch zu bekämpfen.

Reilly stellte eine Verbindung zu seinem Ersten Offizier auf der STERNENKRIEGER her.

„I.O., was ist da los?“, fragte er.

„Keine Ahnung, Sir. Der Alarm wurde vom militärischen System des Oberkommandos in Second Earth City ausgelöst! Es gibt noch keine weiteren Daten dazu.“

Lieutenant Commander Thorbjörn Soldo zögerte. Auf dem Display war zu sehen, wie sich sein Kopf nach links wandte. Offenbar wurde seine Aufmerksamkeit von jemandem oder etwas in Beschlag genommen, dass im Bildausschnitt nicht zu sehen war.

„Fähnrich Sakur hat gerade eine qriidische Signatur geortet!“, stellte Soldo dann fest.

„Positionsdaten?“, verlangte Reilly.

„Sind bei Ihnen!“

Die Finger von Moss Triffler schnellten über die Sensorfelder seiner Steuerkonsole. Er wirkte hochkonzentriert dabei. Ein Teil des Panorama-Schirms zeigte jetzt nicht mehr die imponierende Außenansicht der am TAU CETI SPACEDOCK festgemachten Raumschiffe unterschiedlichster Größe, sondern eine Positionsübersicht.

Die TCSP selbst war darauf ebenso zu sehen alle anderen im Orbit Second Earth befindlichen Objekte – darunter Dutzende kleinerer Raumboote der lokalen Verteidigungskräfte des Tau Ceti-Systems und vier große Raumforts.